Dienstag, 19. März 2024

Dating im Digitalen Zeitalter: Wie junge Menschen mit Apps die wahre Liebe suchen

Von Mary Rezac

Junge Singles sind zu sehr damit beschäftigt, nach links und rechts über ihr Handy zu wischen und oberflächliche, vorübergehende Verbindungen aufzubauen, um echte Liebe mit echten Menschen zu finden. Die Romantik sei tot, behauptete die Autorin Nancy Jo Sales.

Was Tinder von den meisten anderen Dating-Apps oder Online-Dating-Erfahrungen unterscheidet, sind die Geschwindigkeit und der knappe Aufbau der App. Aufgrund eines Fotos, eines Vornamens und eines Alters allein entscheiden Benutzer, ob sie ein Profil nach links oder nach rechts wischen – es also ablehnen oder Interesse daran bekunden – wollen.

Mittels GPS-Tracking gibt die App den Benutzern sehr genau an, wie weit entfernt sich eine mögliche Übereinstimmung, ein mögliches Match, befindet und macht damit denen das Leben leichter, die nur auf der Suche nach einem One Night Stand sind.

Oberflächlichste Dating-App aller Zeiten?    

Die größte Kritik an Tinder? Es ist eine sehr oberflächliche App, die Menschen in schnell beurteilte Bedarfsartikel auf einem Bildschirm verwandelt.

In dem Artikel „Tinder: Die oberflächlichste Dating App aller Zeiten“ von Pete Cashmore, erschienen im Jahr 2013 bei „The Guardian”, erklärte der Autor den so genannten Igitt-Faktor, den Tinder trotz eines gewissen trotz Suchtpotenzials im Vergleich zu der Dating-App Twine hat.

„Von beiden Apps scheint Tinder schlimmer, einfach weil es so verächtlich oberflächlich erscheint. Es gibt Hunderte und Abertausende von Frauen, über die man fast nichts weiß, und trotzdem beurteilt man sie durch ein einziges, spontanes Wischen. Es ist eine fingerschnipsende Hymne auf die augenblickliche Befriedigung im Smartphone-Zeitalter. Es macht süchtig.“

Matt Fradd ist ein bekannter katholischer Autor, Apologet und unter anderem Gründer von „The Porn Effect„, einer Website mit dem Ziel, „die Realität hinter der Phantasie von Pornographie zu entlarven und Menschen darauf vorzubereiten, sich davon zu befreien.“ In seiner Arbeit hat der in den USA lebende Australier schon viele Geschichten gehört von jungen Menschen und ihrem Ringen, die Objektivierung von Menschen durch Pornographie zu überwinden.

Fradd, vierfacher Familienvater, hatte harte Worte für Tinder.

„Tinder gibt es für diejenigen, die lieber keine Prostituierte bezahlen wollen“, sagte er der CNA.

„Ich kann mir vorstellen, dass die meisten Menschen diese App nicht benutzen, weil sie eine anständige Beziehung suchen“, fügte er hinzu.

Und tatsächlich geben ihm viele Nutzer Recht. In dem Artikel in der Vanity Fair sagte Alex, dass Dating-Apps Romantik verändert hätten in den Wettbewerb: „Wer hat mit den besten und den heißesten Mädchen geschlafen?“

„Man kann zwei oder drei Mädels an der Bar ansprechen und die beste davon aussuchen, oder einfach ein paar hundert Menschen pro Tag bei Tinder durchwischen – der Stichprobenumfang ist dort um vieles größer“, sagte er.

Der in den USA arbeitende Australier nimmt kein Blatt vor den Mund: „Pro Woche macht man in etwa zwei oder drei Tinder-Dates aus und die Chancen mit allen zu schlafen, stehen gut. Man könnte also im Jahr um die 100 Mädels flach legen.“

Auch wenn Fradd recht haben mag: Tinder müsse nicht immer nur auf diese Weise funktionieren, argumentieren Nutzer. Es sei durchaus möglich, durch die App Menschen zu finden, die auf ein gutes, altmodisches Rendez-vous gehen möchten.

Das sagen die Tinder-Nutzer

Ross, ein Mittzwanziger, von Nebraska nach New York City gezogen und von klein auf Katholik, hat sowohl Dating-Apps als auch und Internetseiten zu einem je jeweils gleichen Teil ausprobiert. „Location, location, location“ — also der Ort, so sein Resümee, sei bei der Anmeldung bei Tinder wohl der wichtigste Faktor, ob man ein potentielles Date oder einen One-Night-Stand findet.

„Der Ort, an dem Du lebst, ist so entscheidend“, betonte er gegenüber der CNA in einem E-Mail-Interview. „In Nebraska daten Frauen über Tinder. Das machen sie wirklich … In New York wollen sie (die meisten) hingegen nur Ablenkung, Aufmerksamkeit und oder einen One-Night-Stand, aber keine Emotionen oder feste Bindungen.“

Holly, ebenfalls Mitte 20, ist eine gläubige Katholikin, und wohnt in Kansas City. Sie erzählte davon, dass sie mit der App Erfolg hatte, ein Date zu finden – ein ziemlich ordentliches noch dazu.

„Ich hatte ein großartiges Tinder-Date. Zugegeben, es war mein bisher einziges Tinder-Date, aber wir sind danach sogar ein paar Mal miteinander ausgegangen, bevor Schluss war. Zu der Zeit hat Tinder mich ein bisschen wahnsinnig gemacht, aber ich habe dann kurzum beschlossen, mich einfach drauf einzulassen und insgesamt war es eine schöne Erfahrung“.

Viele junge Menschen, die Tinder genutzt haben, argumentieren ebenfalls, dass die Kritik der „Oberflächlichkeit“ von Tinder ein wenig übertrieben sei, wenn man bedenke, dass es auch beim Dating immer darum gehe, ob der potentielle Partner körperlich attraktiv ist oder nicht.

„Wo liegt der Unterschied, ob ich bei einem Typen, wenn ich ihn attraktiv finde, nach rechts wische und wenn nicht, nach links, oder ob ich einen Typen, anspreche, den ich an der Bar sehe und der mir gefällt? Wir fällen die ganze Zeit vorschnelle Urteile. Warum ist es plötzlich so viel schlimmer, wenn ich es online mache?“, fragte Michelle, eine Mittzwanzigjährige und praktizierende Katholikin, die in Chicago lebt.

Sie hat auf jeden Fall die unheimlichere Seite von Tinder erlebt: Jungs haben ihr „Ranglisten“ mit einer Skala von 1 bis 10 geschickt und noch andere, weniger freundliche Nachrichten. Trotzdem betonte sie, dass man ihrer Meinung nach die App als eine Möglichkeit nutzen könne, um vielleicht einige neue Menschen persönlich kennenzulernen und Empfehlungen zu bekommen, für Dinge, die man in der Stadt unternehmen könne.

„Ich denke, Tinder oder jede andere Dating-App sofort als ‚Rummach-‚App oder als eine sehr schlechte Sache abzustempeln, widerspricht der Annahme, dass die Dinge moralisch neutral sind“, sagte Michelle.

„Genau wie Alkohol nicht von Natur aus schlecht ist, aber zum Bösen gebraucht werden kann, glaube ich auch nicht, dass Tinder von Natur aus böse ist. Ich denke auf jeden Fall, dass man Tinder nutzen kann, wenn man es gebraucht, um Menschen zu treffen – und nicht um nur mit ihnen rumzumachen.“

Die Moralität von Tinder

Zugegeben: Es ist ein bisschen schwierig, jemanden in der katholischen Welt zu finden, der mit moralischer Autorität speziell zu Dating-Apps etwas sagen kann. Wegen der jüngst steigenden Verbreitung von Smartphones, gefolgt von dem explosiven Anstieg von Dating-Apps oder wegen des Zölibats haben viele Geistliche und moralischen Experten solche Dating-Apps eigentlich nie selbst benutzt.

Pater Gregory Plow, T.O.R., fällt in diese Kategorie. Zwar hat er als junger Priester und Mönch Tinder noch nie benutzt, aber Plow arbeitet jeden Tag als Direktor der Wohngemeinschaften an der Universität der Franziskaner in Steubenville, Ohio mit Hunderten von jungen Menschen zusammen. Die WGs der Uni sind das, was an anderen Hochschulen die Colleges und „Fraternities” wären.

Pater Plow sagte, dass Katholiken drei Faktoren berücksichtigen müssten, um die Moral einer Handlung oder eines Instruments wie Tinder moralisch zu bewerten.

„Immer, wenn es darum geht, die Moral einer Handlung zu erkennen, die nicht ausdrücklich von der Lehre der Kirche definiert ist, müssen wir den den Gegenstand, die Absicht und die Umstände untersuchen“, sagte er, und verwies auf Absatz 1757 des Katechismus der Katholischen Kirche.

„Was den ‚Gegenstand‘ Apps im Allgemeinen und als Erfindung angeht, so ist dieser nicht an und für sich schlecht. Wie die meisten anderen Technologien, sind Apps grundsätzlich moralisch neutral“, sagte er. „Apps besitzen jedoch die ganz bestimmte Eigenschaft, vergänglich zu sein, was sich auf die beiden anderen Komponenten – also Absicht und Umstände – auswirken kann, die Faktoren für die Beurteilung der Moral einer Handlung sind.“

Die vorübergehende, oberflächliche Natur des Wischens aufgrund eines einzelnen Bildes bei Tinder könne moralisch gefährlich werde, wenn dieselbe Mentalität auf Beziehungen mit Menschen übertragen werde, sagte er. Anstatt einzuhalten und sich die Zeit zu nehmen, um echte Beziehungen zu schaffen, könnten manche Menschen entscheiden, zum nächstbesten Angebot weiterzuziehen, da sie so viele Optionen hätten.

„Darum sind Dating-Apps unmoralisch, soweit sie unpersönlich und vergänglich sind, oder mit der Absicht genutzt werden, Befriedigung und Belustigung zu erzielen“, sagte er. „Wenn aber Online-Dating-Apps oder andere solcher Dienstleistungen einen Menschen unterstützen, zu einem anderen Menschen zu finden, um dann in der Einzigartigkeit einer Beziehung oder einer Ehe die Liebe Gottes zu teilen, dann können sie (moralisch) gut sein.“

Das Beunruhigende an Tinder im Vergleich zu Online-Dating-Seiten wie CatholicMatch sei die Schnelligkeit, mit der Menschen in Objekte gewandelt werden, sagte Mary Beth Bonacci, eine katholische Rednerin und die Autorin der Theologie des Leibes von Johannes Paul II.

„Der gesamte Dating-Bereich ist voll von Möglichkeiten, eine menschliche Person in eine Ware umzudeuten. Wir sind so damit beschäftigt, darüber nachzudenken, was wir für uns selbst wollen, dass wir vergessen, dass wir mit einem anderen Menschen umgehen – einem Abbild und Gleichnis Gottes. Das war schon immer eine Versuchung“, sagte sie.

„Aber der Schnellfeuer-Charakter von Tinders ‚Scan und Wischen‘ macht es leicht, viele, viele Menschen innerhalb eines kurzen Zeitraums für Waren zu halten. Das ist für mich das Erschreckendste.“

Bonacci sagte, dass es zwar möglich sei, über Apps wie Tinder jemanden zu finden, der Interesse an einer echten Dating-Beziehung habe. Die Chance sei aber relativ gering im Vergleich zu anderen Online-Dating-Seiten, bei denen es umfangreichere Profile gibt.

Jemanden so schnell wie möglich persönlich zu treffen sei der Schlüssel, um herauszufinden, ob ein Treffer Online oder in einer App die Chance hat, sich in eine echte Beziehung zu entwickeln. Aber Apps wie Tinder würden nicht gerade helfen, der Romantik ein neues Leben einzuhauchen, bezweifelte sie.

„Alles ist augenblicklich. Der fast-anonyme Sex ist natürlich das Gegenteil von allem Romantischen oder Respektvollen. In den alten Zeiten der Fleischbeschauung in einer Single-Bar musste man sich noch schick anziehen, das Haus verlassen, ein paar Drinks bezahlen und zumindest so tun, als sei man wirklich an der anderen Person interessiert.“

Die Kirche habe die Pflicht, betonte sie, den jungen Menschen bessere Alternativen in der Dating-Welt zu bieten, als die sofortige Befriedigung, die sie in der aktuellen Kultur finden.

„Der Artikel in der Vanity Fair erinnerte mich einmal mehr daran, dass wir Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Alternative bieten müssen zu der erniedrigenden, rummachenden Welt, die sie umgibt. Wir können sie nicht heraus ekeln. Sie brauchen Inspiration, um sich in die wahre Schönheit von christlicher Sicht der menschlichen Sexualmoral zu verlieben“, sagte sie.

„Sie müssen ihre eigene Würde, ihre eigene Bedeutung sehen und erkennen, wie Respekt gegenüber ihren Körpern und der wunderschönen Sprache der menschlichen Sexualität der einzige Weg ist, um die wahre Liebe zu finden. Wir müssen es. Wir können nicht zulassen, dass eine weitere Generation von Kindern in diese Jauchegrube fällt.“

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