Donnerstag, 28. März 2024

Gib dir ’nen Ruck! – Praxistipps zum Fasten (und Feiern) im Advent

VonKatholisch ohne Furcht und Tadel

Der Advent ist heutzutage zur Vorweihnachtszeit oder gar Weihnachtszeit verkommen. Eigentlich ist er aber eine zutiefst eigene liturgische Zeit, mit einem Gepräge, das es sonst im Kirchenjahr nicht gibt. Wir erwarten nicht nur die Geburt des Jesuskindes, wir erwarten Jesu Wiederkunft am Ende der Zeit. In diesem Sehnen vereinen wir uns mit dem Alten Testament und seiner Sehnsucht nach dem Erlöser. So sind es zentrale Worte des Alten Testaments: „Tauet, ihr Himmel, den Gerechten“ (nach Jes, 45,8), um die sich der Advent zentriert. Diese Erwartung, Sehnsucht, das Bewusstsein des eigenen Zustandes im Tränental, der Bußruf Johannes‘ des Täufers, geben dem Advent etwas Hartes, Herbes; was, verbunden mit dem biedermeierlich-bürgerlichen Wonneadvent eine irgendwie absurde aber auch wunderschöne Verbindung eingehen kann.

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Foto: Christoph Matthias Hagen, Innsbruck

In der Erwartung des Heilands ist nur eine Haltung angebracht: Die des Wachens und Betens. Das ist im Advent auch ganz besonders stimmungsvoll und schön, weil in der dunklen Jahreszeit nichts so sehr berührt wie z.B. die Kerzen in einer frühmorgendlichen Roratemesse und wie überhaupt das Licht, in dem wir ein Bild für Christus und das Heil erblicken. Eigentlich ist diese Zeit, ihrem Buß- und Vorbereitungscharakter gemäß, Fastenzeit. So wird es in der orthodoxen Kirche immer noch gehandhabt, als 40-tägiges Fasten. Dies erklärt übrigens auch, wieso wir an St. Martin so viele Bräuche um aufwendiges Essen und Süßes haben: Danach beginnt die Fastenzeit, wenn man bis Weihnachten 40 Tage fasten will. Seit 1917 ist den Katholiken das adventliche Fasten nicht mehr vorgeschrieben, aber nirgends steht, dass man Gutes lassen soll, nur, weil es nicht verlangt wird. Wer fastet, der legt die Energie, die er nicht ins Essen und in den Genuss legt, in etwas anderes: In die Umkehr, ins Gebet, in die tätige Nächstenliebe etc. In diesem Fall legt man auch noch ein gar nicht geringes Zeichen ab, denn während alle Welt Weihnachtskekse in sich hineinschaufelt, übt man sich im Warten, in der Geduld, in der Enthaltsamkeit. Und Vorfreude ist tatsächlich die schönste Freude: Wer erlebt, wie gut das erste Plätzchen schmeckt, wenn man es nach der Vesper des Heiligen Abends isst, oder wie man das Fastenbrechen nach der Christvesper so richtig zelebriert, der wird schnell merken, dass Freude und Genuss viel intensiver und bereichernder sind, wenn man sich durch Verzicht ein wenig darauf vorbereitet.

Nun ist es natürlich etwas weltfremd, zu fordern, man solle die Adventszeit so begehen, wie die (große) Fastenzeit – nicht, dass es nicht ginge, es geht sogar sehr gut, aber was soll’s. In der Fasten- und Passionszeit liegt der Akzent ja sehr stark auf der Trauer angesichts der Leiden Christi, hier aber ist es die Umkehr, die wir vor allem freudig antreten, weil wir gewiss sind, dass Christus geboren ist und in unserer Seele geboren werden will. Wir bereiten uns auf diese Geburt vor. Allerdings – unsere ältesten Adventslieder haben durchaus auch das Leiden des Erlösers im Blick, denn er kommt ja, um uns durch sein Leiden und Sterben und durch seine Auferstehung zu erlösen. Meist kommt dieser Zusammenhang aber erst ab Strophe vier oder fünf, und die existieren im Bewusstsein eines guten Katholiken naturgemäß meistens nicht, es sei denn, der Organist der Gemeinde ist derart „pädagogisch“ unterwegs, dass er den Gläubigen auch Liedanweisungen wie „Strophe 1-2 +7“ zumutet, oder so.

Eigentlich plädiere ich ja für die Anpassung der Welt an katholische Verhältnisse: Es ist nämlich so, dass der Winter erst nach Weihnachten so richtig ungemütlich wird. Würde man den Advent als Advent feiern und dann erst mit der Plätzchenoffensive beginnen, könnte man mit der eigentlichen Weihnachtszeit bis Anfang Februar dem Winter ein warmes, lichterfülltes, feierliches Gepränge geben – und dann ist das Schlimmste auch schon ‚rum, Karneval, Fastenzeit und schon winkt das nächste (und eigentliche) liturgische Großereignis des Jahres. Man könnte also die wunderschöne Stimmung viel länger erhalten, und hätte nicht am 24. Dezember schon alles satt (im wahrsten Sinne des Wortes), denn die ganzen Genüsse kämen ja erst. Ich glaube nun nicht, dass man diesem Vorschlag, so vernünftig, klug und richtig er ist, folgen wird, also müssen wir Katholiken damit leben, dass der Rest der Welt eine ganze liturgische Zeit ausfallen lässt. Im evangelischen Bereich gibt es die schöne Aktion „Abwarten und Tee trinken“, die darauf hinweist, dass Advent die Zeit der Erwartung ist, und genau das sollte man tun. Wie aber kann man den Spagat zwischen adventlicher Fastenzeit und Glühweintaumel geistlich erfüllend und sinnvoll bewältigen?

Ich erlebe immer wieder recht verblüfft, dass in einer Zeit, in der Menschen viel Geld mit ausgebufften Ernährungskonzepten verdienen, das einfachste Ernährungskonzept: „Von allem ein bisschen, von nichts zu viel und ab und zu mal Phasen zur Entschlackung“ kaum Anhänger findet. Gar nicht so selten höre ich auch im katholischen Bereich Ablehnendes zum Fasten. Und zwar sowohl im liberalen Lager („So was muss man doch heute nicht, Gott hat doch nix gegen Genuss“…) als auch aus dem konservativen Lager – dort wird Fasten dann eher als lästige, unangenehme Pflicht betrachtet, der man so minimalistisch wie möglich nachkommt, und angesichts der man nach jedem Schlupfloch („fremder Tisch“) sucht, um doch zu schlemmen (zur Klarstellung: Ich habe nix gegen Ausnahmen, Ich bin Kölner. Das ist ein andauernder Ausnahmezustand. Aber ihr wisst schon, was ich meine…)

Dabei muss man dem Menschen von heute in der westlichen Hemisphäre einfach mal sagen: Man kann gar nicht genug fasten. Wir sind nämlich immer und ständig von und mit allem überfüllt. Bevor wir aber nicht leer werden, kann uns Gott nicht füllen. Ich treffe oft Menschen, die unter Fasten verstehen, eine Sache, die sie sich abgewöhnen wollen, für vier oder sieben Wochen abzulegen. Das ist nicht falsch oder schlecht, aber es ist ausbaufähig. Zum einen ist es eine Verkürzung, Fasten als Verzicht auf Überflüssiges zu sehen. Fasten war zuerst immer auch Verzicht auf Notwendiges! Jesus, unser ultimatives Vorbild, hat nicht von Dattelkuchen oder Wachteln gefastet, sondern vom Essen und Trinken. Aha, da ist er ja, der katholische Masochismus. Aber nein! Auf zweierlei Weise nützt uns der Verzicht auf Notwendiges: Wir erleben wieder unmittelbarer, was eigentlich wirklich notwendig ist. Und wir übertragen das leibliche Empfinden auf unseren Geist: Sollten wir zwischenzeitlich geistlich lau geworden sein (Gott behüte!), dann erfahren wir auf körperlicher Ebene, wie notwendig uns eigentlich der ist, der allein und einzig wirklich und wahrhaftig notwendig ist, Gott nämlich. Man muss übrigens gar keine Angst haben, sich zu Tode zu hungern. Tendenziell neigen wir in der instagramisierten Welt zu einem durchgängigen Zuwenig an Herausforderung, sei es geistig oder körperlich. Wir leiden an zu wenig Aktivität, wir bleiben weit unter unseren Möglichkeiten, was wir evolutiv an Fähigkeiten entwickelt haben. Die Gefahr, dass man sich in seinem Fastenvorsatz übernimmt, ist für einen Normalgläubigen relativ gering. Wenn mich z.B. meine veganen Atheistenfreunde fragen, wie ich faste, und ich sage „kein Fleisch, keine Süßigkeiten, keine Milchprodukte“, dann werde ich groß angeschaut, als hätte ich mich gerade zum Hungertod entschlossen. Dabei ist das deren Normaldiät! Mein Bruder hat das mal zum Anlass genommen, mir ein veganes Kochbuch zu schenken – seit dem esse ich in der Fastenzeit eigentlich verboten gut, weil abwechslungs- und einfallsreicher als den Rest des Jahres.

Auch rein körperlich ist ein ordentliches, umsichtiges Fasten eine Entschlackungskur, die es in sich hat, und innerhalb weniger Tage unser Wohlbefinden signifikant erhöht. Ich möchte also wirklich dazu ermuntern und ermutigen, es einfach mal auszuprobieren. Dabei geht es nicht um Höchstleistung à la „höher, schneller, weiter“, sondern um „weniger ist mehr“. Das Bauchgefühl wird einem schon helfen, das richtige Maß zu finden!

Wie kann ich die Adventszeit wirklich mit allen Sinnen erfüllt und geistlich erbauend gestalten und nutzen? Hier ein paar Tipps aus der Praxis! Einfach mal ausprobieren! Try and error gehört dazu.

1. Kein Rigorismus

Katholizismus ist flexibel und anpassungsfähig. Also richtet man sich diese Zeit so ein, dass die notwendigen und heißgeliebten vorweihnachtlichen Tätigkeiten sinnvoll in die Adventszeit eingebaut werden. Beispiel: Man kann den Sonntag ganz bewusst als Tag des Herrn fastenfrei begehen, nach Herzenslust Kekse in sich hineinstopfen und sich durch die Fressstände des Weihnachts – äh – pardon, Adventsmarktes probieren. Ich persönlich nehme z.B. zusätzlich den kompletten (oder halben) Samstag, der ja nicht umsonst der Vorabend zum Sonntag ist, vom Fasten aus  und habe so immer das ganze Wochenende, um Plätzchen zu backen, Teig zu essen, bis mir schlecht wird, und alles weitere zu tun, was liebgewonnene Tradition seit meiner Kindheit ist.

2. Die richtige „Version“

Fasten kann man auf verschiedene Weise. Traditionell katholisch bedeutet Fasten: Eine volle (sättigende) Mahlzeit am Tag. Traditionell katholisch ohne Modifikation gibt es natürlich nicht. Also: Bei Bedarf kommen bis zu zwei „Stärkungen“ hinzu. Was eine Stärkung ist, musst du selbst einschätzen. Man sieht hier bereits: Das System ist flexibel. Übrigens gilt als „volksfromme“ Faustregel: Mahlzeit ist, was dampft. Aber das ist nur eine Orientierung.

Man kann auch so Fasten, dass man erst ab 12 Uhr überhaupt Nahrung zu sich nimmt. Das finden manche Leute seltsam und übermäßig hart, aber wer, wie ich, zu denen gehört, die sowieso frühstücken eher als Last empfinden, der findet das nicht einmal besonders ambitioniert. An einzelnen ausgewählten Tagen kann man natürlich auch komplett fasten. Das ist allerdings eher für das Trauerfasten an Aschermittwoch oder Karfreitag angebracht, für die adventliche Fastenzeit ist das ein bisschen krass. Aber man kann durchaus am Heiligen Abend bis zur Vesper fasten (oder irgendein besonderes Fastenopfer bringen), wenn man eine Herausforderung braucht????.

3. Worauf fasten?

Am besten funktioniert das Fasten, wenn man einen körperlichen und einen geistlichen Aspekt miteinander vereint. Man kann allein oder mit Priester überlegen, was im leiblichen Bereich sinnvoll ist. Es ist eigentlich immer heilsam, gesund und inspirierend, wenn man auf Fleisch und Schokolade (Süßigkeiten) verzichtet. Gerade letzteres fällt vielen schwer, aber man erlernt neu Achtung vor den Genussmitteln, die wir sonst immer und überall verfügbar haben. Außerdem ist es eine wirkliche Kur für die Geschmacksnerven. Ich weiß noch, dass ich nach den ersten Wochen meiner ersten (fast) komplett zuckerfreien Fastenzeit total geflasht davon war, wie süß Mandeln und Haselnüsse sind – eine Süße, die man gar nicht mehr wahrnehmen kann, vor lauter Zucker- und Schokoladenkonsum. Übrigens finde ich leibliches Fasten auch gerade in der Adventszeit angemessen: Die Herbergssuche von Josef und Maria, die armselige Geburt im Stall – man kann sich durch das Fasten mit den Armen der Welt verbinden, nicht so buchstäblich, wie Gott sich in seiner Menschwerdung und Geburt mit den Armen der Welt verbunden hat, aber doch ansatzweise. Ich weiß z.B. noch, wie geschockt ich als Kind während eines Besuches bei meiner Verwandschaft in Afrika war, denn die Kinder dort hatten nie Süßigkeiten, und eine von meiner Mutter gekaufte Packung Kekse hat unfassbare Freude hervorgerufen. Wenn man vier Wochen lang keine gegessen hat, wird man bemerken, dass man wieder etwas von dieser Wertschätzung und Freude empfindet, und das ist unheimlich viel wert – und ein Zeichen der Solidarität. Wer auf den Adventskalender mit Schokolade einfach nicht verzichten kann, der kann ja diesen als einzige schokoladige Süßigkeit der Adventszeit nehmen – das finde ich persönlich übrigens viel schlimmer als den harten Entzug????.

Ich persönlich schwöre übrigens auf „veganes“ Fasten, wie es in der orthodoxen Kirche üblich ist. Man kann auch staffeln und mit der strengsten Variante, die man sich überlegt hat, erst mit dem Hohen Advent beginnen und davor z.B. einfach nur die Mahlzeiten einschränken. Ich habe das vegane Fasten in der letzten Fastenzeit schleifen lassen und muss im Nachhinein sagen: Schade, hätte sich gelohnt gehabt!

P.S. für die Verzichtsängstlichen: Sonntag ist fastenfrei, und der Advent ist voller schöner Heiligenfeste. Wer sich also nicht zutraut, vier Wochen lang zu fasten, während der Rest Deutschlands schmaust, der kann sich neben den vier Sonntagen noch die Sonnabende, den Andreas-, Barbara- und Nikolaustag, St. Lucia und ich weiß nicht wen noch alles heraussuchen, um das Fasten zu lockern. Als Rheinländerin kann ich sagen: Weniger Strenge geht immer, also ruhig erst einmal einfach ausprobieren und herausfinden, was man kann und schafft!

P.P.S. Übrigens ist es auch ein schöner Ansporn, zu wissen, dass man bei den Weihnachtsessen ohne jede Reue zuschlagen kann, weil man nicht wie die anderen bereits seit vier Wochen Völlerei betreibt – und, dass man keinen Grund hat, nach Weihnachten, wenn es dunkel, kalt und eklig ist, und man sich mit Süßem und Fettigem wärmen will, herumzudiäten????. Catholicism ist wie immer erstaunlich praxistauglich!

P.P.P.S. Und by the way ist der allergrößte Vorteil, dass man als Katholik die wirklich guten Süßigkeiten, wie etwa Lindtschokolade etc. nach Weihnachten zum Spottpreis erstehen kann. Das Fasten ist also auch für den Geldbeutel lohnend!

4. Geistliches Fasten

Man kann sich in der Adventszeit wunderbar eine Andacht suchen, mit der man die Zeit geistlich besonders gestaltet. Man kann z.B. den 25. Dezember als Zieltag der Marienweihe nach Ludwig Maria Grignon wählen und die 33 Tage davor als Vorbereitungszeit nehmen. Das ist allerdings schon eine größere Sache, und man muss entsprechend früh anfangen. Man kann sich auch einfach vornehmen, eine Vierstelstunde früher aufzustehen und in der Heiligen Schrift zu lesen, etwa Jesaja oder andere Verheißungen, bei Kerzenschein und mit Tee. Oder sich ein erbauliches Buch vornehmen. Schön ist, wenn man Freunde hat, die einem einen geistlichen Adventskalender vorbereiten. Es ist sowieso sinnvoll, keinen Schokoladenadventskalender zu kaufen, sondern einen mit Bildern und / oder Texten. Ich z.B. schätze den „Andere Zeiten“-Kalender sehr. Die ökumenische Initiative gibt sich Mühe, das Kirchenjahr in seinen Qualitäten spürbar und erlebbar zu machen. Zwar ist das eine oder andere Mal durchaus etwas dabei, was einen nicht so sehr anspricht, aber viele Impulse habe ich tatsächich aufbewahrt. In der Mischung von Erbaulichem, Besinnlichem, Heiterem und Religiösem ist das ein schöner Rundum-Wohlfühl-Kalender, der übrigens nicht am ersten Dezember, sondern mit dem Vorabend zum ersten Advent beginnt, und auch erst mit Epiphanias / Heilige Drei Könige endet: Ein wirklich christlicher Kalender also.

5. Roratemessen

Früh aufstehen ist uäh? Kann sein. Tu es trotzdem. Es lohnt sich! Gibt dich nicht zufrieden mit der gemainstreamten Roratemesse abends um 18 Uhr. Das ist ein halbseidener Schwindel. Die echte Roratemesse ist die, in die man sich im Dunkeln gequält hat, am besten durch Eis und Schnee, und in der man dann mit dem einmalig warmen Licht der Kerzen empfangen wird, das einem sofort das Herz entzündet und die Augen zum Leuchten bringt. Im Hinblick auf Punkt neun kann man z.B. den wunderschönen gregorianischen „Rorate“-Gesang einstudieren und zu Beginn der Messe singen. Während der Priester die runde Hostie, Christus, unser Licht, die wahre Sonne, erhebt, geht draußen, genauso rund, die Sonne auf, auf die wir ebenfalls gewartet haben, und auf deren Aufgang wir uns freuen. Also: Symbolik nicht verschenken!

6. Kein Stress, kein Geschenkdelirium

Alle reden von Besinnlichkeit, während kaum eine Zeit als stressiger empfunden wird. Hier ist auch ein ganz konkreter Ansatzpunkt für das Fasten: Man kann durchaus von Stress und angeblichen Notwendigkeiten fasten! Uns sollte bewusst sein, dass der gesamte Weihnachtsfestkreis vom konsumorientierten bürgerlichen Gemütlichkeitsfest gekidnappt worden ist. Wir sind katholisch. Ergo subversiv. Ergo counterkulturell. Ergo nonkonform. Wir müssen nicht tun, was alle tun.

7. Adventstraditionen leben

Der Advent ist voller besonderer und schöner Heiligenfeste, die mit Brauchtum verbunden sind: das Fest des Heiligen Andreas, Barbarazweige am Barbaratag, St. Nikolaus, das Fest der Heiligen Lucia als Lichterfest etc. Lasst euch inspirieren von anderen Ländern und Kulturen, schaut, was unser eigenes Brauchtum zu bieten hat, und lasst diese Bräuche leben! Bastelt euch einen Adventskranz am Samstag vor dem ersten Advent! Ein schlichter selbstgemachter Kranz erwärmt das Herz mehr als ein prächtiger gekaufter. Und: Geht zum Priester und lasst ihn segnen! Mit dem Ausleben der Bräuche bekommt man ein Gespür für das Einzigartige dieser Zeit.

8. Fastenspeisen

Die gute Nachricht schlechthin: Keiner muss auf Lebkuchen verzichten, denn das ist eine traditionelle Fastenspeise????. Dies wissend, macht es doch noch mehr Spaß, Elisenlebkuchen selbst zu backen (idiotensicheres und ohne Oblate auch glutenfreies Rezept hier). Auch traditionelles Früchtebrot („Hutzelbrot“) kann man backen und sich damit geschmackvoll den Advent versüßen – macht den Schoko- und Keksverzicht deutlich dankbarer!

9. Singen!

Nichts macht sensibler für das Gepräge des Advent, als die adventlichen Lieder. Es lohnt sich, Weihnachtslieder wirklich erst an Weihnachten zu singen und bis dahin das adventliche Liedgut auszuschöpfen. Trefft euch mich Freunden zum Liedersingen! Wenn man das auf dem Weihnachtsmarkt macht, bekommt man vielleicht sogar einen Glühwein ausgegeben. Aber auch zu Hause bei Kerzen macht ein Adventsliedersingen Spaß.

Übrigens fällt eines auf: Gerade das deutsche Liedgut ist besonders reich in der Tradition der Adventslieder. Während die Engländer mit ihrem traditionellen Carol-Singing besonders viele schöne Weihnachtslieder haben, und die Polen mit ihrer – für mich etwas süßlichen – Wiegenliedtradition sowieso, wurden die Deutschen, als sie noch ein frommes Volk waren, mit ihrem Hang zur Mystik offenbar von der Adventszeit besonders angezogen: Ein Kind, das da ist, ist etwas ziemlich handfest-irdisches, ein Messias, der noch kommen soll dagegen lädt dazu ein, die eigene Seele als Wohnung für ihn einzurichten bzw. als Braut für ihn herzurichten. Viele sehr alte mittelalterliche (und neuzeitliche) Lieder sind stark auf die heilige Schrift bezogene Gesänge. Die Melodien sind in den Kirchentonarten verfasst (meistens dorisch), und klingen deshalb besonders „archaisch“ und ein wenig herb. Diese Lieder sind komplett kitschfrei, und daher für alle geeignet, die bourgeoise Weihnachtsheimeligkeit nicht leiden können oder zumindest nicht vier Wochen lang ertragen.

Hier empfehle ich übrigens dringend die Fassungen des Evangelischen Gesangbuches. Erstens schöner, zweitens urtümlicher (meistens). Zu meinen Favoriten gehört Luthers berühmt-berüchtigte Verdeutschung des Hymnus „Veni redemptor gentium“ (Nun komm, der Heiden Heiland): Liebevoller Spott bezieht sich in lutherischen Kreisen vor allem auf den epochemachenden, lyrisch und rhythmisch extrem gelungenen Reim in der Strophe „Sein Lauf kam vom Vater her / und ging wieder zum Vatér/ Fuhr hinunter zu der Höll/ und wiedér zu Gottes Stuhl.“ Allerdings möchte man das nicht missen, wenn man damit aufgewachsen ist, und die katholische Fassung ist ziemlich langweilig und nichtssagend.

Der Artikel erschien auf: Katholisch ohne Furcht und Tadel

2 Kommentare

  1. Wichtige, gute Gedanken und eine hervorragende Illustration in Form eines vorbildlichen, sogenannten „liturgischen“ Adventkranzes!

    *vgl. die Bildlegende!

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