Donnerstag, 28. März 2024

Wir besitzen nicht die absolute Wahrheit, nein: Sie besitzt uns!

von Dr. Markus Büning

Wie kann es uns überhaupt noch gelingen, Menschen für Christus und seine Kirche zu gewinnen? Der von mir sehr geschätzte und inzwischen verstorbene Bischof Reinhard Lettmann betonte bereits vor einigen Jahrzehnten völlig zu Recht, dass heute keiner mehr nur aufgrund von Autorität, sondern immer auch aufgrund eigener Entscheidung Christ sein oder nicht sein will. Die Zeiten, in denen die Menschen bereit waren, alles was die Kirche einem an Glaubenswahrheiten als verbindlich zu glauben vorlegt auch sogleich im Gehorsam anzunehmen, weil der Kirche ja genau diese Autorität zukommt, sind lange vorbei. Das Autoritätsargument ist schwach geworden. Die Ursachen hierfür sind mannigfaltig. Jedenfalls ist es uns offenkundig als Kirche in den letzten Jahren nicht gelungen, die Freude am Glauben glaubwürdig überzubringen. Vielen Menschen erscheint die Kirche als intolerante Größe alter Zeiten, die nicht bereit ist, die Freiheit des Andersdenkenden zu achten.

Screenshot, YouTube:Gebetsmeinungen des Heiligen Vaters für Januar 2016

Gerade im sogenannten konservativen Lager fehlt es vielfach bis heute an einer selbstkritischen Analyse kirchlicher Zustände. Wo haben wir mit unserem Beharrungsvermögen und Abwehrkampf gegen progressive, ja mitunter durchaus zerstörerische, Tendenzen vergessen, die Botschaft des Evangeliums mit tiefer Freude und Liebe den Menschen zu sagen? Wo stehen wir uns selber bei unseren Missionierungsversuchen im Weg? Welchen Beitrag leisten wir dafür, die Glaubenslehre in unserer Zeit wieder sprachfähig und verständlich zu machen? Bischof Stefan Oster hat in Richtung Konservative vor einiger Zeit folgende Zustandsbeschreibung vorgelegt:

„Auch die so genannten Konservativen sind oft nicht fruchtbarer. Sie beharren zwar vielfach auf Dogma und Liturgie, aber nicht selten ist auch bei ihnen wenig zu erleben von einem wirklichen liebenden Dienst am Nächsten. Die bloße Beharrung auf einer satzhaften Wahrheit und korrekten Liturgie macht noch längst nicht das eigene Herz größer und weiter. ‚Spirituelle Weltlichkeit‘ nennt Papst Franziskus eine Versuchung, die unter besonders geistlichem, aber eben nur äußerlichem Anspruch daherkommt – und dennoch bei sich bleibt, ohne je über sich hinauszukommen. Kirche, die sich bei aller vermeintlichen Frömmigkeit doch nur um sich selbst und den eigenen Selbsterhalt dreht. Nur die Revolution der Liebe selbst, die von Jesus und niemand anderem kommt, bewirkt die Herzenserweiterung. Aber nur sie! Der wirkliche ‚Sieg‘ im Kampf zwischen den kirchlichen Lagern ist daher nicht, wenn die eine oder andere der beiden Gruppen die Oberhand behält und diesen Sieg feiert. Der eigentliche Sieg ist eben die Revolution der Liebe, der Barmherzigkeit, von der Papst Franziskus nicht aufhört zu sprechen. Er ist wachsende Heiligkeit: Ein Leben aus dem Gebet, den Sakramenten und in der Treue zum überlieferten Glauben der Kirche, was einen dann befähigt, im Liebesdienst weit hinaus zu gehen und den Menschen die Füße zu waschen, bis an die äußersten Ränder.“ (zit. nach http://www.kath.net/news/57480).

Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich mich nach dem ersten Lesen dieses Textes sehr über Bischof Oster geärgert habe. Jetzt fängt der auch noch an, uns Konservative in die Ecke zu stellen. Wir sind es doch schließlich, die die Wahrheit in den Stürmen der Zeit noch hochhalten. So oder so ähnlich habe ich gedacht. Doch inzwischen bin ich der Überzeugung, dass der Bischof den wunden Punkt bei uns Konservativen ganz gut getroffen hat. In der Tat: Das bloße Beharren auf Dogma und Liturgie, das Beharren auf Satzwahrheiten reicht nicht aus! Wir müssen alle wieder neu lernen, demütig zu sein. Wir besitzen nicht die absolute Wahrheit, nein diese besitzt uns. Und das mit den „Sätzen“, auch mit den Glaubenssätzen, den Dogmen, ist bekanntlich so eine Sache: Sie kommen immer in der Brechung menschlicher Sprache daher. Sie entstammen immer einem gewissen historischen, philosophischen oder theologischen Kontext der jeweiligen konkreten Entstehungsgeschichte. Mit dem Satz an sich ist es noch nicht getan. Es bedarf der immer wieder neuen Verkündigung des jeweils Gesagten in der hörenden Gegenwart der jeweiligen Zeit, gemeint ist die lebendige Verkündigung des Glaubensgutes durch die Zeiten hindurch.

Dann gibt es noch die Zuspitzung im Lager der Traditionalisten: Meine Erfahrungen mit den Vertretern dieser Spielart konservativen Denkens und ein Argumentationsstrang, der sich gegenwärtig in der um Amoris Laetitia geführten Debatte immer wieder findet, bewegen mich sehr. Hier findet sich das Argument der „ewigen Wahrheit“: die „Messe aller Zeiten“ als historische Fiktion zur Ablehnung der nachkonziliaren Liturgiereform oder „die Ehelehre aller Zeiten“ als Abwehr gegenüber der nun von Papst Franziskus vorgeschlagenen Neuausrichtung in der Pastoral. Das Denken geht dann in der traditionalistischen Bewegung mitunter so weit, dass man das Papsttum als ideologische Größe eines wie auch immer existenten „ewigen Roms“ transzendiert, aber im Grunde genommen trotz formeller Anerkennung der Legitimität der Päpste seit Pius XII. deren tatsächliche Lehrautorität aber bestreitet. Aus meiner Sicht ein Fall von „Sedisvakantismus light“. Der konkret regierende Papst findet sich noch als Bild in der Sakristei und bei der Erwähnung im Hochgebet der Hl. Messe. Aber zu sagen haben diese Päpste nichts mehr, haben sie doch nicht mehr den wahren katholischen Glauben bzw. diesen seit dem „modernistischen“ Konzil Vatikanum II verwässert.

Woher kommt es, dass ein Teil der Kirche den Weg, den das Konzil eingeschlagen hat, nicht mitgehen will? Die Ursachen für diese Blockadehaltung sind mannigfach. Psychologisch ist da zunächst die Angst vor dem Machtverlust. Zudem scheint es auch mitunter die eigene Unsicherheit in der eigenen Positionierung zu sein, die bereits durch das bloße Vorhandensein anderer Denk- und Glaubensrichtungen innerlich angefragt zu sein scheint. Und überhaupt: „Wir sind es doch, die im Besitz der absoluten Wahrheit sind! Was scheren uns da noch die anderen…“.

Die klar ausgesprochene Haltung des Konzils, dass es auch außerhalb der römischen Kirche in den anderen Religionen wahre Elemente gibt, macht klar: Wir haben eben nicht ein absolutes Monopol in Sachen Wahrheitsfrage! Anders gewendet: Die Wahrheit ist eben nicht römisch-katholisch, sondern geht weit über die Grenzen der sichtbaren Kirche hinaus. Das Konzil hat dies in seiner Erklärung Nostrae aetate Nr.2 im Hinblick zu den nichtchristlichen Religionen so zum Ausdruck gebracht:

„Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet.“

Genau dies ist der Fall: Der Strahl der Wahrheit hat alle Menschen erleuchtet! Das ist eine Sicht der Dinge, die für die Zukunft der Kirche und für die Zukunft einer wirklich überzeugenden Mission grundlegend ist. Die Wahrheit ist nicht im ausschließlichen Besitz der Kirche. Nein, die Wahrheit selbst ist es, die uns alle zu ergreifen vermag und auch ergreifen will. Hierbei hat Gott sich die Kirche als sein Instrument erwählt, Dienerin und Künderin der Wahrheit zu sein. Dies aber bitte in aller Demut!

Wieso besitzt die Kirche nicht die Wahrheit? Weil Gott selbst die Wahrheit ist. Er der unendlich erhabene und unfassbare Gott ist die Wahrheit. Und darum ist dieselbe eben nicht fassbar und mit menschlichen Worten aus sich selbst heraus kodifizierbar. Nein, es bedarf des Geschenkes der Offenbarung. Und genau das ist der Grund, warum wir daran glauben dürfen, in der Kirche dem Geschenk der Wahrheit zu begegnen: Im menschgewordenen Sohn Gottes, in Jesus Christus ist die Wahrheit für uns auf sichtbare Weise offenbar geworden. Das Konzil bringt dies in der Konstitution Dei Verbum Nr. 2 über die göttliche Offenbarung ganz wunderbar zum Ausdruck:

„Gott hat in seiner Güte und Weisheit beschlossen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens kundzutun (vgl. Eph 1,9): dass die Menschen durch Christus, das fleischgewordene Wort, im Heiligen Geist Zugang zum Vater haben und teilhaftig werden der göttlichen Natur (vgl. Eph 2,18; 2 Petr 1,4). In dieser Offenbarung redet der unsichtbare Gott (vgl. Kol 1,15; 1 Tim 1,17) aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex 33,11; Joh 15,14-15) und verkehrt mit ihnen (vgl. Bar 3,38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen. Das Offenbarungsgeschehen ereignet sich in Tat und Wort, die innerlich miteinander verknüpft sind: die Werke nämlich, die Gott im Verlauf der Heilsgeschichte wirkt, offenbaren und bekräftigen die Lehre und die durch die Worte bezeichneten Wirklichkeiten; die Worte verkündigen die Werke und lassen das Geheimnis, das sie enthalten, ans Licht treten. Die Tiefe der durch diese Offenbarung über Gott und über das Heil des Menschen erschlossenen Wahrheit leuchtet uns auf in Christus, der zugleich der Mittler und die Fülle der ganzen Offenbarung ist.“

Ja, Jesus Christus selbst ist der Mittler und die Fülle der ganzen Offenbarung. Offenbarungsgeschehen ist dialogisches, gnadenhaftes und ein sich aus tiefer Liebe zuwendendes Handeln Gottes gegenüber dem in Sünde gefallenen Menschen. Offenbarung ist nach der Konzeption des Konzils ein Geschehen der Begegnung der Menschheit mit dem ewig treuen Gott, der von sich Kunde gibt in seinem Sohn Jesus Christus.

Aber die Wahrheit an sich ist kein Lehrgebäude, sondern eine Person, ist Jesus Christus selbst. Und hier klingt der großartige Satz bereits an, den die Konzilsväter dann in Gaudium et Spes Nr. 22 so auf den Punkt gebracht haben: „Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt.“ Jesus Christus hat mit seiner Menschwerdung die ganze Menschheit geheiligt. Sein Heilswille umfasst jeden Menschen, ausnahmslos! Er will, dass alle Menschen das Geschenk der Erlösung erhalten. Das ist eben nicht Abgrenzung und Abschottung gegenüber dem anderen, nein das ist die neue Weite des Herzens, die uns in Jesus Christus geschenkt worden ist. Karl Rahner liegt dann mit seiner Lehre vom anonymen Christentum ganz auf dieser Linie der Konzilslehre: In jedem menschlichen Herzen ist der „Durst nach Gott“ angelegt! Das ist zutiefst die Überzeugung eines jeden, der darum weiß, wer der Schöpfer des Menschen und wer der Erlöser des Menschen ist. Ganz ähnlich gewendet findet sich dieser Gedanke auch bei auch Hans Urs von Balthasar: Uns ist enthüllt („revelatio“ – das velum ist weggezogen), was anderen als Wirklichkeit verhüllt erscheint.

Auch der hl. Johannes Paul II. war in seiner Verkündigung ganz geprägt von diesem Heilsoptimismus. Bereits als Kardinal brachte er die transzendentale Grundveranlagung aller Menschen in einem Exerzitienvortrag, den er zur Fastenzeit vor Paul VI. und der Kurie hielt, so zum Ausdruck:

„Dem Menschen ist der Unendlichkeitsbegriff zu eigen. (…) Die Unendlichkeit findet somit in ihm, in seiner Intelligenz, den geeigneten Raum, um den aufzunehmen, der unendlich ist, den Gott von unendlicher Majestät, den, den die heilige Schrift und die Kirche bekennen in ihrem: ‚Heilig, heilig, heilig Gott, Herr aller Mächte und Gewalten. Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit!‘ Diesen Gott bekennt in seinem Schweigen der Trappist und der Kamaldulensermöch. An ihn wendet sich der Beduine in der Wüste, wenn die Gebetsstunde gekommen ist. Und vielleicht auch der in seiner Betrachtung versunkene Buddhist, der sein Denken läutert und den Weg zum Nirwana bereitet. Gott in seiner absoluten Transzendenz, Gott, der schlechthin alles Geschaffene, alles Sichtbare und Erfassbare übersteigt.“ (aus: Karol Wojtyla, Zeichen des Widerspruchs, Freiburg 1979, S. 27).

Man kann sich vorstellen, wie Traditionalisten mit einem solchen Text umgehen. Für sie ist er ein Paradebeispiel des nachkonziliaren Verfalls. Nein, für mich ist dieser Text geradezu ein Glanzpunkt in der Geschichte der Theologie. Johannes Paul II. wusste darum, wie groß der dreimal heilige Gott wirklich ist. Dieser Gott ist einer, der sich nicht in die Bezirke theologischer Wahrheitssysteme einkerkern lässt. Nein dieser Gott ist der ganz Souveräne und immer ganz Andere. Er ist der, der einen jeden Menschen sucht, weil er sein Ebenbild ist. Jeder Mensch! Und weil er so sehr liebt, wird er sogar einer von ihnen, in Jesus Christus. Und weil das alles so ist, kann man selbst im Buddhisten einen Menschen erblicken, der letztlich in seinem religiösen Tun nichts anderes tut, als den dreimal heiligen Gott anzubeten und zu ehren. Und genau das ist die Haltung, die den heiligen Papst dazu bewog, sich in Assisi mit den Vertretern aller Weltreligionen zu treffen und um den Frieden in der Welt zu beten.

Ich möchte auf dieser Linie die Betrachtung von Johannes Paul II. innerchristlich für die Ökumene so weiterführen: Dem Christen ist die Überzeugung eigen, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist. Diese Überzeugung findet ihren Niederschlag in den Vollzügen aller Konfessionen. Der Protestant begegnet dem menschgewordenen Wort vor allem im Geschenk der Heiligen Schrift, in der er – mitunter tagtäglich in den Losungen – immer wieder seine Stimme neu für den Alltag zum Klingen bringt. Der Orthodoxe erkennt Christus in der heiligen Ikone, ist er selber doch das Bild des Vaters. Der Katholik ehrt diesen Christus vor allem im Sakrament des Altares, in welchem er wirklich zugegen ist. Alle sind erfüllt von der einen Überzeugung, dass Jesus Christus mitten unter ihnen ist.

Was zeigt uns diese Sichtweise? Die Wahrheit ist kein Besitz einer bestimmten Gruppe. Nein, streng genommen gibt es den absoluten Irrtum nicht, da in jedem Menschen aufgrund der Transzendenzfähigkeit Gott zugegen ist. Aus der Lehre von der unsterblichen Seele folgt genau dies: Jeder Mensch ist wahrheitsfähig, weil er von Gott kommt, der selbst die Wahrheit ist. Und eben dieser Gott ist es, der seine Schöpfung in seinen Händen hält. Er, die absolute Wahrheit, besitzt uns alle.

Die schlimmsten Vergehen der Kirchengeschichte rühren gerade daher, dass die Kirche über lange Zeit mit einem falschen Absolutheitsanspruch Zeugnis von der Wahrheit, die Jesus Christus selber ist, gegeben hat. „Willst Du nicht mein Bruder sein, dann haue ich Dir den Schädel ein!“ Das war das Motto der brutalen Mission im Sachsenland durch Kaiser Karl den Großen. Der Massenmord von Verden ist nur ein Beispiel dieser schrecklichen „Missions“geschichte. Ganz auf dieser Linie stehen die vielen Verurteilungen von Menschen, die wegen Häresieverdachts auf dem Scheiterhaufen endeten. Jan Hus, Johanna von Orléans und Michel Servet, letzterer übrigens ein Opfer des „reformierten“ Terrors eines Johannes Calvin, sind hierfür nur drei prominente Beispiele. Nein, es war Unrecht, Menschen wegen ihrer Glaubensauffassung zu töten. Auch der Irrtum berechtigt nicht dazu. Der Mensch hat das Recht, sich seine Überzeugung nach seinem Gewissen zu bilden und diese zu vertreten. Die Leugnung der Freiheitsrechte ist ebenfalls ein großer Irrtum des Traditionalismus. Die individuellen Freiheitsrechte gehören heute zum Humanitätsstandard einer zivilisierten Welt. Wer dies leugnet, läuft Gefahr, den Frieden zu gefährden. Der fundamentalistische Islam gibt uns allen ein beredtes Zeugnis davon.

Aber, was ist dann mit dem Missionsbefehl Jesu, alle Völker zu seinen Jüngern zu machen (vgl. Mt 28,19)? Der gilt, nach wie vor! Der gilt aber in der Brechung der oben aufgezeigten Perspektive, die die Freiheit des Individuums und den Umstand ernst nimmt, dass der zu Missionierende längst schon in der tiefen Einheit mit Gott steht. Mission ist letztlich ein heuristisches Instrument, welches diese Begabung zu heben hilft und in das Licht dessen stellen möchte, der die Wahrheit und das Licht der Welt ist: Jesus Christus. Mit Wertschätzung und Liebe gilt es, den Menschen, die die Wirkmacht Jesu Christi noch nicht bewusst erfahren haben, von eben diesem Jesus zu künden und durch sein Lebensbeispiel zu überzeugen. Und dieses Unterfangen hat mit Liebe zu erfolgen und ohne jedwede Besserwisserei eines Überlegenen. Ein solcher ist der Missionar ja eben wegen der zuvor beschriebenen Gleichförmigkeit in der grundsätzlichen Transzendenzfähigkeit aller Menschen eben nicht ist. Die Kirche muss bei ihrem missionarischen Bemühen jedwede Arroganz alter Zeiten ablegen. Nie mehr darf es um Macht gehen, wenn überhaupt, dann nur um die Vollmacht Jesu Christi. Und: Wir müssen davor Respekt haben, dass der andere eben nicht hören will. Hier ist dann die Grenze des Missionierens erreicht. Mission und Achtung der Freiheit widersprechen sich nicht, nein sie bedingen einander.

Was ist das Fazit meiner Überlegungen: Hören wir auf, die Religion zu einem System absoluter Wahrheitssätze zu degradieren. Menschliche Sätze können schon aufgrund ihrer Zeitgebundenheit und Missverständlichkeit nicht absolut wahr sein. Hier geht es immer nur um eine Annäherung. Wissen wir darum, dass wir im dreimal heiligen Gott den absolut wahren Gott anbeten, der uns in Jesus Christus als Weg, Wahrheit und Leben (vgl. Joh 14,6) in der Geschichte entgegen gekommen ist! Wenn wir von absoluter Wahrheit sprechen, können wir nur Gott meinen. Und diesen besitzen nicht wir, nein er hält uns in seinen Händen. Insofern werden wir alle – egal welcher Rasse, Religion oder Herkunft – getragen von dieser einen Wahrheit. Die Kirche ist dazu da, die Menschen zu diesem wunderbaren Gott hinzuführen, der uns in Jesus das Heil geschenkt hat. Dies darf sie aber nur tun in dem Bewusstsein, dass sie eben kein absolutes Wahrheitsmonopol hat und die Freiheit des Andersdenkenden wirklich achtet. Tut sie dies nicht, ist sie eben nicht in der Wahrheit. Denn die Wahrheit selbst hat dem Menschen eben diese Freiheit geschenkt.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen bleibt zu hoffen, dass innerchristlich jedweder Fundamentalismus überwunden wird. Ich erkenne in der Aufklärung und der damit einhergehenden Entdeckung der menschlichen Freiheitsrechte auch das Wehen des Heiligen Geistes, der immer wieder neu die Menschen in die Tiefe der Weisheit einzuführen vermag. Gott ist eben wirklich ein Gott der Geschichte. Es bleibt zudem zu hoffen, dass der Islam auch durch diesen Scheuersack der Aufklärung in seiner Gesamtheit zu einer Religion wird, die fundamentalistischen und gewaltverherrlichenden Varianten religiöser Existenz ein für allemal abschwört. Wenn dem so wäre, würde das Phänomen der Religion vor den Augen aller Menschen wieder mehr an Überzeugungskraft gewinnen.

1 Kommentar

  1. Der Text fing ja ganz hoffnungsvoll an… endet dann aber doch wieder viel zu schnell im Tradi-bashing.
    Schon der Satz, gerade im konservativen Lager fehle es an Selbstkritik, ist verkehrt!
    Ein Beispiel:
    Dubia=Zweifel, dazu: Pontifex maximus=eisernes(!) Schweigen.

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