Donnerstag, 28. März 2024

Heavy Metal: Das Lebensgefühl des Schwermetalls

Die Metal-Bewegung kommt aus den späten 60ern bzw. früheren 70er Jahren. Die Utopie der Hippies war bereits Geschichte, auf deren Gänseblümchen-Revolution folgten aggressivere Antworten wie „Punks“ – oder romantischer: Heavy Metal. Eine Musikrichtung und ein Lebensstil zwischen Sehnsucht, Aggression, Transzendenzsuche und Unzufriedenheit über die bestehende Gegenwart. Dunkel kleidet man sich, dunkel wird die Welt wahrgenommen. Das liegt weniger an einer Kälte der Metaller, sondern im Gegenteil, an sensibler Wahrnehmung, die die scheinheilige Gegenwart mit einem schwarzen Kontrastprogramm entlarven will.

Die Band „Black Sabbath“, dessen bekanntester Kopf ihr Frontsänger „Ozzy Osbourne“ ist, hat eines ihrer Lieder „God is dead?“ benannt. Wohlgemerkt, mit einem Fragenzeichen versehen. Jedoch endet der Song, der offensichtlich den Verlust eines geliebten Menschen thematisiert, am Ende mit einem Ausrufezeichen von Nietzsches Diktum: „God is dead!“.

Kunst im Angesicht des Absurden

In einer absurden Welt, sofern man diese Interpretation aus einigen Liedern herauslesen kann, versucht der Heavy Metal Anhänger dennoch Sinn, Freude und Transzendenz auf seine Art zu finden. Camus schreibt über diese Suche: „Der Mensch integriert das Absurde und läßt damit sein eigentliches Wesen verschwinden, das Gegensatz, Zerrissenheit und Entzweiung ist. Dieser Sprung ist ein Ausweichen.“ (Camus, Der Mythos des Sisyphos). Ausweichen –  und zwar durch Musik und einen alternativen Lebensstil, so kann man vielleicht die Einstellung eines Heavy Metallers am besten bezeichnen. Heavy Metal, als Lebenseinstellung betrachtet, ist ganzheitlich.

Man hört Musik und kleidet sich entsprechend. Die Musik ist nicht nur „heavy“ im Sinne von hart, sondern auch tiefgründig, sie will den Menschen bis in seinen Seelengrund berühren. Trauer, Leid, Liebeskummer, Verlust, Freude, Sehnsucht, Enttäuschung, Hoffnung, Verzweiflung. Es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in Metal-Liedern seinen Widerhall fände. So singt auch die Band „Metallica“ in ihrem Lied „Nothing Else Matters“: „Couldn’t be much more from the heart“. Das ist sicher nicht nur Rhetorik, sondern so gemeint. Die Band teilt dann mit, was nicht noch tiefer vom Herzen kommen könnte: Für immer darauf zu vertrauen, wer man ist, denn nichts anderes zähle.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Die Band „Manowar“ bedient eher das Urige, das männlich Kriegerische, das sie sehnsuchtsvoll-mythisch besingt. Bereits die Titel offenbaren ein heroisches Selbstverständnis: heißen sie doch u.a. „Warriors of the World“ oder „Heart of Steel“. Das Stahlherz ist jedoch nicht kalt, vielmehr geht es auch hier wieder darum, man selbst zu sein: „Stand and fight/ Live by your heart / Always one more try / I’m not afraid to die“. Das Leben und Sterben wird in seiner Gänze thematisiert.

Die starke Betonung der Selbstannahme scheint nahezulegen, dass es sich bei Metallern mitunter um gesellschaftliche Randgruppen handelt, die um Akzeptanz kämpfen. Die Botschaft der Bands ist jedoch eindeutig: Akzeptieren musst du sich letztlich nur selbst.

Rammstein fällt aus dem Raster eigentlich raus, die Band ist, auch nach ihrem Selbstverständnis, eigentlich keine richtige Metal-Band. Rammstein ist was Eigenes. Was aber Rammstein sehr gut verkörpert, ist die romantische Sehnsucht, die immer mit einer gewissen Härte performt wird. „Seemann“, „Stirb nicht vor mir“ und „Amour“ verkörpern dies prägnant. Beim Lied „Amour“ wird die Liebe zu einem wilden Tier, dessen Zähmung scheitern muss. Darum erklingt die verzweifelte Bitte am Ende: „Bitte gib mir Gift“. Hier gibt angesichts eines ungezügelten Eros nur noch das Ausweichen in die Todessehnsucht.

Ausweichen in die Dunkelheit

Sicher, eine gewisse Art von mystischem Ausweichen in eine Art Todesromantik begegnet im Metal. Doch ist eine Todesmystik weniger charakteristisch fürs Heavy, sondern eher für Subgenres der Szene. Aber eine Anziehung, ein Ausweichen ins Dunkle ist sehr wohl oft mit Metal im Allgemeinen verbunden. „Fear of the Dark“ singt die Band „Iron Maiden“ und will doch zeigen, dass auch in aller Angst die Anziehung überwiegt. Durch das Einkleiden in schwarz und Leder soll weniger ein „harter-Kerl-Image“ gepflegt, als vielmehr ein gewisses gesellschaftliches Statement und Ausgrenzung aufgezeigt werden. Es ist Protest und Identität in einem.

Die schwarze Kleidung drückt eine gewisse dunkle Seite aus, die gelebt werden will, aber auch eine Sensibilität, die sich darin zeigt, dass man den Grausamkeiten nicht einfach „hell“ gegenüberstehen will. Schwarz ist die Farbe der Trauer und des Todes, aber sie will auch Farbe der Überwindung des Weltlichen sein. Aber dieser Sieg wird nicht mit Schwermetall erreicht. Er wurde am Kreuz errungen: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ (Joh. 16,33).

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Hat Ihnen der Artikel gefallen?

Mit Ihrer Spende können Sie dafür sorgen, dass es noch mehr davon gibt:

Neueste Artikel

Meistgelesen