Donnerstag, 18. April 2024

Nostra Aetate: Soll man „nichtchristliche Religionen“ nicht mehr missionieren?

Papst Benedikt XVI. hat bei einer Begegnung mit Jerusalemer Groß-Rabbinern in Castelgandolfo (DT vom 17. Sept. 2005, S. 4) den Fortschritt in den gegenseitigen Beziehungen gelobt, der u. a. durch das Dokument „Nostra aetate“ des II. Vatikanums ermöglicht worden sei. Sein Nachfolger ist in der Anerkennung des Islam beim Abkommen von Abu Dhabi mit dem Großimam der Al Azhar-Universität in Kairo noch erheblich weiter gegangen. Sicher ist es als Gewinn zu verbuchen, wenn verschiedene Religionen nicht mehr im offenen Streit miteinander leben. Doch bedarf es für einen echten Frieden der Gerechtigkeit, wie immerhin noch das das letzte Konzil unter Heranziehung von Jes 32,17 („opus iustitiae pax“) herausstellte (GS 78) (Wahlspruch des Papstes Pius XII.) Problematische Kompromisse oder gar falsche Aussagen widersprechen der Gerechtigkeit, die ihrerseits nicht ohne Wahrheit denkbar ist. 

Gerade Papst Benedikt XVI. hat immer wieder in seinen zahlreichen Publikationen auf die Bedeutung der Wahrheit hingewiesen. Ein Beispiel möge hier genügen: „Es ist die Eigenart des christlichen Glaubens in der Welt der Religionen, daß er behauptet, uns die Wahrheit über Gott, Welt und Mensch zu sagen und daß er beansprucht, die religio vera, die Religion der Wahrheit zu sein. ‚Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben’, in diesem Wort Christi aus dem Johannes-Evangelium (14,6) ist der grundlegende Anspruch des christlichen Glaubens ausgedrückt. Auf diesem Anspruch gründet die missionarische Tendenz des Glaubens: Nur wenn der christliche Glaube Wahrheit ist, geht er alle Menschen an.“ (Glaube, Wahrheit und Kultur – Reflexionen im Anschluß an die Enzyklika „Fides et ratio“, in: Joseph Kardinal Ratzinger, Glaube, Wahrheit, Toleranz: Das Christentum und die Weltreligionen, Freibg./B. 2003, 148). 

Haltung des II. Vatikanums zum Judentum

Wir greifen hier nur einige besonders auffällige Texte zu drei Weltreligionen heraus. Im Römerbrief (11,28) ist knapp das ganze Spannungsgefüge vorgestellt, in dem die Jesus Christus ablehnenden Juden leben: „Im Hinblick auf das Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen, doch im Hinblick auf die Erwählung sind sie geliebt um der Väter willen.“ (Vulgata: „Secundum evangelium quidem inimici propter vos, secundum electionem autem carissimi propter patres“) Man gerät wohl kaum in den Verdacht des Antisemitismus, den die Kirche mehrfach aufs schärfste verurteilt hat (siehe Johannes Oesterreicher, Rassenhaß ist Christushaß, Klagenfurt usw. 1993, 91-112), wenn man diese Worte des Juden Paulus zitiert.[1] Der bedeutende (übrigens sogar von Kardinal Lehmann prinzipiell geschätzte!) Theologe und Konvertit Erik Peterson hat den Sinn dieses zweigeteilten Satzes klar herausgearbeitet: „So ist seine (d.h. des Juden) ganze Existenz zweideu­tig, und die Zweideutigkeit dieser jüdischen Existenz wird erst dann aufhören, wenn ganz Israel gläubig geworden ist und unser Herr vom Himmel wiederge­kommen sein wird.“ (Die Kirche aus Juden und Heiden, erstmals erschienen Salzburg 1933, nachgedruckt in Theologische Traktate, hg. von Barbara Nichtweiß, Würzburg 1994, 169) 

Sollte nun ein moderner Theologe einwenden, Petersons Analyse sei aber überholt, dann werfe er einen Blick in ein neueres Standardwerk des protestantischen Theologen Folker Siegert. Zunächst muß der entscheidende Satz im griechischen Original (mit lateinischer Transkription) zitiert werden, da eine sprachliche Beobachtung von Belang ist: „kata men to euangelion echthroi di’ hymas, kata de ten eklogen agapetoi dia tous pateras.“ Siegert schreibt nun: „Zwei entgegengesetzte Prädikationen Israels (gemeint ist das nicht christgläubige Israel) werden kontrastiert…; jede gilt in gewisser Hinsicht (kata men…/kata de…) und um eines gewissen Zieles oder Wertes willen (dia…/dia…). Selbst die Endungen der Satzglieder sind gleichklingend (echthroi//agapetoi; hymas//pateras); sie ergeben ein Homoeoptōton, und der ganze Satz eine vollkommene Parhomoeōsis. Die klangliche Einprägsamkeit ist offenbar gewollt.“ (Argumentation bei Paulus, gezeigt an Röm 9-11, Tübingen 1985, 173 f.) 

Sowohl in Nostra Aetate 4 als auch in Lumen Gentium 16 zitiert das II. Vatikanum nun verkürzt nur den zweiten Teil des Bibelsatzes, obwohl wir gerade auch durch die sprachliche Beobachtung Siegerts festgestellt haben, wie eng die beiden Satzglieder miteinander verzahnt sind. Hier handelt es sich um eine klare und durch nichts zu rechtfertigende Manipulation um eines ökumenistischen bzw. interreligiösen Zieles willen! Es wundert uns nicht, daß über keine Aussage des II. Vatikanums Juden, die heute noch ihren und unseren Messias Jesus Christus ablehnen, größere Genugtuung empfinden. Schon bald nach dem letzten Konzil, um nur eine Stimme anzuführen, führte Ernst Ludwig Ehrlich in einem Aufsatz mit dem Titel „Was bedeutet das Zweite Vatikanische Konzil für uns Juden?“ folgenden Satz als aus seiner Sicht wichtigste Neuerkenntnis der Konzilsväter an, er erscheint als Nr. 1 in einer Aufzählung von angeblichen Fortschritten: „Die Juden bleiben von Gott um der Väter willen erwählt und geliebt.“ (in: Was bedeutet das Zweite Vatikanische Konzil für uns? Sechs Vorträge, hg. von Werner Schatz, Basel o. J. , 197). Einer der Hauptfehler des Dokumentes liegt darin, daß nicht sauber zwischen dem noch für die Dreifaltigkeit und die Gottessohnschaft Jesu Christi offenen Judentum des AT und des heutigen verschlossenen Judentums rabbinisch-talmudischer Prägung unterschieden wird.  

Damit man uns nicht des Antisemitismus bezichtigen kann, was bei einem Deutschen besonders schnell passiert, seien Sätze des Judenchristen Pülz vollständig zitiert:

„’Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber nach der Wahl sind sie Geliebte um der Väter willen’ (Röm 11,28) Dies ist gewiß ein schmerzliches Kapitel in der Heilsgeschichte, wenn wir uns mit dem Verhältnis Israels zu seinem Messias Jeschua auseinandersetzen. Denn noch heute sieht Israels Obergericht „bagatz“ einen Juden, der an den verachtungswürdigen „Jesus Christus“ glaubt und auf ihn getauft ist, nicht mehr als Juden an, auch wenn die „Halacha“ (jüdische Vätertradition) davon ausgeht, daß ein Jude niemals sein Judesein verlieren kann. Niemand in Israel wird demgegenüber einem Massenmörder oder einer Hure die Zugehörigkeit zum jüdischen Volke absprechen, aber der Glaube an „Jesus“ ist allein Grund genug, diesen Menschen nicht mehr dem Volke Israel zuzurechnen. Vielmehr kämpfen nicht nur die Rabbis im heutigen Israel gegen jede Art der messianisch-christlichen Unterwanderung durch Missionare und vor allem durch israelische Judenchristen, die als Häretiker (Abtrünnige) gesehen und diffamiert werden, sondern auch die ‚Jad le-Achim’. Selbst Petrus und Paulus mußten diese folgenschweren Erfahrungen am eigenen Körper erfahren. Dennoch versuchte bereits Paulus den Blick auf Israel gerichtet zu halten, auch wenn die Strafzumessungen für das ungehorsame Volk hinsichtlich seiner Verwerfung ihres Erlösers unüberhörbar waren und eigentlich noch sind (Matth. 23,37-39). Denn nichts Schlimmeres konnte dem jüdischen Volke widerfahren als die Zerstörung ihres Tempels, die Vertreibung unter alle Völker und die Preisgabe an jene Gastvölker, die in ihrer Willkür „Israel im Exil“ mörderisch verfolgten – und dies insbesondere im ver­meintlich christlichen Abendland. Paulus betont daher, daß die Juden „nach dem Evangelium Feinde um euretwillen“ sind. Dies mag mißverständlich klingen, denn mit dieser Äußerung sind die Juden selbstverständlich nicht aus ihrer Verantwortung be­züglich der Verwerfung und Er­mordung ihres eigenen Messias in seiner Knechtsgestalt entlas­sen. Es bleibt vielmehr bei der notvollen Gegenwart, die täglich zu durchleiden ist. Denn noch immer ist es so, wie es Paulus den Thessalonichern über die Juden schrieb, ‚die auch den HERRN getötet haben, Jesus, und ihre eigenen Propheten und uns heftig verfolgen und Gott nicht gefallen und allen Men­schen feindselig sind’ (1.Thess. 2,15-16), weil sie eben keine Juden, sondern (nur) ‚goim’ sind. Auch Petrus hatte in seiner Pfingstansprache keinen Hehl aus Israels Schuld gemacht, wenn er betonte, den ‚ihr gekreu­zigt habt’ (Apg. 2,23b). Da ist überhaupt nicht von der Schuld der Römer die Rede, denn es ist und bleibt die Schuld Israels – bis zum Tag der reuigen Umkehr (Sach. 12,10). (Im direkten Sinn schuldig waren natürlich damals nur die jüdischen Autoritäten und die von ihnen aufgehetzten Teile des Volkes, H-L B). Mit ihrer Verwerfung Jeschuas verwarfen sie auch Gottes Heils­plan mit ihnen, denn ein anderes Heil gibt es weder für Juden noch für die gesamte Menschheit, was Petrus ebenfalls in Apg. 4,10-12 deutlich zum Ausdruck brachte. Daher, wer den Juden aus wel­chen Gründen auch immer das Evangelium vorenthält, ist nicht aus Gott und hat auch nicht den Heiligen Geist! Doch bei alledem dürfen wir nicht die Bemerkung „um euretwillen“ überlesen. Die Verwerfung des Messias Jeschua ist zwar schon bei Jesaja Kap. 53 vorhergesehen, aber dennoch nicht gewollt, denn Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er umkehre – und dies trifft in besonderem Maße auf Israel zu. Denn hätte Israel Jeschua als Messias angenommen, wäre er Bestandteil des jüdischen Glaubens geworden, den wie­derum Israel privatisiert hätte, so daß der Glaube an Jeschua im Judentum vereinnahmt worden wäre – und wohl kaum zu den Na­tionen hätte gelangen können. Erst durch die Verwerfung seiner Heils- und Friedensbotschaft durch die Juden gelangte diese Frohbotschaft nun auch zu den Völkern. Mit anderen Worten: nur weil die Juden das Evangelium abwiesen, wurden die Römer letztendlich zu Christen. Es gehört unzweifelhaft zu den Geheimnissen Gottes, daß diese „Feinde nach dem Evange­lium“, zu denen Gott in seinem Gericht NEIN sagen muß, den­noch ‚Geliebte um der Väter wil­len’ sind und bleiben, ‚denn un­widerruflich sind die Gnadenga­ben und die Berufung Gottes’. Auch wenn der Ewige aus tief­stem Herzen die Grausamkeit gegen seinen eigenen Sohn durch den damaligen jüdischen Klerus bedauert und auch ahn­den wird, steht Gottes Treue und Zuverlässigkeit seiner Zusagen und Verheißungen zu keiner Zeit und Stunde zur Disposition (Psalm 106,45). Auch wenn Is­rael untreu ist, bleibt Gott in sei­nen Zusagen treu und zuverläs­sig. Dies bedeutet jedoch keines­wegs, daß Israel aus jedweder Schuld an seinem Messias ent­lassen wäre, denn würde Israel umkehren, würde die ‚Decke Mo­sches’ von ihrem Angesicht ge­nommen werden! (2.Kor. 3,16)“[2]

      Jedenfalls den aus NA 4 und LG 16 zitierten Satz zum Status der christusfernen Juden wird man wohl kaum der Kategorie „vertiefte Meditation über die Kirche“ zuordnen, zu der nach Christoph Kardinal Schönborn die Texte des II. Vatikanums zu den Fragen der Religionsfreiheit, des Dialogs und des Lebens mit Bibel und Liturgie gehören, sondern sie haben etwas mit „vordergründiger Anpassung“ zu tun, was der Wiener Erzbischof als Motiv für das letzte Konzil pauschal ablehnt. Immerhin gestand Schönborn in seinem Festvortrag zum „Dies facultatis“ der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät ein, er habe die Zeit nach dem II. Vatikanum „nicht nur als Aufbruch, sondern auch als Abbruch erlebt, als Niedergang in dramatischem Ausmaß, in dem sich freilich auch Hoffnungsvolles zeigte. Im folgenden beklagte der Kardinal vor allem den massiven Schwund an Priestern und Ordensleuten – Dinge, die uns allen längst bekannt sind und wo es nur darum gehen kann, nicht an den Symptomen herumzukurieren, sondern die Krankheit an der Wurzel zu packen. Hier blieb Schönborn offenbar, wie es meist üblich ist, recht bedeckt, Immerhin kommt es einer kleinen Sensation gleich, daß er, der zuvor noch so edle Motive für alle Texte des II. Vatikanums reklamiert hatte, eingestand, daß die Frage, ob das Konzil zumindest „Mitverursacher“ der Kirchenkrise war, offen sei.[3]     

Haltung des II. Vatikanums zum Islam:

Beten wir denselben Gott an?

Den Muslimen wird vom Konzil pauschal die Verehrung des wahren Gottes attestiert: „…die mit uns den einzigen Gott anbeten“ („qui… nobiscum Deum adorant unicum“, Lumen Gentium 16). Es ist offenbar der wahre, christliche Gott gemeint, wie auch die Großschreibung des Begriffs „Deum“ im Lateinischen zeigt. Es müßte klargestellt werden, daß Gott in der Wahrheit angebetet werden will (Joh 4,24) und daß man nach der Offenbarung durch seinen Sohn nur durch diesen zu ihm kommen kann (Joh 14,6; Apg 4,12). Der Koran aber verhält sich hierzu nicht etwa wenigstens indifferent oder offen, sondern er ist vielmehr gerade gezielt gegen die Dreifaltigkeit und die Menschwerdung der Zweiten Person gerichtet (Sure 4, 171 f. Paret; 5, 116 P. und eine Fülle weiterer Stellen). 

Gefährlich ist es auch, zu erklären, die Muslime beteten „den einzigen Gott an, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat“ („qui unicum Deum adorant, viventem et substistentem, misericordem et omnipotentem, Creatorem caeli et terrae, homines allocutum“, Nostra aetate 3,1). Alle anderen in dem Konzilstext unmittelbar zuvor genannten Prädikationen über den Gott des Islam treffen auch auf den wahren Gott zu. Gilt für ihn nach christlichem Glauben also ebenso die Aussage „der zu den Menschen gesprochen hat“? Ist der Koran folglich Gottes Wort? Bewußt hatte man die Frage offengelassen, wie Hans Zirker feststellt (Der Koran, Darmstadt 1999, 18 f.). Keine Scheu scheint der Bonner Philosoph und Theologe Schlette schon im Jahre 1966 empfunden zu haben, die Prädikation „homines allocutum“ mit dem Offenbarungsbegriff in Verbindung zu bringen. In dem mit Imprimatur aus Trier versehenen Band „Dokumente des Zweiten Vatikani­schen Konzils, hg. vom Paulinus-Verlag daselbst, schrieb er in der Einleitung zu „Nostra aetate“: „Die Erklärung begründet die Hoch­schätzung des Islam, indem sie die fundamentalen Gemeinsamkeiten erwähnt: den theistischen Schöpfungs-, O f f e n b a r u n g s- und Gerichtsglauben,…(62, Hervorhebung H-L B). 

Ein ominöser Brief Gregors VII.

Das Konzil konnte sich bei seiner Prädikation „homines allocutum“ jedenfalls auch auf nicht einen einzigen Traditions­zeugen berufen. Dieses Manko erkennt man schon an der Stellung der Fußnoten­nummer 5, die sich an das vorletzte Attribut „Creatorem caeli et terrae“ anschließt. Denn für alles zuvor Gesagte stützt man sich ja immer wieder[4] auf jenen ominösen Brief des hei­li­gen Gregors VII. an Al-Nasir, einen mauri­schen König des 11. Jahr­hun­derts. In ihm dankte der Papst für den Schutz von Christen, wobei er bezüglich gemeinsa­mer Elemente der christlichen und muslimischen Gottesvor­stellung gewisse Konzessionen macht. Die Aussage, Muslime und Christen würden denselben Gott anbe­ten („Unum Deum, licet diverso modo, credimus et confitemur, qui eum Creatorem seculorum et guber­natorem huius mundi cotidie laudamus et veneramur“[5]), ist ja inso­fern richtig, als es objektiv eben nur einen Gott gibt, der allen Menschen gemein­sam ist. Diese Einsicht kann man schon bei den frühen christli­chen Autoren nachlesen. So zögerte Minucius Felix im 3. Jh. nicht, den Christen Octavius zu­gestehen zu las­sen: „idem enim omnium deus est“.[6] Dieser Satz gilt zweifellos in gewis­ser Hinsicht für alle, jedenfalls für die mono­theistischen Religionen. Aber man darf eben keines­wegs außer acht lassen, daß der eine wahre Gott nach seiner eigenen Wei­sung, wie wir oben schon festgestellt haben, „im Geist und in der Wahr­heit“ (Joh 4,24) angebetet werden will. Dement­sprechend tadelte Minu­cius Felix an der erwähnten Stelle auch die Juden heftig wegen ihrer damaligen falschen Form der Gottesver­ehrung. 

Insofern widerspricht es völlig dem christlichen Glauben, wenn ich jenen Satz „Wir haben doch alle den­selben Gott“ dazu benut­ze, um jede Art der Religion als mehr oder minder gleich­wertig auszu­weisen, wie es heute in populistischer Weise allenthalben geschieht. Es kommt eben sehr wesent­lich darauf an, wie das ver­nunft­begab­te Ge­schöpf jenem einen Gott gegenüber­tritt, ob die ihm ent­gegengebrachte Liebe und Ver­ehrung seiner Offen­barung oder dem Men­schenwerk (im besten Falle!) ent­spricht. Denn das Chri­stentum ist, so könnte man sagen, nicht nur eine monotheistische, sondern vor allem eine monotriadische Religion, ihm allein ist die Wahrheit Gottes anvertraut, soweit dieser sie seinen Geschöpfen offenbaren wollte. 

Gregor VII. verzichtete aus einleuchten­den Gründen in seinem Brief auf eine solche Kritik an den Muslimen: Neben dem erwähnten Dank dem muslimischen Fürsten gegenüber scheint er das Ziel verfolgt zu haben, mit dessen Hilfe für die Katholische Kirche Einfluß in Nord­afrika zurückzugewinnen, wo immer­hin noch kleine Reste des ehedem blühenden Christentums existier­ten.[7] In ande­ren Dokumen­ten fand Gregor VII. nachweislich ganz ande­re, d.h. wesent­lich härte­re Worte für den Islam und seine Anhän­ger[8], wovon man im II. Vati­ka­num nichts liest. Au­ßer­dem war er der erste Papst, der nicht nur ein Rundschreiben ver­faßte, mit dem er zu einem Kreuzzug aufrief, sondern sogar im Dezem­ber 1074 als „Führer und Bischof“ ein Heer von 50.000 Mann persönlich gegen die Ungläubi­gen zu führen gedachte.[9] Ob eine ver­kürzte Aus­sage wie die erwähnte Gregors VII. an Al-Nasir statt­haft ist, hängt also wesentlich von den Um­ständen ab. Denn es ist, und das muß in aller Deut­lich­keit betont wer­den, etwas völlig ande­res, ob man ad personam und in foro interno in einer besonde­ren Lage bestimmte Zu­gestän­dnisse macht, indem man nur Teila­spekte der Wahrheit dar­stellt, oder ob man solche zumindest höchst mißverständ­lichen Formu­lierungen in offiziel­le Lehrtexten eines Konzils auf­nimmt, also in foro externo vorlegt.[10] 

Jedenfalls trug die Deutsche Bischofskonferenz keine Bedenken, die problematische Aussage des II. Vatikanums weiter auszuziehen. Die von ihr herausgegebene Arbeitshilfe, die am 23. September 2003 unter dem Titel „Christen und Muslime in Deutschland“ erschienen ist, stellt den Koran, was die Inspiration der Texte angeht, offenbar mit der Bibel irgendwie auf eine Stufe: „Wie die christliche steht auch die koranische Offenbarung in einem spezifischen historischen und sozialen Kontext“ (Nr. 254, S. 136). Eine Differenzierung nach subjektiver Ebene (Glaube der Muslime) und objektiver Wahrheit (christliche Offenbarung) findet nicht statt. Bibel und Koran werden dementsprechend als mehr oder minder gleichwertige Wege zu Gott – und damit ja auch zum Heil! – ausgewiesen: „Christentum und Islam stellen zwei verschiedene Zugänge zu demselben Gott dar“ (Nr. 355, S. 181). Unmittelbar zuvor haben die deutschen Bischöfe sich übrigens bezeichnenderweise gerade auf Lumen gentium 16 des II. Vatikanums berufen. Man sieht an den immer deutlicher werdenden Früchten, welch gefährliche Saat damals ausgebracht worden war!

Nun könnte jemand sagen, das sind ja nur Äußerungen der sowieso seit Jahrzehnten (man denke nur an die Königsteiner Erklärung zu Humanae vitae und jetzt an den Synodalen Weg) zum Progressismus neigenden deutschen Bischöfe. Weit gefehlt! Hören wir, was Papst Johannes Paul II. zu den falschen Religionen sagte, und zwar in seiner  Christus-Enzyklika Redemptor hominis (Nr. 6): „Was hier gesagt worden ist, muß man auf ähnliche Weise und mit den notwendigen Unterscheidungen auch auf jene Bemühungen anwen­den, die auf eine Annäherung mit den Vertretern der nichtchrist­lichen Religio­nen abzielen und im Dialog (colloquia haben­do), in Kon­takten (commu­nicando), im gemeinschaftlichen Gebet (simul orando) und in der Suche nach den Schätzen der menschlichen Spiritua­lität (huma­nae religiosi­tatis divitias exquirendo), die – wie wir wissen – auch bei den Mitgliedern dieser Religionen anzutreffen sind, ihren kon­kreten Ausdruck fin­den.“[11] 

Man lese auch Papst Johannes Paul II., Heilig Geist-Enzy­klika Dominum et vivi­fican­tem (Nr. 65): „Es ist schön und heilsam, daran zu denken, daß, wo immer man in der Welt betet, der Heilige Geist, der belebende Atem des Gebetes, gegenwärtig ist.“[12] Die lateinische Fassung lautet: „Pulchrum sane ac salutare cogitare, ubicumque toto (!) mundo oretur, ibi Spiritum esse divinum, vitalem pietatis (allgemein müßte es heißen: „Frömmigkeit“, „Gebet“ ist zwar im kon­kreten Zu­sammenhang gemeint, aber semantisch zu eng) afflatum.“[13]

Papst Johannes Paul II. nahm nun konsequenterweise eine wahre gött­liche Inspira­tion nicht nur für die Gebete in den falschen Religio­nen, son­dern auch für deren Glaubenssysteme an: „Die feste Überzeu­gung derje­nigen, die nicht­christliche Religionen bekennen … geht auch ihrer­seits vom Geist der Wahrheit aus, welcher außerhalb der sichtbaren Grenzen des Mysti­schen Leibes wirkt“ (Redemptor homi­nis Nr. 6). Dies ist die wörtli­che Wiedergabe des Originaltextes, der an dieser Stelle lautet: „firma persuasio non christianas religiones profitentium…et ipsa procedit a Spiritu veritatis, extra fines aspectabiles Corporis mystici operante“.[14] 

            Der zitierte Satz scheint selbst Über­setzern, die nicht selten die modernistischen Ansätze der Originaltexte noch steigern oder sogar derartige Elemente erst ihrer­seits in die landes­sprachli­che Version hineinbringen, allzu starker Tobak gewesen zu sein. So liest ­man heute in RH 6 in der offiziellen deutschen Fas­sung: „Die starken religiösen Überzeugungen der Anhänger der nicht­christlichen Religio­nen…(sind) auch schon vom Geist der Wahrheit berührt worden­[15]. Man hat hier vermutlich gegen den Origi­naltext den Plural „Überzeugun­gen“ gewählt, weil beim Singu­lar die Gefahr noch größer ist, daß das Gesamtgebäude der von einem Anders­gläubigen vertretenen Religion – und nicht etwa nur die in sich wahren Teilele­mente – als vom Hl. Geist durchwirkt angesehen wird. Außerdem stellt die Formulierung „sie sind auch schon vom Geist der Wahrheit berührt worden“ theolo­gisch eine gewisse Abmilderung der päpstlichen Origi­nalversion dar. 

Ist der Islam eine moralische Religion?

Wir kommen noch einmal auf den Islam zu sprechen. Nostra aetate 3 erhebt undifferenziert für die Anhänger der Religion Mohammeds den Anspruch: „Sie legen Wert auf sittliche Lebenshaltung“ („vitam moralem aestimant“). Sicher enthält der Islam anerkennenswerte Elemente einer gesunden Ethik, wie Aufrufe zum Almosengeben oder Ablehnung moderner Bevölkerungsplanung. Aber darf man ein so generelles Lob einer Religion spenden, die beispielsweise der Frau gegenüber dem Mann einen seinsmäßig niedrigeren Rang zuweist (Sure 2,228 P., Sure 4,34 P.), die Polygynie (Vielweiberei) erlaubt (Sure 4,3 P.) und dabei dem Religionsstifter sogar noch zusätzliche Privilegien einräumt (Sure 33,50 P.) und die dem Mann gestattet, seine Frau zu schlagen, wenn sie sich ihm gegenüber unbotmäßig verhält (Sure 4,34 P.)? Im Paradies werden außerdem nach dem traditionellen Glauben der Muslime vor allem die Bedürfnisse der Männer befriedigt, denen, wann immer sie wollen, die „Huris“ zur Verfügung stehen, Jungfrauen „mit schwellenden Brüsten“ (Sure 78, 33 P.), ohne daß diese dabei ihre Jungfrauenschaft verlören (so Sure 56, 36 P.[16])– eine erschütternde Perversion des Virginitätsideals, wie sie dem Christentum eigen ist. Schließlich sei noch an den „ğihād“, die „Große Anstrengung“ im Sinne des Heiligen Krieges erinnert, der potentiell die ganze Welt, die in das „Haus des Islam“ und das „Haus des Krieges“ eingeteilt ist (dar al Islam – dar al harb), bedroht und die Muslime sogar gegen deren Willen zum Einsatz verpflichtet (Sure 2,216 P.; 9,123 P.; 47, 35 P.).[17] Auch die Christen, wenngleich sie als „Schriftbesitzer“ einen etwas besseren Status als die normalen Polytheisten besitzen, werden letztlich als „Beigeseller“ ihnen gleichgestellt. Allah möge sie „totschlagen“, so wünscht es der Koran (Sure 9, 30, so richtig in der von Annemarie Schimmel edierten Übersetzung von Max Henning in der Reclam-Ausgabe). Raymond Leo Kardinal Burke hat noch jüngst die Ideologie des Islam unbeschönigt so charakterisiert: „Laut Koran – und laut den zuverlässigen Auslegungen des Korans durch verschiedene islamische Rechtsgelehrte – ist er zur Weltherrschaft bestimmt. In Wirklichkeit gibt es also keinen Platz für andere Religionen, selbst wenn sie toleriert werden, solange der Islam sein Ziel, die Errichtung seiner Herrschaft über die Völker und die ganze Erde, noch nicht erreicht hat. Es ist wichtig, dass sich die Christen der radikalen Unterschiede zwischen Islam und Christentum bewusst werden; insbesondere was die Lehre über Gott, über das Gewissen und so weiter anbelangt. Wenn man den Islam wirklich versteht, begreift man auch, dass die Kirche ihn in der Tat fürchten muss.“ (Hoffnung der Welt, deutsche Ausgabe, Bad Schmiedeberg 2020, 72). Das sind andere Worte, als jene des II. Vatikanums, das uns in falscher Sicherheit wiegt!

Es dürfte sich auch nicht günstig für die Geradlinigkeit und Aufrichtigkeit der Anhänger einer Religion auswirken, wenn ihr Gott als einer bezeichnet wird, der „Ränke schmiedet“ (Sure 3,54 P.; 8,30 P.). Ein solches Gottesbild ist sicher mit dafür verantwortlich, daß den Muslimen – jedenfalls den Schiiten – zur Verteidigung des eigenen Glaubens gestattet ist, von der „taqiyya““ Gebrauch zu machen, dem „Verhüllen“. Jene Methode erlaubt sogar ein Vorgehen, das die Grenze zu einer nach katholischer Moraltheologie immer verbotenen echten Lüge überschreitet. 

Welche praktische Bedeutung diesem Verhalten, das man ja wohl kaum als ein moralisch hochwertiges wird bezeichnen können („sie legen Wert auf sittliche Lebenshaltung“?), für unsere heutige politische Landschaft zukommt, hat Bassam Tibi, Professor für Internationale Politik in Göttingen und als liberaler Muslim im Dialog mit dem Christentum engagiert, klar dargestellt: „Statt der erhofften Offenheit, die die Religionsfreiheit erlaubt, lässt sich heute leider feststellen, dass selbst manche sunnitischen Muslime sich die Praxis der schiitischen Taqiyya angeeignet haben. Auch sie täuschen und verbreiten in ihrem Einflusskreis die Haltung, dass eine ‚Iham/Täuschung gegenüber Ungläubigen’ legitim sei. Das Sprechen mit zwei Zungen (eine innerhalb der Moscheevereinskultur und eine entgegengesetzte nach außen mit den Ungläubigen) schadet zutiefst dem islamisch-europäischen Dialog.“[18] Aber jene Doppelzüngigkeit, so darf man ergänzen, nützt sehr einer klammheimlichen Ausbreitung des Islam in Europa auf friedliche Weise – übrigens natürlich auch im Vertragswesen des privaten Bereichs, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Mit einer erschütternden Fülle von Material hat François Billot de Lochner die Bedrohungslage belegt, die in Frankreich herrscht: Chronique de l’islamisation ordinaire de la France (Paris 2017). Der Autor geht von folgender Erklärung des Youssef al-Qaradawi vom 24. Januar 1999 auf dem Sender von Al-Jazira aus, eines einflußreichen Vordenkers der Muslimbruderschaft, die mit ihren wichtigsten Vertretern und anderen in Frankreich tätigen islamischen Organisationen im folgenden ausführlich vorgestellt werden (13–71): „Der Islam ist dabei, nach Europa zurückzukehren, als Eroberer und Sieger, nachdem er von dort zweimal vertrieben worden war … Diesmal wird die Eroberung nicht mit dem Schwert stattfinden, sondern durch den Proselytismus und die Ideologie … Wir wollen, daß eine Armee von Predigern und Lehrern den Islam in allen Sprachen und allen Dialekten vorstellt.“ Drei Jahre später erklärte al-Qaradawi: „Mit euren demokratischen Gesetzen werden wir euch kolonisieren; mit unseren koranischen Gesetzen werden wir euch beherrschen.“ (13 f.)[19] Im folgenden (73–105) macht Billot de Lochner die nachgiebigen und kraftlosen Behörden Frankreichs für die beängstigende Ausbreitung des Islam im Land verantwortlich  

Joseph Ratzingers Warnung vor allzu positiver Sicht der anderen Religionen 

Kein Geringerer als der junge Theologieprofessor Joseph Ratzinger, der spätere Kardinal und Papst, hatte diesen Mangel schon kurz nach dem II. Vatikanum angesprochen, was heute kaum noch beachtet wird. Im Jahre 1966 äußerte er zu derartigen Konzeptionen folgende Kritik: „Was die großen Missionare zu Beginn der Neuzeit in die Welt hinausgetrieben hat und sie mit heiliger Unruhe erfüllte, war das Bewußtsein, daß nur in Christus Heil ist und daß die unermeßlichen Millionen von Menschen, die plötzlich vor dem Horizont aus unbekannten Welten aufgetaucht waren, rettungslos ewigem Verderben preisgegeben seien ohne die Botschaft, die als ein heiliges Muß auf den Gläubigen lastet … Inzwischen hat sich immer mehr eine Vorstellung durchgesetzt, die vordem nur als seltene Ausnahme angesehen worden war, daß nämlich Gott auch außerhalb der Kirche, wenngleich nicht letztlich ohne sie, retten will und kann. Dazu wird neuerdings ein optimistisches Verständnis der Weltreligionen vorgetragen, dessen Betrachtung freilich wieder einmal deutlich machen kann, daß nicht alle Lieblingsgedanken der modernen Theologie auch biblisch geprägt sind. Denn wenn irgendetwas der Heiligen Schrift (d. h. also dem Hl. Geist, der sie inspiriert hat! So noch Dei Verbum 11 des II. Vatikanums, H-L B) fremd, ja entgegengesetzt genannt werden darf, dann ist es der gegenwärtige Optimismus in bezug auf die Religionen der Völker, der diese Religionen in einer Weise als Heilsfaktoren auffaßt, wie es mit deren biblischer Wertung nun einmal nicht in Einklang zu bringen ist.“[20] 

Der Buddhismus in „Nostra aetate“

Im folgenden wollen wir uns exemplarisch die Einlassungen von Nostra aetate zum Buddhismus und dann noch ausführlicher zum Hinduismus anschauen, weil bei diesen beiden Religionen m. E. der dort eingeschlagene Irrweg besonders deutlich wird. 

Das Dokument behauptete, die Buddhisten vermöchten nach eigener Vorstellung den Zustand höchster Erleuchtung erlangen „sei es durch eigene Bemühung, sei es vermittels höherer Hilfe“ („vel propriis conatibus vel superiore auxilio innixi“, NA 2,1; 2LThK 13, 488). Wenn die Aussage in ihrem zweiten Teil richtig sein soll, muß es nach buddhistischer Auffassung eine Instanz geben, die die „höhere Hilfe“ vermitteln kann. Dies ist jedoch nicht der Fall. Man lese nur folgende Einsicht aus einem zusammen mit Vittorio Messori erstellten Buch Papst Johannes Pauls II. „Die Schwelle der Hoffnung überschreiten“ (deutsche Ausgabe Hamburg 1994, 113): „Der Buddhismus ist in erheblichem Maß ein ‚atheistisches’ System.“ Zwar wenden sich buddhistische Gläubige teilweise an götterähnliche Wesen, und zwar nach der einen der beiden Hauptströmungen jener Religion, dem sog. „Großen Fahrzeug“. Nach der Konzeption der doppelten Wahrheit existieren jene Wesen aber im höheren Sinne als Personen gar nicht, sondern stellen eine Projektion menschlicher Vorstel­lungswelt dar, wenngleich sie auf einer vordergründigen Ebene wirksam werden können. Hierzu hat Rudolf Kaschewsky wichtige Gedanken ausgeführt, und zwar in: Buddhismus und Christentum – Plädoyer für eine zeitgemäße Apologetik.[21] Der Buddhismus ist nun einmal letztlich eine Selbsterlösungsreligion. „Er (Buddha) suchte die Befreiung vom Leiden von dem Menschen selbst her.“[22] Eine tragfähige transzendente Perspektive existiert eigentlich gar nicht, wie Ulrich Schneider zu Recht betont: „Es ist also eine skeptisch gewordene, ganz diesseitsbezogene Philosophie, die der Buddha zu bieten hat.“[23] 

Wir haben übrigens oben beim Zitat den Text des Konzils in einer leicht verharmlosten Interpretation vorgelegt. Denn dort heißt es eigentlich: „In Buddhismo … via docetur, qua homines … ad summam illuminationem pertingere valeant.“ Die Übersetzung müßte etwa so lauten: „Im Buddhismus … wird ein Weg gelehrt, auf dem die Menschen … zu höchster Erleuchtung zu gelangen vermögen.“ Ist diese Aussage wirklich klar als die subjektive Annahme der Buddhisten zu werten? Man könnte sich für diese dem Konzil entgegenkommende Deutung auf die unmittelbare Fortsetzung berufen, wo es heißt: „So bemühen sich auch die übrigen Religionen … der Unruhe des Herzens der Menschen auf vielfältige Weisen zu begegnen…“ („Sic ceterae quoque religiones … inquietudini cordis hominum variis modis occurrere nituntur“). Liegt also beim Buddhismus auch nur eine „Bemühung“ vor? Aber dort ist ja von einem Weg die Rede, „auf dem die Menschen … zu höchster Erleuchtung zu gelangen vermögen.“ Mit dem Konjunktiv „valeant“ kann man schwer zugunsten einer subjektiven Komponente argumentieren, zumindest ist dies höchst unsicher. Er ist nämlich, jedenfalls primär, einfach als Konjunktiv in einem konsekutiven Relativsatz zu verstehen: „einen Weg dergestalt, daß auf ihm die Menschen … zu höchster Erleuchtung zu gelangen vermögen.“ Ist der Buddhismus also hier als ein objektiver Heilsweg anerkannt?    

Der Opferkult im Hinduismus

            Was den Hinduismus betrifft, so ist das Schweigen von Nostra aetate über die negativen Aspekte jener Religion noch unverständlicher. Dort hat es zweifelsfrei sogar Menschen­opfer gege­ben, was man in jedem Standardwerk nachlesen kann.[24] Si­cher­lich gehört dieses abscheuliche Ritual heute nicht mehr zum Alltag dieser Religion. Jedoch wird es bei Fanatikern gele­gentlich noch prakti­ziert. So berichtete die Deutsche Tagespost nach einer DPA-Meldung am 5. 5. 1998 unter der Überschrift: „Junge in Ostin­dien ermor­det und geopfert“: „Ein sieben Jahre alter Junge ist im ostindischen Bundesstaat Orissa von einer Familie ent­führt, ermor­det und als Menschenopfer dargebracht werden… Dafür hofften sie (die Täter), von einem Hindu-Gott mit Reichtum belohnt zu werden.“ Welch widernatürliche und abstoßende Rituale zu vedischen Zeiten in der Religion Indiens gepflegt wurden, hat Eckard Schleberger in seinem Buch „Die indische Götter­welt“[25] mit folgenden Worten beschrie­ben: „Das wohl zeitaufwendigste und kostspieligste Opfer war das Pferdeopfer (A_vamedha). Es wurde ein Hengst im Wert von tausend Kühen ausgew­ählt, an den Opferpfahl gebunden und rituell getötet. Der Höhepunkt des Opferrituals sah vor, daß eine der angesehensten Frauen des Landes sich zu dem verendenden Pferd legte und sein Glied in ihren Schoß einführte und damit symbolisch einen Geschlechtsakt voll­zog. Danach wurde der Pferdekörper zerlegt und im Feuer darge­bracht. Ähnlich verhielt es sich beim Menschenopfer (Puru_amedha). Mit dem Mann, der am Opferpfahl starb, wurde das gleiche Ritual wie beim A_vamedha vollzogen.“ An derartige Greuel erinnern noch heute, wie Schleberger be­merkt, die Opfersäulen in hinduistischen Tempeln, die sich in der Nähe des „Allerheiligsten“ befinden, in dem die entsprechen­de Gottheit verehrt wird. 

            Aber auch in unserem Zeitalter werden noch scheußliche Rituale im Hinduismus gängigerweise vollzogen. Über sie berichtete Jakob Strobel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Mai 2007: „Nur deswegen kann es einen Ort wie in Kaligha geben, einen ungeheuerlichen, unfassbaren Ort, den man gesehen haben muss in seinem Leben, wenn man wissen will, was Leben alles sein kann. Sein Herzstück ist der Tempel der Kali, der blutrünstigen Göttin des Todes, die in Kalkutta glühender verehrt wird als überall sonst in Indien… Am liebsten aber trinkt Kali Blut. Eine Ziege mindestens verlangt sie pro Tag, manchmal wird ihr eine in der Stunde geopfert: in einer Zementeinfassung, in der ein Priester im Unterhemd, der aussieht wie ein Metzger, den Kopf des Tieres in eine Art Astgabel klemmt und mit einem Säbelhieb abtrennt. Minutenlang schlägt die Ziege mit den Beinen um sich, als gebe es noch ein Entkommen, während die Gläubigen knietief im Blut stehen und Kali lauthals anbeten, um ein glückliches Leben bittend für den neugeborenen Sohn. Nichts Andächtiges hat hier der Tod, nichts Stilles, stattdessen ist alles Geschrei und Gedränge, ein Tohuwabohu aus dem Gebrüll der Devotionalienhändler, dem Geschubse der Pilger, dem Gezerre der Bettler, dem Gewimmer der Allerärmsten, dem Meckern der Ziegen – Glaube ist in Kalis Tempel nichts für schwache Nerven…“ Welch gütigen und menschenfreundlichen (siehe Tit 3,4) Kontrast bietet dazu die Welt des Christentums, die der Verfasser des FAZ-Artikels der Welt finstersten Heidentums im 21. Jahrhundert entgegenstellte: „Doch der Balsam der barmherzigen Schwestern ist ganz nah. Unmittelbar neben dem Tempel steht, eingehüllt in eine fast gespenstische Stille, das erste Sterbehaus, das Mutter Teresa und ihre Missionarinnen der Nächstenliebe in Kalkutta errichtet haben.“ Wie sagt die deutsche Sprache so schön zu jenem Gegensatz von Stille und Gebrüll (der nicht nur in diesem Fall, sondern für unsere ganze hektische und laute Welt auch und gerade im heutigen sog. christlichen Abendland gilt[26]): „Himmlische Ruhe, höllischer Lärm!“ 

Zu den bereits erwähnten Scheußlichkeiten kommt noch die berühmt-berüchtigte Witwenverbrennung und die Tötung von Kindern, vornehmlich Mädchen, bei der Geburt hinzu; letzteres Phänomen gab und gibt es auch in manchen anderen Kulturen. Erst das Christentum versuchte mit dieser Barbarei in Indien aufzuräumen, wie der spanische Oberst und Geheimdienstspezialist der europäischen Streitkräfte Pedro Baños in seinem höchst lesenswerten Buch So beherrscht man die Welt. Die geheimen Geostrategen der Weltpolitik erwähnt. Die Stelle findet man in der spanischen Originalausgabe Asi se domina el mundo (12. Aufl. Barcelona 2019, 428 f.); die deutsche und die englische Übersetzung sind vom Markt genommen worden, weil dieses Werk bestimmten einflußreichen Kreisen ihre Kreise stört! 

Das Kastenwesen im Hinduismus

Auch wenn man all jene schrecklichen Elemente des Hinduismus einmal außer Acht läßt, die teilweise eher der Vergangenheit angehören, handelt es sich um eine Religion, die die Menschenwürde[27] heute noch allgemein grob mißachtet. Dazu gehört beispielsweise die verbreitete Verheiratung von Kindern. Der in Indien tätige evangelisch-freikirchliche Pfarrer Mathew Kurian führte aus eigenem täglichen Erleben die erschütternden Schwächen dieser Religion vor, die auch massive gesellschaftliche Mißstände mit sich bringen: „Der Hinduismus ist unterteilt in vier Kasten: die Brahmanen (Priesterschaft), Kshatriyas (Krieger), die Vaishyas (Händler und Hirten) und die Shudras (dienende Kaste), die die große Mehrheit ausmacht. Etwa fünf Prozent der Oberschicht besitzen in Indien 95 Prozent des ganzen Reichtums und haben eben so viele Top-Positionen inne … Eine andere Ursache [für die soziale Ungerechtigkeit in Indien, H-L B] liegt ebenfalls im religiösen Kosmos des Hinduismus, der komplett von der Vergeltungskausalität aller Taten, dem Karma, beherrscht wird. Wenn du beispielsweise als Armer geboren worden bist, dann warst du in deinem vorherigen Leben ein schlechter Mensch und zur Läuterung wurdest du jetzt arm geboren und mußt dein vorheriges schlechtes Leben abbüßen. Und viele glauben, in dem Moment, in dem ich versuche, Armen zu helfen, bringe ich den göttlichen Plan der Seelenwanderung durcheinander.“[28] Was ist das für eine Religion, die die Angehörigen der zahlenmäßig größten untersten Kaste zu „Unberührbaren“ erklärt und sie aus der menschlichen Gemeinschaft der höheren Kasten geradezu ausschließt?[29] In diesem System sind gerade Christen stark benachteiligt. So schrieben Jörg Nowak und Dieter Tewes in der Zeitung Die Tagespost (21. Oktober 2000) einen Artikel unter der Überschrift: Von Holzsammlern und „Stinkern“ – Katholiken sind in Indien die Untersten der Armen. Außerdem geht es Frauen besonders schlecht. Als Neugeborene werden sie massenweise getötet, weil man Buben haben möchte, Mädchen (angeblich) nur finanziell belasten. Als Verheiratete können Frauen von ihren Männern, denen sie nicht mehr gefallen, wie Hunde aus dem Haus gejagt werden, oder man läßt sie einfach ermorden.[30] Als Töchter werden sie gelegentlich sogar zur Prostitution gezwungen.[31] Nach einer ganz besonders perversen Form müssen sie ihre Körper in den Heiligtümern der Götzen feilbieten. Das LVR-Landesmuseum Bonn widmete diesem scheußlichen Brauch jener Religion im Jahre 2011 eine eigene Ausstellung, die unter dem Titel lief: Als Göttin verehrt – Als Frau mißbraucht. Eine Expedition in die Welt der Tempelprostitution

Und was soll man dazu sagen, daß jene Religion die Abermillionen Armen Indiens, anstatt ihnen, wie im Christentum vom Herrn vorgeschrieben ist, zu helfen, sie auch noch verhöhnt, indem man diesen jämmerlichen Zustand zur Strafe der Götter erklärt und damit rechtfertigt? Die sich daraus ergebenden gesellschaftlichen Verhältnisse können nur katastrophal sein, solang hier nicht eingegriffen wird. Natürlich sind die einzelnen Menschen zunächst einmal nicht schuldig an einem derartigen Mißstand, weil sie normalerweise in diese Religion hineingeboren werden. 

Der Hinduismus in „Nostra aetate“

Wie man jene Religion mit den folgenden Worten einseitig loben kann, die in Nostra aetate (Nr. 2,1) nachzulesen sind, ist mir nahezu unerfindlich: „So erforschen im Hinduismus die Menschen das göttliche Mysterium und drücken es in einer unerschöpflichen Fruchtbarkeit an Mythen und durch scharfsinnige Versuche der Philosophie aus (inexhausta fecunditate mythorum et acutis conatibus philosophiae), und sie suchen Befreiung aus der Beschränktheit unserer Bedingung durch aszetische Lebensformen, durch tiefe Meditation oder durch die Zuflucht zu Gott mit Liebe und Vertrauen.“ Wie kann es das II. Vatikanum wagen, hier von „Gott“ im Singular zu sprechen und diesen Begriff auch noch groß zu schreiben (per refugium ad Deum), wo er so doch normalerweise für den christlichen Gott reserviert ist? 

In Wahrheit sind die Verhältnisse in jener Religion viel komplexer. Peter Egger hat die hinduistische Glaubenslehre in seinem wichtigen Buch Die Weltreligionen. Mit einer kritischen Würdigung aus christlicher Sicht (Illertissen 2011, 13) mit folgenden Worten beschrieben: „Das hinduistische Gottesbild, das sich heute mehrheitlich durchgesetzt hat, stellt eine Verbindung mehrerer Gottesvorstellungen dar. Dieses Gottesbild weist monotheistische und polytheistische Züge auf: Das eine Göttliche zeigt sich auch in vielen Gottheiten … Gott ist zunächst das Brahman. Das Brahman ist das eine Göttliche, das Ganze und das Absolute. Es ist undefinierbar und unpersönlich … Im Brahman existieren die drei Hochgottheiten Brahma, Vischnu und Shiva. Bei diesen Hochgöttern handelt es sich um personale Wesen. Diese Hochgötter haben verschiedene Aufgaben: Brahma ist der Weltschöpfer, Vischnu der Welterhalter und Shiva der Weltzerstörer. Um jeden dieser drei Hochgötter scharen sich viele niedere Götter, die für spezielle Bereiche zuständig sind. Es gibt niedere Gottheiten für die Liebe, die Wissenschaft, das Glück, die Schönheit, den Krieg usw.“ Nichts liest man von jener merkwürdigen, sehr archaischen Konzeption, die entfernt an die heidnischen Religionen der Antike erinnert, in Nostra aetate des II. Vatikanums!Man kann sie allenfalls in der Formulierung von den „Mythen“ angedeutet finden, die aber, als wären sie etwas ausschließlich Positives, mit einer „unerschöpflichen Fruchtbarkeit“ zusammengebracht werden. Fällt unter dieses Lob auch das Fabulieren über Tiergötter wie Affen, Elefanten und Schlangen?[32] Hier liegt der Grund dafür, daß, wie allgemein bekannt, heilige Kühe nicht geschlachtet werden dürfen, weil sie zum Bereich des Sakralen gehören. So titelte der General-Anzeiger vom 18. Juli 2007 (28) im Zusammenhang mit der Rinderwahnseuche: „Shambo muss jetzt doch nicht geschlachtet werden. Britischer Richter akzeptiert den infizierten Bullen als Heiligen der Hindus in Wales“. Bei anderen Tieren hält das die Hindus allerdings nicht davon ab, ihren Göttern tonnenweise Schafe, Ziegen und Vögel zu opfern. Siehe z. B. den Artikel in ideaSpektrum 51/2009 (12): „Das größte Schlachtfest der Welt für eine ‚Göttin’. Hinduistisches Ritual in Nepal kostet rund 300.000 Tieren das Leben – Proteste werden ignoriert.“ 

Der Hinduismus: eine polytheistische Religion mit partieller Tendenz zum Henotheismus

Man kann also beim Hinduismus allenfalls von einem Henotheismus sprechen, der, zumindest in Teilen jener Religion, hinter den einzelnen Göttern ein göttliches Prinzip sieht.[33] Bei einem solchen zum Synkretismus neigenden Henotheismus (es handelt sich übrigens um ein Kunstwort der Neuzeit) wird zwar noch nicht ein einziger, personaler Gott (dann spräche man vom Monotheismus) geglaubt, aber hinter allen göttlichen Wesen und Elementen ein einheitliches göttliches Prinzip (von griechisch „hen“ = eines + „theos“ = Gott), eine Art von (nicht personaler) „Obergottheit“, postuliert. Das kann bis in die Nähe eines Monotheismus reichen, der aber nie ganz erreicht wird, zumal im Hinduismus eine Neigung zum „impersonalen Theopanismus“ besteht, wo alles irgendwie göttlich durchwirkt ist.[34] Kann man so etwas „Deus“ nennen? 

Außerdem hätte Nostra aetate nie undifferenziert eine „Befreiung aus der Beschränktheit unserer Bedingung“ für den Hinduismus proklamieren dürfen. Denn hier besteht ein gewaltiger Unterschied zur christlichen Konzeption einer richtigen Distanz zur Welt, den kein Geringerer als der protestantische Philologe, Theologe und Arzt Albert Schweizer trefflich so beschrieben hat: „Die Brahmanen und Buddha sagen zu dem Menschen: Als ein Erstorbener, für den nichts in der natürlichen Welt mehr Interesse hat, lebe in der Welt der reinen Geistigkeit. Das Evangelium Jesu sagt zu ihm: Werde von der Welt und von dir selber frei, um als eine wirkende Kraft Gottes dich in der Welt zu betätigen.“[35] Bei so viel unangemessener Wertschätzung gegenüber dem Hinduismus braucht man sich nicht zu wundern, daß der Vatikan im Jahre 2019 seinen Anhängern sogar zum Lichterfest gratulierte[36] – wie dies immer wieder zu den verschiedenen Festen anderer Religionen geschieht, was deren Vertretern bestimmt nicht hilft, die Irrtümer ihres Glaubens einzusehen und sich vielleicht der katholischen Wahrheit gegenüber zu öffnen. Informationen, welchem abergläubischen Polytheismus bei dieser Feier gefrönt wird, kann man z. B. folgendem Buch entnehmen: Elizabeth Breuilly – Joanne O’Brien – Martin Palmer, Die religiösen Feste der Welt (Deutsche Ausgabe Wien 2009, 100-103). 

Und man soll nun, um zu einem letzten Punkt zu kommen, keineswegs glauben, der Hinduismus sei eine durchweg tolerante Religion, wie es der berühmte Ägyptologe Jan Assmann ja für den Polytheismus fälschlicherweise mehr oder minder pauschal in Anspruch nimmt und wie es für die östlichen Religionen gerne bei uns undifferenziert kolportiert wird.[37] Natürlich gibt es viele friedfertige und liebenswürdige Menschen im Hinduismus und Buddhismus; man denke nur an Mahatma Gandhi. Immer wieder wird aber leider auch über gewaltsame Übergriffe von Hindus gegen Christen berichtet, die katholische Zeitung Die Tagespost bringt seit langem fast regelmäßig hierzu Artikel (z. B. Indien: Die Gewalt geht weiter, DT vom 27. August 2009, 7). Selbst mit dem bei uns als besonders friedfertig geltenden Buddhismus gibt es manchmal erhebliche Spannungen. Hierzu konnte man z. B. in ideaSpektrum 48/2010 (11) einen Artikel unter der – etwas pauschalisierten – Überschrift lesen: „Hinduismus und Buddhismus sind nicht friedfertig“. 

Falscher Missionsansatz

 Angesichts solcher Verhältnisse in anderen Religionen wäre es um so mehr die Pflicht wahrhaft katholischer Missionare, den dortigen Menschen aus ihrer Not herauszuhelfen. Aber wie wir wissen, ist ein echtes Apostolat seit dem II. Vatikanum aufgrund falscher theologischer Fundamente, wie sie vor allem in Nostra aetate und übrigens auch in der der Pastoralkonstitution Gaudium et spes mit seinem Geist der Verweltlichung der Kirche gelegt wurden, weitgehend erlahmt. Wenn noch „Missionare“ auftreten, geht es meistens mehr um soziale Aktivitäten (die an sich durchaus wertvoll sein mögen) als um Hinführung zum wahren Glauben, wie es dem Missionsauftrag Jesu Christi entspräche (Mt 28, 16-20; Mk 16,14-18).

Ein aktuelles Beispiel für eine falsche Einstellung zur Mission sei angeführt: Florian Kluger, Professor für Liturgie, Dogmatik und Verkündigung in Eichstätt, ist für die Kooperation seiner Universität mit dem Bildungsprogramm „Jesuit Worldwide Learning“ (JWL) verantwortlich. Dessen Aufgabe beschreibt er so: „JWL ist keine missionarische Organisation. Ziel ist es nicht, den katholischen Glauben an die Studierenden heranzutragen, sondern ihnen durch eine gute Bildung eine Perspektive zu geben und ein besseres Leben zu ermöglichen. Der christliche Glaube ist hierbei die Motivation, sich für Menschen in Not oder an den gesellschaftlichen Rändern einzusetzen.“[38] Und man glaubt wahrhaftig, daß ein solches Engagement auf Dauer trägt, ohne daß man aus und mit dem Geist Jesu Christi lebt, den die jungen Leute erst einmal intensiv kennenlernen müßten? Was ist denn hier mit „gute Bildung“ gemeint, die anscheinend von der Vermittlung des katholischen Glaubens absieht? Ich frage mich, warum ich eigentlich als engagierter Katholik, der mithelfen möchte, möglichst viele Menschen nach Christi Missionsauftrag zu ihm durch seine Kirche zu führen, solche stark verweltlichen Einrichtungen über die Kirchensteuer direkt oder indirekt mitfinanzieren soll!      

Wer nun entgegnet, hier handele es sich ja nur um die Auskunft eines für ein wissenschaftliches Projekt verantwortlichen Professors, der sei an ein jüngeres Dokument des deutschen Episkopates zur Mission erinnert. Hinrich E. Bues charakterisierte den Hauptfehler der Bischöfe mit den Worten: „Ihnen ist die ‚soziale Seite’ des Evangeliums scheinbar [gemeint ist wohl anscheinend, H-L B] wichtiger. ‚Solidarität’ mit den Armen, soziale Gerechtigkeit, der Weltfrieden und die Bewahrung der Schöpfung liegt ihnen somit mehr am Herzen als der ursprüngliche Missionsauftrag Jesu.“[39] 

Nächste Woche behandeln wir die Frage, ob die Erklärung «Dignitatis humanae» das Recht postuliert, falsche Religionen zu fördern und zu verbreiten.


[1] Zu allzu vielen Tabus, gemeinhin unter dem Stichwort der „Political corrrectness“ gepflegt, die den Menschen in unserer angeblich so liberalen Gesellschaft – gegen die in Art. 5 garantierte Meinungsfreiheit des Grundgesetzes – immer mehr einschnüren, siehe allgemein die wertvollen Ausführungen des bekannten Bonner Juristen Josef Isensee, Tabus im freiheitlichen Rechtsstaat. Jenseits und diesseits des Rechts, Paderborn 2003. 

[2] Klaus Moshe Pülz, Die Juden – noch Feinde des Evangeliums, Bote neues Israel Nr. 155/2005, 14.

[3] Schmerzliche Erneuerung – Der Wiener Kardinal Schönborn würdigt das Konzil, DT vom 18. Okt. 2005, 4.

  [4] Gerade auch Papst Johannes Paul II. führte regelmäßig dieses „Traditionszeugnis“ an, ein Beispiel: Grußwort an die Muslime zum Ende des Ramadan vom 3. April 1991, abge­druckt im Osservatore Romano, dt. Ausgabe vom 26. April 1991, S. 4 (dort fälschlich Gregor II. !) 

  [5] MGH Epistolae selectae II,1 (hg. von Erich Caspar, Berlin 1920) 288, vgl. PL 148, 451.

  [6] Octavius 33,3. Aber zugleich betonten die frühen Christen, daß nur ihr Glaube die wahre Religion des wahren Gottes ist (siehe Miachel Fiedrowicz, Christen und Heiden. Quellentexte zu ihrer Auseinandersetzung in der Antike, Darmstadt 2004, 424-433). 

  [7] Siehe den umfangreichen Aufsatz von Christian Courtois, Gregoire VII et l‘ Afrique du Nord, in: Revue historique 195/1945, 97-122;193-226.

  [8] A. Hourani, Der Islam im europäischen Denken, Frankfurt/M. 1994, 20, mit Literaturangaben zu dem berühmten Brief in Anm. 3 auf S. 233 f. Weitere Literatur zu dem Brief Papst Gregors VII. s. Verf., Christus und Mohammed. Siehe auch Uta-Renate Blumenthal, Der Investiturstreit, Stuttg. usw. 1982, 143 ff.; TRE 14/1985, 145 ff. s. v. Gregor VII. (Verf.: Uta-Renate Blumenthal). Beson­ders wichtig für die Gesamt­persönlichkeit des Reform-Papstes ist der Aufsatz von Rudolf Schieffer, Gregor VII. – Ein Versuch über die historische Größe, HJ 97-98/1978, 87-107. Für einige der Literaturhinweise bin ich meiner lieben Kollegin Dr. Alexandra Kehl zu Dank ver­pflichtet.

  [9] Franz Xaver Seppelt, Die Vormachtstellung des Papsttums im Hochmittelalter, in: Geschichte der Päpste, München 1956, 68.

  [10] Auf diesen Unterschied hat auch Erzbischof Lefebvre immer wieder hingewiesen. Siehe „Sie haben ihn entthront“, Stuttgart 1988, 181. Vor allem am Anfang des Ver­suchs, durch private Gespräche einen Menschen zur Konversion zu führen, ist eine solche „captatio benevolentiae“ erlaubt – vorausgesetzt, man arbeitet nicht mit einer formalen Lüge. 

  [11] Deutscher Text: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 6 vom 4. März 1979, 12; lateinische Originalfassung: AAS 71/1979, 267.

  [12] Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 71/1986, 70.

  [13] AAS 78/1986, 894.

  [14] AAS 71/1979, 267.

  [15] Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 6 vom 4.3.1979, 12.

[16] Vgl. Handwörterbuch des Islam, hg. von A.J. Wensinck und J.H. Kramers, Leiden 1976, 177. Die zitierte, islamisch-traditionelle Sichtweise ist in letzter Zeit allerdings erschüttert worden. Christoph Luxenberg hat in seinem Werk versucht nachzuweisen, daß viele dunkle Stellen im Koran bisher falsch verstanden worden seien, weil man ihren christlichen, d.h. syrisch-aramäischen Hintergrund, nicht berücksichtigt habe. So soll z.B. mit hur gar keine Paradiesjungfrau, sondern „weiße Trauben“, typische Paradiesfrüchte der christlich-syrischen Literatur, gemeint sein (Die syrisch-aramäische Lesart des Koran – Ein Beitrag zur Entschlüsselung der Koransprache, Berlin 2000, 225-260). Solche Fehler hätten sich aufgrund des ursprünglich defektiven Systems der schriftlichen Aufzeichnung, bedingt z.B. durch eine eklatante Mehrdeutigkeit vieler der damals nur geringen Zahl von Buchstaben, einschleichen können. Der Text sei dann später mißverstanden und ggf. durch diakritische Zeichen sogar in falschem Sinn fixiert worden. Luxenbergs Forschungsergebnisse entlasten an einigen Stellen den Koran – allerdings um den Preis des Zugeständnisses, daß die Muslime seit weit über tausend Jahren ihre Religion auf einer falschen Textgrundlage aufgebaut hätten! Man kann sich vorstellen, auf welchen Widerstand seine Thesen stoßen – nicht nur bei Muslimen selbst, sondern auch bei manchen ihrer westlichen „Dialogpartner“. Und doch scheinen die Untersuchungen, soweit wir das zu beurteilen vermögen, wenigstens im Prinzip ein gewisses seriöses Fundament zu besitzen. Aus der Fülle mir bekannter Besprechungen seien nur der kurze, sehr instruktive und in der Tendenz zustimmende Artikel von Jörg Lau (DIE ZEIT Nr. 21 vom 15. Mai 2003, Feuilleton S. 47) sowie die Antwort des Bonner emeritierten Professors für Islamwissenschaften, Stefan Wild, genannt, der sich, gerade zur Umdeutung der Paradiesjungfrauen, eher skeptisch äußerte, aber sorgfältige Prüfung des Neuansatzes versprach („Die Sinnlichkeit des Koran ist alles andere als dunkel“: Süddeutsche Zeitung vom 24. Febr. 2004, S. 15). Eine kurze Zusammenfassung seiner Thesen stellte Christoph Luxenberg der Kirchlichen Umschau in einem Interview schon kurz nach dem Erscheinen seines sensationellen Buches zur Verfügung (Kirchliche Umschau 4,5-6/2001, 27-30). 

[17] Vgl. hierzu vor allem Mark A. Gabriel, Islam und Terrorismus – Was der Koran wirklich über Christentum, Gewalt und die Ziele des Djihad lehrt, Gräfelfing 2004. Gabriel war ehedem als Muslim Professor für Islamische Geschichte an der Al-Azhar Universität in Kairo und ist mittlerweile (allerdings von Protestanten) getaufter Christ – er weiß also, wovon er spricht! 

[18] Bassam Tibi, Die Zeit der Zweideutigkeiten muss vorbei sein, DT vom 14. April 2004, 9

[19] Eigene Übersetzung des französischen Zitates. Der letzte erschütternde, da so realistische Satz lautet im Original: „Avec vos lois démocratiques, nous vous coloniserons; avec nos lois coraniques, nous vous dominerons.“

[20] Joseph Ratzinger, Die letzte Sitzungsperiode des Konzils, Köln 1966, 59 f. Zum geistesgeschichtlichen und religiösen Hintergrund dieser Entwicklung siehe den wertvollen Aufsatz von Franz Kronbeck, Wie ein Fluß, der alles mit sich reißt. Die dialektische Geschichtshermeneutik und ihre Anwendung auf die Kirche, Kirchliche Umschau 22,10/2019, 34-46, v. a. 41-45.

[21] Die Aussage findet man in: H.-L. Barth (Hg.), Das christliche Abendland und die fremden Religionen, (1.) Theologische Sommerakademie in Schönenberg 1996, 80-89, v. a. 88 Anm. 5.

[22] Internationale Theologische Kommission, Gott der Erlöser. Zu einigen ausgewählten Fragen, Freiburg./B. 1997, 18.

[23] Einführung in den Buddhismus, 3Darmstadt 1992, 66.

[24] Siehe z. B. Ulrich Schneider, Einführung in den Hinduismus, 2Darmstadt 1993, 46 und 231 mit Anm. 148.

[25] 1Köln 1986, Lizenzausgabe Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt o. J., 276 f.

[26] Sehr schön hierzu Robert Kardinal Sarah und Nicolas Diat, Kraft der Stille. Gegen eine Diktatur des Lärms. Vorwort von Papst em. Benedikt XVI., 3Kißlegg 2017.

[27] Über das christliche Fundament der Menschenwürde habe ich gehandelt in: Ursprung und Wesen der Menschenwürde, DIE NEUE ORDNUNG, Sonderheft 2018, In memoriam Joachim Kardinal Meisner, 71-117. Es existiert auch eine lateinische Fassung meines Beitrags in der „Vox Latina“: De origine et natura dignitatis humanae, 54,211/2018, 92-107; 54,212/2018, 190-207. 

[28] El Shaddai: Loving – Caring – Sharing: „Das Wichtigste ist die Liebe zu den Armen“, PURmagazin 10/2019, 18.

[29] Siehe Helmuth von Glasenapp, Die fünf Weltreligionen, München 1963, Sonderausgabe ebd. 1996, 15-29, v. a. 20; Gustav Mensching, Die Weltreligionen, Darmstadt o. J., 135-139, v. a. 136.

[30] Aufstand der Mädchenmörderinnen, DER SPIEGEL 27/2007, 124-128.

[31] Indiens vergessene Töchter, DER SPIEGEL 22/2007, 119.

[32] Schleberger, Die indische Götterwelt, 179-185.

[33] Emma Brunner Traut, Die fünf großen Weltreligionen, 2Freiburg 1991, 25.

[34] Friedrich Heiler, Die Religionen der Menschheit. Herausgegeben von Kurt Goldammer, 7Stuttgart 2003, 144.

[35] Das Christentum und die Weltreligionen, München 1955, 29.

[36] Die Tagespost vom 24. Oktober 2019, 30.

[37] Josef Ratzinger/Benedikt XVI. hat sich gegen diese Sichtweise zu Recht gewehrt. Siehe Karl-Heinz Menke, Das unterscheidend Christliche. Beiträge zur Bestimmung seiner Einzigkeit, Regensburg 2015, 484-490.

[38] Annalia Machuy, „Auftrag für das Wohl aller“, Die Tagespost vom 31. Oktober 2019, 27.

[39] Sehnsucht nach dem Geist des Bonifatius. Das jüngste Dokument der deutschen Bischöfe zur Mission läßt blinde Flecken erkennen, Die Tagespost vom 17. Oktober 2019, 11. 

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