Donnerstag, 28. März 2024

Fastenimpuls: Mit der Bibel und den Wüstenvätern schlechte Gedanken bekämpfen!

Das schaffe ich nie!“ – „Ich bin doch zu nichts zu gebrauchen!“ – „Keiner mag mich!“: Wie oft reden wir uns mit solchen Sätzen Lustlosigkeit oder (unnötige) Ängste ein. Und stehen uns damit selbst im Weg.

Andere Sätze hingegen, die wir manchmal vor uns hersagen, geben uns Kraft und Energie: „Take it easy!“ –  „Halb so wild!” –  „Davon geht die Welt nicht unter.“ – „Was dich nicht umbringt macht dich stärker.“

Von Stefan Ahrens, Bistum Regensburg

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Lateinischer Wüstenvater und „Vater des abendländischen Mönchtums“: Der hl. Johannes Cassian (360-435). Er brachte die Spiritualität der Wüstenväter ins Abendland und beeinflußte unter anderem die Ordensregel des Hl. Benedikt von Nursia. In dieser ruft Benedikt seine Mönche auf, beständig die Werke Cassians zu lesen.

Sowohl um die negative als auch um die positive Kraft der Gedanken und Einredungen wussten auch schon die frühen Christen. Wie  beispielsweise die Begründer des christlichen Mönchtums: Die „Wüstenväter“, die, nachdem das Christentum im Römischen Reich zur Staatsreligion avancierte, sich für eine besonders radikale Nachfolge Christi entschieden und dafür buchstäblich „in die Wüste gingen“. Ihr biblisch begründetes Wissen um den konstruktiven Umgang mit den eigenen Gedanken weckt heutzutage das Interesse von Psychotherapeuten und sinnsuchenden Menschen gleichermaßen. Ein Impuls zur Fastenzeit.

Wer waren die Wüstenväter?

Die Wüstenväter lebten seit dem späten 3. bis zum 5. Jahrhundert in der sketischen Wüste Ägyptens.  Sie führten dort entweder als Einsiedler oder mit anderen in Gemeinschaft lebend ein an der Heiligen Schrift orientiertes sowie von den Weisungen von Mönchsvätern wie dem hl. Antonius dem Großen (251-356), dem hl. Makarios dem Großen (300-390) oder dem hl. Pachomios (292-346) inspiriertes Leben.

Die Vorbilder der Wüstenväter waren hierbei Persönlichkeiten wie  Johannes der Täufer, der hl. Paulus sowie Jesus Christus selbst, der, nachdem er die Taufe im Jordan empfangen hatte, zu Beginn seines öffentlichen Wirkens vierzig Tage in der Wüste fastete und dabei den Versuchungen des Satans widerstand. (Mt 4, 1-11, Mk 1,12 f., Lk 4, 1-13).

Um in der unwirtlichen Wüste körperlich und auch geistig überleben zu können (denn manche, die „ihr Glück“ in der Wüste versuchten, bezahlten dieses Unterfangen mit ihrem Leben oder mit ihrer geistigen Gesundheit) führten die Mönche unter Anleitung eines geistlichen Begleiters eine asketische, aber dennoch von Abwechslung geprägte Lebenspraxis: In dieser erhielten Gottesverehrung, Schriftlektüre, Liturgie, Nächstenliebe, (immerwährendes) Gebet, (Psalmen-)Gesang und Arbeit ihr richtiges Maß. Dieses Wissen gaben sie auch an andere Menschen weiter, die sie in der Wüste aufsuchten und um ihren Rat baten.

Der hl. Johannes Cassian (360-435), ein lateinischer Christ, der sich von der Donau aus zu den Wüstenvätern aufmachte, um sich ihnen anzuschließen und später die Spiritualität der Wüstenväter im Abendland bekannt machte, schrieb im Rückblick über diese: „In der ödesten Einsamkeit leben sie, fernab von jeder Begegnung mit Menschen. Dadurch im Besitz erleuchteter Sinne betrachten und reden sie, was den Unerfahrenen und nicht Eingeweihten entsprechend ihren Voraussetzungen und der Mittelmäßigkeit ihres Lebenswandels vielleicht unmöglich erscheinen wird.“ (Collationes Patrum Teil 1, Prolog -> siehe Literaturliste)

Über Gedanken und Dämonen

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Er widmete sich in seinem „Antirrhetikos“ dem Umgang mit den schlechten Gedanken: Der Wüstenvater und christliche Psychologe Evagrius Ponticus (345-399)

Um die von Johannes Cassian beschriebenen „erleuchteten Sinne“ zu erhalten, setzten sich die Wüstenväter offensiv mit den eigenen Gedanken, Sünden und Dämonen auseinander. Denn gerade die Existenz letzterer – vor allem in der Wüste – war für die Wüstenväter (nicht nur mit Blick auf die Versuchung Jesu, sondern aufgrund eigener Erfahrungen) eine Tatsache und so bestand nicht nur eine große Notwendigkeit, sich diesen zu stellen, sondern –durch ein geübtes geistliches Training – gegen diese sogar in die Offensive zu gehen.

Der Weg der ehrlichen und gleichzeitig aufrichtigen Selbstanalyse diente jedoch nicht nur dem Dämonenkampf, sondern hatte laut Cassian noch eine tiefere Bedeutung: Entsprechend der sechsten Seligpreisung Jesu („Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.“ (Mt 5,8)) verfolgten die Wüstenväter zwei Ziele – und zwar ein nahes und ein fernes: Nämlich in diesem Leben die durch persönliche Umkehr und die Übernahme der monastischen Lebenspraxis zu erzielende „Reinheit des Herzens“ (puritas cordis), die schließlich als notwendige Vorstufe dazu dienen soll, nach dem Tod dem Mönch die Schau Gottes zu ermöglichen. Doch um diese beiden Ziele zu erreichen musste sich zunächst dem Wirken der Dämonen entgegengestellt werden.

Das Wirken der Dämonen geschieht aus Sicht der Wüstenväter fast ausschließlich in Form von Versuchungen, Einflüsterungen und schlechten Gedanken. Meist handelt es sich bei diesen um Entmutigungen (beispielsweise dem Mönchsleben den Rücken zu kehren), der Entfachung von Leidenschaften (wie im Verlangen nach Völlerei, sexuellen Fantasien oder  Machtstreben) oder – was ganz perfide ist – um spirituelle Hybris (wie zum Beispiel einem Mönch einzureden, dass dieser der frommste und gläubigste unter allen werden und auf die anderen herabschauen solle). Wer diesen Einredungen auf lange Sicht nachgab, musste damit rechnen, geistlich und auch körperlich zu verelenden. Diesen gedanklichen Fallstricken der Dämonen musste also Einhalt geboten werden.

Evagrius Ponticus: Gegen schlechte Gedanken das passende Bibelzitat finden

Einer der Meister in dieser Disziplin der Auseinandersetzung mit den eigenen Gedanken und Dämonen war der Wüstenvater Evagrius Ponticus (345-399), ein Schüler des hl. Basilius von Cäsarea sowie des hl. Gregor von Nazianz. Evagrius systematisierte zunächst in seinem Buch „Über die acht Gedanken“ (siehe Literaturliste) die verschiedenen Formen von Lastern in acht Hauptkategorien: gastrimargía (Gaumenlust), porneía (Unzucht), philarguría (Geldgier), lúpe (Traurigkeit), orgé (Zorn), akedía(Trägheit), kenodoxía (Ruhmsucht)und huperephanía (Stolz). Dieses Lasterschema wurde von  Johannes Cassian übernommen und damit dem lateinischen Westen überliefert – der hl. Papst Gregor der Große entwickelte hieraus im 6. Jahrhundert die bekannten „sieben Hauptsünden“.

In seinem Buch „Die große Widerrede. Antirrhetikos“ (siehe Literaturliste) schließlich listet Evagrius – unterteilt nach dem von ihm erstellten Lasterkatalog – häufig aufkommende negative Gedanken auf – und nennt gleichzeitig zu jedem negativen Gedanken ein Bibelzitat, welches in Form eines Stoßgebetes aufgesagt werden kann um den schlechten Gedanken durch einen guten zu ersetzen. Evagrius beruft sich bei dieser „antirrhetischen Methode“ auf Jesus Christus selbst, der den Versuchungen Satans auch mit Zitaten aus der Heiligen Schrift entgegentrat und diesen schließlich dazu brachte von ihm abzulassen.

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Der Benediktinerpater Anselm Grün beschäftigt sich bereits seit Jahrzehnten mit der Spiritualität der Wüstenväter und ist daran interessiert, deren Denken für die heutige Zeit erneut fruchtbar zu machen – sein Buch „Der Himmel beginnt in dir. Das Wissen der Wüstenväter für heute“ (siehe Literaturliste) gilt hierbei als ein Standardwerk.

In einem weiteren Buch „Die spirituelle Hausapotheke für alle Fälle (Münsterschwarzach 2013) hat sich Anselm Grün auch der „antirrhetischen Methode“ des Evagrius Ponticus angenommen – und dessen Buch über „Die große Widerrede“ in die heutige Sprache übersetzt. Er listet viele der Gedanken von Evagrius Ponticus inklusive der von ihm herausgesuchten Bibelzitate auf und kommentiert diese für den zeitgenössischen Leser auf kurzweilige Art und Weise. Wer Anselm Grüns „Spirituelle Hausapotheke“ liest, wird so die Intention des Benediktinerpaters, feststellen, dass „unsere Gedanken gar nicht so weit entfernt sind von den Gedanken, die Evagrius anführt… Verurteilen Sie sich nicht wegen dieser Gedanken, bewerten sie sie nicht, sondern setzen sie einfach mit Gelassenheit, Humor und Vertrauen die Worte dagegen, die Evagrius Ihnen rät. Dann werden Sie erfahren, dass auch ihr Denken sich verwandelt – und mit Ihrem Denken auch Ihr Fühlen und Ihre Selbstwahrnehmung.“ (S. 10 ff.)

Die Auseinandersetzung mit der Spiritualität der Wüstenväter zeigt, dass das Christentum keine lebensferne und abstrakte Religion ist, sondern dass man mit der Bibel in der Hand sogar in einer lebensfeindlichen Umgebung wie der sketischen Wüste sowohl körperlich als auch geistlich überleben konnte. Warum sollte dieses in unseren Wüsten des Alltags anders sein? Probieren Sie es einfach einmal aus!

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Paolo Uccello, Episoden aus dem eremitischen Leben (1460)

Wüstenväter-Literatur – eine Auswahl

1)      Weitere Bücher von Anselm Grün über die Wüstenväter

  • Einreden. Der Umgang mit den Gedanken, Münsterschwarzach 2001
  • Der Umgang mit dem Bösen. Der Dämonenkampf im Alten Mönchtum, Münsterschwarzach 2001
  • Geistliche Begleitung bei den Wüstenvätern, Münsterschwarzach 2006
  • Der Himmel begint in dir. Das Wissen der Wüstenväter für heute, Freiburg i.Br. 2012
  • Reinheit des Herzens. Wege der Gottsuche im alten Mönchtum, Münsterschwarzach 2013
  • Der Weg durch die Wüste. 40 Weisheitssprüche der Wüstenväter, Münsterschwarzach 2015

2)      Weitere Sekundärliteratur (Auswahl)

  • Gabriel Bunge: Akedia. Die geistliche Lehre des Evagrius Pontikos vom Überdruss, Beuron 2009 (Neuauflage im Mai 2017)
  • Michael Cornelius: Die Weisheit der Wüstenmönche. Von der Kunst, das Leben zu meistern, München 2005
  • Peter H. Görg: Die Wüstenväter – Antonius und die Anfänge des MönchtumsAugsburg 2008
  • Antoine Guillaumont: An den Wurzeln des Mönchtums. Aufsätze, Beuron 2007
  • Daniel Hell: Die Sprache der Seele verstehen. Die Wüstenväter als Therapeuten, Freiburg im Breisgau, 6. Auflage, 2005
  • Fairy von Lilienfeld: Spiritualität des frühen MönchtumsErlangen 1988
  • Gertrude und Thomas Sartory: Lebenshilfe aus der Wüste. Die alten Mönchsväter als Therapeuten, Freiburg i.Br. 1992
  • Hans Conrad Zander: Als die Religion noch nicht langweilig war. Die Geschichte der Wüstenväter, Köln 2001
  • Gabriele Ziegler: Frei werden. Der geistliche Weg des Johannes Cassian, Münsterschwarzach 2011

3)      Originalliteratur von Wüstenvätern (Auswahl)

  • Bonifaz Miller (Hrsg.): Weisung der Väter. Apophthegmata Patrum, auch Gerontikon oder Alphabeticum genanntTrier 2002 (Klassische Sammlung mit Lehrsprüchen von bedeutenden Wüstenvätern)
  • Athanasius von Alexandrien: Vita Antonii, Graz 1987 (Berühmte Hagiographie des griechischen Kirchenvaters Athanasius von Alexandrien über den Mönchsvater Antonius den Großen)
  • Johannes Cassian: Unterredungen mit den Vätern – Collationes Patrum, Teil 1. Collationes I–X, Münsterschwarzach 2011
  • Johannes Cassian: Unterredungen mit den Vätern – Collationes Patrum, Teil 2. Collationes XI-XVII, Münsterschwarzach 2014
  • Johannes Cassian: Unterredungen mit den Vätern – Collationes Patrum, Teil 3. Collationes XVIII – XXIV, Münsterschwarzach 2015
  • Palladius, Jacques Laager (Hrsg.): Historica Lausiaca. Die frühen Heiligen in der Wüste, Zürich 1987
  • Evagrius Ponticus: Über die acht Gedanken, Beuron 2007
  • Evagrius Ponticus, Gabriel Bunge (Hrsg.): Der Praktikos, Beuron 2009
  • Evagrius Ponticus: Über das Gebet. De oratione tractatus, Münsterschwarzach 2011
  • Evagrius Ponticus: Die große Widerrede. Antirrhetikos, Münsterschwarzach 2012
  • Evagrius Ponticus, Gabriel Bunge (Hrsg.): Briefe aus der Wüste, Beuron 2013

Quelle: http://www.bistum-regensburg.de

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