Freitag, 13. Dezember 2024

Das christliche Abendland – eine Fiktion?

Wahlplakat CDU 1946: Rettet die abendländische Kultur… – Allegorie Ecclesia vom Portal des Bamberger Doms mit Kreuzfahne vor kreuzförmigem SED-Symbol | Bild: CDU [CC BY-SA 3.0 de (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

Katholisch.de schlachtet das alte Europa auf dem Altar von Populismus und Relativismus: das Abendland sei nur eine Fiktion. Autor Manfred Becker-Huberti arbeitet dabei nicht nur mit Aussparungen, sondern widerspricht auch der Quellenlage. Unter Ausklammerung großer Teile mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Geschichte gipfelt seine Darstellung in einer offenen Unwahrheit über Adenauers und De Gaulles katholische Ansichten bei der Gründung eines neuen christlichen Europas. Eine Erwiderung.

„Das Abendland gibt es gar nicht“ – eine Floskel, die immer häufiger erschallt. Die Gründe sind politischer Natur. Um einer ungeliebten Gruppierung den Wind aus den Segeln zu nehmen, wird nicht nur ein Begriff, sondern eine ganze Vorstellungswelt stigmatisiert.

So bereits in der FAZ, der Welt und jüngst sogar auf katholisch.de. Letzterer Fall ist umso erschütternder, da Golgatha, Kapitol und Areopag die drei Hügel Europas sind und gerade die katholische Kirche zwei dieser Fundamente schützen sollte, statt sie in der Manier der Frankfurter Schule zu dekonstruieren – nicht zuletzt, weil sie selbst auf diesen fußt.

Stefan_Lochner_-_Last_Judgement_-_circa_1435
Stefan Lochner, Jüngstes Gericht circa 1435. Hier wird klar, dass eben NICHT alle zum auserwählten Volk gehören.

Beginnen wir mit dem ersten Knackpunkt: „Abendland“, was ist das eigentlich? Die romanischen Sprachen nutzen als Entsprechung die Ableitung vom lateinischen occidens, was im Deutschen häufig mit „Westen“ übersetzt wird, aber im Sinne der untergehenden Sonne (Okzident im Gegensatz zu Orient) genau das beschreibt, was das Deutsche meint. „Abendland“ und Europa sind damit in der europäischen Geisteswelt vor den Weltkriegen deckungsgleich. Erst die jüngste Zeit, die „Europa“ zu einem politischen Projekt macht, und den „Westen“ vor allem als transatlantische Entsprechung zum kontinentaleuropäischen Begriff setzt, hat hier einen Bedeutungswandel herbeigeführt. Dies gilt zu beachten, wenn im Nachfolgenden von „Europa“ die Rede ist, das vor 1900 synonym für Abendland verwendet wurde.

Der Verweis von Becker-Huberti darauf, dass das Abendland nicht christlich sei, weil es die Orthodoxie ausschlösse, bildet eine merkwürdige Argumentationslinie – nur, weil das Abendland begriffstechnisch als christlich gilt, schließt dies nicht grundsätzlich aus, dass auch andere Gebiete der Welt christlich sein können. Byzanz hat sich als zweites, rechtmäßiges Rom verstanden, und Moskau anschließend als drittes. Die Stilisierung zur wahren christlichen Macht und rechtmäßigen Verkörperung der Braut Christi ist ja gerade keine Ausnahme, sondern die Regel und bestimmendes Moment einer Welt, die sich genuin christlich, und ihre Angehörigen als auserwähltes Volk ansieht.

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Im Übrigen haben alle Staaten auf europäischem Boden ähnliches getan, von der französischen Monarchie bis hin zur Republik Venedig. Die Reklamation der Nachfolgerschaft Roms und des Ideals einer civitas dei kann der Historiker von den Thronen Spaniens über den Bischofsstuhl Kölns bis in die Gassen Liguriens finden. Gerade dieser Wettbewerb und diese Vielfalt sind es, die Europa sein Gesicht geben. Die Protestanten, allen voran die calvinistischen Niederländer, stehen in derselben Fortsetzungslinie. Der Exklusionsgedanke (Welt gegen Geist, Heiden gegen Christen) findet sich bereits im Neuen Testament und ist – entgegen landläufiger Meinung – historisch betrachtet gerade ein Merkmal des Christentums. Insofern ist auch die Ansicht des Autors, dass die Abgrenzung eines irgendwie gearteten „Wir“ von einem „Nicht-Wir“ gefährlich sei, nicht nur historisch fraglich.

Wirtschaftshistorisch ist auf Max Weber zu verweisen, der bereits vor einem Jahrhundert richtigerweise den Typus der okzidentalischen (!) Stadt sezierte, die es eben nur von der Hansefaktorei Bergen bis zur Republik Dubrovnik, und von Lissabon bis Novgorod anzutreffen ist. Nirgendwo sonst auf der Welt hat sich diese spezifische Lebensart ausgeprägt, mit der unsere europäische Identität einhergeht, und Vorläufer unserer Werte sind: hier erblickte in der Renaissance der Humanismus und das Individuum das Licht der Welt, hier wurde die Marktwirtschaft geboren, hier entwickelte sich der Begriff jener Freiheit, die im Gegensatz zur Unterdrückung steht. Auch das ist keine Fiktion, sondern Basis eines fundierten Studiums zur Geschichte Europas.

Steingeworden ist das Abendland in seinen Kirchen, deren Aussehen divergieren mag; aber obwohl der Dom von Mailand, die Westminster Abbey und der Elisabethdom von Kosice Meilen und Sprachen trennt, sieht man doch hier die Architektur der Gotik durchstechen; bei anderen europäischen Baustilen sieht es ähnlich aus. Die europäische Literatur baut zudem grundlegend auf den antiken Epen und der christlichen Tradition auf.

Der Mailänder Dom - Bild:  © Steffen Schmitz (Carschten) / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0 [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)]
Der Mailänder Dom – Bild:  © Steffen Schmitz (Carschten) / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0 [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)]

Die europäischen Intellektuellen sahen sich seit der Renaissance als eine Gemeinschaft, die Austausch in einer Sprache – zuerst Latein, später Französisch – pflegte. Man muss nur einen Blick auf die Literatur der Renaissance werfen, deren Autoren sich untereinander kannten und einander schrieben. Ähnlich war es übrigens mit dem europäischen Adel, der sich als eine Familie sah. Vermählungen mit Dynastien außerhalb der christlich-abendländischen Welt waren undenkbar – im Übrigen auch ein Symbol für politische (!) Einheit, da es Familien waren, die das Schicksal der Staaten in ihren Händen hatten.

Auch vom Gelehrten Pierre Dubois, der als Schüler Thomas von Aquins bereits im 13. Jahrhundert eine pax christiana konzipierte und einen europäischen Staatenbund vordachte, scheint heute nichts mehr bekannt zu sein – wie aber soll man einen europäischen Staatenbund denken, wenn es angeblich keine Gemeinsamkeiten gab, oder zumindest eine gefühlte, gemeinsame Identität?

Es ist augenfällig, dass in der gesamten Abendland-Argumentation die Epoche der Frühen Neuzeit kaum gestreift wird, außer, um auf die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges zu verweisen – ohne den Westfälischen Frieden, jenen größten Ausdruck europäischer Identität, nur für eine Sekunde zu erwähnen. Vermutlich, weil gerade dieser Frieden Becker-Hubertis Traktat in Schwierigkeiten bringt: im Vertragstext wird nämlich wie immer „ein christlicher, allgemeiner, immerwährender Frieden und wahre und aufrichtige Freundschaft“ verlangt, wie schon in den Vorgängertexten des Mittelalters. Das Abendland identifizierte sich also auch noch in nachreformatorischer Phase als „res publica christiana“, als „christliche Republik“, die nach Kriegen immer einen christlichen Frieden schlossen, nach dem alles vergeben und vergessen sei – ganz im Gegensatz zu den Konflikten seit dem 2. Weltkrieg, bei denen Schuldzuweisungen und die totale Vernichtung des Kriegsgegners das oberste Ziel darstellen.

Wer jetzt einwenden mag, dass diese Beschwörungsfloskeln nur inhaltsleere Parolen seien, dem sei entgegnet, dass die christlichen Staaten des alten Europa mit dem muslimischen Reich der Osmanen nie einen Frieden schlossen, sondern nur Waffenstillstände. Revanchismus war hier die Regel. Selbst bei den sog. „Raubkriegen“ Ludwigs XIV. von Frankreich versuchte man sich zuletzt auf Friedenskongressen gütlich zu einigen, indes der Krieg gegen äußere Mächte eine Frage von Tributzahlung oder Tributforderung war.

Wer noch einen Beweis will: nach dem Spanischen Erbfolgekrieg Anfang des 18. Jahrhunderts, der vielen Historikern der Frühen Neuzeit als „Erster Weltkrieg“ gilt, da er auf allen Kontinenten zwischen den damaligen Großmächten ausgetragen wurde – Spanien, Frankreich, Großbritannien, Österreich und den Niederlanden samt Kolonien in Übersee – kam es zum Utrechter Frieden von 1713. In diesem Friedenstext wird der Begriff „Europa“ wortwörtlich verwendet, um die europäische Staatenwelt zu benennen. Europa, das ist der occidens, das ist das Abendland, das angeblich nur „unfundierte Fiktion“ ist – allerdings das selbst wohl etwas anders sah.

Noch ein letztes Wort zu Adenauer: zu behaupten, die Abendlandkonzeption der 50er sei „entchristlicht“ worden, um sie bürgerlich-konservativen Kreisen schmackhaft zu machen, entbehrt jedweder Grundlage. Es war genau andersherum: das Abendland De Gaulles und Adenauers war dezidiert christlich, ja, sogar „katholisch“. Beide waren tiefgläubige und praktizierende Katholiken, die gerade über diese Idee des christlichen Abendlandes erst eine gemeinsame Freundschaft begründeten. Die Symbolgesten, wie in der Kathedrale von Reims, waren keine bloße Publicityveranstaltung. Ein Zitat von De Gaulle: „Was wir schaffen wollen, ist ein christliches, im gemeinsamen Christsein versöhntes Europa.“

Frankreich, Staatsbesuch Konrad Adenauer
Messe in der Kathedrale von Reims mit de Gaulle und Bundeskanzler Adenauer.  Das Abendland De Gaulles und Adenauers war dezidiert christlich, ja, sogar „katholisch“. Beide waren tiefgläubige und praktizierende Katholiken, die gerade über diese Idee des christlichen Abendlandes erst eine gemeinsame Freundschaft begründeten.

Dass die heutige EU nichts mit De Gaulles und Adenauers Idee zu tun hat, ist freilich nicht den Gründungsvätern anzulasten.

Für einen Theologen mag daher eine Aneinanderreihung von Behauptungen genügen. Historiker sind allerdings dazu gezwungen, Quellenbefunde in ihrer Arbeit Priorität einzuräumen. Dass die europäische Diplomatie der Frühen Neuzeit und die Intellektuellen des Mittelalters ganz selbstverständlich eine irgendwie geartete, kulturelle Identität Alteuropas annahmen, während die Zeigeistigen heute dies für jene Epoche infrage stellen, entbehrt nicht der Ironie.

Es ist daher verfehlt, wenn Manfred Becker-Huberti seinen Text mit dem Argument politischer Auseinandersetzungen beginnt. Europa bzw. das Abendland war seit dem Untergang eines Römischen Reiches hindurch eine kulturelle Gemeinschaft. Politische Auseinandersetzungen wie den Dreißigjährigen Krieg oder die Deutsch-Französische Feindschaft (die überdies nicht jahrhundertelang, sondern von 1870 bis 1945 andauerte, dazu mit einer Unterbrechung in den 1920ern – so viel Zeit muss sein!) als Kontraargument anzuwenden, überzeugen daher nicht, besonders nicht, wenn man die jahrhundertelangen Zeiten von kulturellem Austausch, gegenseitiger Inspiration, gemeinsamer Kriege und geteilter Geschichte dagegen anwendet. Eine Familie mag sich streiten, deshalb bleiben Brüder jedoch weiterhin Brüder.

Marco Fausto Gallina studierte Politik- und Geschichtswissenschaften in Verona und Bonn. Geboren am Gardasee, sozialisiert im Rheinland, sucht der Historiker das Zeitlose im Zeitgeistigen und findet es nicht nur in der Malerei oder Musik, sondern auch in der traditionellen italienischen Küche. Katholische Identität und europäische Ästhetik hängen für ihn dabei unzertrennlich zusammen. Unter den Schwingen des venezianischen Markuslöwen betreibt er seit 2013 sein Diarium, den Löwenblog.

Abendländische Deckengemälde in den Vatikanischen Museen – Bild: Cathwalk

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18 Kommentare

  1. Wir sind die Basis einer Pyramide!
    Wir sorgen als Produzenten, Konsumenten, als Kunden und Patienten, als Klienten und als potentielle Delinquenten, für den sich beschleunigenden Strom der Waren, Finanzen und Daten, im Stoffwechsel eines ‚pyramidalen‘ Organismus. Nachdem wir das Ertragsnutzenkalkül eines besinnungslosen Fortschritts im Wachstum verinnerlicht haben, empfinden wir den Raub der Selbstbestimmung und Identität nicht mehr als Verlust. Auf die atomare Einheit der Existenz reduziert, reihen wir uns ein, in die weltweiten Ströme der dynamischen Massen. Dabei steht die Isolation im Nahfeld der Beziehungen, in einem krassen Gegensatz zur Identifikation mit einem globalen Bewußtsein. Über die Instrumentalisierung religiöser Bedürfnisse, werden die Menschen zur Opferung der eigenen Identität gerufen, und zum Dienst für einen allumfassenden Welt-Ethos vorbereitet
    Wer sich nicht von Verschwörungstheorien verwirren lassen will, dem hebt sich mit „Das pyramidale Prinzip 2.0“ von Franz Sternbald der Schleier, und gewährt dem Leser einen unverstellten Blick auf das Wesen des Willens zur Macht! Gleichzeitig ist es ein leidenschaftliches Plädoyer für einen aufgeklärten Glauben, der sich, nach Kierkegaard, auch dem fundamentalen Zweifel stellen muß, sowie die Rettung der Würde des Individuums, gegen die kollektive Vereinnahmung, und seiner Zurichtung für die Zwecke eines globalen Marktes. Hier wird der Versuch unternommen, das Bewußtsein von einem Erlösungsbedürfnis aus der ‚Selbstentzweiung’ des Willens in der Natur zu erklären, und die Selbstentfremdung des Menschen aus seiner ‚Seinsvergessenheit’. Dem überzeugten Christen verschafft die Beschäftigung mit der Analyse des Willens zur Macht von Schopenhauer, über Nietzsche bis Heidegger, ein freieres Auge. Deren Aktualität steht nicht im Widerspruch zu einer christlichen Deutung der Weltgeschichte, sondern liefert vielmehr deren Bestätigung. L.G. Sternbald

  2. „… Hier wird klar, dass eben NICHT alle zum auserwählten Volk gehören.“ – Wenn nicht alle zum auserwählten Volk gehören, dann weigere ich mich, zu diesem auserwählten Volk zu gehören.

  3. Nepomuk – ich sagte ausdrücklich, dass ich das Abendland nicht für eine Fiktion halte, aber die Versuchung Jesu in der Wüste hat es doch mehr in sich, als Sie es zugestehen wollen:

    Wenn der Satan der „Fürst der Welt“ ist – und er ist es nach allen übereinstimmenden Zeugnissen von Schrift und Tradition, dann gibt er die Macht nicht ab, ohne dass der Kniefall erfolgt.
    Bedenken Sie: Jesus hat sich diese Macht nicht einfach genommen und sie fiel ihm auch nicht einfach zu. jesus starb an dieser Macht wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Uns ist sein Kreuzweg verheißen. Es gehjt hier nicht darum, ein ridisches Reich Gottes aufzubauen, sondern so viele Menschen zu fischen für den Himmel wie nur möglich. Das ist etwas anderes!!!

    Warum, frage ich also, wollen wir größer sein als unser Herr?
    Hat er den Kreuzweg verheißen als die dem Christen gemäße Lebensform, oder ein gottseliges Arkadien, in dem das „soziale Königtum Christi“ ausgerufen wird?

    Lesen Sie Pius XI. mal genauer – er sagt am Ende etwas sehr ähnliches wie ich…

    Dass ihm alles unter die Füße getan wird, gilt aus der Ewigkeit Gottes zeitlos, aber nicht in unserem zeitlichen Äon – es gibt eine Heilsgeschichte, und ihr Ziel erreicht sie erst im himmlischen Jerusalem.

    Gott hat der Kirche das heidnische Rom überlassen, aber am heiligen Land hat sie sich erfolglos die Zähne ausgebissen: es war ihr nicht verheißen und ist ihr nicht verheißen und die Kirche hat es nie dauerhaft erbeuten können…

    Sie verstehen meine Worte sehr zweidimensional – ich meine sie allerdings tiefer. Viel tiefer. Ich nehme schlicht und einfach die biblische Aussage, dass das „mysterium iniquitatis“ ausreifen muss in diesem Äon, ernst. Erst wenn Jesus den „homo iniquitatis“, der am Ende der Zeiten auftritt, auslöscht mit „dem Hauch seines Mundes“ – dann steht der Zustand bevor, auf den wir gewartet haben. Vorher nicht.

    Ich habe übrigens niemandem mit der Hölle gedroht – bleiben Sie cool, man, ich habe die Schrift zitiert an einer ihrer tiefsten Stellen: Wir leben hier nicht im Schauen, also nicht im „Erreichen“ dessen, was Sie beschreiben wollen. Wer das hier schon will, verfehlt in der Tat den Glauben. Es ist wie beim reichen Mann: er hatte hier schon alles und es daher für dort verloren. Wer sein Leben gewinnen will, wird es verlieren und wer es um seinetwillen verliert, wird es gewinnen. Das ist nun mal eine neutestamentliche Mahnung – weisen Sie sie doch nicht ab!

    Haben als hätte man nicht, nennt Paulus das, was Sie von Jesus zitieren und damit wird die fundamental andere Richtung klar: Wie die Spatzen, die nicht säen und ernten, erhalten wir doch alles, aber sie erhalten es nicht so wie die Welt Dinge festhält, sondern nach dem Motto „Dem Seinen gibts der Herr im Schlaf…“.

    Der „homo iniquitatis“ wird sich im Rahmen des christlichen Abendlandes zeigen. Denn dort wuchs das Unkraut mit dem Weizen auf.

    Auch dieses Gleichnis sollte jeden wachrütteln und ihm klarmachen, was er von diesem Äon erwarten darf und was nicht.

    Oder warum sonst sollte uns die Offenbarung warnen, dass alle verführt würden, auch die Heiligen, wenn Gott selbst es nicht am Ende durch Abkürzung der Zeit verhindern würde?
    Die Verführung liegt immer in einer irdischen Hoffnung.

    Und noch was: Mit dem Hinweis auf den Occidens habe ich auf die unglaubliche Doppelbödigkeit des Namens unseres Kontinents hinweisen wollen. Was dagegen?

    • Ich bin wohl nicht dazugekommen, darauf zu antworten, aber jetzt ganz kurz vielleicht:

      >>Wenn der Satan der „Fürst der Welt“ ist – und er ist es nach allen übereinstimmenden Zeugnissen von Schrift und Tradition…

      er war nie mehr als ein Usurpator, und als solcher ist er mit der Kreuzigung Christi hinausgeworfen worden (Joh 12,31).

      Christus hat sich die Macht in der Tat nicht gewaltsam genommen; sie viel aber schön langsam und (was nicht zu leugnen ist) auch in unvollständigem Maße, auch (was wohl ebenfalls nicht zu leugnen ist) in einem unvollständig bleibendem Maße, aber in einem solchen eben *doch*, der Christenheit zu. Und dieser ist auch nicht vorzuwerfen, sie wolle größer sein als ihr Herr, wenn sie irgendwo das ernten sollte, was Er gesät hat.

      >>Hat er den Kreuzweg verheißen als die dem Christen gemäße Lebensform […]?

      Nein, Christus hat *nicht* den Kreuzweg als „die dem Christen gemäße Lebensform“ verheißen. Sie war im übrigen auch Ihm selbst nicht gemäß; das ist genau der Punkt vom Kreuzweg. Christus *hat* vorausgesagt, daß wir Christen leiden *werden*; aber nicht, daß das die „gemäße“ Lebensform des Christen ist. Im übrigen ist es zulässig und entspricht dem Sinn des ganzen, in den ersten Halbsatz des vorigen Satzes ein „auch“ einzufügen.

      „Gib, daß wir, Deine Diener, uns ständiger Gesundheit des Leibes und der Seele erfreuen und daß wir durch die glorreiche Fürsprache der seligen allzeit reinen Jungfrau Maria von der Trübsal dieser Zeit befreit werden und die ewigen Freuden genießen dürfen, durch Christus unseren Herrn“, heißt es am Ende der Lauretanischen Litanei. Das gehört *alles* hinein; ja, natürlich, es *gibt* die „Trübsal dieser Zeit“, ja natürlich, die ewigen Freuden *sind* die Hauptsache, aber sogar als solche gehören sie nicht allein gelassen, wie es Ihr Satz „Es geht hier nicht darum, ein irdisches Reich Gottes aufzubauen, sondern so viele Menschen zu fischen für den Himmel wie nur möglich“ nahelegen würde. (Es sei denn, man versteht ihn im Sinne der üblichen Übertreibung des religiösen Jargons, wo „nicht … sondern“ lediglich bedeutet „nicht primär… sondern vor allem“, dann hätten Sie natürlich Recht.) Und was die Trübsal dieser Zeit betrifft, es *ist* zulässig, um Befreiung davon zu beten, und es ist auch insbesondere zulässig, um die Gesundheit des Leibes zu beten.

      >>[oder] ein gottseliges Arkadien, in dem das „soziale Königtum Christi“ ausgerufen wird?

      Ein solches wäre zweifelsohne sehr schön, weil es ja doch eine gewisse irdische Ähnlichkeit zum Himmel wäre. Und da, wie die Theologie lehrt, die Gnade (die wir hier ja *haben*) und die Glorie (die wir hier eben nicht haben) im Wesen identisch sind, handelt es sich eben gerade nicht um Anmaßung, sondern um etwas ganz naturgemäß Anzustrebendes.

      Das im übrigen auch psychologisch notwendig ist. „Ein Ziel vor Augen gibt Sinn dem Leben“, heißt der Wahlspruch der Wildschützen. Den Himmel (insoweit er eben mehr ist als dieses gottselige Arkadien) kennen wir nicht und wissen, daß wir ihn zu Lebzeiten nicht erreichen werden, es sei denn, das Jüngste Gericht kommt. Über das Leiden als, Ihnen zufolge, angeblich einzig wahre Christusnachfolge – tatsächlich immerhin in der Tat die wertvollste und hochstehendste Christusnachfolge – darf der fromme Christ sich freuen (*muß* der Christ übrigens auch wieder nicht), wenn es kommt, aber er darf es nicht anstreben (es sei denn wir zählen den Hunger beim Fasten auch hier hinein – das muß ich jetzt nicht begründen, oder?). Nun, nach welchem Ziel richtet man sich auf Erden denn dann wohl aus? Nun, am Königtum Christi auf dieser Welt; wobei es völlig sekundär ist, ob und wenn ja in welchem Ausmaß es tatsächlich existiert hat, existiert oder noch existieren wird. Es könnte theoretisch existieren, und zwar auf dieser Welt.

      Daß man das dann, wenn man es erreicht haben sollte, auch noch „haben muß, als hätte man nicht“ (aber auch: eben doch in dieser Form haben darf), ändert daran nichts.

      >>Gott hat der Kirche das heidnische Rom überlassen, aber am heiligen Land hat sie sich erfolglos die Zähne ausgebissen

      Das mag so sein; aber jedenfalls hat er, wie Sie ja selber sagen, der Kirche eben wenigstens Rom überlassen. Und das ist nicht nichts.

      >>Sie verstehen meine Worte sehr zweidimensional – ich meine sie allerdings tiefer. Viel tiefer.

      Auch das mag so sein, ich behaupte allerdings, auch wenn Worte in der Tiefe Bedeutung haben sollten, so müssen sie doch ersteinmal zweidimensional betrachtet werden.

      >>Ich habe übrigens niemandem mit der Hölle gedroht – bleiben Sie cool, man, ich habe die Schrift zitiert an einer ihrer tiefsten Stellen: Wir leben hier nicht im Schauen, also nicht im „Erreichen“ dessen, was Sie beschreiben wollen.

      Sie haben gesagt „wer es hier schauen *will*, wird es dort nicht erreichen“, das war eine Höllendrohung, selbst wenn es ein Schriftzitat gewesen wäre. Im übrigen, welches Schriftzitat war es denn bitteschön. Das berühmte Herrenwort gegenüber Thomas kann es ja schonmal nicht gewesen sein. „Weil Du mich gesehen hast, glaubst Du; selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Da kann man ganz sicher eine Höherschätzung des zweiteren und wohl auch einen gewissen Tadel hineinlesen, aber die Aussage, daß jeder, der auch nur schauen *will* (die ja, wenn es ihnen nicht gelingt, sogar unter die, die „nicht sehen“, hineinfallen würden), „es nicht erreichen wird“ scil. in die Hölle kommt (denn was soll das denn sonst heißen?), steht da eben gerade *nicht*. Im übrigen spricht die Hl. Schrift interessanterweise sogar davon, daß wir tatsächlich jetzt schon schauen – freilich jetzt „in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber […] von Angesicht zu Angesicht“ (1 Kor 13,12), aber eben auch nicht „gar nicht“. Das ist gerade der Punkt.

      >>Es ist wie beim reichen Mann: er hatte hier schon alles und es daher für dort verloren.

      Aber nicht, *weil* er hier reich war, sondern weil er gesündigt und Lazarus, obwohl er ihn nicht übersehen haben konnte und auch tatsächlich gekannt hat, nicht geholfen hat.

      >>Wer sein Leben gewinnen will, wird es verlieren und wer es um seinetwillen verliert, wird es gewinnen.

      Das ist im Zusammenhang von dem gesagt, der sich weigert, sein Kreuz auf sich zu nehmen; wobei es eben „sein“ Kreuz ist, nicht noch allerlei Kreuze dazu. Im übrigen: eben weil wir unser Kreuz aufnehmen und unser Leben daransetzen müssen, müssen wir eben auch auf die Frage „an was“ wir es eben setzen, eine Antwort geben können. An Christus, gewiß; aber dazu gehört doch auch, daß wir wissen, wo die Armee, deren General er ist, hinmarschiert. In den Himmel, gewiß. Aber wie sieht das Zwischenquartier aus?

      >>Oder warum sonst sollte uns die Offenbarung warnen, dass alle verführt würden, auch die Heiligen, wenn Gott selbst es nicht am Ende durch Abkürzung der Zeit verhindern würde?
      Die Verführung liegt immer in einer irdischen Hoffnung.

      In „einer“ irdischen Hoffnung (oder etwas irdischem Schon-Erhaltenem), gewiß; aber nicht unbedingt in jeder. Die Sünde liegt auch immer in einer „Hinwendung zum Geschöpf“; aber recht viel Verwirrung ist aus der unreflektierten Annahme mancher frommerer Zeitgenossen entstanden, jede „Hinwendung zum Geschöpf“ sei deswegen auch gleich immer Sünde, ohne daß man „Abwendung von Gott“ in der Praxis näher anschaute. (Ich erinnere mich, dies war zu Anfang das Standardthema dieses Magazins.)

      Aber warum die Offenbarung davor warnt, das weiß ich nicht, außer natürlich eben aus dem Grund, daß sie uns mitteilt, daß es so sein wird; daß die Verführung so kraß sein wird, daß auch die Heiligen mehr als deutlich in ihre Richtung gebeugt sein werden, bevor gewissermaßen der Herrgott „halt stopp“ sagt, „die Beugung zählt nicht, ich hab euch noch unverführt abgefangen“…

      >>Mit dem Hinweis auf den Occidens habe ich auf die unglaubliche Doppelbödigkeit des Namens unseres Kontinents hinweisen wollen.

      Ich hatte das so verstanden, daß Sie so sagen: „der Okzident, wie der schon heißt, allein schon!“ als ob damit schon alles geklärt wäre. Und ich weiß auch nach wie vor nicht, was darauf anderes zu entgegnen wäre als eben, daß im Gegenteil es eher von besonderer Demut zeugt, wenn sich ein Erdteil nach der untergehenden Sonne benennt.

      • Viele Worte, Nepomuk, und wacker vorbei am Evangelium und den Aposteln…

        „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern wir suchen die zukünftige.“ (Hebr 13, 14)
        „Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben.“ (Mt 6, 33)

        Sorgen Sie sich ruhig um das Reich Gottes auf Erden, das es nach den Worten Jesus nur „inwendig“ in uns gibt, das nicht „beobachtbar“ ist. Sie können sich auf den Kopf stellen und noch ganze Bücher schreiben: das Reich Gottes wird in diesem Äon dadurch nicht beobachtbarer:

        „20 Als Jesus von den Pharisäern gefragt wurde, wann das Reich Gottes komme, antwortete er: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten könnte.
        21 Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es! oder: Dort ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch. (Lk 17, 21)

        Argumentieren Sie mit den Pharisäern – es ist menschlich, aber es hat mit der Frohen Botschaft kaum zu tun. Tut mir leid. Und es ist das Problem der Kirche, dass das eine langsam überwuchert wurde vom anderen.

        Der Satan mag Usurpator sein, aber er ist Fürst DIESER Welt in diesem Äon. Wieso glauben Sie, Sie hätten auch nur die geringste Chance, sich mit ihm hier anzulegen, wo es doch der Herr auch nicht getan hat?

        Was sagte Jesus:

        „Amen, amen, ich sage euch: Der Sklave ist nicht größer als sein Herr und der Abgesandte ist nicht größer als der, der ihn gesandt hat.“ (Joh 13, 16)

        Es nützt der Kirche gar nichts, dass sie sich aufgeblasen hat: sie gärt so nur das mysterium iniquitatis aus. Und letzteres ist es, das diesem Äon vorhergesagt ist und nicht ein irdisches Reich Gottes, das man beobachten könnte.

      • keine *bleibende*.

        *dann wird euch alles andere dazugegeben*.

        *ist mitten unter euch*.

        Ich bin es ja nicht gewohnt, kurze Kommentare zu schreiben, aber man soll sich ja mal abwechseln.

        Ich weise noch darauf hin, daß ich selbstverständlich nicht gesagt habe, wir könnten das Reich Gottes *vollständig* auf Erden erwarten. Daß das meine Meinung wäre, entspringt Ihrer Fantasie. Warum man deshalb hier diesem Usurpator Teufel das Feld überlassen sollte und z. B. Gott absprechen, daß er die Staatsgewalt als etwas an sich Gutes geschaffen hat (das in dieser unserer Welt halt ebenso fehlgehen kann wie alles andere auch), ist Ihr Geheimnis.

        Die Unterstellung, daß unser Heiland sich mit dem Teufel nicht angelegt habe, vergesse ich einmal schleunigst. Schon in jedem Exorzismus hat er das getan, von dem großartigen Sieg am Kreuz und am Ostermorgen einmal *ganz* abgesehen.

  4. Liest man den Beitrag des Theologen und die Entgegnung des Historikers so wird ein Argumentationsporblem aller Traditionalisten deutlich. Dem Dummen und Ungebildeten wird die Behauptung, etwas sei „nicht da“, „nicht mehr da“ oder „nie da gewesen“ schon deswegen einleuchten, weil er die Traditionsbestände überhaupt nicht kennt. Trotzdem Dank an Marco Gallina für die souveräne Replik. Besonders gelungen: der Hinweis auf Max Webers Theorem von der okzidentalen Stadt.

    • Was wollen Sie konkret und jenseits einer herablassenden Polemik, die zwar kein klares Argument vorträgt, dafür aber Seitenhiebe gegen „Dumme und Ungebildete“ austeilt, sagen?
      Und was ist die Problematik traditionalistischer Argumentation, die Sie andeuten, aber nicht erklären?
      Um was geht es Ihnen?
      Geht es um „Traditionsbestände“ oder um ein politisches und ideologisches Konstrukt des „Abendlandes“?
      (Das sind zwei verschiedene Dinge!)
      Die Frage wurde schon lange vor uns weidlich diskutiert…. Und Pius XII. gestand stets zu, dass das christliche Abendland als politisches Konstrukt nicht identisch ist mit „dem Christentum“ oder der Kirche oder gar „dem wahren Glauben“… wenn wir anfangen, den Glauben mit einem irdischen Konstrukt stehen und fallen zu lassen, dann haben wir den Glauben verloren, denn jedes politische Konstrukt dieser Welt ging irgendwann unter und musste das Feld räumen für anderes… also auch das unsere.

      Ist aber dann für Sie der Glaube verloren?

      Sie sollten Ihren Traditionsbegriff klären, dann auch miteinbeziehen, dass das Bild, das sich als „Rekonstruktion“ historischer Zustände und Ereignisse viel später erst bildet, nicht identisch ist mit dem geschichtlichen Ereignis, wie es real war. Und der „Bestand“ an beeindruckenden Kunstgegenständen oder Architekturen ist auch nicht identisch mit dem gesamten Konstrukt – die mittelalterliche Stadt bildete ihren Typus aus, schön – aber was ist mit der Stadt in den Jahrhunderten davor? Oder im 19. Jh? Oder im 20. Jh? Oder gar im 21. Jh? Gibt es diese „Bestanände“ als ewigen Bestand überhaupt?
      Auch das ist ja alles „das“ Abendland…
      Und schon sind wir mitten in der Problematik.

      Das Problem des Traditionalismus ist, dass er die freie und unvoreingenommene Beschäftigung mit den historischen Quellen und deren ständigen Wandel scheut wie der Teufel das Weihwasser.
      Diesen Gruppen geht es darum, ihr ideologisches Traditionsbild – ein fixes Bild! – als absolute Wahrheit festzuhalten.

      Es ist nie etwas „immer schon so“ gewesen, aber es ist auch nie etwas heute etwas völlig anderes als ehemals…

      Selig der Mann die Frau, der oder die dann noch die Fäden fein auseinanderzulegen wüsste..

  5. Ich habe eine Frage:

    Es gibt immer wieder (wenn auch sehr wenige) Mitbürger die das Heidentum, Germanische Bräuche etc. als eigentlich Kultur Deutschlands darstellen
    Liegen Sie denn historisch gesehen nicht im Recht wenn sie sagen, dass Deutschland eigentlich ein Heidnisches Land ist?

    Denn historisch Gesehen ist das Abendland doch eigentlich Heidnisch.

    • Mal ein Gedankenspiel: nicht Germanien, sondern Rom war doch jene heidnische Symbolmacht der Welt, mit der Hauptstadt und ihren unzähligen Göttern aus allen Provinzen als zentraler Hort des Polytheismus. Rom war also der Mittelpunkt des Heidentums, noch für die frühen Christen das Sinnbild der „Hure Babylon“.

      Das Heidentum gehörte also zu Italien, wie auch zu Deutschland. Das hält uns heute nicht davon ab, Rom noch viel mehr als Jerusalem durch das Petrusamt als gefühltes Zentrum der Christenheit anzusehen. Welche Bedeutung haben also Mars, Jupiter und Poseidon noch für den Italiener? Ganz im Gegenteil gilt Italien doch als „das“ katholische Land.

      Ja, historisch gehört das Heidentum zu Deutschland. Aber für die Geschichte gilt nicht per se, was alt ist, sondern das, was Kontinuität aufweist. Die Traditionslinien des Hochmittelalters sind jedenfalls in Deutschland heute deutlich sichtbarer und spürbarer, als ein weit entfernter Germanenkult, der – ganz nebenbei gesagt – im Gegensatz zum Christentum nicht ansatzweise so genau rekonstruiert werden kann, wie viele seiner Anhänger das wünschen. Allein letzteres zeigt die Bedeutung für das deutsche Sein auf.

      Für die historische Ethnogenese („Völkerentstehung“) der Deutschen spielt doch gerade die Romidee im politischen, und die Überzeugung christlicher Auserwähltheit in Form des Schutzes der Kirche Petri eine weitaus gewichtigere Rolle. Das negiert nicht das antike Erbe; auch für die Italiener ist der christliche Dante der Nationalpoet und nicht der heidnische Vergil.

  6. Die emotionale Abwehr gegen eine Infragestellung des „Abendlandes“ kann jeder Abendländer, der nicht völlig bewusstlos ist, verstehen.

    Ob allerdings die Argumente dieses Artikels hinreichen?
    Ich gebe zu, dies offen zu bezweifeln.

    Der erste gewichtige Punkt ist schon einmal der, dass Sie die eigentliche Bedeutung des Wortes „occidens“ nicht bemerkt haben, und ich denke, dass Sie ein Schlüssel zur „Schizophrenie des Abendlandes ist:

    Der „Occidens“ ist … der Dahingehende, der Welkende, Untergehnde und Sterbende! Sehen Sie sich die Wortbedeutung an – viele glauben mir oft nicht, wenn ich ihnen den lateinischen Sinn von Aussagen klarermachen will, daher für jene: http://de.pons.com/%C3%BCbersetzung?q=occidere&l=dela&in=&lf=de
    „Occidere“ jedenfalls heißt nicht nur „untergehen“ im Sinne der untergehenden Sonne im Westen, sondern auch „sterben“ oder „tot umfallen“, oder: „im Kampf untergehen“.

    Dem steht gegenüber der „Oriens“, etwa im „Benedictus-gebet“ ist der „Oriens ex alto“, der „Morgenstern aus der Höhe“, klassich auf Christus oder Maria gedeutet.

    Ich halte das Abendland nicht für eine „Fiktion“, aber das große Problem an dem, was Sie ausführen ist, dass das Abendland sich eine Fiktion von einer regionalen christlichen „Umma“, ein irdisches Reich Gottes auf Erden ausgedacht, OBWOHL der Herr uns genau das NICHT VERHEISSEN hat.

    Der Herr wird, wenn er kommt, kaum noch Glauben finden, sagte er den Jüngern. Auf demselben Boden, auf dem die gute Saat aufgeht, wird zugleich das Unkraut wuchern. das Abendland ist ein Boden mit viel gutem samen UND mit unendlich viel Unkraut, und keiner ist in der Lage das eine vom anderen zu scheiden.

    Der Herr sagte gerade einem solchen irdischen Reich auf Erden mehrfach ab – es war eine seiner Versuchungen durch den Satan, der er widersagte, und noch vor Pilatus verweigert er es, einer irdischen civitas Dei zuzustimmen: Sein Reich ist nicht von dieser Welt! Was aber hier auf Erden mit Macht und Schwert auftritt wird auf demselben Wege auf dem es sich seine Größe erkämpfte, auch untergehen.
    Es ist vielleicht wie mit Israel:
    Es wollte auch einen König, und Gott warnte vor der Monarchie durch den Propheten samuel – und doch gestand er dem glaubensschwachen Volk am Ende einen König zu, als es nicht hören wollte. Dass die meisten Könige taten, „was dem herrn missfiel“, sollte eine Lehre sein, ebenso wie das häufge Exil wegen der schweren Sünden des damaligen „Gottesreiches“.
    Dem König David wurde ein würdiger Nachfolger verheißen, der „Gesalbte des Herrn“, der Maschiach, der Christus.
    Kein Wunder verwechselten auch die Juden hier etwas: sie erwarteten einen retter für ihre irdische Reichsvorstellung und sie missverstanden und verkannten den herrn, weil er genau das nicht einlöste!
    Das Abendland wiederholt israelitische Geschichte: Auch uns war nie ein irdisches Reich verheißen, aber Gott hat es uns zugelassen. Auch wir taten meist, was ihm missfiel, solange, bis wir alles in Grund und Boden gewirtschaftet hatten – jedenfalls was seine wahre Botschaft vom Reiche Gottes, das nicht von dieser Welt ist, betrifft. Alleine die internen Glaubenskriege und grausamen Glaubensbrände sprechen doch eine deutliche Sprache!
    Und als nun alles zerstört war und Europa zerfiel in erloschene absolute Monarchen, hofften wir auf einen Retter, der unser irdisches Abendland wieder restauriert. Dieser Retter wird auch kommen, aber er ist der Antichrist. Katholiken hielten schon Hitler für diesen Retter. Etwa Bischof Graber schrieb 1933 in den Werkblättern des Bundes Neudeutschland, Hitler restauriere das alte heilige Reich wieder – als „drittes Reich“. Und die Deutschen seine dabei das auserwählte Volk. Zum Stichwort „auserwähltes Volk“: Es gibt biblisch nur ein auserwähltes „ethnisches“ Volk, und das sind die Juden. Für die Kirche gibt es das ausdrücklich nicht! Wer das so leichthin behauptet, muss es theologisch nachweisen. Und das wird schwer bzw. unmöglich…
    Israels Verblendung war (und ist), auf ein irdisches Reich zu setzen und den wahren Gott zu verkennen, der uns läutern will auf sein wirkliches Reich in den Himmeln…
    Wir aber sind Israeliten geworden…
    Kinder Hagars,m der Sklavin, um in der paulinischen Metaphorik zu sprechen, und nicht Kinder Saras. Sara aber ist die „Herrin“, die „Freie“…

    Die Frage, was man hier und heute unter dem „Abendland“ verstehen darf, kann nicht durch einen Hinweis auf die letztendlich angeblich harmlosen „Familienstreitereien“ überflogen werden.
    Der Artikel wiegelt ab (in Abwehr gegen den Autor auf Katholisch.de), wie erbittert diese Kämpfe waren (und sind – sie schlummern in unseren Kellern, warten wirs ab!), und er blendet aus, dass Jesus vorhergesagt hat, dass er leibliche Brüder und Schwestern, Mütter und Kinder entzweien wird – sein Reich gründet nicht auf der leiblichen Einheit, sondern auf der im Geist. Und da eben sah es schon bald düster aus.
    Nicht zuletzt brachte der andauernde Inzest des europäischen Adels das hervor, was aus einer hermetischen Abschottung immer folgt: Schwachsinnige, Erbschwächen und geistige Enge.

    Es waren grausame Kriege, grausame Machtkämpfe, ja: Christen verhielten sich so widerwärtig im Kampf gegen ihresgleichen, dass Teile der Christenheit sich sogar freiwillig lieber unter islamische Herrschaft begaben als weiterhin etwa von Byzanz aus regiert zu werden.
    Nicht zuletzt verließen Millionen von Abendländern das Abendland und emigrierten in neue und alte Welten, um diesem bestialischen Umgang miteinander zu entfliehen. Landesherren, die ihre Kinder an den nachbarkönig als Kanonenfutter regelrecht verkauften, erdrückende wirtschaftliche Not und die Verfolgung von „Ketzern“ – all das und noch viel mehr trieb die Leute, wenn sie es schafften, fortzukommen, davon. Der Drang nach Freiheit wurde durch den Samen Christi in ihre Herzen gelegt, aber die politische Einheit des Abendlandes löste das nicht ein und trieb ihre eigenen Kinder davon… das Abendland konkurrierte trotz Brüderlichkeit draußen in der Welt um angeblich „leere“ Ländereien und kolonisierte fast die ganze Welt unter teilweise haarsträubenden Umständen.
    Dass sich die islamische Umma genauso und noch noch schlimmer verhielt, kann ja kein Argument gegen all diese Tatsachen sein. Sie ist wie ein Spiegelbild europäischer Verfehlung und Arroganz.

    Der Historiker wird ohnehin dieses Thema, so pauschal gestellt, nur in einer quellenüberfliegnden Monografie abhandeln können, zu wirr und verwirrend ist die Quellenlage. Jedes Detail abendländischer Zerwürfnisse offenbart, wenn man erst genauer hinsieht, einen Abgrund an Unchristlichem, Machtgeilem und Bösem, das wie ein Verhängnis über uns schwebt.

    Die moderne Europa-Idee wollte ja gerade diese unentwirrbare und schizophrene Lage „glätten“. Motto: Was wir ignorieren, ist einfach weg.
    Das ist natürlich der Gipfel der Unbedarftheit und des Irrtums.

    Es bleibt betsehen, dass wir hier davon müssen, keine „bleibende Statt“ haben und unser Herr der Welt mit ihren bedingungen starben, sterben musste, um uns daraus zu retten.
    Wer auf das „Abendland“, auf den „Occidens“, den „STerbenden“ baut, setzt auf den Tod.

    Lasst uns als Katholiken auf den „Oriens ex alto“ bauen – dann leben wir, hier schon solange es dem herrn gefällt und erst recht aber im himmlischen Jerusalem.
    Wer hier schon im Schauen leben will, wird es dort nicht erreichen.

    • Zuerst einmal: im feuilletonistischen Sinne ein gelungener Kommentar.

      Allerdings bleiben bei mir ein paar Fragezeichen zurück. So verstehe ich nicht, inwiefern die gesamte Etymologisierung des Begriffs uns historisch weiterbringt; er ist, wie lange Teile ihres Ausflugs, sehr mystisch angehaucht. Da dies aber eine historische Diskussion ist, fehlt es mir da doch an Fakten. Fakten, von denen Sie behaupten, die Lage sei dünn. Der Grund, warum ich den Begriff seziert habe, lag ja vor allem darin die Grundlage zu legen, warum ich Abendland und Europa synonym gebrauche.

      Für den Theologen mag es gelten, was der Herr verheißen hat, als Historiker ist jedoch ziemlich klar zu konstatieren, dass große Teile der „Eliten“ ein Europa-Konzept nicht nur so benannte, sondern es schlicht und ergreifend lebte. Siehe die genannten Friedensverträge. Siehe den Hinweis auf den Begründer der Soziologie, der den Typus der okzidentalen Stadt im Kontrast zu anderen sezierte. Belege finden Sie im obigen Text genügend.

      Ähnlich verfahren Sie beim Auserwählten Volk, das Sie wiederum theologisch und nicht historisch deuten. Dass seit Beginn des Mittelalters Stadtidentitäten auf diesem Konzept der Auserwähltheit fußten, ist eigentlich ein häufig erforschtes Phänomen. Ich rate zur Lektüre des „Markuskultes“ von Corinna Fritsch als Überblick, nur, um das Beispiel Venedig zu erwähnen. Dasselbe galt für die übrigen Stadtrepubliken Italiens und anderer Völker, die sich im Sinne dessen interpretierten. Ob das theologisch fundiert ist, interessiert hier weniger, weil es wieder einmal historischer Fakt ist.

      Den Einwand des europäischen Adels als Inzest finde ich etwas weit hergeholt, da bezüglich der europäischen Intellektuellen, die ja auch nur „im europäischen Saft“ schmorten, wiederum ziemlich fruchtbare Chimären geboren wurden. Wie viel Homer steckt in Vergil, wie viel Vergil in Dante, wie viel Dante in Shakespeare, wie viel Shakespeare in Goethe?

      Auch ihr Hinweis auf die Neue Welt erscheint ebenfalls wieder sehr mystisch angehaucht. Mitnichten sind die Europäer dem „Schlachten“ gewichen, als vielmehr aus wirtschaftlichen Gründen. Natürlich waren darunter auch „Freiheitssuchende“ wie die der 1848er, oder im Glauben verfolgte, verglichen mit der Mehrheit derjenigen, die ein besseres Leben aufgrund wirtschaftlichen Elends suchten, nimmt sich die Zahl jedoch vergleichsweise gering aus.

      Und ein letztes Wort zum Dahinwelkenden – ja, was denn sonst? „Vanitas“ ist das Grundgefühl dieses Kontinents. Die Vergänglichkeit des Materiellen, als Hinweis auf das Göttliche. Caravaggios Haupt der abgeschlagenen Medusa als Sinnbild des Schauerlich-Getöteten, im Kontrast zum christlichen Mythos der Auferstehung. Letztere ist ja erst durch das Sterben möglich. Daraus dem Abendland einen Strick zu drehen, finde ich gerade aufgrund dieser Zusammenhänge etwas befremdlich.

    • „Mystisch“ also gegen „historisch“?
      Passt der Gegensatz hier?
      Oder plädieren Sie vor allem für so etwas wie den „Kulturkatholizismus“, eine Art „kulturchristliches“ Abendland, über dessen Verankerung im Glauben man nicht weiter nachdenken muss?
      Diese Konstruktion ging schon Ende des 19., Anfang des 20. Jh schief – diese Kulturkatholiken, die man unter Modernisten ebenso antraf wie unter Integralisten (!), landeten beide fast alle am Ende bei den Faschisten – sowohl in Italien als auch in Deutschland, Ötserreich, Frankreich, Spanien, Kroatien und Portugal. Das faschistische „Experiment“ zeigt aber, wie sehr dieses kulturkatholische Konstrukt nicht funktioniert, fast immer sogar krminelle Züge gewinnt.
      Und De Gaulle ist für mich kein Leitbild – er ist viel zu schwankend und unklar gewesen und wogte zwischen verschiedenen abendländischen Mythen hin und her. mal der Monarchie Frankreichs, mal dem Nationalismus inkl. Kolonialismus, mal pro Europa, wobei er England nicht als Europa anerkennen wollte etc.

      Das halte ich also für ausgesprochen problematisch, eine solche Trennung vorzunehmen – sie ist im Grunde der modernen Euro-Ideologie auch nicht sehr fern, die ebenfalls, allerdings noch weitergehend, ohne eine Beziehung zum echten christlichen Glauben auskommen zu können glaubt.

      Meine Frage ist allerdings, ob es eine solche Einheit von Politik und Glauben überhaupt gelingen kann.
      Ich bezweifle es – das Beispiel des Scheiterns des alten Israel sollte uns doch warnen. Dem rein pragmatisch argumentierenden „Kulturabendländer“ mag jede Nachfrage nach dieser Beziehung zum Christlichen „mystisch“ vorkommen. Und als Historiker müssten Sie wissen, dass jede Beziehung eines Gemeinwesens zu einer spirituellen Grundlage „mystisch“ ist und bleibt. Das liegt in der Natur der Sache.

      Die gesamte abendländische Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Kaisertum (bzw. nicht-monarchischen Staatswesen) zeigt uns doch in ihrem Verlauf, dass hier bei aller Irrung und oft offenkundigen Vordergründigkeit doch ein mystisches Konzept verfolgt wurde und mit diesem mystischen Konzept auch argumentiert wurde. Wer „von Gottes Gnaden“ regiert, muss sich als Regierender mystisch definieren.

      Die berühmten Paulusworte über die „Obrigkeit“ (Röm 13) meinen keine bestimmte mystische Staatsform, sondern thematisieren den Staat (potestas – nicht etwa den „rex“ oder „imperator“ als mystischen Abkömmling der Götter, wie die Antike dies weithin verstand!) ganz im Sinne des nüchternen römischen Rechtsverständnisses: die staatliche potestas ist dafür da, das Recht zu wahren und auszuüben – nichts weiter sonst! Der Regierende ist kein besonderer Göttersohn oder von Gottes Gnaden im verstiegenen Sinn, sondern er hat Autorität, das Recht im Gemeinwesen zu wahren.

      Mir erscheint daher ein wenig Distanz zur Staatsform bzw. einem politischen Konstrukt als … ja: eben auch mystischem Gebilde notwendig, wenn man vernünftig katholisch bleiben will. Eine innere Bindung an etwa die „Monarchie“ (für die auch de Gaulle eigentlich plädiert hätte, wobei hier die französische Monarchie stets in Konkurrenz zum heiligen römischen Reich stand, ebenso wie zu England) ist nicht im Sinne des Erfinders. Auch Jesu Worte zu den Fürsten, die ihre Völker ausbeuten, stellt eine Konstante im Irdischen vor und nicht etwas, das man einfach mal so in diesem Äon ändern könnte. Der Appell, es nicht so zu machen, wie es die weltlichen Fürsten tun, richtete sich an die geistlichen Nachfolger Christi, die aber an diesem Anspruch in großer Zahl gescheitert sind.
      Übrigens ist der deutsch-französische Konfikt wirklich alt und eine Konstante – nicht erst seit 1870. Haben Sie vergessen, was Napoléon getan hat? Wissen Sie nicht, dass Frankreich und Habsburg ihre kriegerischen Konflikte im 18. Jh in der Pfalz austrugen?! Und Ihnen ist doch sicher klar, dass die Habsburger aus der damaligen Sicht in den großen deutschen Verbund gehörten?!

      Mein Plädoyer für diese Distanz des Glaubens zu jeder Illusion über eine irdische Civitas Dei bleibt stehen.

      Aber zurück zu Ihrem Thema: gehen Sie auf die Straße und fragen Sie die Alteuropäer, was sie unter „Abendland“ verstehen, und sie werden 100 einander ausschließende (!) Antworten bekommen.
      Und das ist unser Problem. Das meinte ich.
      Und es entspringt nicht der Dummheit, wie oben einer meint kommentieren zu dürfen, sondern dem Faktum, dass das Abendland ein Ort diametraler Gegensätze ist und jeder sich mehr oder weniger sein Konstrukt aussucht bzw. in eines der Konstrukte hineinerzogen wird – die einen schreien nach der Monarchie, möglichst unter einem europäischen Kaiser, die nächsten nach einem Neuaufguss einer sozialistischen Republik und wieder andere halten den totalen Wirtschaftliberalismus gepaart mit dem puren Individualismus für „europäisch“. Die alten erbitterten Kämpfe zwischen Katholiken und Protestanten sind längst nicht beigelegt. Und der katholische Hang, die Aufklärung samt und sonders zu verdammen (besuchen Sie doch mal entsprechende Tradikreise!) verneint das, was der größte Teil der Europäer aktuell als historisches Identifikationsereignis ansieht…

    • >>Der erste gewichtige Punkt ist schon einmal der, dass Sie die eigentliche Bedeutung des Wortes „occidens“ nicht bemerkt haben, und ich denke, dass Sie ein Schlüssel zur „Schizophrenie des Abendlandes ist: Der „Occidens“ ist … der Dahingehende, der Welkende, Untergehnde und Sterbende!

      Ja mit langem i und Betonung auf der vorletzten Silbe sogar der „Tötende“. Ich kann mich aber Marco Gallina (sinngemäß) nur anschließen: Einem Kontinent bzw. besser einer Kulturgemeinschaft daraus einen Strick zu drehen, daß sie eine Selbstbezeichnung hat, die zur Demut und selbstkritischem Humor einlädt, ist ein Unding. Das sind vielmehr Pluspunkte.

      >>Ich halte das Abendland nicht für eine „Fiktion“, aber das große Problem an dem, was Sie ausführen ist, dass das Abendland sich eine Fiktion von einer regionalen christlichen „Umma“, ein irdisches Reich Gottes auf Erden ausgedacht, obwohl der Herr uns genau das nicht verheißen hat.

      Lassen wir einmal offen, ob Er es nun verheißen hat oder nicht (Chesterton sah im christlichen Abendland bzw. speziell in den Klosterbesitzungen des Mittelalters und der frühen Neuzeit eine Erfüllung von Mt 5,5) – so hat Er bekanntlich nicht über alles, was sein wird, ausdrücklich geredet. Er hat aber sehr wohl gesagt, daß 1. ihm alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden (!) und der hl. Paulus hat gesagt, daß „Christus herrschen muß, bis (!) ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat“ und nicht erst danach – oder ist auch das verworren und ziemlich unklar und deshalb zu ignorieren?

      Im übrigen gilt hier, was Pius XI. gelehrt hat in seiner Enzyklika „Quas primas“.

      >>Der Herr sagte gerade einem solchen irdischen Reich auf Erden mehrfach ab – es war eine seiner Versuchungen durch den Satan, der er widersagte, und noch vor Pilatus verweigert er es, einer irdischen civitas Dei zuzustimmen: Sein Reich ist nicht von dieser Welt!

      Daß er es ablehnt, um den Preis der buchstäblichen Anbetung des Teufels (!) ein Reich aufzurichten, ein Reich gewaltsam von den Römern zu erobern oder für die Zeit seines Erdenlebens das nachrangige Ziel eines christlichen Staates sein Hauptanliegen, Erlösung, Messiastätigkeit, Himmelreich, überschatten zu lassen, heißt nicht, daß er ein solches irdisches Reich generell ablehnt. Man möge hier Romanliteratur, auch wenn sie mit dem Namen Dostojewskii verbunden ist, nicht mit der Wirklichkeit verwechseln.

      >>Israel: Es wollte auch einen König, und Gott warnte vor der Monarchie durch den Propheten samuel – und doch gestand er dem glaubensschwachen Volk am Ende einen König zu, als es nicht hören wollte.

      Hierzu wäre bemerken:
      1. bekanntlich ist dem Herrgott dieser Herzenswunsch seines Volkes so wichtig, daß er sogar das Heil durch die Königslinie kommen läßt.
      2. Es gibt auch Bibelstellen, die fast schon schillerartig von einer königslosen, schrecklichen Zeit sprechen (Ri 17,6).
      3. Anlaß für den Königswunsch war primär ein Mißfallen an der, und zwar der tatsächlich verwerflichen, Ausübung des Richteramts durch die Söhne (!) des rechtmäßigen Richters und Propheten Samuels (1 Sam 8,1-5).

      >>Alleine die internen Glaubenskriege und grausamen Glaubensbrände sprechen doch eine deutliche Sprache!

      Vielleicht auch die, daß den Leuten der Glaube immerhin etwas bedeutete, wofür es sich lohnt Krieg zu führen.

      >>Es gibt biblisch nur ein auserwähltes „ethnisches“ Volk, und das sind die Juden. Für die Kirche gibt es das ausdrücklich nicht!

      Es gibt sicherlich kein im Vollsinn auserwähltes Volk im Christentum, mag es auch Völker mit ihren Eigenheiten und je spezifischen Beiträgen geben – aber da wir selbstverständlich alle geistige Kinder Abrahams sind, ist die Auserwählung auf die Kirche übergegangen. Für den von Ihnen geforderten Nachweis verweise ich einfach, wie Pius XI. es berühmtermaßen tat, auf den römischen Meßkanon.

      >>Die Frage, was man hier und heute unter dem „Abendland“ verstehen darf, kann nicht durch einen Hinweis auf die letztendlich angeblich harmlosen „Familienstreitereien“ überflogen werden.

      Auch eine nicht-harmlose Familienstreitigkeit ist und bleibt eine Familienstreitigkeit. Oft streiten sich Familien sogar, was gar nicht zu leugnen ist, viel mehr aufs Blut wie mit unbeteiligten Außenstehenden, aber sie bleiben Familien.

      >>Nicht zuletzt brachte der andauernde Inzest des europäischen Adels das hervor, was aus einer hermetischen Abschottung immer folgt: Schwachsinnige, Erbschwächen und geistige Enge.

      Von ein paar Ausnahmen abgesehen, bei der der Inzest auch häufig auf die Spitze getrieben worden war (Königin Isabella von Spanien und ihr Mann König Franz waren genetisch gesehen Geschwister) und der Bluterkrankheit ist das so nicht der Fall.

      >>Nicht zuletzt verließen Millionen von Abendländern das Abendland und emigrierten in neue und alte Welten, um diesem bestialischen Umgang miteinander zu entfliehen.

      Die beiden Amerikas gehören zum Abendland, insofern gehört das nicht hier her.

      >>Dass sich die islamische Umma genauso und noch noch schlimmer verhielt, kann ja kein Argument gegen all diese Tatsachen sein.

      Wie der bedeutende Abendländer Konrad Adenauer, Bundeskanzler, sagte: man muß die Menschen nehmen, wie sie sind, denn andere gibt es nicht. Und vor diesem Hintergrund: doch, kann und muß es, leider, schon.

      >>Es bleibt betsehen, dass wir hier davon müssen, keine „bleibende Statt“ haben und unser Herr der Welt mit ihren bedingungen starben, sterben musste, um uns daraus zu retten.

      Wir haben keine bleibende Statt, aber das heißt nicht, daß wir unsere Erde, unsere Heimat, unsere buchstäblichen und metaphorischen Eltern nicht lieben dürften.

      Um Tolkien zu zitieren: „Die Liebe zur geschaffenen Welt pflanzte der Vater aller in die Herzen der Menschen, und nichts pflanzt er ohne Absicht“.

      >>Wer hier schon im Schauen leben will, wird es dort nicht erreichen.

      Ich denke, solche Debatten sollten ein wenig zurückhaltend damit umgehen, dem, der anderer Meinung ist, deswegen das ewige Höllenfeuer anzudrohen, zumal es dafür keinerlei Grundlage gibt.

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