Freitag, 19. April 2024

Benedikt XVI. und die Rede vom Letzten Gericht

Mit großem Bedauern stellen Katholiken, Christen aller Konfessionen, Andersgläubige und auch Agnostiker fest, wie einige Kleriker in Deutschland über Benedikt XVI. urteilen. Tun sie dies aus begründeter Überzeugung? In meinungsbildender Absicht? Ich verstehe das nicht. Heute äußerte sich der Kapuzinerpater Paulus Terwitte auf „domradio.de“. Benedikt verschiebe die Verantwortung auf das Jüngste Gericht. Der Kapuziner meint: „Das Jüngste Gericht ist das, was wir Christen erhoffen, dass am Ende Gott die Gerechtigkeit walten lässt und die Übeltäter ihre gerechte Strafe bekommen. Wobei wir dabei erwarten, dass damit auch Barmherzigkeit verbunden ist. Aber ich halte das für eine billige Verschiebung von Verantwortung. Jetzt ist Gericht zu halten und jetzt hätte Papst Benedikt Namen nennen können, wer damals gedeckt wurde, wen er gedeckt hat und welche Opfer es waren, die durch ihn praktisch weiter keine Gerechtigkeit erfahren haben. Mich hat der Brief auch enttäuscht.“ Mich enttäuschen gegenwärtig eher die Stimmen vieler deutscher Kleriker. So viele scheinen sich noch einmal – „billige Verschiebung von Verantwortung“ – über Benedikt XVI. äußern zu wollen. Weiterhin sagt Bruder Terwitte über das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs und die Hoffnung auf die göttliche Gerechtigkeit: „An der Stelle fängt man an, über eine Theologie des Kreuzes zu reden. Aber ehrlich gesagt, ich möchte diese fromme Rede jetzt gar nicht tun, weil derjenige, der das erfahren hat, von denen, die so eine Botschaft ausrichten, diese Botschaft einfach nicht hören und nicht verstehen kann. Ich hätte erwartet, dass Papst Benedikt gesagt hätte: Ich habe dafür gesorgt, dass meine eigene Botschaft unwirksam geworden ist durch das, was ich zugelassen habe.“ Was genau hat Benedikt XVI. denn „zugelassen“? Welche „eigene Botschaft“ hat er verkündet? Die Nebelbildungen scheinen kein Ende zu nehmen.

Benedikt XVI. hat in seinem Brief vom 8. Februar 2022 auch an die Wahrheit des Glaubens erinnert, wie sie im Katechismus verbindlich dargelegt ist, durch sein persönliches Zeugnis. Dafür dürfte man, dafür könnten wir alle auch dankbar sein. In den Abschnitt 1039 und 1040 lesen wir: „1039 Im Angesicht Christi, der die Wahrheit ist, wird die wahre Beziehung jedes Menschen zu Gott endgültig offengelegt werden [Vgl. Joh 12,49.]. Das Letzte Gericht wird bis in die äußersten Folgen an den Tag bringen, was jeder während seines Erdenlebens an Gutem getan oder nicht getan hat.

„Alles Üble, das die Bösen tun, wird verzeichnet – und sie wissen es nicht. Am Tag, an dem ‚Gott nicht schweigen wird‘ (Ps 50,3) … [wird er sich an die Bösen wenden] und zu ihnen sagen: ‚Ich hatte für euch meine kleinen Armen auf die Erde gesetzt. Ich, ihr Haupt, thronte im Himmel zur Rechten meines Vaters – aber auf Erden hatten meine Glieder Hunger. Wenn ihr meinen Gliedern zu essen gegeben hättet, wäre eure Gabe bis zum Haupte gelangt. Als ich meinen kleinen Armen einen Platz auf der Erde zuwies, setzte ich sie zu Boten ein, um eure guten Werke in meine Schatzkammer zu bringen. Ihr habt nichts in ihre Hände gelegt, darum besitzt ihr bei mir nichts“ (Augustinus, serm. 18,4,4).

1040 Das Letzte Gericht wird bei der herrlichen Wiederkunft Christi stattfinden. Der Vater allein weiß den Tag und die Stunde, er allein entscheidet, wann es eintreten wird. Dann wird er durch seinen Sohn Jesus Christus sein endgültiges Wort über die ganze Geschichte sprechen. Wir werden den letzten Sinn des ganzen Schöpfungswerkes und der ganzen Heilsordnung erkennen und die wunderbaren Wege begreifen, auf denen Gottes Vorsehung alles zum letzten Ziel geführt hat. Das Letzte Gericht wird zeigen, daß die Gerechtigkeit Gottes über alle Ungerechtigkeiten, die von seinen Geschöpfen verübt wurden, siegt und daß seine Liebe stärker ist als der Tod [Vgl. HId 8,6].“

„Jetzt ist Gericht zu halten“, sagt Bruder Paulus Terwitte. Wirklich? Mit welcher Legitimation? Auf welcher Grundlage? Eine Forderung wie diese verstört. Wir alle wissen oder könnten wissen, dass Kardinal Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. sich mit allem Nachdruck für die Aufklärung von sexuellem Missbrauch eingesetzt hat. Wir alle wissen oder könnten wissen, dass eine gutachterliche Stellungnahme einer Anwaltskanzlei kein richterliches Urteil ist, auch wenn diese in vielen Medien wie ein Verdikt der letzten Instanz betrachtet wird. Wir alle wissen oder könnten wissen, wie sehr sich die römisch-katholische Kirche in Deutschland heute für die Aufklärung von Missbrauchstaten einsetzt. Ein positives Beispiel ist etwa auch das Bistum Hildesheim, wie heute berichtet wurde. Im Übrigen hoffe ich auf eine Verschärfung des Strafrechtes bei sexuellem Missbrauch, auf eine Aufhebung der Verjährungsfrist – und in allen Dingen hoffe und vertraue ich auf das Letzte Gericht. Und Sie?

3 Kommentare

  1. Am Freitag – es war der zweite in Folge – habe ich den Kreuzweg mitgebetet, der aus Wigratzbad live auf kath tv übertragen wurde.

    Leider kann ich am kommenden Freitag nicht mitbeten, da bin ich im Aushilfsjob.

    Es ist so heilsam, die Leiden des HERRn zu betrachten …. ich bin auch sehr froh, dass es solche Liveübertragungen gibt, so muss ich nicht immer allein beten .. und ich kann uns allen und vor allem den Opfern nur empfehlen, in Begleitung mit guten empathischen Seelsorgern an der Hand immer und immer wieder den Kreuzweg zu beten … man muss gar nicht immer wo viel reden und analysieren ..
    Auch für die Täter, so sie noch nicht völlig erkaltet sind, wäre das zu empfehlen.

    Wie oft Papst Benedikt XVI em. den Kreuzweg wohl gebetet hat und noch betet?
    Ich bin sicher, sehr oft … und was für ein Privileg in Anspruch nehmen zu dürfen, ja man wagt es kaum das zu schreiben: durch Seine Wunden sind wir geheilt …

    Wir müssen alle lernen, darüber zu meditieren, was das wirklich bedeutet!

  2. Manchmal bin ich enttäuscht – auch von den Opfern.

    Ja, es ist ungeheuerlich was ihnen zugestoßen ist – und auch nicht zu entschuldigen – nur zu Vergeben .. aber haben sich die Opfer auch mal klargemacht, wieviele Frauen tageintagaus vergewaltigt werden, auch in der Ehe? Wieviele andere Kinder dran glauben müssen .. was wird grad immer wieder aufgedeckt in Bezug auf Kinderpornografie .. ?

    Dass früher das Recht der ersten Nacht gegolten hat und dass viele Dienstmädchen, von denen die meisten auch noch sehr jung waren … stillschweigend und mit Billigung aller von ihren Dienstherren samt Söhnen … und wer weiss schon, ob sich Frauen nicht auch vergangen haben und das nur nicht berichtet wird .. ist sowieso ohnehin noch ein Tabuthema – wo ist die gesunde Wut sich in Leben zurückkämpfen zu wollen?

    Was wollen diese Ankläger eigentlich noch von Benedikt XVI – ich verstehe das nicht mehr … Namen nennen usw? Er hat doch die Reißleine gezogen, viele des Amtes enthoben usw .. man kann ihm nicht beweisen, dass er aktiv vertuscht hätte oder gar selbst ….
    Wollen sie eigentlich GOTT anklagen und trauen sich nicht, dann muss eben der Papst herhalten … ? Sein Stellvertreter .. sozusagen .. ?

    Was ist mit den anderen, wie auch zB Kardinal Marx .. ?

    Wir werden ihn nicht mehr lange bei uns haben … den Benedikt XVI em … sollen sie ihn doch endlich in Frieden lassen und in Frieden sterben lassen …

  3. Mich erschüttert die Verbissenheit dieses Paters, der doch eigentlich ein heiligmäßiger Priester sein sollte. Möge auch dieser Priester über die folgenden Zeilen des damaligen Kardinals sein Gewissen erforschen:

    „Müssen wir nicht auch daran denken, wie viel Christus in seiner Kirche selbst erleiden muß? Wie oft wird das heilige Sakrament seiner Gegenwart mißbraucht, in welche Leere und Bosheit des Herzens tritt er da oft hinein? Wie oft feiern wir nur uns selbst und nehmen ihn gar nicht wahr? Wie oft wird sein Wort verdreht und mißbraucht? Wie wenig Glaube ist in so vielen Theorien, wie viel leeres Gerede gibt es? Wie viel Schmutz gibt es in der Kirche und gerade auch unter denen, die im Priestertum ihm ganz zugehören sollten? Wie viel Hochmut und Selbstherrlichkeit? Wie wenig achten wir das Sakrament der Versöhnung, in dem er uns erwartet, um uns von unserem Fall aufzurichten? All das ist in seiner Passion gegenwärtig. Der Verrat der Jünger, der unwürdige Empfang seines Leibes und Blutes, muß doch der tiefste Schmerz des Erlösers sein, der ihn mitten ins Herz trifft.“

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