Donnerstag, 28. März 2024

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Heiraten jenseits der Inszenierungsspirale

Warum nicht heute tun, was man heute tun kann?“, fragte Franziskus, nachdem er sich genötigt sah, nachträglich Stellung zu nehmen. Viel mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen. Geht es hier wirklich um die Sache oder um Franziskus-Bashing? Dabei sind Entscheidungen des Papstes eigentlich überhaupt nicht begründungspflichtig. Mit der Frage „Warum nicht?“ spielt Franziskus den Ball zu Recht an die Kritiker zurück. Die Frage erinnert an den äthiopischen Kämmerer, der Philippus fragte: „Siehe, hier ist Wasser. Was steht meiner Taufe noch im Weg?“ (Apostelgeschichte 8, 36). Dieser Logik folgt auch der CIC, nach dem man Sakramente denen nicht verweigern darf, die „gelegen darum bitten, in rechter Weise disponiert sind und rechtlich an ihrem Empfang nicht gehindert sind“ (Can 843 §1).

Die Kirche hat immer schon gewusst, was Papst Franziskus in diesem Zusammenhang auch noch einmal unterstrich: „Die Sakramente sind für die Menschen da.“ Möchte ihm hier jemand widersprechen? So richtig es ist, in der Sakramentspastoral keinen „Ausverkauf“ zu betreiben, so wichtig ist es auch (gut katholisch: et – et!), was der Papst mit dieser Trauung demonstriert hat: nämlich dass Sakramente zu wichtig und wertvoll sind, um sie unnötig aufzuschieben!

Das chilenische Paar hat seine kirchliche Hochzeit acht Jahre vor sich hergeschoben, nachdem der erste Anlauf gemeinsam mit ihrer Pfarrkirche zu Staub zerfallen war. Das ist verständlich. Eine Blitzumfrage in meinem Freundeskreis ergab ebenfalls eine eher verhaltene Begeisterung, ein zweites Mal die eigene Hochzeit planen und ausrichten zu müssen. Mit diesem Aufschieben sind sie außerdem nicht allein: Die Deutschen heiraten insgesamt immer später.

Sie tun das nicht aus Geringschätzung der Ehe – im Gegenteil! Junge Menschen nehmen die Ehe heute sehr ernst. Sie kennen die Scheidungsraten – und sie wollen keine Scheidung, kein Patchwork (wenn es sich vermeiden lässt). Sie fürchten die Routine, die Untreue, die Dinge, die in der Generation ihrer Eltern so vielen Ehen das Genick gebrochen haben. Sie wollen alles ausschließen, was die Ehe gefährden könnte. Ihre Ehe soll perfekt sein. Sie wollen sich gut prüfen und alles richtig machen. Manche tun dies so ausführlich, dass manche Hochzeiten nach 10-jähriger „Probezeit“ mehr „Vernunftehe“ sind als alles andere. Von Romantik bleibt jedenfalls nicht mehr viel übrig, wenn irgendwann wirklich alles dreifach geprüft und abgesichert ist. Franziskus stellt in Amoris laetitia richtig fest: „Sich gegenüber einem anderen Menschen ausschließlich und endgültig zu verpflichten, birgt immer ein gewisses Maß an Risiko und Wagnis“. Oder um es mit Chesterton zu sagen: „Die Ehe ist ein Abenteuer. Wie in den Krieg ziehen.“

Kurz: Junge Menschen brauchen in der Mehrzahl keine Belehrungen über die Ernsthaftigkeit der Ehe. Sie nehmen sie selber schon viel zu ernst! Sie brauchen vielmehr Ermutigung, Stärkung, Begleitung! Jemand der sagte: Just do it! Gott wird das Gute, was er in euch begonnen hat, vollenden, wie es in der Liturgie der Ehe heißt. Wo ist die – inzwischen seit Jahrzehnten – viel beschworene Revolution der Ehevorbereitung?

Genauso brauchen junge Paare Unterstützung, sich der immer weiter aufschaukelnden Inszenierungsspirale bei Hochzeiten zu entziehen. Papst Franziskus schrieb ihnen in Amoris laetitia: „Liebe Verlobte, habt den Mut, anders zu sein, lasst euch nicht von der Gesellschaft des Konsums und des Scheins verschlingen. Das, worauf es ankommt, ist die Liebe, die euch eint und die durch die Gnade gestärkt und geheiligt wird. Ihr seid fähig, euch für ein schlichtes, einfaches Fest zu entscheiden, um die Liebe über alles zu setzen.“ Und typisch für Papst Franziskus: Er belässt es nicht bei enzyklischem Schulterklopfen – das von der Zielgruppe, mal ehrlich, sowieso kaum jemand liest – sondern er verpackt die Message einfach mal in ein trojanisches Pferd – beziehungsweise chilenisches Flugzeug – und schafft es damit auf alle Kanäle! Anstatt sich zu echauffieren, sollte man eher sagen: „Respekt“!

 

Hintergrund

Zwei Besatzungsmitglieder der chilenischen Airline LATAM nutzten während des Papst-Flugs von Santiago nach Iquique die Gelegenheit, ihre kirchliche Trauung nachzuholen. Paula Podest (39) und Carlos Ciuffardi (41) aus Chile gaben sich am 18. Januar 2017 vor Papst Franziskus ihr Ja-Wort, nachdem sie seit acht Jahren zivilrechtlich als Paar eingetragen sind. Die geplante kirchliche Hochzeit musste wegen eines Erdbebens ausfallen, berichtete das Paar. Laut Vatikansprecher Greg Burke ist es das erste Mal, dass eine Trauung unter derartigen Umständen stattfand. „Ich denke, dass die Eheschließung gültig ist“, meinte Burke. Die Ehevorbereitung hatte bereits stattgefunden, sodass der Trauung formal nichts im Wege stand. Braut, Bräutigam, zwei mitreisende Trauzeugen und der Papst unterschrieben das handschriftlich aufgesetzte Dokument – irgendwo über San Pedro de Atacama in 11 000 Metern Höhe.

Der Artikel unseres CW-Autors erschien in der Tagespost

2 Kommentare

  1. Unabhängig von diesem konkreten Fall ist doch längst deutlich, dass viel von der angeblich unkonventionellen Art des Papstes in Wirklichkeit eine genau kalkulierte „inszenierte Spontaneität“ ist. Franziskus geht geschickt mit den Medien um (was an sich kein Nachteil ist und auch kein Vorwurf sein soll), aber langsam wird es langsam langweilig.

  2. Mmmhh, naja. Eine kirchliche Hochzeit scheitern zu lassen, weil man sie nicht ein zweites mal organisieren will – das scheint mir ein sehr schwaches Argument. Das mit der Angst vor einer zerbrechenden Ehe klingt da schon logischer – besonders da man sich einmal kirchlich getraut ja nicht (kirchlich) scheiden lassen kann. Den letzten Absatz halte ich für ziemlich blödsinnig. Geht denn noch mehr Inszenierung, als sich im FLUGZEUG vom PAPST trauen zu lassen? Soll das ein Vorbild sein für eine der „aufschaukelnden Inszenierungsspirale“ entzogenen Hochzeit? Es ist doch das glatte Gegenteil, und könnte in Zukunft das Vorbild für weitere, völlig abgedrehte Hochzeitsspektakel werden. Vielleicht war das von dem Paar im Flugzeug so nicht beabsichtigt – aber im Endeffekt sind das wohl die Folgen. Und das hätte Papst Franziskus wissen müssen.

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