Donnerstag, 25. April 2024

Pfarrer Hans Milch

Pfarrer Milch war wie ein Prophet für die Kirche unserer Zeit. Seine Worte sind eine scharfe Anklage gegen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte. Dr. Wolfgang Schüler (actio spes unica) stellt Pfarrer Milch vor:

„Pfarrer Hans Milch wurde am 17. März 1924 in Wiesbaden als drittes Kind eines Rechtsanwalts geboren; die Familie war protestantisch.

Nach dem Abitur leistete er Militärdienst und lernte in der Kriegsgefangenschaft durch einen Priester den katholischen Glauben kennen. Er sagte einmal: „Zwei Dinge hatte man in der Kriegsgefangenschaft, nämlich Hunger und Zeit.“ Diese Zeit nutzte er, um die katholische Kirche kennenzulernen und das Ergebnis dieses Kennenlernens war seine Konversion zur Kirche Gottes, die seine Familienangehörigen in Erstaunen versetzte.

Und dieses Erstaunen wurde noch viel größer, als er ihnen seine Absicht kundtat, katholischer Priester zu werden. Im Jahre 1947 trat er in das Priesterseminar St. Georgen bei Frankfurt am Main ein und empfing am 8. März 1953 im hohen Dom zu Limburg die Priesterweihe.

Am 1. Januar 1962 wurde Pfarrer Milch in sein Amt als Pfarrer in Hattersheim am Main eingeführt. In der Pfarrkirche St. Martinus fanden sich an den Sonntagen, außer den Gläubigen aus Hattersheim, auch zahlreiche Gläubige aus dem weiteren Umkreis von Hattersheim ein, denn sein Ruf als ausgezeichneter Prediger war weithin bekannt geworden.

Das Konzil und die Selbstzerstörung der Kirche

Manche seiner Amtsbrüder waren verblüfft, als sich der aufgeschlossene und gesellige junge Priester wenige Jahre später gegen die Neuerungen wandte, die das Zweite Vatikanische Konzil eingeleitet hatte. Er lehnte es ab, die Neue Messe zu zelebrieren und hielt den Bischöfen in aller Öffentlichkeit ihr Versagen vor, weil sie dem Selbstzerstörungsprozess der Kirche, von dem Papst Paul VI. bereits 1968 gesprochen hatte, nicht entgegentraten, ja diesen zum Teil noch förderten.

Dies führte zu einem sich verschärfenden Konflikt mit dem Bischof von Limburg, Wilhelm Kempf, der ihn 1979 seines Amtes enthob. Pfarrer Milch setzte jedoch sein priesterliches Wirken unermüdlich fort. Er scharte glaubenstreue Katholiken aus seiner ehemaligen Pfarrei um sich und konnte sich auch auf die Unterstützung von Mitstreitern verlassen, die er in der Gebets- und Sühnegemeinschaft actio spes unica (Aktion einzige Hoffnung) zusammengeführt hatte. Diese Gläubigen waren bei seinen zahlreichen Glaubenskundgebungen zugegen, die insbesondere im Konzertsaal Eltzer Hof, in Mainz, stattfanden, bei denen Pfarrer Milch die überlieferte hl. Messe zelebrierte und mit flammenden Predigten und Reden zum Widerstand gegen das Zerstörungswerk aufrief, das sich im offiziellen Innenraum der Kirche ereignete.

Die Unterstützung der ihm nach der Amtsenthebung aus Glaubensgründen treu gebliebenen Gläubigen ermöglichte ihm den Bau der Kirche St. Athanasius, die Erzbischof Lefebvre im Jahre 1982 einweihte.

Am 8. August 1987 wurde Pfarrer Milch in Ausübung seines seelsorglichen Dienstes von einem geistig gestörten Menschen ermordet.

Folgende Themen wollen wir nun behandeln:

  • Aspekte der Predigt dieses Priesters und Maßstäbe, die er in der Seelsorge setzte
  • Seine Auseinandersetzung mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil
  • Die Amtsenthebung von Pfarrer Milch und die Fortsetzung seiner priesterlichen Tätigkeit, insbesondere die geistige Ausrichtung und Leitung der Gebets- und Sühnegemeinschaft actio spes unica

Aspekte der Predigt dieses Priesters und Maßstäbe, die er in der Seelsorge setzte

Seine Traueransprache bei der Beerdigung von Pfarrer Milch begann der damalige Generalobere der Priesterbruderschaft St. Pius X., HH Pater Franz Schmidberger, mit den Worten: „Eine große Stimme des katholischen Glaubens ist verstummt.“

In der Tat war dieser Priester eine große Stimme des katholischen Glaubens. Als er durch die Unterweisung eines katholischen Priesters in amerikanischer Kriegsgefangenschaft der katholischen Kirche ansichtig wurde, da erfasste ihn eine große Begeisterung für sie, die sein ganzes priesterliches Wirken kennzeichnete. Diese Begeisterung wollte er weitergeben, und er konnte es sowohl durch die inhaltliche Stärke seiner Predigten als auch aufgrund seiner einzigartigen Begabung als Redner. Natürlich war die Faszination, die er ausübte, auch eine Folge seiner menschlichen Qualitäten, von denen ich nur seine Sensibilität, sein außergewöhnliches Einfühlungsvermögens in die Situation, insbesondere in das Leid des je Einzelnen hervorheben möchte. In besonderer Weise nahm er sich heruntergekommenen Menschen an und suchte sie auch im berüchtigten Frankfurter Bahnhofsviertel auf.

Seine Glaubensverkündigung zielte auf das, was die Oration zum vierten Sonntag nach Ostern mit den Worten ausdrückt: „Auf dass unsere Herzen inmitten des Wechsels der irdischen Dinge dort verankert seien, wo die wahren Freuden sind.“ Aber auf welche Weise versuchte Pfarrer Milch dieses Ziel zu erreichen? Die folgenden drei Akzente, die wir in Bezug auf seine Predigt setzen, mögen das verdeutlichen:

Das richtige Erlösungsbewusstsein

Es kam Pfarrer Milch darauf an, die Erlösung zu einer erlebten Wirklichkeit im Bewusstsein der Gläubigen werden zu lassen; von ihr her sollten alle Lebensbereiche Sinn und Weisung erhalten.

Das richtige Erlösungsbewusstsein beginnt mit der Erkenntnis totaler Erlösungsbedürftigkeit.

Dieser Erbärmlichkeit des Menschen stellte er die Größe des mit Christus verbundenen Menschen gegenüber. Die Polarisierung – nichts aus eigenem Vermögen aber alles in Ihm – war ein Spezifikum der Predigt von Pfarrer Milch. Nach beiden Seiten holte er weit aus, was ich nun mit einigen Passagen aus von ihm verfassten Sonntagsbriefen belegen will. In einem derselben heißt es:

„‘Erlösung’ ist bei sehr vielen, auch bei solchen, die es sehr ernst nehmen wollen, eine mehr abstrakte, im Gehorsam angenommene, aber nicht erlebte Glaubenswahrheit. Wenn ich sehe, wie sich so manche eifrige katholische Christen quälen mit dem beständigen Denken an ‘Sünde, Sünde und noch einmal Sünde’, dann werde ich oft sehr traurig – um der allzu Traurigen willen. Sie sind zwar in der Tiefe ihrer Seele und ihres Seins vom Lichte des göttlichen Lebens erfüllt und werden über alle Maßen von Christus geliebt, aber sie bekommen diese ihre objektive Herrlichkeit nicht ins subjektive Bewusstsein, nicht zu Gesicht und vor das wache Geistesauge. Sie werden nur von Angst gemartert, und auch ihre Erziehung war geradezu heimgesucht, gejagt und verfolgt von dem Gedanken: ‘Alles, nur keine Sünde!’

Sie übersehen, dass der Mensch in dem Maße und nur in dem Maße von der Sünde loskommt, wie in ihm die Freude des Geistes waltet. Und diese Freude mitzuteilen, ist A und O und Inbegriff der religiösen Erziehung – Weckung eines völlig neuen Selbstbewusstseins, eines demütig vollzogenen, gnadenhaft erwirkten, zu höchster Höhe geführten Selbstbewusstseins, das darin besteht zu wissen: Gott selbst hat mich angenommen, Sein Blut für michvergossen, wirbt um meine Freundschaft in voller Freiheit, versteht mich bis ins Letzte und liebt mich mit unendlicher Selbsthingabe! Liebt mich so, wie ich bin, macht Seine Liebe nicht abhängig von meinem Wohlverhalten. Und an mir wird diese Seine Liebe wirksames Ereignis, wenn ich und in dem Maße wie ich diese Liebe ernsthaft will. Und nur dies muss, darf ich: wollen!

Der Mensch wächst heran, blüht auf mit allen Feuern seiner Jugend, mit dem heftig erwachenden Eros des Geistes und der Sinne. Was kann ihm die Erlösung bedeuten, wenn sie ihm nur erscheint in der Gestalt von Riegeln, Sperren, Mauern und Verboten?! Oder mit dem faden, dümmlichen Hinweis, er solle doch ‘zufrieden’ sein?! Gar nichts. Das ganze Christentum wird ihm zum Inbegriff der Lebenshemmung. Wo es anfängt, schön und erquickend und genussbringend zu werden, begegnet ihm die Religion mit erhobenem Zeigefinger und mit dem Hinweis auf ‘Sünde, Sünde und nochmals Sünde’. …

Dem jungen Menschen, dessen blühender und glühender Eros ja eine einzige Frage ist, die nach Antwort schreit, muss die Botschaft und Wirklichkeit des Christus zu einer Antwort werden, die ihn zutiefst beglückt, erhebt, bestätigt, zu Tat und Liebe antreibt. Erst vor diesem Hintergrund kann die Sünde überwunden werden – aus der höheren, erfahrenen Freude heraus.“

Die Erlösungsfreude, die Pfarrer Milch verkündet, hat natürlich nichts zu tun mit dem flachen, universalen Heilsoptimismus der Modernisten. Jene Freude ist vielmehr aufs Engste verbunden mit dem Heilsernst. Erlösungsfreude und Heilsernst sind bei ihm sich ergänzende Elemente des Erlösungsbewusstseins. So liest man in einem anderen Sonntagsbrief:

„Der absolute Heilsernst hängt unlösbar mit der vollkommenen Freude zusammen. Wer ‘sein Heil wirkt in Furcht und Zittern’, misstraut der tiefsten Echtheit seines eigenen Willens und seiner innersten Beweggründe. … ‘Mit Furcht und Zittern’ – das heißt eindeutig: fern jeglicher Sicherheit, die im eigenen Willen bzw. in eigener Bewährung gründet, in Angst vor den chaotischen Möglichkeiten der eigenen Tiefe, vor dem eigenen Willen: ‘Den fürchtet!’ ruft Christus, weil dieser Wille in die Hölle stürzen kann.

Unendlich mächtiger aber ist unser erlösendes Vertrauen in den, der ‘größer ist als unser Herz’, ein dynamisierendes, erstaunliche Werke der Hingabe gebärendes Vertrauen!

Wehe dem aber, der sich selbst vertraut!“

An anderer Stelle heißt es dazu: „ ‘Aber unsere Religion ist doch eine Erlösungsreligion! Wir haben es doch mit einer Frohbotschaft und nicht mit einer Drohbotschaft zu tun!’ Dieses Geschwätz der Unmündigen, die mit ihrer eingebildeten ‘Mündigkeit’ kokettieren, schwadroniert heutzutage kreuz und quer durch die Stoppelfelder kirchlicher ‘Selbst’- Darstellung. Unsere Erlösung ist unabdingbar und begrifflich-notwendig gebunden an drohende Verdammnis. Die Frohbotschaft des Christus ist als Frohbotschaft notwendig auch Drohbotschaft.“

Es klang soeben an, dass die Taten des mit Gott verbundenen Menschen eine ganz andere Qualität haben, als wenn diese außerhalb von Ihm vollbracht werden, denn nur in Ihm erhält menschliches Wirken Gewicht und Bedeutung. Die Verwandlung von sinnlosem in sinnhaftes Leben drückte Pfarrer Milch gerne in folgendem Bild aus: Alles, was Du außerhalb Gottes tust, ist eine Sammlung von Nullen; wenn Du dasselbe aber mit Ihm verbunden vollbringst, dann setzt Er vor diese Nullen die Eins, die ihnen Bedeutung gibt.

In diesem Zusammenhang verwies er auf die Verheißung unseres Herrn am Ende des Laubhüttenfestes, die ihm besonders am Herzen lag: „Wer an Mich glaubt – wie die Schrift sagt – Ströme lebendigen Wassers werden aus seinem Schoße fließen“ (Joh 7,38).

Der Vorrang der Wahrheit vor der Moral

Die Behauptung von Pfarrer Milch, dass die Wahrheit gegenüber der Moral vorrangig sei, darf nicht zu der irrigen Ansicht führen, dass die Moral bei ihm von untergeordneter Bedeutung gewesen sei. Davon kann keine Rede sein. Der Primat der Wahrheit vor der Moral ist darin begründet, dass das, was sein soll, das ja die Moral zum Ausdruck bringt, sich auf die Wahrheitsinhalte bezieht und diese deshalb zur Voraussetzung hat. Hier waltet also ein Grund-Folge Verhältnis. In einer Predigt sagte er dazu:

„Wenn Du einen zu Christus führen willst, dann darfst Du nicht damit anfangen: ‘Er will von Dir dies und verbietet Dir das andere.’ Wie falsch ist das! Jesus heißt: ‘Sei getrost, Ich bin es. Du wartest auf jemanden? Du bist einsam? Du bist unverstanden? Du hast eine innere Not? Dir hängt alles zum Halse heraus? Dir ist alles nicht genug? Ja, es ist richtig, dass Dir nichts genug ist. Es kann Dir nichts genug sein, denn Du bist aus Deinem innersten Wesen heraus unersättlich.’ … Der Mensch kennt keine Grenze und kann es an keiner Grenze aushalten. Wir sind nun einmal nicht bescheiden. Die [geistige] Bescheidenheit ist eine Tugend für Dämliche, die nicht merken, was sie eigentlich aus ihrem inner­sten Wesen heraus sind und wohin sie drängen, nämlich nach Unendlichkeit, nach allem. Jawohl, ich will alles: Endlose Lust, Macht, Besitz, Ruhm.

Jede Grenze ist Hölle. Wo die Grenze gesetzt wird, ist dabei gleichgültig. Wenn ich kein anderes Problem habe, wie in Gefangenschaft, wo hauptsächlich über den Nachschlag geredet wurde, dann vereinfacht sich alles. Nachher wird das Leben komplizierter. Man hat genug zu essen, dafür tritt Ärger ein. Das Kreuz hört nie auf. Der Hinweis auf größere Not ist töricht, denn Not ist immer. Du leidest immer, vor vollen Schüsseln, im chromblitzenden Auto und mit höchstem Bankkonto, immer leidest Du.

Deshalb bedarfst Du dessen, der Dir sagt: ‘Ich weiß um Dein Leiden und Ich verstehe Dein Leiden. Wenn niemand Dein Leiden versteht, Ich verstehe es. Du verlangst und kannst gar nicht anders als nach Endlosigkeit verlangen. Hier bin Ich, und biete Dir die Endlosigkeit, jetzt schon geheimnisvolle Macht, jetzt schon im Kreuze, das Ich mit Dir trage. Jetzt schon ist Deine Einsamkeit durchbrochen. Und es geschieht ganz schnell, die Jahre rauschen vorüber, dann geht das Tor auf und dann werden alle Deine Sehnsüchte durch die Gnade des unendlichen Erbarmens erfüllt. Alles Verlangen wird gestillt, alle Sehnsucht in Hülle und Fülle gestillt.

… Wir sind nicht Christen aus Blutmangel und Mangel an Lebenswillen, sondern wir sind Christen, aus äußerstem, flammenden Lebenswillen heraus. Und diesen höchsten Lebenswillen beantwortet Jesus, der Deinste, der Dir Nächste, der Verstehendste, der Vertrauteste. Und wenn Du dann mit Ihm eins bist, und von Seinen Flammen angesteckt bist, dann braucht Dir niemand mehr zu sagen, das darfst Du, jenes darfst Du nicht. Das ergibt sich dann aus der Liebe von selber, wie der hl. Augustinus sagt: ‘Liebe, und dann tue, was Du willst.’ Du wirst automatisch tun, was sich aus der Liebe ergibt.

Aber zeige erst den, der Sich Dir schenkt, zeige Ihn als den großen Verheißenden, den Verstehenden, den Vertrauten mit Deiner berechtigten Unzufriedenheit. Er sagt Ja zu Deiner Unzufriedenheit und Er ist der einzige, der Deine Unzufriedenheit bestätigt und aufzuheben vermag, weil Er für Dich die Unendlichkeit und die grenzenlose Fülle bereithält. …

Und deshalb kannst Du es über­haupt nur durch die Jahrzehnte hin aushalten in allen notwendigen Beschränkungen und Entsagungen, weil Du weißt: Einst wird kommen der Tag, dann öffnet sich die Schleuse, und es strömt in mein Bewusstsein, in mein Erfahren ein, was je ich ersehnt, und ich kann schlürfen in vollen Zügen alles, was ich je verlangte und das, was noch die Vorstellung meines Verlangens übersteigt, unendlich übersteigt. Denn ich verlange nach dem, was mein Verlangen übersteigt, und ich sehne mich nach dem, was meine Sehnsucht übersteigt. Jesus ist es, der Dir die Antwort auf Dein glut- und blutvolles Lebenswollen gibt.“

Spricht sich Pfarrer Milch in diesen Darlegungen dafür aus, an der Verpflichtung zu einem Leben nach den Geboten unseres Herrn und Seiner Kirche Abstriche zu machen? Davon kann gar keine Rede sein! Er spricht sich aber dagegen aus, bei der Hinführung des Menschen zum Glauben mit der Moral den Anfang zu machen. Ist diese Ablehnung als eine taktische Maßnahme zu verstehen, um den Betreffenden nicht durch Vorschriften abzuschrecken? Nein, jedenfalls ist das nicht ihr Hauptgrund. Ihr Hauptgrund liegt vielmehr in der Erkenntnis der richtigen Reihenfolge, die lautet: Erst kommt die Wahrheit, dann kommt die Moral.“

Der Vorrang des Einzelnen vor der Gemeinschaft

Wenn man die Forderung nach dem Primat des Einzelnen vor der Gemeinschaft im Sinne von Pfarrer Milch verstehen will, dann muss man zwischen einem niederen und einem höheren Begriff von Gemeinschaft unterscheiden. Der niedere Begriff meint ein Miteinander im Nebeneinander; er bezeichnet das Gemeinschaftsverständnis der Progressisten, das von unten kommt, basisdemokratisch orientiert ist und als solches die Sphäre des Einzelnen zu zerstören trachtet. Der niedere Begriff von Gemeinschaft ist somit der Kollektivismus, über den er sagte:

„Unter Kollektivismus verstehen wir jene falsche ‘Gemeinschafts’-Haltung und -Gestaltung, welche die Einzelnen unter einem willkürlichen, von unten kommenden Vorzeichen sammelt und damit um ihre Würde und Einmaligkeit betrügt. … Wenn am Anfang das ‘Wir’ steht, in das der Einzelne sich einzufügen habe, um des Christusgeistes teilhaftig zu sein, so ist das die antichristliche Umkehrung der von Gott gesetzten Ordnung. In ihr nämlich steht am Anfang ER, Sein Angebot und Seine Tat. Sie weckt des Einzelnen Entscheidung und Hingabe.

Aus ihr ergibt sich die Gemeinschaft. In die Gemeinschaft wachse ich nicht, um des Gottmenschen in ihr teilhaftig zu werden, sondern weil ich Seiner inne bin: Einander erkennen in dem, was der Einzelne ersah – das ist jeder wahren Christusgemeinschaft Ursprung und Leben.

Gemeinschaft erwächst aus dem Einzelnen und seiner Hingabe an Gott – ‘Gott und die Seele, sonst nichts’, sagt der heilige Augustinus –, nicht umgekehrt. Wo gelehrt wird, das Ich erstehe aus dem Wir, da waltet die Lüge; und die Lüge gebiert tödlichen Massenwahn der Erdenhoffnung, der Ein-Welt, Abbau der Unterschiede, Abbau der Tradition, Geschichtsfeindlichkeit. …

Die Kirche als solche hat immer ihren Pakt mit dem Einzelnen geschlossen, so wahr sie die Kirche ist. Aus der Begegnung des Einzelnen in der senkrechten Dimension ergibt sich erst wahre Gemeinschaft. Wo ‘Gemeinschaft’ am Anfang steht, ist sie keine. Da handelt es sich vielmehr um Kollektiv, um entwürdigende und einebnende Masse. In wahrer Gemeinschaft ist jeder Einzelne Mitte. ‘Du folge mir nach!’ Der Anruf geht immer an ein Ich, an ein Du, nicht an ein Kollektiv, auch an kein Kollegium.“

Pfarrer Milch ging es also um den höheren Begriff von Gemeinschaft, der an die Stelle des Mit- und Nebeneinander ein Für- und Ineinander setzt, was verwirklicht wird, wenn sich Menschen ihres Wertes in Christus bewusst sind und sich Ihm verschwören. Und damit der höhere Begriff von Gemeinschaft ins Blickfeld treten kann, muss beim Einzelnen verankert werden. Diesen anspruchsvollen Begriff von Gemeinschaft wollte er vermitteln; er führt letztlich zu einer Allverbrüderung, die in der Nächstenliebe gründet:

„Die Allversöhnung wird wahr nicht in den Seelen, denen es um das momentane Genießen geht, um Anhänglichkeiten und unredliche Bewahrungen, sondern in den leidensmutigen Seelen, die ihr Selbstbewusstsein und ihr eigentliches Sein in Christus entdeckt haben, die ihres Wertes im Erbarmen (nicht im Rechthaben, in äußerer Geltung, in Wissensanhäufung) und in der hingebenden Liebe an die ewigen Inhalte sicher sind und daher frei und offen für das Füreinander und Zueinander und Ineinander.

Es sind die Menschen, deren Seelen in der Kraft des menschgewordenen Gottes reif sind für die Liebe, sich in den begegnenden Menschen hineinzuversetzen, von ihm her zu denken, auf ihn einzugehen, zu hören mit selbstlosem Interesse (je sicherer ich meines gottgewollten Selbst bin, umso selbstloser kann ich mich preisgeben dem jeweiligen Du!), ohne das Eigene gleich danebenhalten zu wollen, und zwar mit einem Interesse, das nicht mit ordinärer Neugierde Sensatiönchen heraushören will, sondern die wahre Not des anderen zu erspüren sucht im demütig wissenden Nichtwissen. Erst derjenige, welcher ‘weiß, dass er vom anderen nichts weiß’, beginnt, schweigend, was dasselbe ist wie liebend, zu verstehen.“

Zur Auseinandersetzung von Pfarrer Milch mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil

Was die Auseinandersetzung mit dem Pastoralkonzil betrifft, so liegt das Hauptverdienst von Pfarrer Milch auf der philosophisch-theologischen Ebene. Er war ein großer Verteidiger der unteilbaren Einheit der katholischen Kirche und erkannte einen folgenschweren Fehler des Pastoralkonzils darin, dass es diese Einheit in Teile zerstückelte und die Kirche als aus Teilen, aus Elementen, zusammengesetzt versteht, wofür er den Begriff Additismus prägte.

Aber er kritisierte auch konkrete Passagen der Konzilstexte, was folgender Auszug aus seiner Beurteilung des Konzilsdokuments Gaudium et spes zeigt, welches das Verhältnis von Kirche und Welt betrifft.

Gaudium et spes 12.1.: „Es ist fast einmütige Auffassung der Gläubigen und der Nichtgläubigen, dass alles auf Erden auf den Menschen als seinen Mittel- und Höhepunkt hingeordnet ist.“

Pfarrer Milch: „Dieser Satz ist ein Skandal. Die Auffassung von dem, was der Mensch ist, unterscheidet uns ja gerade und zwar fundamental. Hier aber wird so getan, als hätte die Sorge um den Menschen ein gemeinsames Fundament zwischen Atheisten und Christen, zwischen denen, die dem Rat der Schlange folgen: Löst euch von Gott, dann werdet ihr aus euch selber werden wie Gott und bestimmen, was gut und böse ist und denen, die sich dem Willen Gottes unterwerfen.“

Gaudium et spes 13: „Der Herr selbst aber ist gekommen, um den Menschen zu befreien und zu stärken, indem er ihn innerlich erneuerte und ‘den Fürsten dieser Welt’ (Jo 12,31) hinauswarf, der ihn in der Knechtschaft der Sünde festhielt.“

Pfarrer Milch: „Das ist nicht wahr. Der Fürst dieser Welt ist besiegt, aber er ist nicht hinausgeworfen, sondern er ist noch mitten in der Welt, und er tobt, weil er weiß, – wie es in der Geheimen Offenbarung heißt [Offb 12,12] – dass seine Zeit kurz ist.“

Gaudium et spes 16: „Durch die Treue zum Gewissen sind die Christen mit den übrigen Menschen verbunden im Suchen nach der Wahrheit und zur wahrheitsgemäßen Lösung all der vielen moralischen Probleme, die im Leben der Einzelnen wie im gesellschaftlichen Zusammenleben entstehen.“

Pfarrer Milch hat in zahlreichen Predigten und Reden vehement gegen die glaubenszerstörende Behauptung Stellung genommen, der Katholik sei – wie es hier behauptet wird – auf der Suche nach der Wahrheit. In einer Predigt sagt er dazu: „Das ist des Teufels. … Unsere Suche ist die Suche in der Wahrheit, um sie immer tiefer zu erfassen, aber nicht die Suche nach der Wahrheit, denn wir sind als Erlöste in ihr.“ Und an anderer Stelle liest man zu jener Behauptung:

„Es ist die Schmach, die den offiziellen Raum der katholischen Kirche … bedeckt, verschüttet, besetzt hält, dass man dort so tut, als dürfe oder müsse man, gar gemeinsam mit anderen, die der Fülle nicht teilhaftig sind, auf die Suche gehen nach der Wahrheit. So etwas im offiziellen Raum der Kirche zu behaupten ist Gotteslästerung.“

Gaudium et spes 23.1:„Zur Förderung dieser Gemeinschaft der Personen bietet die christliche Offenbarung eine große Hilfe;“

Pfarrer Milch:„Wie bescheiden, was für eine unsagbare Demut, in Anführungszeichen. Eine bösartige, satanische Demut. Hilfe! Haben wir Hilfestellung zu gewähren? Wir haben das einzig denkbare Glück zu vermitteln!“

Gaudium et spes 43.5: „Durch beharrliches Studium sollen sie [Seelsorger, Ordensleute und Gläubige] sich fähig machen, zum Dialog mit der Welt und mit Menschen jedweder Weltanschauung ihren Beitrag zu leisten.“

Pfarrer Milch: „Wir haben keinen Beitrag zu leisten, wir haben den Ausschlag zu geben! Die Lehre vom Beitrag ist das Böse an sich. …

Die Welt ist ein Noch-nicht und mit diesem gibt es keinen Dialog, sondern Heilung und Heimholung. Sie ist als ein noch zu eroberndes Territorium anzusehen.“

In seiner Rede Das Königtum des Christus verwarf Pfarrer Milch erneut die Irrlehre, die Kirche sei Partner der Welt und müsse mit ihr in einen Dialog eintreten, in welchem sie lediglich einen Beitrag zu leisten habe, wie folgt:

Die Welt ist kein Partner. Sie ist entweder drinnen im geheimnisvollen Leib des Christus und damit in der Kirche, um mit uns identisch zu sein, oder sie ist draußen, dann aber unerlöst und zu ihrem Heile darauf angewiesen, auf unser Angebot einzugehen. Dialog mit der Welt – das ist die teuflische Selbsterniedrigung, sich in die Welt integrieren zu lassen, als Beitrag sozusagen, …

Selbstverständlich kann man seitens der Kirche Verträge schließen mit den Repräsentanten der außerhalb lebenden Welt über Lebensbedingungen, um unseren Freiraum zu sichern und erkennen zu lassen, dass wir nicht gesonnen sind, heimliche oder offene, mittelbare oder unmittelbare Gewalt anzuwenden. Im begrenzten, juristischen Sinne mag man von Partnerschaft reden; aber es ist niemals eine eigentliche, wesenhafte Partnerschaft. Über Sinnfragen, über Grundfragen der geistigen Lebensordnung, über Fragen menschlichen Fortschritts kann es keine gemeinsame Sprache und damit keinen Dialog geben, es sei denn, die anderen gehen ein in den Sabbat unseres vergöttlichten und erlösten Daseins. –

Oder können Sie sich vielleicht einen Dialog vorstellen zwischen Thomas von Aquin und Willi Brandt? Ich denke, der heilige Thomas wird mir diese kuriose Vision von der Ewigkeit her verzeihen.“

Gaudium et spes 77.1.: „In unseren Jahren, in denen die Leiden und Ängste wütender oder drohender Kriege noch schwer auf den Menschen lasten, ist die gesamte Menschheitsfamilie in einer entscheidenden Stunde ihrer Entwicklung zur Reife angelangt.“

Pfarrer Milch:„Das ist eine dicke Irrlehre. Es ist völlig unmöglich, dass die Menschheit kollektiv zur Reife kommt, ganz abgesehen davon, dass es der weithin zu machenden Erfahrung absolut widerspricht. Der Mensch ist vom Geistigen in diesem nihilistischen Jahrhundert so tief abgekommen, wie nie zuvor.“

Die Neue Messe in der Kritik von Pfarrer Milch

Die hl. Messe ist das Herz des katholischen Glaubens. Deshalb verwundert es nicht, dass Pfarrer Milch oft über sie sprach. Wir können hier nur einige Hinweise dazu geben, und beginnen mit einem Auszug aus seiner Schrift: „Kleiner Katechismus über den Gehorsam in der katholischen Kirche“, die Pfarrer Milch 1977 verfasste, in der er auf die Maßstäbe zu sprechen kommt, die an eine Liturgiereform anzulegen sind. Man beachte den Mut, den er mit diesen Äußerungen bewies, denn er war damals noch im Amt als Pfarrer von St. Martinus zu Hattersheim:

Der gläubige katholische Christ wird an eine veränderte Liturgie folgende Maßstäbe anlegen, um zu erkennen, ob sie vom Heiligen Geist stammt oder nicht:

Wenn eine bestimmte Form heiliger Opferliturgie jahrhundertelang in der heiligen Kirche verbindlich vorgeschrieben und weit verbreitet war, muss sie zum Ausgangspunkt jeder Veränderung gemacht werden. Denn durch Jahrhunderte hin kann nur eine vom Heiligen Geist gewollte Liturgie walten. Ihre Veränderung darf nur aus ihr selbst erfolgen und aus dem, was in der Kirche mittlerweile verheißungsgemäß an Inhaltserkenntnissen über die ein-für-allemal vorgegebene Offenbarungsfülle gewachsen ist. Solche Veränderungen dürfen niemals dem Zeitgeist entnommen werden, sondern werden automatisch, wenn sie dem geistgewirkten innerkirchlichen Entfaltungsprozess entnommen sind, für den kranken Zeitgeist geeignet sein als Hilfe, Gegengewicht und Arznei: je unzeitgemäßer, desto hilfreicher für den Patienten ‘Zeit’. Die in der bisherigen Liturgie vorgezeichneten Linien müssen ausgezogen, vervollkommnet werden im Sinne des Hörbaren und Sichtbaren:

a) der Wesenscharakter himmlischer Entrücktheit;

b) Erhabenheit und majestätische Feierlichkeit;

c) Vorgegebenheit – es muss deutlich zum Ausdruck kommen, dass nicht zunächst die Gemeinde das Opfer darbringt durch ihren ‘abgeordneten Vorsteher’, sondern der Priester, der durch seine Weihe als Christus zu wirken vermag. Aus eigenem, von Christus gegebenem Recht bringt der Priester dem Vater für das Volk das Opfer dar. Er ‘steht’ nicht ‘vor’, er opfert.

Sind diese Wesensmerkmale und die heiligen Gebärden himmlischer Feier, der Ehrfurcht und des Staunens geschrumpft, statt gewachsen zu sein, dann kann der Heilige Geist nicht am Werk gewesen sein!“

 Die Amtsenthebung von Pfarrer Milch bahnt sich an

Wir kommen nun zum dritten Teil unserer Ausführungen und wollen zunächst einige Überlegungen zu den Gründen anstellen, die zur Amtsenthebung von Pfarrer Milch durch den Bischof von Limburg, Wilhelm Kempf, führten. Sie sollen unseren jungen Lesern einen Einblick geben, welchen Belastungen dieser Priester ausgesetzt war, von denen sie sich wohl kaum eine Vorstellung machen können. 

Die Auseinandersetzung mit dem Bischof von Limburg verschärfte sich in dem Maße wie Pfarrer Milch die Hauptursache für den Zerfall des Erscheinungsbildes der Kirche erkannte.

Hier kann man zwei Phasen unterscheiden: Noch Anfang der siebziger Jahre zielt seine Kritik vor allem auf die Untätigkeit der Bischöfe, bzw. auf die Tatsache, dass sie nur den Exzessen der radikalen Modernisten entgegentreten, z.B. Messfestivals und Fastnachtsmessen, während sie die lebensbedrohende Krise der Kirche, die in den ins Wanken gekommenen Fundamenten besteht, ignorieren und sich mit zweitrangigen Themen beschäftigen, anstatt sich den zentralen Aufgaben zuzuwenden. So sagte er z. B.:

„Ein Bischof, der von Konferenz zu Konferenz rast und im Millionenschwarm des dummen Geschwätzes mitmischt, ein Synodal­schwafeler, der ‘in’ ist im neuesten Schrei von ‘Gruppendynamik’ und psychologischen Modekünsten, … – sie alle sind Ohnmächtige, die ihre Jahre vergeuden, ge­gen­über uns, wenn wir unsere Macht ausüben im erhabenen Schweigen der Gebete!“

Solche Kritik an dem Gebaren der Bischöfe musste zu Spannungen innerhalb der Bewegung für Papst und Kirche führen, die 1969 gegründet worden war, und deren Vorsitzender er, im Wechsel mit Professor Walter Hoeres, zeitweise gewesen war. Denn diese Bewegung hatte es sich auf die Fahne geschrieben, Papst und Bischöfe zu unterstützen. Diese Spannungen führten dazu, dass Pfarrer Milch 1975 den Vorsitz in dieser Bewegung niederlegte und bald darauf aus ihr austrat. Rückblickend bemerkte er:

„Ich war in der Bewegung für Papst und Kirche und bin da 1977 hinaus­gegangen. Es war eine Qual in ihr zu sein. Da waren viele, die sagten, das Konzil ist wunderbar und dient der religiösen Erneuerung. Wir müssen gehorsam sein und den Bischöfen helfen, damit die Auswüchse eingedämmt werden. Diese spielten im Kuratorium eine große Rolle, und ich war dadurch an Händen und Füßen gebunden.“

Die Gründung der Gebets – und Sühnegemeinschaft actio spes unica

Angesichts des Selbstzerstörungsprozesses der Kirche, der sich schon damals abzeichnete, wird das Denken und Wollen von Pfarrer Milch von dem Gedanken beherrscht, Gott, dem Herrn, stellvertretend Sühne zu leisten für die Beleidigungen, die Ihm durch den Einbruch des Modernismus in Seiner Kirche zugefügt werden.

Deshalb ruft er 1972 die Gebets- und Sühnegemeinschaft actio spes unica ins Leben. Ihr sollen sich alle anschließen, die gewillt sind, mit ihm ihr Dasein in den Dienst stellvertretender Sühneleistung zu stellen. Über die Wahl der Bezeichnung spes unica erfährt man von ihm an späterer Stelle:

Spes unica heißt: Einzige Hoffnung. Das heißt:Unsere einzige Hoffnung ist das Kreuz unseres Herrn, das Zeichen Seines unendlichen Erbarmens. Von dem am Kreuze hängenden gottmenschlichen Erlöser strömen die mächtigen Fluten von Blut und Wasser, die alle Welt zu entsühnen und zu beleben vermögen, sofern sie sich darstellt in den Menschen guten Willens. Alle Menschen guten Willens sind durch sie vertreten, die der fleischgewordene gute Wille, die Ursehnsucht der Menschenherzen ist: Maria.

Die Bezeichnung ist entnommen dem alten Hymnus ‘Vexilla regis …’ O crux, ave, spes unica! – O Kreuz, sei gegrüßt, Einzige Hoffnung!“

Die actio spes unica war zunächst eine Gemeinschaft, der man nur durch ablegen eines Gelübdes beitreten konnte, was Pfarrer Milch folgendermaßen beschrieb:

„Wer sich durch ein persönliches Gelübde vor dem Dreifaltigen Gott verpflichtet, täglich, wenn möglich vor dem Allerheiligsten, eine halbe Stunde für die Rettung der Kirche in unseren Landen zu beten, dazu jeden Freitag nicht nur auf den Genuss von Fleischspeisen zu verzichten, sondern auch zu fasten, indem er sich höchstens zweimal am Tage stärkt und nur einmal sättigt, und dies alles im Zeichen seiner völligen Selbstauslieferung an die Gottesmutter und an Christus – der möge seinen Namen mit Adresse mitteilen.“

Für das tägliche halbstündige Gebet hatte er zwei Gebete verfasst, die in einem kleinen Gebetsband zusammen mit zahlreichen anderen Gebeten enthalten sind, der auch zwei von ihm verfasste grandiose Hymnen an die Kirche enthält. Man findet sie auch im zweiten Band meines Werkes: Pfarrer Hans Milch – Eine große Stimme des katholischen Glaubens mit einer Kritik am Zweiten Vatikanischen Konzil.

Öffnung der actio spes unica

1974 entschloss sich Pfarrer Milch, die Sühnegemeinschaft spes unica auch für solche Gläubige zu öffnen, die sich zwar nicht durch ein Gelübde verpflichten wollten, aber dennoch bereit waren, ihr Dasein in den Dienst der Rettung der Kirche zu stellen. Nun wuchs die Zahl der in der actio spes unica vereinigten Katholiken rasant an und stieg bald über 2000.

Das war nur möglich, weil Pfarrer Milch sie intensiv betreute. Er schrieb an sie nicht nur zahlreiche spes-unica-Briefe, in denen er die oft einsamen Katholiken einerseits in ihrem Glauben stärkte und sie anderseits über den Ursachen der Kirchenkriseaufklärte. Darüber hinaus veranstaltete er etwa alle zwei Monate einen spes-unica-Sonntag, an dem er die überlieferte hl. Messe feierte und anschließend zu einem Zusammensein mit Vortrag und Aussprache einlud. Den Schluss bildete eine Sühneanbetung in der Pfarrkirche.

An den sonstigen Tagen machte Pfarrer Milch einige Zugeständnisse an die Liturgiereform, zelebrierte aber nie die Neue Messe. Über diese Zugeständnisse schrieb er:

„Ohne ein Minimum von äußerem Zugeständnis, das ich ungern genug gewähre, könnte ich den Status der inneren Emigration in Hattersheim nicht aufrechterhalten. Ich müsste dann irgendwo untertauchen. Sie hätten dann jedenfalls keine Gelegenheit mehr, hie und da meine Oase zu erleben. Mit ‘Hattersheim’ wäre es im katholischen und rechtgläubigen Sinne zu Ende. Das ist keine Vermutung, sondern Gewissheit. Ich kenne die, welche lauern. Ich weiß außerdem, dass Sonntag für Sonntag Spitzel in meiner Kirche spähen. 

Ich mache keine Zugeständnisse im Wesentlichen. Es handelt sich nirgendwo und nirgendwann um einen Kompromiss.“

Eine große Belastung bestand für Pfarrer Milch darin, dass es in der Gemeinde Gegner gab, die vom innerkirchlichen Modernismus infiziert waren, und die dem Limburger Bischof stets auf dem Laufenden über die Predigten dieses Priesters hielten, was soeben anklang als von Spitzeln die Rede war.

Die Auseinandersetzung mit dem Bischof von Limburg spitzt sich zu

Wie bereits angedeutet, vollzog Pfarrer Milch hinsichtlich der Beurteilung der kirchlichen Lage in nachkonziliarer Zeit einen Erkenntnisprozess, den man kurz folgendermaßen beschreiben kann: War er zunächst der Überzeugung, dass das Antikatholische, das in zunehmendem Maße den Innenraum der Kirche beherrschte, von außen in ihn hineingetragen wurde, so erkannte er im Laufe der Zeit, dass die Hauptschuld an diesem Niedergang die Verantwortlichen in der Kirche trifft.

Dabei kristallisierte sich immer deutlicher heraus, dass deren Schuld nicht nur darin besteht, Irrlehren über den Glauben zu dulden, sondern diese noch zu begünstigen, ja sogar selbst offen mit Irrlehren zu sympathisieren bzw. sie gar zu vertreten. Darüber hinaus geriet auch das Konzil bald in das Visier seiner Kritik. Seit dem Anfang der siebziger Jahre wurde ihm nämlich zunehmend bewusst, dass ein enger Zusammenhang besteht zwischen dem Niedergang des Erscheinungsbildes der katholischen Kirche und den Beschlüssen des Konzils.

In diese Zeit fallen seine größten öffentlichen Glaubenskundgebungen, zunächst 1977, in der Rhein-Main-Halle zu Wiesbaden, mit etwa 3000 [!] Hörern. 1978 folgte eine Großkundgebung in der Rhein-Moselhalle in Koblenz.

Man fragt sich, wie es Pfarrer Milch gelang, so viele Katholiken bei diesen Glaubenskundgebungen zusammenbringen. Die Antwort lautet, weil er, wie kein anderer, in bezwingender Weise dem Einzelnen seine Bedeutung im Kampf um den Glauben vor Augen stellen und ihn so für einen großen Einsatz begeistern konnte. Die Teilnahme an den Glaubenskundgebungen wurde auf diese Weise für jeden Einzelnen zu einer Herzensangelegenheit. Angespornt durch die Wortgewalt dieses Priesters, wollte der Einzelne, wenn es ihm nur irgend möglich war, Zeugnis für seinen Glauben ablegen und sich für die Rettung der Kirche einsetzen.

Zahlreiche der spes-unica-Briefe, auf die ich in meinem zweibändigen Werk: „Pfarrer Hans Milch – Eine große Stimme des katholischen Glaubens“ zu sprechen komme, verdeutlichen, wie dieser Priester die Gläubigen zum Einsatz für das Reich Gottes begeistern konnte.

Die Koblenzer Rede endete mit 14 Fragen an die Bischöfe, auf die aber keiner derselben antwortete. Das kann nicht verwundern, denn bei Antworten auf diese Fragen hätten die Bischöfe Farbe bekennen müssen, was sich schon im Vorspann zu denselben abzeichnete, liest man dort doch die an sie gerichtete Mahnung:

„Wir sind um unsere Kirche betrogen worden. Muten Sie unserem Hunger nicht zu die Steine eines sinnlosen Gehorsams! Geben Sie uns das reine Brot einer vollkommenen Wende!“

Der Auslöser für die Amtsenthebung

In dem Maße wie Pfarrer Milch das Versagen der Bischöfe anklagt, tritt in seinen Schriften und Reden als herausragendes Gegenbild die Lichtgestalt von Erzbischof Lefebvre hervor.

Zwar missfielen dem Bischof von Limburg die Angriffe des Pfarrers von Hattersheim, aber weil er ihn persönlich schätzte, hätte er ihn wohl noch nicht seines Amtes enthoben. Zu diesem Schritt entschloss er sich jedoch, als sich Pfarrer Milch zu Wort und Werk von Erzbischof Lefebvre bekannte, und zwar mit der folgenden Passage in seinem spes-unica-Brief vom 22. Juli 1979:

„Eines sei schon deutlichst gesagt – wiederholend, denn es ist oft genug von uns betont worden!:

Wir bekennen uns bedingungslos zu Weg und Wort des Hochwürdigsten Herrn Erzbischof Marcel Lefebvre!

In ihm und seinem Werk, in den von ihm geweihten Priestern grüßen wir die mächtige Hoffnung und Verheißung der von uns allen heiß ersehnten großen Wende, Oase des Katholischen und Inbegriff des Weiterlebens und Weiterwirkens unserer heiligen Kirche in ihrem wahren Wesen über die furchtbare Phase der Verfälschung hinweg, in der wir leben.

Sein, Erzbischof Lefebvres’, Werk und Wille ist uns allen das befreiende Dennoch, Kern und Garantie katholischer Kontinuität, Fels in der Brandung. Wir sind ihm verschworen!“

Der Bischof reagierte auf diesen Brief mit der Amtsenthebung von Pfarrer Milch am 18. Oktober 1979.

Zwei Gründe für die Standhaftigkeit von Pfarrer Milch

Die schwere, seine Lebenssituation grundlegend verändernde Entscheidung, die Amtsenthebung auf sich zu nehmen, traf Pfarrer Milch im Hinblick auf den Antimodernisteneid, den er vor seiner Priesterweihe geschworen hatte. Er traf diese Entscheidung aber auch im Hinblick darauf, dass er einst vor seinem himmlischen Richter Rechenschaft über die Ausübung seines Priesteramtes ablegen müsse.

Am Schluss eines spes-unica-Briefes ruft er seine Leser dazu auf, ihre Entscheidung zum Widerstand gegen die Glaubenszerstörung ebenfalls mit Blick auf ihre Sterbestunde zu treffen:

„Wenn Du ganz allein – und im Sterben bist Du ganz allein! – vor dem höchsten Augenblick des Hinüberganges Dich befindest, dann hilft Dir keine Erinnerung an ‘Gemeinschaftserlebnis’ oder Massenjubel. Dann hilft Dir einzig die Erkenntnis der geoffenbarten Wahrheiten in unverwechselbarer Klarheit. Und wem die Klarheit vorenthalten wurde, der wird wahrscheinlich die fröhlichen Apostel einer ‘neuen Menschheitssolidarität’ verfluchen, die in frevelhafter und gemeiner Frivolität und ‘ökumenistischem’ Ringelreihen die Erkenntnis der ewigen Wahrheit blockiert haben!

Mit Blick auf unsere Sterbestunde wenden wir uns ab in gottgewollter Selbstliebe und erhabener Verachtung von den Besatzungsmächten im Raumunserer heiligen Kirche. Wir halten unser Banner aufrecht!“

Und in einem anderen spes-unica-Brief liest man:

Wenn der Herr mich einst fragt: ‘Ich habe Dir die Gnade geschenkt, die katholische Wahrheit zu erkennen! Warum hast Du geschwiegen, als es an Deiner Stimme lag, dem Verbrechen zu wehren und die Krankheit zu bezeichnen, dass sie beseitigt werden könne?!’ … Ich liebe, weiß Gott, nicht den Kampf! Aber wehe mir, wenn ich nicht kämpfte!“

Eine dramatische Szene

In Hattersheim und Umgebung schlug die Amtsenthebung des weithin bekannten Pfarrers, an dem sich die Geister schieden, natürlich hohe Wellen. Der Autor dieser Zeilen erinnert sich noch genau des Geschehens, das sich an jenem Sonntag, der auf die Suspendierung folgte, in der Pfarrkirche St. Martinus abspielte und das nicht der Dramatik entbehrte:

Die Kirche war wie gewohnt gut besetzt, und für den Außenstehenden deutete zunächst nichts auf einen irregulären Ablauf der Sonntagsmesse hin. Dennoch war die Atmosphäre äußerst gespannt und die meisten wussten, was sich nun ereignen wird. Kaum hatte der vom Bischof anstelle von Pfarrer Milch beauftragte Zelebrant, im Altarraum hinter einem sogenannten Volksaltar stehend, damit begonnen, die Neue Messe zu zelebrieren, als sich die meisten der anwesenden Gläubigen erhoben und schweigend die Kirche verließen. Die Orgel blieb stumm, die Messdiener zogen ihre Gewänder aus und verließen ebenfalls den Kirchenraum.

Fassungslos verfolgte der Zelebrant das spektakuläre Ereignis. Die Gläubigen versammelten sich anschließend auf dem Kirchplatz, hörten die Lesung des Sonntags und beteten für die Rettung der Kirche.

Am 11. November 1979 – dem Patronatsfest von St. Martinus – protestierte eine große Schar von Gläubigen mit einem Schweigemarsch durch Hattersheim gegen die Amtsenthebung von Pfarrer Milch. Etwa 1000 Gläubige, die z.T. von weither angereist waren, beteiligten sich an der Demonstra­tion, die in erster Linie eine Demonstration für den unverfälschten Glauben war, für den dieser Priester seine materielle Existenz aufs Spiel gesetzt hatte und der nun die Folgen für seine Glaubenstreue tragen musste.

Die Zeit ohne Kirchenraum

Der persönliche Umgang mit dem Bischof von Limburg blieb von gegenseitiger Wertschätzung gekennzeichnet. Der Bischof erwies sich als großzügig, als er Pfarrer Milch anbot, im Pfarrhaus wohnen zu können, bis er in Ruhe ein Domizil für sich und seine hochbetagte Mutter gefunden hätte.

Dieser feierte in der Folgezeit zunächst jeden Sonntag drei, gelegentlich sogar vier heilige Messen in seiner dortigen Wohnung, um den Andrang der Gläubigen bewältigen zu können, und von nun ab ohne alle Konzessionen, die er vorher gemacht hatte, um die Pfarrei möglichst lange halten zu können. Bei diesen Messen war nicht nur der Raum besetzt, in dem er zelebrierte, sondern auch der Flur und das Treppenhaus. Obwohl drangvolle Enge im Pfarrhaus herrschte, vermochte es Pfarrer Milch, eine dem heiligen Geschehen würdige Atmo­sphäre zu erzeugen.

Natürlich wurde die Situation im Pfarrhaus für ihn nun äußerst schwierig, musste er doch Wand an Wand mit seinem Nachfolger wohnen. Am be­drückend­sten waren für ihn die Minuten, in denen die Glocken seiner Pfarrkirche zur hl. Messe riefen und ihm, der rund 18 Jahre in St. Martinus Gott das heilige Messopfer dargebracht hatte, diese Kirche verschlossen blieb und sich dort nun durch die Zelebration des Novus Ordo ein Geschehen vollzog, das er an diesem Ort jahrelang verhindern konnte. St. Martinus zu Hattersheim war als eine Bastion des katholischen Glaubens gefallen. 

Ein ehemaliger Lagerraum als Zwischenlösung

Mit der Amtsenthebung verlor Pfarrer Milch die materielle Grundlage für sich und seine damals schon über neunzigjährige Mutter. Fortan war er auf Spenden angewiesen, und er konnte sehr erfolgreich aus der Überzeugung heraus bitten: „Der Herr will, dass ich bettle, also bettle ich.“

Die Bitte um Spenden wurde zu einem Dauerthema seiner spes-unica-Briefe in der Folgezeit. Denn neben dem Lebensunterhalt musste er mit Spenden den Bau der Kirche St. Athanasius in Hattersheim finanzieren und anschließend auch die Unterhaltungskosten für sie bestreiten. Er konnte dieses finanzielle Abenteuer nur deshalb wagen, weil er darauf vertrauen konnte, dass seine Wortgewalt auch in Bezug auf das Spendenaufkommen ihre Wirkung nicht verfehlen werde.

Da er nur noch für eine begrenzte Zeit in seiner ehemaligen Pfarrwohnung bleiben und dort zelebrieren konnte, galt es für ihn zunächst, eine neue Wohnung und einen größeren Raum für die Zelebration der hl. Messe zu finden. Eine Wohnung fand er in Wiesbaden. Dankenswerterweise stellte ihm die Familie Berthold Geis in Hattersheim einen Raum zur Verfügung, den sie bis dahin als Lagerraum für Tapeten und Teppichbeläge genutzt hatte. Hinzu kam noch ein kleiner Raum, der als Sakristei eingerichtet wurde und in dem er auch Beichte hören konnte.

Die Einweihung der Kirche St. Athanasius in Hattersheim durch Erzbischof Lefebvre

Die Praxis, jeden Sonntag einen Sonntagsbrief auszulegen, behielt Pfarrer Milch immer bei. Ich habe seine Sonntagsbriefe in Auswahl in sechs Bänden zusammengestellt, die jeweils für die Sonntage des Kirchenjahres einen Brief enthalten. In einem dieser Briefe kündigte er die Einweihung wie folgt in einer Sprache an, die Sie, lieber Leser, vielleicht ebenso begeistert wie mich:

„Am kommenden Sonntag, den 17. Oktober 1982, wird sein die feierliche Einweihung unseres Messzentrums St. Athanasius in Hattersheim durch Seine Exzellenz, den Hochwürdigsten Herrn Erzbischof Marcel Lefebvre. Wir sind stolz, den mutigen Glaubenskämpfer, den Athanasius unserer Zeit, in unserer Mitte zu wissen! Hattersheim – so dürfen wir getrost und kühn in Anlehnung an das auf Bethlehem bezogene Propheten-Wort sagen – Hattersheim – Du bist kei­nes­wegs die geringste unter den kleinen Städten Europas! Denn in Dir hat sich aufgerichtet als heiliges Zeichen der ewigen katholischen Wahrheit ein Kirchlein – innen durchstrahlt vom Glanz des Himmlischen, innig wie der Stall von Bethlehem, von den Heerscharen der Engel umgeben wie dieser, ein Ort des schauererregenden Mysteriums wie Tabor, Mitte der Welt wie Kalvaria – eine heilige Stätte, in der ein jeder jeweils neu die Geburt und Bestätigung seiner einmaligen und ewigen Bedeutung und Berufung erfährt angesichts des menschgewordenen und geopferten Gott-Sohnes, der da im Tabernakel weilt.

Hier wird das heilige Opfer sich ereignen! Hier werden die Sakramente gespendet werden! Hier wird der Sitz sein des Weltensinnes! Inmitten einer Zeit der Verirrung und der Verödung der Geister ist hier aufgerichtet ein Garant des Ewigen und Unvergänglichen, des Unveränderlichen, des heiligen Erbes, das es zu bewahren und damit zu entfalten gilt! Sei beglückwünscht, Hattersheim, um Deines kostbarsten Gutes wegen!

Die letzten sieben Jahre

Auch in der letzten Phase seines Kampfes gegen die Glaubenszerstörung erwarteten Pfarrer Milch harte Auseinandersetzungen, und zudem belasteten ihn beständig materielle Sorgen. Zwar war er fortan nicht mehr den Angriffen der Modernisten und des Bischofs von Limburg ausgesetzt, dafür musste er sich aber gegen Gruppierungen innerhalb der Widerstandsbewegung gegen die Glaubenszerstörung wenden, wobei er sich gelegentlich auch persönlichen Vorwürfen ihrer Vertreter ausgesetzt sah.

Man muss eben bedenken, dass viele in diesem Lager den Problemen, die mit dem Konzil und in der nachkonziliaren Zeit auf sie zukamen, geistig nicht gewachsen aber leider vom Gegenteil dieser Tatsache überzeugt waren.

So wundert es nicht, dass sich in dieser Gegenbewegung ein breites Spektrum von Meinungen hinsichtlich der Beurteilung der kirchlichen Lage ausbildete, an dessen einem Ende sich die Halbkonservativen befanden, die dem modernen Rom die Stange hielten und an dessen anderem Ende die Sedisvakantisten standen, die behaupteten, dass der Papst und die Bischöfe im offiziellen Raum der Kirche durch Häresie bzw. Apostasie ihres Amtes verlustig gegangen seien. In dieser Auseinandersetzung verteidigt Pfarrer Milch Wort und Werk von Erzbischof Lefebvre und grenzt seine eigene Position einerseits gegenüber den halbkonservativen Verteidigern des modernen Roms und andererseits gegenüber den Sedisvakantisten ab.

Dieser Priester war eine Anlaufstelle für Repräsentanten aller dieser Strömungen, und da er die Briefe, die ihn in großer Anzahl erreichten, nicht alle persönlich beantworten konnte, nahm er häufig in seinen spes-unica-Briefen zu den betreffenden Problemen Stellung, weshalb diese auch als ein Spiegel der Vielfalt der Positionen betrachtet werden können, die es nach wie vor gibt.

So wurden einige seiner Briefe aus dieser Lebensphase zu großen Lehrbriefen. In diesen geht es nicht nur um die Vertiefung des Glaubenswissens und um die Analyse der Ursachen der heutigen Kirchenkrise, sondern er versucht auch mit aller Energie und Wortgewalt die Gläubigen zu Gebet und Opfer dafür zu bewegen, dass die von ihm so oft beschworene totale Wende in der Kirche beschleunigt herbeigeführt werde.

Höchst eindringlich stellte er dem Einzelnen vor Augen, dass sein Einsatz unverzichtbar sei und er seinem Leben eine ungeahnte Bedeutung geben könne, wenn er sein Dasein gerade jetzt, in dieser existenzbedrohenden Krise der Kirche, für die Belange des Reiches Gottes einsetze.

Fortsetzung der Glaubenskundgebungen

Nachdem Pfarrer Milch nach seiner Suspendierung zunächst kein Kirchenraum mehr zur Verfügung stand, führte er bis zu vier Glaubenskundgebungen im Jahr durch und zwar meist im Konzertsaal Eltzer Hof zu Mainz. Über 20 [!] Glaubenskundgebungen hielt er allein an diesem Ort.

Außerdem initiierte er 1980 eine Glaubenskundgebung in der Schwarzwaldhalle zu Karlsruhe, wo er die kursierenden Irrlehren formulierte und gemeinsam mit den Gläubigen diesen Irrlehren, mit einem zuvor verteilten Text, abschwor. In der Einladung zu dieser Glaubenskundgebung schrieb Pfarrer Milch:

„Wir werden diesen heiligen und unwiderruflichen Schwur durch ein Telegramm im Namen der Abertausende an den Heiligen Vater senden und ihn bedrängen, mit der Wurzel auszureißen und auszubrennen alles, was auch nur durch zwielichtige Formulierung an den Progressismus zu erinnern vermag.

Wir werden den Papst beschwören, den großen Umschwung herbeizuführen!

Der Papst soll wissen, dass er in seinem von Gott dringend gebotenen Werk der katholischen Wiederherstellung von einer verschworenen Phalanx getragen und unterstützt wird, einer Phalanx, die mächtiger ist als jegliches Kollegium und jegliche Konferenz!“

Mit welchem Nachdruck Pfarrer Milch zur Teilnahme an seinen Glaubenskundgebungen aufrief, zeigt insbesondere dieser Brief, indem es heißt:

Kommen Sie! Kommen Sie alle! Sagen Sie es rundherum! Wer es nur irgendwie, und sei es mit äußerster Schwierigkeit, erreichen kann, dass er an jenem großen Tage kommt, der möge bitte jegliches Opfer bringen und kommen! Gott wird es ihm in Fülle lohnen! Wer wollte fernbleiben bei einem so gewaltigen und tief notwendigen Ereignis?! Ich bitte Sie daher demütig und inständig: Kommen Sie, wenn Sie nur irgend können!“

Weitere Glaubenskundgebungen fanden in Soest und Lübeck statt. Darüber hinaus nahm Pfarrer Milch an der Großkundgebung der Priesterbruderschaft St. Pius X. in der Olympiahalle zu München im Jahre 1983 teil.

Kein zweiter Priester in Deutschland hat in der nachkonziliaren Zeit eine vergleichbare Aktivität dieser Art entwickelt.

Konzentration auf einige gewichtige Punkte der Unterweisung durch Pfarrer Milch

Wir konzentrieren uns im Hinblick auf die Unterweisungen, die Pfarrer Milch den in der actio spes unica vereinigten Katholiken gab, auf einige Punkte, welche ihre Argumentation bei Auseinandersetzungen mit Modernisten betreffen.

Ich übergehe dabei insbesondere eine Reihe kleiner Schriften, die er noch verfasste, z. B. ein Neues Manifest, einen Syllabus, der ein Verzeichnis von Lehrirrtümern enthält sowie eine in Dialogform verfasste Schrift mit dem Titel Katholischer Test.

Dieser Priester erkannte, dass viele Glaubenstreue den Modernisten argumentativ unterlegen waren, weshalb er versuchte, sie geistig zu stärken und Schwachpunkte im Erscheinungsbild der Widerstandsbewegung gegen die Glaubenszerstörung zu beheben.

Er beabsichtigte deshalb auch nicht, die actio spes unica neben anderen Gruppen des Widerstandes bestehen zu lassen, sondern sie sollte „bestätigen, umfassen, durchdringen, bejahen, fördern, ermutigen und inspirieren alle bestehenden Gemeinschaften …“.

Geht es in der heutigen Auseinandersetzung um den Gegensatz konservativ – progressiv?

Ich habe häufig in Diskussionen erlebt, dass glaubenstreue Katholiken in Bedrängnis gerieten, als gegen sie der Vorwurf erhoben wurde, rückwärtsgewandt zu sein und sich dem Fortschritt im Religiösen zu verschließen.

Gibt es denn einen Fortschritt im Glauben? Nein, denn die Offenbarung ist mit dem Tod des letzten Apostels des Herrn abgeschlossen.

Gibt es einen Fortschritt in der Glaubenserkenntnis? Ja, den soll es geben und den hat es auch durch alle christlichen Jahrhunderte gegeben, gemäß dem Wort des Herrn: „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommt, wird er euch in alle Wahrheit einführen“ (Joh 16.13).

Das Lehramt der Kirche hat durch die Jahrhunderte immer weiter entfaltet, was einschlussweise im Glauben bereits vorhanden, aber noch nicht ausdrücklich als in ihm enthalten erkannt worden war.

Die Erweiterung und Vertiefung der Glaubenserkenntnis ist also auch in unserer Zeit mit Nachdruck zu wollen, und deshalb antworten wir mit Pfarrer Milch einem Modernisten:

Wir wollen selbstverständlich den Fortschritt in der Glaubenserkenntnis, nur hat dieser in der Ära des Pastoralkonzils zu unserem tiefen Bedauern nicht stattgefunden. Im Gegenteil, durch die Verbreitung von Irrlehren ist der Erkenntnisfortschritt im Innenraum der Kirche blockiert worden. Deshalb erheben wir gegen das vom Konzil geprägte Rom den Vorwurf: Wir sind durch die Beschlüsse dieses Konzils um den Erkenntnisfortschritt im Glauben betrogen worden, wie Pfarrer Milch einmal in einer Rede ausrief. In der Tat wurde hier nicht einschlussweise vorhandenes Glaubenswissen ins ausdrückliche Glaubenswissen gehoben, hier fand keine Fortentwicklung statt, sondern es ereignete sich eine Fehlentwicklung.

Wir sind also nicht, wie er immer wieder betonte, deshalb gegen das Neue, welches das Pastoralkonzil brachte, weil es neu ist, sondern weil es falsch ist! Jegliches Neue aber in der Glaubenserkenntnis, das mit dem je Gehabten und Gewussten in Übereinstimmung ist und es bereichert, ist uns hochwillkommen. Sein Echtheitssiegel ist, nach den Worten von Pfarrer Milch, dass es das je Gehabte und Gewusste im je gehabten Sinne bekräftigt und bestätigt.

In der Tat sind bewahren und entfalten im Glauben auch deshalb untrennbar miteinander verbunden, weil das zu bewahrende Glaubensgut immer schon Entfaltungsmomente enthält, nämlich diejenigen, welche in vergangenen Epochen erkannt wurden und umgekehrt bezieht sich die Entfaltung des Glaubenswissens auf das Glaubensganze und damit auch auf das bereits explizierte Glaubenswissen, das es zu bewahren gilt.

Bei Lichte besehen, bezeichnen demnach die Begriffe konservativ (= bewahrend)und progressiv (= fortschrittlich) mit Bezug auf den Glauben keine Gegensätze, sondern sie sind wechselseitig aufeinander bezogene und sich ergänzende Momente des katholischen Denkens. Diese Verbundenheit bringt das I. Vatikanische Konzil in seiner Dogmatischen Konstitution Dei filius über den katholischen Glauben an jener Stelle zum Ausdruck, an der es sich den folgenden Satz des Vinzenz von Lérins zu eigen macht:

„So wachse denn und gedeihe in reichem und starkem Maße im Laufe der Zeiten und Jahrhunderte Erkenntnis, Wissenschaft und Weisheit sowohl in einem jeden als auch in allen, sowohl im einzelnen Menschen als auch in der ganzen Kirche: aber lediglich in der ihnen zukommenden Weise, nämlich in derselben Lehre, demselben Sinn und derselben Auffassung.“[2]

Beide Momente, das Bewahren und das Entfalten sind also im Glauben miteinander verbunden, was dieser Priester immer wieder betonte. Dadurch widerlegte er die gängige Ansicht, dass es in der heutigen Kirchenkrise um ein Tauziehen zwischen konservativen und progressiven Kräften geht. In Wahrheit geht es heute nämlich um den Gegensatz konservativ – progressistisch, wobei der Progressismus darin besteht, dass das Neue, was er bringt, im Widerspruch zur immerwährenden Lehre der Kirche steht.

Pfarrer Milch verglich das Verhältnis von bewahren und entfalten mit dem Verhältnis zweier in Liebe zueinander entbrannter Menschen: Wie der Liebende das Gesicht seiner Geliebten unter Tausenden mit absoluter Sicherheit erkennt, so erkennt der Gläubige an den Dogmen das Gesicht der Wahrheit. Aber so wenig sich der Liebende mit der Identifikation seiner Geliebten begnügt, vielmehr immer mehr von ihr erfahren will, so will auch der Gläubige immer tiefer in die vorgegebene Wahrheit eingeführt werden.

Über den richtigen Begriff vom Gehorsam in der Kirche

Es war ein Spezifikum dieses Priesters, dass er nicht nur den Blick auf die Ursachen des Progressismus richtete, sondern auch auf die Bedingungen, die den Erfolg desselben in den Jahrzehnten nach dem Konzil ermöglichten. Diese Erfolgsbedingungen liegen zum Teil in Schwächen des vorkonziliaren Erscheinungsbildes der Kirche und eine dieser fatalen Schwächen betrifft einen falschen Begriff vom Gehorsam.

Es war in der Tat ein schwerwiegender Mangel, dass man es weithin von Seiten der Hierarchie in vorkonziliarer Zeit versäumt hatte, den geforderten Gehorsam konsequent an die Inhalte des Glaubens zu binden, und auf diese Weise den Klerus sowie die Laien darauf vorzubereiten, dass, falls Rom einmal mit der traditionellen Lehre der Kirche brechen sollte, ihm der Gehorsam möglicherweise verweigert werden müsste.

Das Prinzip der Unterweisung in puncto Gehorsam hätte also, nach den Worten von Pfarrer Milch, lauten müssen:

Im Rahmen der katholischen Wahrheit ist Gehorsam gegenüber den kirchlichen Amtsträgern geboten, er ist aber verboten, wenn er von diesen für etwas eingefordert wird, was gegen die Wahrheit gerichtet ist.

Diese notwendige Differenzierung wurde in der Regel nicht getroffen, stattdessen schärfte man einen blinden Gehorsam ein.

Dieser führte dazu, dass später viele Priester und Laien alles anerkannten, was Rom verlauten ließ und zwar deshalb, weil es Rom verlauten ließ. Sie stellten ihre Anerkennung nicht unter den Vorbehalt, dass diese Verlautbarungen mit der immerwährenden Lehre der Kirche im Einklang stehen müssen.

Das richtige Verständnis von der Hoffnung auf die Wende in der Kirche

Das Leitmotiv der actio spes unica ist die Hoffnung, ist sie doch die Bewegung Einzige Hoffnung. Was ist das für eine Hoffnung? Es ist die Hoffnung auf die totale Wende in der Kirche, durch die Rom den Irrtümern abschwört, die die Ära des Pastoralkonzils geprägt haben und immer noch prägen.

Pfarrer Milch bezeichnete sie als Hoffnung gegen alle Hoffnung. Damit meinte er: Es gibt in Bezug auf die Beurteilung der Wende zwei verschiedene Arten der Hoffnung, nämlich die Hoffnung in der Horizontalen und die Hoffnung in der Vertikalen.

Wer seine Hoffnung aus der Horizontalen gewinnt, aus dem, was wir rundherum sehen, der kann im Hinblick auf das heutige Erscheinungsbild der Kirche eigentlich nur in Resignation verfallen.

Die wahre Hoffnung, die Hoffnung gegen alle irdische Erwartung, ist demgegenüber die Hoffnung, die in die Senkrechte gerichtet ist und die sich nicht irremachen lässt von dem, was die Erfahrung bietet, denn sie wird getragen von der Gewissheit, dass Christus seine Kirche nicht verlässt.

Diese Hoffnung lebt aus der Gewissheit, dass Rom eines Tages zu seiner Tradition zurückkehren wird, weshalb diese Hoffnung eine Quelle der Kraft und Zuversicht ist. In zahlreichen spes-unica-Briefen thematisierte Pfarrer Milch die Hoffnung in der Vertikalen. So liest man in einem dieser Briefe:

„Seien Sie mir alle herzlich gegrüßt im höchst verpflichtenden, höchst trö­sten­­den, uns alle einfordernden Zeichen der Einzigen Hoffnung!

Diese Hoffnung ist absolut wirksam. Ihr gegenüber gelten keine innerweltlichen Erfahrungen, keine ‘geschichtlichen Gesetze’, kein Pessimismus, kein Optimismus, keine Wahrscheinlichkeiten! All dies hat mit der Hoffnung nichts zu tun. Sie beruht auf nichts als auf sich selbst. Sie wirkt aus sich selbst, … und wenn mir jemand entgegenhält, dann müsse ein Wunder geschehen, antworte ich: Hier setzt der wahre, legitime Wunderglaube ein! Ich glaube an das große Wunder, denn ich glaube an die katholische Kirche und die ihr gegebene Verheißung.

Die Wende wird kommen, … Fragen Sie nicht: ‘Wie soll das geschehen?’ Sie kennen die einzige Antwort darauf: ‘Bei Gott ist kein Ding unmöglich!’“

Das Wesen der sicher zu erwartenden Wende in der Kirche

Mehrere Lehrbriefe von Pfarrer Milch befassen sich mit dieser Wende. So liest man z. B.: „Wenn wir nicht alle ein Ziel in flammender Hoffnung und inbrünstig trauernder Sehnsucht anstreben, dann fehlt unseren Einsätzen die Legitimität des Heiligen Geistes und Seine Dynamik ganz und gar. Das eine Ziel, das uns in heilige, freudebrennende, absolut hoffende Unruhe versetzt, ist das eine Datum der Wende! Die Wende wird bestehen in der Setzung des Katholischen durch den obersten Hirten.“ Und an anderer Stelle heißt es:

„Wo das Katholische als solches geleugnet und ihm widersprochen wird, da kann nur die Statuierung des Katholischen als solchem die Rettung sein. Das schließt logischerweise ‘Stufen der Wende’ bzw. ‘kleine Schritte’ aus, weil die Wahrheit sich nicht aus Stufen und Schritten zusammensetzt. Sie ist ganz oder gar nicht. Sie ist alles oder nichts. Es gibt kein Entrinnen aus diesem Gesetz.“

Die Aussage von Pfarrer Milch, dass die Wende in einem Akt des obersten Hirten bestehen wird, durch den Rom auf den Boden der überlieferten Lehre der Kirche zurückkehrt, hat gelegentlich zu der Ansicht geführt, er würde behaupten, die Wende würde ohne Vorbereitung eintreten und das Erscheinungsbild der Kirche würde sich schlagartig verändern. Aber das ist ein Missverständnis. Dieser Priester sah durchaus, dass der Wende ein Prozess ihrer Vorbereitung vorausgehen wird, sagte er doch in einem spes-unica-Brief:

„Gemäß der Unteilbarkeit des Katholischen gibt es auch keine ‘Bestandteile’ der Wende oder ‘Stufen’ der Wende. Wohl aber – selbstverständlich – gibt es eine Vorbereitung der Wende, einen Weg zu ihr hin.

Und dieser Weg ist gezeichnet durch die Hoffnung wider alle Hoffnung in den Herzen derer, die nicht kapituliert haben – durch die Gebete der Einzelnen, durch die Leiden der Kranken und Einsamen – durch das Wachsen des Gotteswerkes, das da ist die Priesterbruderschaft St. Pius X., durch die vermehrten Priesterberufe, die in ihrem Rahmen zu verzeichnen sind, durch die zunehmende Zahl der Messzentren, Schulen, Klöster, Universitätsinstitute … ein Flammenweg, der die Atmosphäre bereitet, in welcher das eine Ereignis der Wende mit höherer Wahrscheinlichkeit zu gedeihen vermag.“

Auch alle bisherigen positiven Anzeichen im Innenraum der Kirche unter dem Pontifikat von Benedikt XVI. können als Vorbereitungsschritte zu derselben hin verstanden werden.

Nicht nur die Vorbereitung der Wende, sondern auch ihre Durchsetzung im Innenraum der Kirche verstand Pfarrer Milch als einen zeitlich gestreckten Prozess, wogegen die Wende selbst in einem unteilbaren Akt des Papstes bestehen wird. In diesem Sinne liest man bei ihm:

„Die Wende ist gegeben mit dem entschieden-entscheidenden, unfehlbaren Wort eines Papstes. Niemals habe ich im Traum daran gedacht, dies Wort des obersten Hirten löse wie durch Zauber eine universale Bewusstseinswende im Raum der Kirche aus. Die allgemeine Bewusstseinswende, die ihre Voraussetzung hat in der geschehenen Wende (die Wende und die allgemein nachwirkende Bewusstseinswende sind also zwei ganz verschiedene Gesichtspunkte!), muss freilich nach und nach erwirkt und in Stufen erreicht werden – höchstwahrscheinlich im Zeichen heftiger Rebellionen und einer starken quantitativen Schrumpfung.

Die Durchsetzung der geschehenen Wende muss sich in Stufen vollziehen. Aber die Wende ist dann geschehen, weil die allgemeine, weltweite Repräsentanz, das Fundament der Kirche, Petrus, wieder identisch ist mit der katholischen Unteilbarkeit: Und zwar in allgemein erkennbarer Identität!“

Trost und Zuversicht

Wir sahen, dass Pfarrer Milch großen Einsatz für die Belange des Reiches Gottes von den Gläubigen forderte. Aber er forderte nicht nur großen Einsatz von ihnen, vielmehr gab er ihnen nicht nur geistige, sondern auch seelische Kraft zu diesem Einsatz, indem er ihnen Trost und Zuversicht zusprach. So heißt es in einem spes-unica-Brief:

„Die großen Feste unserer Erlösung sind in heiligen Handlungen vollzogen, die Mysterien verwirklicht, und die heilige Kirche, deren heiliges Wesen wir wahren und darstellen, ist überstrahlt und durchseelt vom Feuer des Heiligen Geistes!

Ich sage es Dir in Deiner Einsamkeit und Schwermut: Weißt Du nicht, dass Du erkoren bist zu einer Kampfstation des katholischen Einsatzes, zu einer Befehlsstelle, wo Du den Engeln gebietest und sie aussendest in die besetzten Gefilde der Kirche, in denen Satan seine Herrschaft ausübt?!

Weißt Du nicht, dass Deine Seele und Dein Leib Wohnstätten des Lichtes sind, das wirksam wird für die Verirrten und Blinden, die Zweifelnden und Verzweifelten, wenn Du jeden Deiner Tage bewusst vereinst mit dem menschgewordenen Gott-Sohn?!

Du bist mächtiger als die höchsten Präsidenten und Machthaber dieser Welt, wenn Du all Dein Leiden, Deine Sorgen, Einsamkeiten und Mühen hinein gibst in das Kreuz dessen, welcher der innig Vertraute aller Schmerzen ist und all das Deine übernimmt, zu Seinen Leiden und Mühen erhebt, wenn Du es willst!

Dann gehen die ‘Ströme lebendigen Wassers von Dir aus’ (Joh 7,38) und ‘Du ergänzest an Deinem Leibe, was an den Leiden des Christus noch aussteht, für Seinen Leib, die Kirche’ (Kol 1,24):

Menschen, die Dich nicht kennen und von denen Du nichts weißt, werden durch Dein Erdulden oder Opfer oder Tun oder Gebet erleuchtet, gestärkt, aufgerichtet, getröstet. Die Engel erheben sich auf Deinen Wink und treten an Stationen wichtiger Entscheidungen Satan entgegen!

Warum versinkst Du in Traurigkeit, da doch Dein Dasein so gewaltig, so unabsehbar gestiegen ist an Macht, Würde und Bedeutung; wie nie zuvor bist Du aufgewertet für Gottes Reich und Träger höchster Mission, die Du ausübst in scheinbar unbedeutenden, unwirksamen Handlungen und Leiden.

Weit über alles Wahrnehmbare hinaus bist Du imstande, geheimer Machthaber zu sein auf Erden ‘in Ihm, durch Ihn und mit Ihm’, denn ‘Dein Leben ist mit Christus verborgen im Vater’ (Kol 3,3).

Notwendig bei alledem ist, dass wir um Mariens Fürbitte flehen, die den Heiligen Geist in uns zur vollkommenen Wirkung entbindet; dass wir in Christus zum Vater uns wenden – ohne Unterlass anrufend Sein Erbarmen, welches wiederum eins ist mit dem Heiligen Geist: auf dass der Glaube in uns wachse!

In der Tat – wer geruhsam wähnt, sein Glaube sei vollkommen und durchdringe sein Dasein bis in die Wurzel (d.h. ins Herz), dessen Glaube bleibt matt und wirkungslos bis ans Ende.

Nur wer um sein Nichtglauben weiß und ohne Unterlass ruft: ‘Herr, ich glaube! Hilf meinem Unglauben’ (Mk 9,24) – ‘aufstöhnend’, wie es an gleicher Stelle heißt –, dessen Glaube hat Macht, Leben und Wachstum. Er reift zum Feuer heiliger Leidenschaft zu unbeirrbarer Hoffnung und flammender Liebe! So meine lieben Freunde, wirken Du und ich der heiligen, großen Wende Beschleunigung. …

Und Du wirst dabei sein! Vergiss es nicht! Überwinde Deine Traurigkeit! – Trauernde aus Liebe und unbändiger Freude heraus wollen wir und sollen wir sein, da wir so vieler gewahr werden, die unsere Freude nicht teilen können. Niemals aber Traurige! Die Trauer kommt aus der Freude und mündet in die Freude. Die Traurigkeit lähmt und ist eine Versuchung des Vaters der Lüge.“

Zum Tode von Pfarrer Milch

Dieser Seelsorger konnte sich in die Lage eines Bedrückten versetzen und von ihm her denken, weil er selbst ein überaus sensibler Mensch war. So verwirklichte er die Worte, die er einst geschrieben hatte:

„Liebe heißt, sich in den anderen hineinversetzen, das mir begegnende Du als eine große Möglichkeit des Erlöstseins und Erlöstwerdens anzuschauen; als einen von Christus ins Auge Gefassten, als einen, dem das große Glück auch widerfahren kann. So begegne ich jedem, auch dem Verkommendsten, dem äußersten Opfer all der Folgen, welche die Erbsünde mit sich bringt.“

Und so begegnete er auch Luigo Zito, jenem Menschen, der ihn am 8. August 1987 ermordete. Im zweiten Band meines Werkes über das priesterliche Wirken von Pfarrer Milch habe ich Verhaltensweisen von Zito geschildert, die keinen Zweifel daran lassen, dass er ein schwer geistesgestörter Mensch gewesen war.

So tragisch die Umstände des Todes von Pfarrer Milch auch waren, so dürfen wir doch darauf vertrauen, dass dieser Tod eine große Sühnekraft besitzt, ereignete er sich doch in Ausübung seiner seelsorglichen Tätigkeit.

In diesem Zusammenhang kommt mir ein von ihm verfasstes Gebet in den Sinn, dessen letzte Zeile lautet: „Hier bin ich, Herr! Hier ist mein Leben! Dass bald doch Wende werde! Amen“

Ecce Sacerdos magnus qui in diebus suis placuit Deo – Sehet den großen Priester, der in seinen Tagen Gott gefiel.“


[1] H. Denzinger: „Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen“, Freiburg 1991, Nr. 3020, S. 820.

Zum Buch über Pfarrer Hans Milch: https://www.sarto.de/pfarrer-hans-milch

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