Hotpants Archive - cathwalk.de https://www.thecathwalk.de/tag/hotpants/ Abendland & Alte Messe Wed, 15 Jun 2016 14:39:47 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.5.2 https://www.thecathwalk.de/wp-content/uploads/sites/2/2017/04/cropped-Logo-The-Cathwalk-transparenter-Hintergrund-150x150.png Hotpants Archive - cathwalk.de https://www.thecathwalk.de/tag/hotpants/ 32 32 Das Konzil zu Calzedonia (2/2) https://www.thecathwalk.de/2016/06/15/das-konzil-zu-calzedonia-22/?pk_campaign=feed&pk_kwd=das-konzil-zu-calzedonia-22 https://www.thecathwalk.de/2016/06/15/das-konzil-zu-calzedonia-22/?pk_campaign=feed&pk_kwd=das-konzil-zu-calzedonia-22#respond Wed, 15 Jun 2016 14:39:47 +0000 http://thecathwalk.de/?p=5168 Die ikonoklastische Hypermoralisierung Deutschlands im Sommer 2015 (revisited) Teil 2 von Martina Rettul Der netzbasierte hochsommerliche Widerstand, den Lehrer einer Realschule in Horb/Baden-Württemberg 2015 ernteten, als sie der nackten Haut ihrer Schülerinnen durch das Verbot von Hotpants und bauchfreien T-Shirts zu Leibe rücken und Zuwiderhandlungen mit dem Spießrutenlauf in XXL-Shirts sanktionieren wollten, war also auch […]

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Die ikonoklastische Hypermoralisierung Deutschlands im Sommer 2015 (revisited) Teil 2

von Martina Rettul

Der netzbasierte hochsommerliche Widerstand, den Lehrer einer Realschule in Horb/Baden-Württemberg 2015 ernteten, als sie der nackten Haut ihrer Schülerinnen durch das Verbot von Hotpants und bauchfreien T-Shirts zu Leibe rücken und Zuwiderhandlungen mit dem Spießrutenlauf in XXL-Shirts sanktionieren wollten, war also auch ein Bekenntnis der Solidarität von praktizierenden Gläubigen mit ihrer ästhetisierenden Hierarchie; ikonographisch verkörpert durch storchenbeinige Models wie Alexa Chung, Miranda Kerr und Cara Delevingne. Es war ein Ja der „mündigen Basis“ zu Orthopraxie und strengster Dogmatik und die kollektive Abweisung einer gut gemeinten Moral-Agenda per Kleiderordnung.

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Entscheidend war und ist, daß Hotpants sehr kurz sind – sonst sind sie keine. Das eine hängt mit dem anderen zusammen. So kanonisch-kompliziert geht Mode. Die Jagd nach dem Thigh-Gap, der auf Deutsch etwas ungelenk klingenden Oberschenkellücke, hätte, jenseits der Bademoden-Enklaven Stand, Freibad, Baggersee gar keinen Sinn; ist also nicht denkbar ohne die dogmatische Off-Beach-Vorgabe: Hotpants. Nicht jede Frau kann einen Thigh-Gap haben, egal, wie dünn oder durchtrainiert sie ist. Die Beckenstellung ist entscheidend, ein Thigh-Gap ist nur bei sehr schmal gebauten Damen möglich. Aber darum geht es nicht. Jedes Modebewußtsein zielt immer auf dogmatische Nachfolge; ist ein Reflex auf die vorangegangene Ikonenproduktion – auf das IT-Girl, den Film-Star oder das Top-Model.

Das wurde bereits vor Pfingsten 2015 deutlich, als mit Manfred Lütz und Heidi Klum zwei Antipoden öffentlich einen jedweder Mode vorgelagerten ästhetischen Disput um den modellhaften Frauenkörper austrugen, der in Wahrheit ein zugespitzt theologisch-konfessioneller war.

Auf dem evangelischen Kirchentag in Stuttgart ist – theologisch gesehen – danach sehr viel weniger passiert als in dieser Auseinandersetzung zwischen Klum und Lütz, was eigentlich schade war, denn die meteorologischen Bedingungen in Stuttgart lieferten durchaus korrespondierende Ausblicke und Ansichten in Hülle und Fülle. Also: Bullenhitze, Grill-Wetter; kurze Röcke, Hotpants, Fleisch über Knochenbau; anonyme Katholiken. Und Merkel war da. Gauck war da. Wulff war da. Aber Manfred Lütz fehlte. Wo, wenn nicht dort in Stuttgart, hätte er gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe auf den Holzkohle-Rost hauen können: Heidi Klum, den BMI und die Veganer:

Wir sind „Irre!“ – Wir essen das Falsche; und wir gucken, mit „Germanys Next Top Model“, die falsche TV-Sendung, waren die vor-pfingstlichen Wortmeldungen des schreibenden Psychiaters, Psychologen und katholischen Theologen gewesen: „Wer grillt, ist frei!“ Diese als frohe Bild-am-Sonntags-Botschaft lancierte „Streitschrift für die Lust am Fleischessen“ war bereits eine anbiedernde Häresie vom Feinsten. Denn in der Bibel steht natürlich überhaupt nichts vom Grillen, sondern nur: „die Wahrheit wird euch frei machen“. Mitunter sah es so aus, als wäre Lütz von allen guten und heiligen Geistern verlassen worden. Dabei waren es nur die polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, die ihren neurologischen Tribut forderten. Schade also, dass Manfred Lütz in Stuttgart auf keinem Podium mit gegrillt hat. Denn er wäre dort umgeben gewesen von anderen Protestanten… .

Auch die vorangegangenen Invektiven gegen „Germany´s Next Topmodel“ (GNTM), die monastische Gemeinschaft der Hungerkünstlerinnen um die ikonodule Äbtissin Heidi Klum, zeugten nicht gerade von filigranem Verständnis für asketisch-ästhetische Nachfolge um eines irdischen Himmelreiches willen. Lütz zweifelte öffentlich an den „unfehlbaren Urteilen“ (Lütz) von Klums Jury und wollte ihr Kloster mitsamt der hochartifiziellen Bild- und Ikonenproduktion schleifen lassen.

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Manfred Lütz (2009), Quelle: Wiki

Ist Manfred Lütz wirklich noch katholisch, in seinen Gedanken, Worten und Werken? Sind nicht auch seine Loblieder auf die „Lebenslust“ viel zu demonstrativ, zu vordergründig, zu wenig sublim und nichtparadox, um katholisch zu sein? Lütz ist vor allem Moralist und Ikonoklast und er suchte für seinen diesbezüglichen Furor 2015 denselben medialen Resonanzraum wie sein Bruder im Geiste Heiko Maas anno 2016.

Heidi Klum, die sich nach Abschluss ihres TV-Konvents zu Einzel-Exerzitien in die Wüste von Kalifornien zurückzuziehen pflegt – 2015 sogar zeitlich parallel zur Familiensynode in Rom – hat sich bei den Regeln und visuellen Richtlinien für 2016 gottlob nicht zu einer Pastoral der Ermäßigung hinreißen lassen, obwohl beim Bodymass-Index und den trinitarischen Ideal-Proportionen (85-60-85) doch ein Quantum Barmherzigkeit in ihren Vorgaben für 2016 spürbar war. Die massiven Polemiken von Lütz über ihre „mörderische Sendung“ könnten also, ebenso wie die Bombendrohung beim GNTM-Finale 2015, der sensiblen Äbtissin durchaus zugesetzt haben. Auch das unerwartete Ausscheiden des Beichtvaters Wolfgang Joop aus der „heiligsten Dreifaltigkeit, die vorne das Jüngste Gericht spielt“ (Lütz) war mit Sicherheit nicht leicht zu verschmerzen. Joop konnte 2016 nicht adäquat ersetzt werden.

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Dennoch: die zu Andacht und kurzer Besinnung auffordernden Plakate des italienischen Bademodenherstellers Calzedonia an jeder Straßenecke Deutschlands lassen auf eine nach wie vor intakte synergetische Zusammenschau und perichoretische Kooperation der diversen visuellen Dogmatisierungs-Instanzen schließen; denn daß Calzedonia einfach so, ein paar Gramm Körperfett mehr oder weniger plakatiert, davon ist nicht auszugehen. Das gleiche gilt für die Höhe des Lichtschutzfaktors und die Quadratzentimeter-Vorgaben im textilen Bereich. Daß der Bräunungsgrad der abgebildeten Ikonen von 2015, der etwas tiefere Hautton, bereits eine Konzession an „Gegrilltes“ und damit bereits 2015 ein ökumenisches Signal an Lütz gewesen war, ist weitgehend übersehen worden und konnte erst beim aktuellen Vergleich mit den Ikonen von 2016 endgültig verifiziert werden. Die Kalkulation, den Objekten nun weniger Hitze-Einwirkungen, den Subjekten damit weniger Hitze-Auswirkungen zuzumuten, hat sich als Moralisierung-Prophylaxe bezahlt gemacht. Zu viele Plakate waren 2015 als Folge der vorangegangenen Auseinandersetzung Lütz/Klum mit häretischen Parolen beschmiert worden.

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Prognose: Am Fegefeuer der Eitelkeiten könnten sich Heiko Maas und Manfred Lütz noch ihre Finger verbrennen. Gerade Lütz als Theologe müßte es ein Menetekel sein, daß Calzedonia die altkirchliche Autorität des Konzil von Calcedon im Namen trägt, das Konzil, das die Göttlichkeit des Menschen Jesus dogmatisierte. Hier waren und sind also Kräfte und Traditionen mit im Spiel, die bei einem drohenden „Bilderstreit“ – womöglich auf einem öffentlichen Konzil zu Calzedonia – nicht mal eben klein beigeben werden. Dass „jede dünne Frau eine kleine Skulptur aus Überlegenheit sei; Vorwurf und Vorbild in einem“ – übrigens ganz ähnlich wie die Jungfrau Maria – sollten Lütz und Maas nochmal bei der Berliner Philosophin Ariadne von Schirach nachlesen, bevor sie es zum Äussersten eines Schismas kommen lassen.

Der Gesellschaft droht dann ästhetisch dasselbe wie politisch. Mit dem Unterschied, daß der Sinn für Schönheit sehr viel mehr nach Maßen und Proportionen dürstet, nach Idealen und damit nach dogmatischen Grenzen verlangt, als es sich moralisch und politisch denkende Zeitgenossen vorstellen können. Daß es also Widerstand geben wird, nicht nur Proteste. Der byzantinische Bilderstreit läßt schön grüßen: Er wogte von ca. 730 bis 843 nach Christus, führte zu Unruhen in der Bevölkerung und endete mit dem Sieg der Ikonodulen – der Bilderverehrer.

Manfred Lütz predigt – genauer besehen – ganz in der Nachfolge des „feisten Doktor Martin Luther“ (Lyndal Roper) eine Art Protestantismus: Er verdammt die abgehoben, televisionären Exerzitien und Liturgien des schönen Scheins und fordert den Aufstand der anständig carnivoren Leckermäuler gegen eine vegane Hochscholastik; die Rückkehr zum biblischen Befund nach Mt 11,19; mit Jesus als „Schlemmer und Trinker, als Fresser und Säufer“. Er wirft damit auch die alte, frühchristliche Frage neu auf, ob die Fleischwerdung Gottes von Vegetariern und Veganern (von Gnostikern) überhaupt verstanden werden kann. An diesem christologisch neuralgischen Punkt könnte der Sommer 2015 – Hotpants hin, Thigh-Gap her – für Lützens Anliegen nicht ganz verloren gewesen sein: „Sündige tapfer“, riet schon der Augustinermönch. „Stellt euren Grill auf“, predigte der Alexianer-Arzt. Allein: Seinen Thesenanschlag 2015 hätte er besser in „Beef“ als in der BamS unters Volk gebracht. Sei es drum. Hören wir auf den lukullischen Reformator Lütz, gilt: In-carnation ist immer auch ein wahrhaft herzhaftes Geschehen. Der Ablaßhandel mit Emissionsrechten rund ums tier- und klimagerechte Essen gehört abgeschafft; die vegetarische und vegane Hierarchie dito. Jeder ist sein eigener Schweinepriester. Holzkohlebefeuerte Heilsgewißheit: Wir alle müssen nur ganz fest daran glauben, daß uns Gegrilltes frei macht. Mit gutem Gewissen – jeder allein vor seinem Steak – wird dann offenbar: Hier grille ich, ich kann nicht anders!

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Die ikonoklastische Hypermoralisierung Deutschlands im Sommer 2015 (revisited) – Teil 1

Der Sommer 2015 wird in die Geschichte eingehen; ebenso wie der „summer of love 1967“ und das „Sommermärchen“ von 2006. Und so wie im blutigen Fanal des Rock-Konzerts von Altermont 1969 die Flower-Power-Träume von 67 wie Seifenblasen platzten und sich 2006 – passend zur UEFA-Euro – gerade als FIFA-Märchenstunde entpuppt, tut man gut daran, die Verheißungen und Konfliktlinien des Sommers 2015 aus der saisonal naherückenden Distanz von einem Jahr noch einmal in den Blick zu nehmen; wir werden noch länger mit ihnen zu tun haben. Be sure to wear some memories in your head… .

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Quelle: Caledonia Beachwear 2015

von Martina Rettul

2015 war ein Sommer unter mehr oder weniger offen erkennbaren eminent moral-theologischen Vorzeichen, die, teils banal, teils hochpolitisch, noch einmal zu dechiffrieren sind. Wir unterlassen an dieser Stelle Betrachtungen zur „heilsgeschichtlichen Mission der Kanzlerin“ (Christian Geyer, FAZ), zur willkommens-kulturellen Ebene (dazu an anderer Stelle mehr), sondern wenden uns vermeintlich Banalem zu, dem nichtsdestotrotz in nuce alles Wesentliche eingeschrieben ist.

Zu besichtigen ist in beiden Fällen die Hypermoralisierung der deutschen Gesellschaft auf der Zielgerade der Lutherdekade. Nicht von ungefähr: denn das Erbe der Reformation ist Moral; war es von Anfang an, obwohl sich Luther ja eigentlich aller Moral (der guten Werke) entledigen wollte. Man könnte auch sagen: „dumm gelaufen“.

Eine Bewegung, die die „Freiheit des Christenmenschen“ „allein im Glauben“ predigte, dann aber recht umstandslos u.a. auch ein kulturelles Massaker an liturgischen Bildern verübte und ein Verbot von Musik und Tanz in Calvins Genf auf die Zeitschiene setzte, sollte man heute nicht mit der schaumsprachigen Rede von der „Kirche der Freiheit“ durchkommen lassen, auch nicht mit den hehren „Anliegen“ und „guten Absichten“ der reformatorischen Trotzköpfe, sondern sie zum Nennwert nehmen: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“, heißt es; an ihrer „öffentlichen Theologie“ (EKD), vulgo: ihrer Moralisierungskompetenz, wäre heute hinzuzufügen.

These: Nur das Dogma hat Ermöglichungs-Potential, nur Dogmatik setzt frei. Kein Dogmatiker ist Moralist und umgekehrt. Auch Nietzsche wußte das. Nur der Moralist verurteilt, der Dogmatiker nie (wenn er seinen grenzgängerisch-normativen Job kann). Ein Blick in das lesenswerte Buch von Christoph Möllers über Die Möglichkeit der Normen könnte das hier gemeinte vertiefen, wobei dann deutlich würde, daß die protestantische Rede von der „katholischen Doppelmoral“ intellektuell noch nie besonders tiefschürfend gewesen ist. „Denn nur da wo Normen gebrochen werden können, bewahren sie ihre Normativität. Und nur da, wo Normen operieren, können wir über das hinauskommen, was wir ohnehin sind.“ (Möllers S.456)

Da das protestantische Paradigma tief ins katholische Selbstverständnis eingedrungen ist, sind die hier angesprochenen Konfliktlinien natürlich nicht mehr entlang von Konfessionsgrenzen zu verorten sondern nurmehr an einer Mentalität, die entweder eine lateinisch zivilisierte ist oder eine im Kern differenzfeindliche – eine barbarische; ihr ist ihre gute Gesinnung alles.

Die vermeintlich banale Ebene: Die Calzedonia-Plakate hängen wieder. Andere auch. Wie jedes Jahr. Noch. Der deutsche Justizminister Heiko Maas wird ihnen wahrscheinlich bis 2017 von Amts wegen den anti-sexistischen, ikonoklastischen Garaus gemacht haben und sich u.a. auch damit als Exekutor der „öffentlichen Theologie“ der EKD erwiesen haben. Interessant daran: Heiko Maas 2016 ist der Widergänger des Psychiaters und Buchautors Manfred Lütz 2015. Maas: der neue – weitaus besser angezogene – Lütz.

Wir erinnern uns in einem theologisch-ästhetischen Rückblick auf den Sommer 2015 an das dogmatische Potential von Hotpants, Thigh-Gaps und Veggie-Würstchen und den hochsommerlichen, ikonodulen Triumph von Heidi Klum über den grillenden Bilderstürmer Manfred Lütz; an einen Sieg der ästhetisch-dogmatisierenden Hierarchie, der mit dem zeitgleichen Triumph der politisch-moralisierenden Obrigkeit – der Entgrenzungs-Agenda Angela Merkels 2015 – allerdings teuer bezahlt wird.

Vorab grundsätzlich: Was ist ein Modediktat, ein Must Have? Was sind Stilvorgaben, Essentials, Dresscodes, Key Pieces, oder auch der Bodymass-Index (BMI) eigentlich anderes als dogmatische Entscheidungen über Maßstäbe und Grenzen? Getroffen von Hohen Priestern und Priesterinnen des Metiers, die allesamt eine gleichsam apostolische Sorge tragen für den guten Geschmack, den festen Glauben an die saisonalen Farben und Schnitte und die ihr Leben weihen der verzehrenden Suche nach einer Ikonographie des schönen Scheins, der uns allen zur ästhetischen Orientierung dienen soll.

Welche andere Mentalität als eine zutiefst dogmatische – also katholische – sollte Verständnis aufbringen für diese Art der geistlichen Leitung? Fashion-Victims sind also „anonyme Katholiken“. Man sollte ruhig öfter bei Karl Rahner nachschlagen.

Alles Geschmackssache? Keinesfalls! Mode ist nur im protestantischen Kontext Geschmacksache, eine Frage der individuellen Gesinnung. Zumeist mit der textilen Maßgabe: praktisch, tragbar, schick. Auch gerne bei der Arbeit im Büro. Das katholische Kontrastprogramm hingegen lautet: unpraktisch, untragbar, unschicklich. Wenn´s sein muss auch gerne im Büro. Hier wäre Max Scheler hinzuzuziehen, der die Heiligung der Arbeit als den eigentlichen protestantischen Gottesdienst zu diskreditieren verstand und das katholische „gute Leben“ wesentlich als ein after-work-Geschehen avant la lettre zu beschwören wusste; ein Leben, das zu feiern ist, gerade weil es endlich ist.

Es liegen einfach Welten zwischen dem mündigen, auf Autonomie pochenden „hab ich alleine selber ausgesucht“, (wohl auch alleine an-gezogen) „und ich fühl mich wohl darin“ im Geiste der reformatorischen „soli“ und Luthers „pro me“ und der Nachfolge einer dogmatisierten Idee von Fleischwerdung, im Spannungsfeld von Verhüllung und Enthüllung, von Vergebung und Verführung: einem gerne-aus-gezogen-werden – durch und für andere.

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Sexistische Werbung? „So müsst Ihr nicht aussehen!“ Unbekannte beschmieren Calzedonia-Plakate in Köln

Sich in die Nachfolge eines Modediktates zu begeben bedeutet immer, Anteil nehmen an der saisonalen Objektivierung von Ideen, die nicht die eigenen sind, die sich aber anverwandeln lassen. Dies ist der katholische Glut-Kern einer jeden Mode: Raffinesse, Differenzierung, Ambivalenz und Tradition machen ein Angebot des Aufgehobenseins im überzeitlichen Strom des Schönen-Scheins, der zu feiern ist – mit Haltung und Stil. Es ist das „Geheimnis des Glaubens“ an überzogene Ideale, die verkörpert werden können. Ein katholisches Mode-Verständnis bedeutet, um dieses Überzogene zu wissen, es schön zu finden und die eigene, individuelle Abweichung damit augenzwinkernd in Einklang zu bringen. Was im Mode-Diskurs oft fehlt, ist dieses augenzwinkernd paradoxale, bei aller Ernsthaftigkeit immer auch distanzierte Verständnis. Nichtdistanz ist evangelisch. Mode geht im Grunde nur katholisch. Ansonsten droht eine Moral der Kleiderordnung, ein Terror der Authentizität mit dem Zwang zu fair gehandelte Klamotten, Sackleinen und Übergrößen, gerne auch zu Outdoor-Textilien. Gott, bewahre!

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Fortsetzung folgt.

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