Dienstag, 23. April 2024

Das Böse nach Tolkien

Was ist das Böse? Über das Böse gibt es zwei grundsätzliche Ideen. Vom Platonismus und Augustinus kommt eine Vorstellung, die von Thomas von Aquin systematisiert wurde. Das Böse ist demnach privatio boni, eine Beraubung, ein Mangel an Gutem. Daneben gibt es die Idee, dass das Böse eine eigene Substanz habe. Demnach sind Gut und Böse je eigene Prinzipien. Das wäre ein Dualismus, wie er zum Beispiel in gnostischen Lehren vertreten wird.

Wie ist es bei Tolkien? Tolkien selbst hat sich dazu in Interviews geäußert, aber seine Sichtweise wird am Besten in „Der Herr der Ringe“ wiedergegeben:

Sam fragt Frodo: „Diese Orks, essen und trinken die nicht auch? Oder leben die nur von Gift und Gestank?“

„Nein, sie müssen auch essen und trinken, Sam. Der Schatten, der sie gezüchtet hat, kann nur nachäffen, nicht erschaffen: nichts wirklich Neues von eigener Art. Ich glaube nicht, dass er die Orks zum Leben erweckt hat, er hat sie verdorben und entstellt; und wenn sie überhaupt leben sollen, dann müssen sie leben wie andere Geschöpfe auch.“

Tolkien hat auf literarische Weise wunderschön die christliche Lehre über das Böse erklärt. Der Teufel wird seit der christlichen Antike als Affe Gottes beschrieben, als jemand, der Gott und damit das Gute nachäfft. Genau wie Thomas von Aquin beschreibt Tolkien das Böse nicht als Prinzip oder Wesenheit, sondern als Mangel und Entstellung.

Diese Lehre vom Bösen als privatio boni ist ganz fundamental, um zu verstehen, wie man richtig mit dem Bösen umgehen soll. Vor allem erschließt sich so der Sinn der Aufforderung: „Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“ (Römer 12,21). Das Böse kann nichts schaffen, sondern nur zerstören und es lebt auch nur, sofern seine Geschöpflichkeit zum Tragen kommt.

Zurück zu Tolkien: Es ist nicht Frodo, der den Ring zerstört. Es ist Gollum. Gollum zerstört den Ring aber nicht absichtlich, sondern durch einen Unfall. Insofern ist es Frodos Barmherzigkeit, die den Ring gegen seine eigene Schwäche zerstört.

Tolkien schreibt: „Aber an diesem Punkt wird die ‚Rettung‘ der Welt und Frodos eigene ‚Rettung‘ durch sein vorheriges Mitleid und seine Vergebung der Verletzung erreicht. Jeder vernünftige Mensch hätte Frodo zu jedem Zeitpunkt gesagt, dass Gollum ihn mit Sicherheit (nicht ganz sicher – die Unbeholfenheit in der Treue Sams war es, die Gollum schließlich an den Rand des Abgrunds trieb, als er im Begriff war, Buße zu tun) verraten würde und ihn am Ende ausrauben könnte. Ihn zu ‚bemitleiden‘, es zu unterlassen, ihn zu töten, war ein Stück Torheit oder ein mystischer Glaube an den ultimativen Wert von Mitleid und Großzügigkeit an sich, auch wenn er in der Welt der Zeit verhängnisvoll ist. Er beraubte und verletzte ihn am Ende – aber durch eine ‚Gnade‘ war dieser letzte Verrat genau zu einem Zeitpunkt, als die letzte böse Tat das Günstigste war, was jemand für Frodo hätte tun können! Durch eine Situation, die durch seine ‚Vergebung‘ geschaffen wurde, wurde er selbst gerettet und von seiner Last befreit. Ihm wurde zu Recht die höchste Ehre zuteil – denn es ist klar, dass er und Sam den genauen Ablauf der Ereignisse nie verheimlicht haben.“

Quelle:

  • J. R. R. Tolkien, der Herr der Ringe. Die Wiederkehr des Königs, Stuttgart, 12. Auflage 2002, S. 226.
  • J. R. R. Tolkien an Michael Tolkien (Entwurf, undatiert, vermutlich Januar/Februar 1956) (Übersetzung: Cathwalk.de) in: Carpenter, Humphrey, Tolkien, Christopher (Hg.), The Letters of J.R.R. Tolkien, London 2006, Nr. 181, S. 232-237, hier 234.

Siehe auch: https://www.instagram.com/catholic.tolkien/?hl=de (@catholic.tolkien auf Instagram)

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