Freitag, 19. April 2024

Unser eucharistischer Hunger

Aus dem Pontifikat Benedikts XVI. bleibt mir eine heilige Messe auf dem Petersplatz unvergessen. Etwa 60.000 Pilger hatten sich zur Feier der Eucharistie versammelt – am 2. April 2008, dem dritten Todestag des heiligen Johannes Pauls II. Die schönste Zeit in Rom ist der Frühling. Die Sonne leuchtet, eine milde Luft liegt über der Ewigen Stadt. Verwurzelt bin ich in Schlesien und Ostpreußen, in Polen und Deutschland. Auch von Vorfahren aus dem Habsburger Reich weiß die Familie zu berichten.

Meine Heimat aber ist die Kirche des Herrn, darum bin ich – wie Papst Benedikt XVI. bei der Inbesitznahme der Lateranbasilika sagte – als Katholik auf gewisse Weise in Rom geboren. Wir Katholiken sind Schwestern und Brüder im Glauben, Glieder der Kirche, die alle Zeiten und Orte umspannt, und damit Römerinnen und Römer. Dieses Wissen, diese Gewissheit schenkt wahren Trost und Hoffnung – und ist alles andere als eine billige Vertröstung. Der Duft des Weihrauchs ist so viel schöner als jeder Opiumnebel, von dem Karl Marx fantasierte. Opium betäubt Sinne und Verstand, Weihrauch steigt zum Himmel empor. Wer in Rom zu Gast sein durfte – so wie ich, immer im Schatten von Santa Maria Maggiore wohnend, in jenem Frühling –, den zieht es zu seinen ganz persönlichen heiligen Orten, zu den Kirchen, in denen wir unser Herz, unsere ganze Person geborgen wissen, und immer wieder zu St. Peter.

Seit jenem 2. April 2008 weiß ich, was eucharistischer Hunger ist. Zur Kommunionspendung riefen leidenschaftlich so viele Pilger: „Padre, Padre!“ Alle Priester, die das Sakrament spendeten, hörten die Rufe derer, die in Sorge waren, dass sie vergessen werden könnten. Oder dass das Brot des Lebens nicht ausreichen könnte. Dieser Eindruck hat sich mir tief eingeprägt. Ich selbst musste, mit meiner eher brüchigen Stimme, nicht laut rufen, und ich weiß nicht, ob ich es gekonnt hätte. Diese Stimmen riefen mich aus der Stille nach dem Empfang des Leibes Christi. So hörte und sah ich jene Gläubigen, die beherzt und kraftvoll riefen – und die zugleich für all jene riefen, die nicht so laut rufen konnten. Ich glaube, dass niemand vergessen wurde. Nach dem Ende der heiligen Messe fuhr Papst Benedikt XVI. mit dem Papamobil über den Petersplatz und segnete die Gläubigen. Es war ein lichtreicher Tag.

Wer der „Alten Messe“ verbunden ist, macht heute die Erfahrung des Hungers nach der Eucharistie. Wir wissen alle, dass die Spendung der Mundkommunion zurzeit untersagt ist. Dankbar war ich für die Worte von Pater Martin Ramm FSSP, die ich allen ans Herz legen möchte: „Ich wünsche dir ein tiefes Verständnis von der sakramentalen Gnade und den Mysterien der katholischen Kirche! Je besser du verstehst, was die hl. Messe ist, und wie unendlich kostbar das Allerheiligste Sakrament des Altares, desto größer wird dein eucharistischer Hunger sein. Sei bereit, diesen Hunger zu ertragen! … Wir dürfen und sollen den Bischöfen sagen, dass für uns die Handkommunion nicht in Frage kommt, dass wir lieber bereit sind, den eucharistischen Hunger zu leiden.

Demütig tun wir das, wie ein Sohn den Vater um Brot bittet. Genau dieses ‚eucharistische Hungern‘ wird dir zur geistigen Kommunion, durch die der himmlische Vater dir ebensolche Gnade und innere Stärkung gewährt, wie die sakramentale Kommunion. Wie wäre es wohl, wenn alle, denen in diesen Tagen die Mundkommunion verweigert wird, den eucharistischen Hunger dem Herrn hinhalten als geistliches Opfer für die Erneuerung seiner Kirche? – Ich glaube an die Allmacht der Gnade!“

Pater Ramm berichtet in seinem Wort an die Gläubigen auch – mit Blick auf viele kursierende Petitionen –, dass die Kirche nicht wie die Politik funktioniere. Er sei kein Freund von solchen Aktionen. So sagt er über die Kirche: „Sie ist keine Basisdemokratie, und Petitionen gehören nicht zu ihren Instrumentarien.“ Ich vertraue darauf, dass jeder von uns weiß, was er tut – und seinem dem Glauben der Kirche nach geformten Gewissen folgt.

Überhaupt, so scheint mir, ist die Kirche des Herrn der Hort des Unpolitischen und Überpolitischen. Die „civitas terrena“, die irdische Bürgerschaft, kann uns blenden, täuschen und verführen. Schauen wir auf die „civitas Dei“, auf die Bürgerschaft Gottes. Also nach vorne sehen, das heißt – nach Oben. Wir leben in Fahrtrichtung. Unsere Reise geht, aufs Ganze gesehen, doch himmelwärts. Vergessen wir nicht, für die Einheit der Familie Gottes zu beten. Pater Ramm bemerkt abschließend: „Ich wünsche Ihnen allen einen großen Hunger nach dem eucharistischen Heiland und in diesem Hunger die vom Herrn selbst verheißene Erfüllung: »Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden gesättigt werden.« (Mt 5,6)“

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