Samstag, 20. April 2024

Augustinus, Nietzsche und die Postmoderne: THE WALKING DEAD

Augustinus ist der Theologe der Erbsündenlehre. Aus seinen anthropologischen Beobachtungen kam er zu der Erkenntnis der Sündenverfallenheit des Menschen. Daraus folgte für Augustinus, dass nur Christus daraus erlösen könne. Augustinus selbst sagte: „Es ist seltsam: Die Menschen klagen darüber, dass die Zeiten böse sind. Hört auf mit dem Klagen. Bessert euch selber. Denn nicht die Zeiten sind böse, sondern unser Tun. Und wir sind die Zeit.“

Der Autor der THE WALKING DEAD Comics, Robert Kirkman, drückt das so aus: „Was uns gute Zombiefilme wirklich zeigen, ist, wie kaputt wir doch eigentlich sind.“ Somit haben Kirkman und Augustinus als Ausgangslage eine zum Bösen geneigte, bzw. „kaputte“ menschliche Natur.

Zombies gehen noch eine Stufe weiter. Sie sind bedürfnis- und triebgesteuerte Herdenwesen ohne Sinn und Verstand, für die es keinen Glauben und keine Hoffnung gibt. Sie sind wie postmoderne Hedonisten. Postmoderne ist, wie der Philosoph Jean-François Lyotard schreibt, das Ende der großen Erzählungen, die von dem großen Entwurf der Moderne handelten. Erzählungen von der Aufklärung und die daran anschließenden Bewegungen stoßen heute auf Skepsis. Es gibt keine Hoffnungsgeschichte mehr. Es ist wie Nietzsches Anfrage ans Christentum: „wie schauerlich weht uns diess Alles, wie aus dem Grabe uralter Vergangenheit, an! Sollte man glauben, dass so Etwas noch geglaubt wird?“

Unsere Welt im Jahr 2010 in THE WALKING DEAD

Die Postmodene wird in The Walking Dead filmisch umgesetzt. Sie beginnt im Krankenhaus. Schwere Verletzungen, Bett, Koma, Einzelzimmer. Nach dem Aufwachen nichts mehr so wie es war. Die Welt ist anders geworden. So beginnt der Plot in THE WALKING DEAD. Der Polizist Rick wird angeschossen und im Krankenhaus behandelt, als er aufwacht, ist etwa ein Monat vergangen und die bekannte Welt gibt es nicht mehr. Zuerst weiß er nicht, was los ist. Er verlässt sein Zimmer, auf dem Flur des Krankenhauses sieht es aus, als wäre er in einem Kriegsgebiet.

Der Strom ist weitgehend ausgefallen, die Beleuchtung beschädigt, überall Blut, Zerstörung, kein lebender Mensch, stattdessen zerfetzte Leichen. Am Ende des Flures ist eine Tür, die mit Ketten geschützt ist: „Don‘t open Dead inside“ – Nicht öffnen, Tote drin. Er nähert sich und sieht, wie von innen versucht wird, die Verriegelung zu lösen, schließlich Hände herausragen und nach ihm greifen. Er verlässt das Krankenhaus, der Eingang ist mit Leichen gesäumt.

Es ist heiß, Sommer in Georgia, USA, die Hitze verstärkt den Geruch der Verwesung. Während er den Vorort von Atlanta, in dem das Krankenhaus liegt, weiter erkundet, entdeckt er weitere verwesende und sich bewegende Menschen, die wie der wandelnde Tod aussehen: the walking dead.

Es gibt Kriecher auf dem Boden, oder Untote auf zwei Beinen. Es geht den Zombies nur ums Beißen und Fressen. Das ist Hedonismus in der Postapokalypse. Bis auf die rücksichtslose Triebbefriedigung ist nichts geblieben.

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Auf der Suche nach der Familie und anderen Überlebenden

Rick, der Überlebende, will wissen ob es noch andere gibt, die noch am Leben sind. Was ist mit seiner Familie? Was mit dem Rest der Welt? Er fährt zu seinem Haus, dort ist niemand mehr. Der Vorort ist eine Geisterstadt, einzig die Untoten „Beißer“ sind noch auf den Beinen. Rick begegnet zwei weiteren Menschen, die überlebt haben. Einen Vater und seinen Sohn. Sie klären ihn in aller Kürze auf, was passiert ist, eine Seuche ist da, viele sterben, andere werden gebissen und nun kaum keiner ist noch am Leben. Allerdings scheint es in Atlanta eine Art Quarantänezone zu geben.

Atlanta gibt Rick neue Hoffnung. Vielleicht sind dort weitere Überlebende, vielleicht auch Ricks Frau und sein Sohn. Er verlässt die Stadt und bricht nach Atlanta auf. Verwesung und Zombies kreuzen seinen Weg. Entweder erschießt er sie oder er weicht aus. Auf einer Farm findet er ein Pferd, mit dem er in die Stadt Atlanta reitet. Er ist die ganze Zeit allein und hofft auf Atlanta.

Seine Hoffnung wird gebrochen. Auf den mehrspurigen Straßen vor Atlanta sind tausende von Autos, leer oder voller Leichen. Mit seinem Polizei-Sender schickt er auf allen Kanälen einen Notruf raus, in der Hoffnung, dass ihn jemand hört und antwortet. Aber niemand antwortet. Atlanta ist eine Todesfalle, sein Pferd wird gebissen, die Stadt ist von den verwesenden Untoten überrannt.

Einige Menschen, die ebenfalls überlebt haben, sind dort auf Nahrungs- und Vorratssuche. Sie retten Rick vor dem Zombiebiss und bringen ihn in ihre Zuflucht vor der Stadt.

Das Überleben der Gruppe

Rick gehört nun zu einer Gruppe von Überlebenden. Als er ins Lager der Gruppe geht, findet er auch seine Frau und sein Sohn wieder. Seine Freude ist riesig. Jeder hat ihn für tot erklärt. Seine Rückkehr wird aber zum Problem. Schnell wird er der Anführer der Gruppe. Sein Polizeikollege Shane, der bisherige „Tröster“ seiner Frau und „Vaterersatz“ für seinen Sohn, muss die Beziehung zu Ricks Frau und Sohn beenden, schweigen und sich hinten anstellen. Die Gruppe, bestehend aus etwa 20 Leuten, ist Zweckgemeinschaft, nicht Freundeskreis. In der Gruppe ist die Chance zu überleben größer als alleine. Nach einem Zombieangriff auf ihr Refugium merken sie schnell, dass es dort zu gefährlich wird. Sie ziehen weiter und landen auf einer Farm abseits der Zivilisation.

Sie wirkt wie eine heile Welt inmitten der feindlichen Endzeit. Sie lassen sich dort nieder, anfangs jedoch nicht, um dort zu leben, sondern um ein vermisstes Gruppenmitglied zu finden. Auf ihrer Flucht ging im Wald vor der Farm ein junges Mädchen, Sophia, verloren. Ihre Mutter und die Gruppe suchen sie. Wo ist sie? Gebissen wurden und ein Zombie? Tot? Oder lebt sie noch? Niemand weiß es, doch die Hoffnung bleibt. In einer Kapelle betet ihre Mutter vor einem Kruzifix und bittet um ein Zeichen, bittet, dass ihre Tochter noch lebt.

Sie soll ein Zeichen erhalten. Als die Gruppe auf der Farm eine Scheune entdeckt, in der der Farmer Hershel ein Geheimnis versteckt, wird Sophia gefunden. Nachdem die Türen aufgeschlossen sind, kommt Sophia hinaus. Allerdings nicht wie gewünscht. Nicht als junges Mädchen, sondern als Zombie. Hershel dachte, die infizierten Menschen könnten noch geheilt werden und sperrte sie deshalb in die Scheune.

Doch das ist eine leere Hoffnung. Es gibt keine Heilung. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Sophia wurde so zu einem brutalst möglichen Schock. Ihr wird von Rick in den Kopf geschossen, damit die Gefahr beseitigt wird. Diese Szene ist symptomatisch für die ganze Serie: Auf Hoffnung folgt Enttäuschung, Kampf und Neubeginn. So läuft es im Grunde die ganze Zeit in Walking Dead.

Einzig bleibt einem die Möglichkeit, das Scheitern hinauszuzögern, aber am Grundzustand ändert dies nichts. Die Welt liegt in den Händen der Zombies, nicht der Nächstenliebe. Es gibt nicht den geringsten Grund zu hoffen, dass sich dies ändert. Es kommt sogar noch schlimmer. In der Gruppe bricht ein Streit aus über die Führung und das Vorgehen von Rick. Es geht um die Zukunft der Gruppe und es geht um die Beziehung zwischen Ricks Frau und Shane. Es wird klar: Rick und Shane können nicht zusammen in der Gruppe überleben. Beide wollen Ricks Frau. Auch haben sie andere Strategien, um zu überleben.

Rick ist eine gewisse Moral und Menschlichkeit wichtig, Shane nur das Überleben, das ist seine einzige Rechtfertigung, so sagt er, dass er alles, was er getan hat, tat, um zu überleben. In einer Episode tötet er auf der Flucht vor den Zombies seinen Gefährten, damit er selbst fliehen kann. Auf der Flucht hat er allerdings auch Medizin für den todkranken Sohn von Rick sichergestellt. Weil die Zombies Shanes Gefährten töten und durch das Essen des Leichnams abgelenkt sind, kann Shane die Medizin nehmen.

Er sagt nachher, sein Gefährte habe sich für ihn geopfert. In Wirklichkeit war es kaltblütiger Mord. Es gibt kein Gut und Böse, sondern nur Überlebende und Scheiternde. Moral muss sich bei ihm an der Überlebensfähigkeit, nicht am Gutgemeinten messen. Was ist richtiges Handeln – das, was überleben lässt.

Eines Nachts will Shane Rick unter einem Vorwand von Der Gruppe weglocken, um ihn zu erschießen. Rick erkennt das, er erklärt Shane, dass er es erkannt habe, ihm verzeihe, Rick wirft seine Waffe weg und nähert sich dem reuigen Shane. Als er bei Shane ist, zückt Rick ein Messer und sticht Shane ab. „Ich musste es tun“, rechtfertigt er sich. Wer ist nun der Böse? Zumindest ist Rick der, der überlebt hat. Shane ist tot, es offenbart sich aber eine neue Grausamkeit der Seuche: Alle sind infiziert, ob sie Zombies sind, oder nicht. Wer tot ist, ist daher nicht einfach tot, sondern steht als untoter Zombie auf. So auch Shane. Nur ein Schuss ins Hirn bringt ihn endgültig außer Gefecht.

Schließlich wird die Farm von Zombies überrannt und die Gruppe muss wieder fliehen. Einige sterben bei der Flucht, oder werden von der Gruppe getrennt. Mit neuen Mitgliedern wie dem Farmer Hershel und seiner Familie und ohne einige Zurückgebliebende oder gestorbene alte Gruppenangehörige, geht es nun in die nächste Etappe des Überlebenskampfes.

Die Faszination der Serie THE WALKING DEAD

Es geht bei The Walking Dead nicht so sehr um das Töten von Zombies, als um die Gruppe und ihre Mitglieder in einer postapokalyptischen Welt. Wie überlebt man in so einer Welt? Was wird aus Liebe? Was aus Hoffnung? Was wird aus Menschlichkeit, Moral und Freundschaft? Was macht es mit den Menschen, so zu leben, wie verändern sie sich, wer stirbt, wer bleibt am Leben? Kann man in so einer Welt noch glauben? Die eigentliche Faszination geht nicht vom Horror aus, der gelangweilte Wohlstandsbürger wie ferne Galaxien unterhält. Charaktere, Schicksale, Geschichten und Gruppendynamik, das macht die Serie interessant.

The Walking Dead ist keine Soap wie GZSZ oder VERBOTENE LIEBE, es geht auch nicht um die Frage, was tun, wenn man den Job verliert, aus der Wohnung fliegt, oder Schulden hat. Es geht um die ganz grundsätzlichen menschlichen Fragen, um die existenziellen Ebene: Wie gehe ich mit Liebe um, wer bedeutet mir etwas, wem kann ich vertrauen, wie das Leben meistern, auf welche Lügen und Intrigen muss ich achten?

Zeigt THE WALKING DEAD eine  Welt ohne Hoffnung?

Hershel, der Religiöseste in der Gruppe, entgegnet einmal Ricks Aussage, dass er doch ein Mann Gottes sei und mehr Glauben haben solle, dass er sich unter „Auferstehung der Toten“ etwas anderes vorgestellt habe.

„Als Christus uns die Auferstehung der Toten versprach, da dachte ich, er hätte damit was anderes gemeint.“

Hershel, The Walking Dead, Staffel 3

Die Auferstehung als Zombie blüht ja jedem einzelnen von ihnen, ob nach einem Biss oder nach dem natürlichen Tod – alle sind infiziert. Will die Serie vor der Kulisse „Postapokalpyse“ zeigen, dass Glaube und Religion falsche Hoffnungen sind? Dass es keinen Gott gibt, der sorgt und liebt, sondern nur ein Universum der Gleichgültigkeit, in dem es nicht zählt, ob man grausam oder menschlich ist, sondern nur, dass man überlebt? Sind die Zombies lediglich Statisten eines aufgeklärten Atheismus?

Ist es eine Serie, die Gott als Illusion darstellen will? Ist sie eine drastische Darstellung von Nietzsches Gottestod? Sicher ist, dass Naivität in der Welt von The Walking Dead unweigerlich zum Tod führt. Interessant an dieser Serie ist, das sie ein immer häufiger vorkommendes Thema behandelt: Hoffnung, die keine Erfüllung findet. Nietzsche vergleicht dies mit dem Hungergefühl. Dieses beweise nicht, dass es auch eine Speise gebe.

„Der Hunger beweist nicht, dass es zu seiner Sättigung eine Speise gibt, aber er wünscht die Speise.“

Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches

Hunger zeigt jedoch, dass man sich nach etwas sehnt, was zwar im konkreten Fall nicht gegeben sein mag: Nahrung, was aber potenziell möglich und da ist. Man kann verhungern, aber Hunger ist nicht unvernünftig, sondern verweist auf etwas, dass es grundsätzlich gibt und überlebenswichtig ist. Hoffnung ist kein materieller Trieb, sondern eine metaphysische Tugend. Sie ist nicht weniger grundsätzlich als Hunger. Warum sollte sie dann unvernünftig sein? Warum also sollte es mit grundsätzlicher Hoffnung so sein, dass sie ins Leere läuft?

Im Absurden mag es möglich sein, dass es keine letzte Erfüllung und Gerechtigkeit geben muss. Jedoch braucht auch das Absurde gewisse Regeln und Gesetzmäßigkeiten, im tiefen Kern bejaht das Absurde sogar die Hoffnungssuche des Menschen, denn ohne eine Idee von Hoffnung und Glückseligkeit kann man nichts als absurd bewerten. Die Serie zeigt im Kern, wie Menschen sind. Ohne Gnade gibt es keine Erlösung. Das gilt auch für eine Welt ohne Zombies.

Literatur:

  • Nietzsche, Friedrich, Menschliches, Allzumenschliches, Köln 2006.

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