Josef Jung Archive - cathwalk.de https://www.thecathwalk.de/tag/josef-jung/ Abendland & Alte Messe Fri, 14 Oct 2022 11:54:38 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.5.2 https://www.thecathwalk.de/wp-content/uploads/sites/2/2017/04/cropped-Logo-The-Cathwalk-transparenter-Hintergrund-150x150.png Josef Jung Archive - cathwalk.de https://www.thecathwalk.de/tag/josef-jung/ 32 32 Tolkien über die Reformen nach dem Konzil: „Die Kirche fühlt sich an wie eine Falle“ https://www.thecathwalk.de/2022/10/14/tolkien-uber-die-reformen-nach-dem-konzil-die-kirche-fuhlt-sich-an-wie-eine-falle/?pk_campaign=feed&pk_kwd=tolkien-uber-die-reformen-nach-dem-konzil-die-kirche-fuhlt-sich-an-wie-eine-falle https://www.thecathwalk.de/2022/10/14/tolkien-uber-die-reformen-nach-dem-konzil-die-kirche-fuhlt-sich-an-wie-eine-falle/?pk_campaign=feed&pk_kwd=tolkien-uber-die-reformen-nach-dem-konzil-die-kirche-fuhlt-sich-an-wie-eine-falle#comments Fri, 14 Oct 2022 06:15:00 +0000 http://thecathwalk.de/?p=7363 Erstveröffentlichung: 3. Januar 2017 Tolkien war kein Freund der Liturgiereform, sondern blieb der Alten Messe verbunden. In der Neuen Messe gab er aus Protest immer die Antworten der Alten Messe auf Lateinisch. Ein Enkel Adam erinnert sich: „Ich erinnere mich lebhaft daran, dass ich ihm in Bournemouth in die Kirche gegangen war. Er war ein […]

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Erstveröffentlichung: 3. Januar 2017

Tolkien war kein Freund der Liturgiereform, sondern blieb der Alten Messe verbunden. In der Neuen Messe gab er aus Protest immer die Antworten der Alten Messe auf Lateinisch. Ein Enkel Adam erinnert sich: „Ich erinnere mich lebhaft daran, dass ich ihm in Bournemouth in die Kirche gegangen war. Er war ein frommer Katholik, und es war kurz nachdem die Kirche die Liturgie von Latein auf Englisch geändert hatte: Mein Großvater stimmte dem offensichtlich nicht zu und machte alle Antworten sehr laut auf Latein, während der Rest der Gemeinde auf Englisch antwortete. Ich fand die ganze Erfahrung ziemlich quälend, aber mein Großvater ließ sich nicht beirren. Er musste einfach tun, was er für richtig hielt.“

Tolkien resümierte schon 1967: „Die „protestantische“ Suche rückwärts nach „Einfachheit“ und Direktheit – die natürlich gute oder zumindest verständliche Motive enthält, ist ein Fehler und tatsächlich vergeblich. Weil „primitives Christentum“ jetzt und trotz aller „Forschung“ weitgehend unbekannt bleibt; denn „Primitivität“ ist keine Garantie für Wert und ist und war ein Spiegelbild von Ignoranz. Schwere Missbräuche waren von Anfang an ebenso wie heute ein Element im christlichen liturgischen Verhalten“ (Brief an seinen Sohn Michael, Nr. 306, 1967/68).

Traditionelle Vorstellungen von Kirche und Gesellschaft ziehen sich durch die gesamten veröffentlichten Briefe Tolkiens. Tolkien war ein Freund der Natur und des konservativen Lebensstils. Im kirchlichen Bereich lobte er Papst Pius X., der vor allem durch seinen Kampf gegen modernistische theologische Ansätze bekannt ist und einen Eid gegen den Modernismus einführte: „Ich denke, die größte Reform unserer Zeit war die, die vom hl. Pius X. ausgeführt wurde. Sie überbietet alles, was das Zweite Vatikanische Konzil, mag es auch nötig sein, erreichen wird“ (Brief an seinen Sohn Michael, Nr. 250, 1963).

Die Reformen Pius X., die Tolkien hier lobte, meinen wahrscheinlich die Einführung der Kinderkommunion durch Pius X. (1910) und die Empfehlung, täglich die Kommunion zu empfangen, wenn man im „Stand der Gnade“ ist.

Über den Wandel nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil schrieb Tolkien: „Die Kirche fühlte sich einst an wie ein Zufluchtsort („refuge“), jetzt fühlt sie sich oft an wie eine Falle („trap“). Wir können nirgendwo sonst hin […]. Wir können nichts tun als für die Kirche, den Stellvertreter Christi und uns zu beten“ (Brief an seinen Sohn Michael, Nr. 306, 1967/68).

Des Weiteren empfahl Tolkien, die „Tugend der Loyalität“, die besonders dann eine Tugend sei, wenn man unter dem Druck stehe sie aufzugeben. Was er hier wohl vor allem meinte, waren die (liturgischen) Reformen, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil überall durchgeführt wurden und 1970 zum neuen Messbuch Pauls VI. führten. Die Neue Messe reiht sich für Tolkien in die Erfahrung der Verluste ein, die für sein ganzes Leben prägend waren. Im Ersten Weltkrieg verlor er fast alle seine Freunde, später die gesellschaftliche und religiöse Ordnung, die er so liebte.

Tolkien sah in vielen Vorgängen der 60er Jahre eine nahezu naive Schwärmerei und kritisierte einen vermeintlichen Rückgang der Kirche zu den Anfängen sowie eine zu starke Modernisierung.

Stattdessen sprach Tolkien von der Kirche als einem lebenden Organismus und verglich sie mit einer Pflanze. Im „Aggiornamento“ sah er ernste Gefahren („grave dangers“), dies würde bereits die Geschichte zeigen. Ökumenismus begrüßte er auf der einen Seite, fand ihn aber auch verwirrend. Berücksichtigen muss man hier, dass Tolkien die Erfahrung von religiöser Ausgrenzung gemacht hat. Als seine Mutter katholisch wurde, wurde sie von der anglikanischen Verwandtschaft verstoßen. Tolkien hatte zeitlebens eine starke Abneigung gegen die „Church of England“.

Kirchenskandale und Mittel gegen Glaubenszweifel

In dem Brief an seinen Sohn Michael kommt auch die Frage auf, wie man mit Skandalen bei Laien und Priestern umzugehen habe. Dazu sagte Tolkien: „Die Versuchung zum ‚Unglauben‘ […] ist immer in uns. Ein Teil von uns sucht nach Entschuldigungen, die von außen kommen. Je größer die innere Versuchung, desto eher und heftiger sind wir bereit von anderen ‚skandalisiert zu sein‘“ (Brief Nr. 250/1963).

Tolkien sagt, er habe schrecklich gelitten unter „dummen, müden, stumpfen und schlechten Priestern“. Doch er hatte eine Gewissheit: „Ich kenne mich nun gut genug, um mir bewusst zu sein, dass ich nicht die Kirche verlassen soll“.

Würde Tolkien die Kirche verlassen, hieße das für ihn die „heilige Kommunion“ zu verleugnen und den Herrn [Jesus Christus] einen Schwindler zu nennen. Er schrieb weiter, dass er an die Wahrheit der Evangelien glaube und daran, dass die Kommunion das einzige Heilmittel gegen das Nachlassen des Glaubens sei. Tolkien glaubte an die katholische Kirche:

„Ich selbst bin überzeugt von den petrinischen Ansprüchen („Petrine claims“), auch wenn man sich überall auf der Welt umsieht, scheint es keinen großen Zweifel zu geben, welche (wenn das Christentum wahr ist) die wahre Kirche ist, der Tempel des Geistes, sterbend aber lebend, korrupt aber heilig, selbstreformierend und wiedererstehend.“ Die Hauptaufgabe der Kirche liege darin, diejenige zu sein, die die hl. Kommunion verteidigt.

Die große Kraft und Hoffnung, die der Glaube geben kann

Tolkien schrieb auch über die Gefahr des Zynismus und sagte, er neige weniger zum Zynismus, wenn er sich an seine eigenen Sünden und Torheiten erinnere (Nr. 250/1963). Seine Zeit jedoch sei geprägt von Hohn und Zynismus („sneer und cynicism“). Gleichzeitig gebe es aber eine „umgedrehte Heuchelei“, da Menschen sich schlechter darstellten als sie seien.

In Christus sah Tolkien denjenigen, der letzte Hoffnung und Heilung geben kann: „Der Heiler ( der Hailend wie der Erlöser üblicherweise auf Altenglisch genannt wurde) soll meine Fehler heilen und du sollst nie aufhören zu rufen: Benedictus qui venit in nomine Domini.“ – Gelobt, der da kommt im Namen des Herrn.

Quelle der Zitate Tolkiens (übersetzt vom Autor):

  • Carpenter, Humphrey, Tolkien, Christopher (Hg.), The Letters of J.R.R. Tolkien, London 2006.

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Evangelisieren durch Schönheit https://www.thecathwalk.de/2017/01/08/evangelisieren-durch-schoenheit/?pk_campaign=feed&pk_kwd=evangelisieren-durch-schoenheit https://www.thecathwalk.de/2017/01/08/evangelisieren-durch-schoenheit/?pk_campaign=feed&pk_kwd=evangelisieren-durch-schoenheit#respond Sun, 08 Jan 2017 09:00:23 +0000 http://thecathwalk.de/?p=9505 Wer Schönheit erfährt, wird von ihr fasziniert. Sie zieht an, lässt stauen und erheitert. Das zeigt sich schon im sinnlichen Bereich, wenn Männer sich in Frauen verlieben, weil sie sie schön finden. Schönheit hat etwas Lebensbejahendes, etwas Schöpferisches. Echte Schönheit weist über sie selbst auf etwas Göttliches hinaus, daher ist sie auch ein Mittel zur […]

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Wer Schönheit erfährt, wird von ihr fasziniert. Sie zieht an, lässt stauen und erheitert. Das zeigt sich schon im sinnlichen Bereich, wenn Männer sich in Frauen verlieben, weil sie sie schön finden. Schönheit hat etwas Lebensbejahendes, etwas Schöpferisches. Echte Schönheit weist über sie selbst auf etwas Göttliches hinaus, daher ist sie auch ein Mittel zur Evangelisation.

Das Hohelied der Liebe Salomos zeigt die ganze Kraft der Schönheit, die hier in der Erotik missionarisch wirkt. Weil er seine Freundin schön findet, umgarnt er sie und macht ihr den Hof. Menschen suchen Schönheit und fühlen sich, wenn sie diese wahrnehmen, wohl. Sie strahlt etwas aus, das gute Gefühle auslöst. Im erotischen Bereich der Schönheit steht das Lebendige und Schöpferische im Mittelpunkt. Die wahrgenommene Schönheit treibt dazu an zu werben, zu loben, zu dichten und zu lieben.

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Im erotischen Bereich der Schönheit steht das Lebendige und Schöpferische im Mittelpunkt. Die wahrgenommene Schönheit treibt dazu an zu werben, zu loben, zu dichten und zu lieben. – Diana nach dem Bade, 1742 (François Boucher)

Schönheit als Ästhetik

Neben der erotischen Schönheit kann man auch allgemeiner von Ästhetik sprechen, wenn es um Architektur, Natur oder Kunst geht. Dabei wird sehr deutlich, ob und wie ein Bezug zum Göttlichen gewollt ist. In der Architektur galt lange Zeit, dass sie auch ein Mittel und Zeichen ist, das auf eine andere Größe hinweist. Entweder sollte sie die Herrlichkeit Gottes, wie in Kirchen oder die eines Reiches, wie im Säkularen, widerspiegeln. Daher mussten die Bauten schön sein, um dies entsprechend darzustellen. Diese Sicht ist heute meist einem Pragmatismus gewichen. Gebäude sollen vor allem nützlich sein, ihre Schönheit ist weniger von Belang. Dies klammert jedoch die transzendente Ausrichtung des Menschen aus und lässt ihn in emotional kälter werden.

Wird Schönheit in der Natur wahrgenommen, sehen viele darin einen Verweis auf einen guten Schöpfer. Insofern kann die Natur zu einem Gottglauben missionieren, wenngleich der notwendige Bereich der Offenbarung damit noch nicht mitgeteilt wird.

Mit der Kunst verhält es sich ähnlich wie mit der Architektur. Wie sie ist, ist eine Frage ihrer Ausrichtung und Idee. Nach der Romantik folgten auch hier eher pragmatischere Stilrichtungen, die weniger verklärend und eher darstellend sein wollten. Die Alltagsempirie rückte in den Vordergrund. Naturalismus wurde hier neben anderen Stilrichtungen immer wichtiger. Dabei wurde oft bewust jeder Bezug zum Göttlichen als illusionär gebrandmarkt und ausgeklammert. Dem steht zum Beispiel radikal die Kunst in den vatikanischen Museen entgegen, die gerade durch ihre Schönheit die Wirklichkeit und Wahrheit Gottes verkündigen will.

Schönheit in der Verkündigung

In der Bibel wird die Schönheit Gottes verkündet. Eine wörtliche Übersetzung von Pslam 104,1 macht dies deutlich: „Lobe den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich; du bist schön und prächtig geschmückt“. So macht die Offenbarung klar, dass Schönheit ein Mittel zum Evangelisieren ist, da sie ja letztlich auf Gott selber verweist und auf ihn zurückgeht. Was schönt ist, preist damit in irgendeiner Weise auch Gott. Schönheit in der Verkündigung bedeutet, dass Schönheit zum Lob und zur Ehre Gottes dienen soll, ihn bekannt machen soll. Wenn man den Glauben als schön darstellt, hat man damit eine sinnliche Wirklichkeit im Menschen angesprochen, die keine Worte braucht, sondern einfach wirken kann. Schönheit macht froh, Schönheit zieht an. Wir sollten sie daher auch in den Glauben hineinlassen.

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Rupert Neudeck: „Die Pest war eine Art Bibel für die humanitäre Arbeit“ https://www.thecathwalk.de/2016/06/11/die-pest-war-fuer-uns-eine-art-bibel-fuer-die-humanitaere-arbeit-camus-roman-als-motivation-zur-menschlichkeit/?pk_campaign=feed&pk_kwd=die-pest-war-fuer-uns-eine-art-bibel-fuer-die-humanitaere-arbeit-camus-roman-als-motivation-zur-menschlichkeit https://www.thecathwalk.de/2016/06/11/die-pest-war-fuer-uns-eine-art-bibel-fuer-die-humanitaere-arbeit-camus-roman-als-motivation-zur-menschlichkeit/?pk_campaign=feed&pk_kwd=die-pest-war-fuer-uns-eine-art-bibel-fuer-die-humanitaere-arbeit-camus-roman-als-motivation-zur-menschlichkeit#comments Sat, 11 Jun 2016 14:00:50 +0000 http://thecathwalk.de/?p=5108 Albert Camus – Romancier, Philosoph und Gewinner des Literaturnobelpreises. Aber noch mehr als das war er eine Art Inspirationsfigur für einen neuen säkularen Humanismus. Dem Atheismus wird oft vorgeworfen, er habe keine überzeugenden Argumente, um zum aufopfernden Handeln zu motivieren. Camus scheint jedoch der große Sprung gelungen zu sein, am Atheismus festzuhalten und dennoch zum […]

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Albert Camus – Romancier, Philosoph und Gewinner des Literaturnobelpreises. Aber noch mehr als das war er eine Art Inspirationsfigur für einen neuen säkularen Humanismus. Dem Atheismus wird oft vorgeworfen, er habe keine überzeugenden Argumente, um zum aufopfernden Handeln zu motivieren. Camus scheint jedoch der große Sprung gelungen zu sein, am Atheismus festzuhalten und dennoch zum Humanismus zu motivieren. Eine Spurensuche nach den humanistischen Motivationsquellen.

Rupert Neudeck: Camus motiviert zum Humanismus

Rupert Neudeck studierte in Münster Theologie und Philosophie, bevor er 1961 in den Jesuitenorden eintrat. Nach seinem Austritt aus dem Orden promovierte er in Philosophie mit der Arbeit: „Die politische Ethik bei Jean-Paul Sartre und Albert Camus“ (1975). Am Titel der Arbeit wird bereits erkenntlich: Es sind dezidiert atheistische Philosophen, denen er seine Aufmerksamkeit in Fragen des rechten Handelns zuwandte. In einer Dokumentation auf Arte mit dem Titel „Albert Camus, Lektüre fürs Leben“ von Joël Calmettes (2013) sagte Neudeck:

„Ich denke, dass Camus einer der ganz wenigen ist, die Hoffnung möglich sein lassen, ohne dass man eine transzendente Quelle hat. Es gibt die Möglichkeit diese Hoffnung möglich zu machen, die darin besteht, dass man mit anderen für andere etwas von seinem Glück abgibt und sich nicht mehr schämen muss, alleine glücklich zu sein.“ – Rupert Neudeck

Die Stelle, auf die sich Neudeck bezieht, ist ein Dialog im Roman „Die Pest“ zwischen dem fiktiven Arzt Dr. Rieux und dem Journalisten Rambert. Die Beulenpest ist in der fiktiven nordafrikanischen Stadt „Oran“ bereits voll ausgebrochen. Die Situation spitzt sich zu und Rambert sagt zu Dr. Rieux: „ich gehe nicht weg, ich will bei Ihnen bleiben.“ Rambert würde sich schämen, ginge er weg. Dr. Rieux entgegnet daraufhin, dass man sich nicht zu schämen brauche, das Glück vorzuziehen. Rambert entgegnet darauf: „Aber man kann sich schämen, wenn man ganz allein glücklich ist.“ Diese Entgegnung Ramberts ist für Neudeck die zentrale humanitäre Motivationsquelle – „über diesen Satz hinaus brauche ich nichts mehr“.

Weiterhin nennt Neudeck in derselben Dokumentation Camus Roman “Die Pest“ „eine Art Bibel für die humanitäre Arbeit“. Das ist interessant und verwunderlich zugleich, zum einen weil „Die Pest“ wohl keine „Bibel“ sein will und auf der anderen Seite zu fragen ist, ob „Die Pest“ wirklich eine moralische Motivationsquelle sein kann.

Am Absurden festhalten und dennoch zum Humanismus motivieren

Zwar hat „Die Pest“ Camus‘ nicht mehr die Anziehung vergangener Jahrzehnte, aber es strahlt dennoch als ein literarisches Hauptwerk mit Anklängen an die existenzialistische Philosophie. Für den Arzt Dr. Rieux bleibt die Pest im Gegensatz zu seinem religiösen Pendant, dem Jesuitenpater Paneloux stets absurd. Sie ist keine Strafe Gottes, sondern einfach nur grausam. Der Mensch muss nach Rieux handeln, weil Gott schweigt. Angesichts des grausamen Todes kleiner Kinder wird die Revolte „gegen die Weltordnung“, „gegen die Schöpfung, so wie sie ist“ und gegen Gott zur Handlungsmotivation. Rieux hilft, weil er muss; er ist Arzt und Humanist. Die Pest bedeutet für ihn „eine Niederlage ohne Ende“. Als seinen großen Lehrmeister sieht er „das Elend“.

Aber es gibt auch noch was Anderes, das leise und ohne Empörung daherkommt, etwas, das einfach nur aus Menschlichkeit Motivation zieht: „Nach einem Schweigen richtete sich der Arzt etwas auf und fragte, ob Tarrou eine Vorstellung von dem Weg habe, den man einschlagen müsse, um zum Frieden zu kommen. ‚Ja, Mitgefühl.‘“.

Letztlich kann Camus das Absurde nicht auflösen und sieht in der Revolte „gegen die Weltordnung“ einen moralischen Imperativ. Ob dies „Hoffnung möglich sein [lässt]“, wie Neudeck postuliert? Sicherlich gibt es keine Hoffnung im Sinne einer göttlichen Gerechtigkeit, im Sinne einer leiblichen Auferstehung in der alle Tränen getrocknet und Leid in Freude gewandelt wird. Die religiöse Hoffnungsdimension lehnt Camus ab. Man ist radikal aufs Diesseits zurückgeworfen, so wie Nietzsche – von dem Camus stark beeinflusst war – es sich für den Übermenschen vorstellt: „In alle Abgründe trage ich da noch mein segnendes Ja-sagen.“ – Ja zum Leben sagen, trotz aller angenommenen letzten Absurdität.

Ein solches Leben muss sich jedoch immer im Kampf und Widerspruch beweisen. Im Kampf gegen das Absurde und menschlich sein im Widerspruch zur „Schöpfung, so wie sie ist.“ Doch wie soll „eine glückliche Stadt“ möglich werden, wenn das letzte Wort doch dem Absurden vorbehalten bleibt?

Literatur:

Camus, Albert, Die Pest. Deutsch von Uli Aumüller, Berlin 792012.

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Kleider machen Leute: Denn du bist, was du trägst https://www.thecathwalk.de/2016/06/02/kleider-machen-leute-denn-du-bist-was-du-traegst/?pk_campaign=feed&pk_kwd=kleider-machen-leute-denn-du-bist-was-du-traegst https://www.thecathwalk.de/2016/06/02/kleider-machen-leute-denn-du-bist-was-du-traegst/?pk_campaign=feed&pk_kwd=kleider-machen-leute-denn-du-bist-was-du-traegst#comments Thu, 02 Jun 2016 08:08:00 +0000 http://thecathwalk.de/?p=4856 Zurzeit wird viel über die Frage diskutiert, ob die Kirche an ihrer Sprache kaputtgehe. Man solle anders auftreten und reden. Als ob Jesus nicht selbst einer gewesen wäre, der unverständlich und schwer zu verstehen war. Jesu Unterweisungen waren fast immer eine Fremdsprache für seine Schüler. Es geht nicht um die Sprache, sondern um die Kleidung. […]

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Zurzeit wird viel über die Frage diskutiert, ob die Kirche an ihrer Sprache kaputtgehe. Man solle anders auftreten und reden. Als ob Jesus nicht selbst einer gewesen wäre, der unverständlich und schwer zu verstehen war. Jesu Unterweisungen waren fast immer eine Fremdsprache für seine Schüler. Es geht nicht um die Sprache, sondern um die Kleidung. Ein Beispiel der Absonderung ist vor allem die Priesterkleidung. Sie soll die Sonderstellung, die die Weihe verleiht unterstreichen. Bischöfe und Priester sollen sich bewusst nicht wie Kumpel an der Theke geben. Erfüllt die Kleidung noch ihren Zweck?

Soutane, Kollar und Karo-Pullover

Wer meint Kleidungsfragen seien irrelevant, war noch nie in einem Priesterseminar. Dogmatik? Pastoraltheologie? Alles sekundär. Wichtig ist, wer Kollar trägt und wer meint, die Weihegnade brauche keine textile Ausdrucksform. Kleider machen Leute. Kleider können integrieren, isolieren wie auch die eigene Persönlichkeit ausdrücken. Die katholische Theologie legte besonders im 19. Jahrhundert wert darauf, dass sich der Priester über seine Sonderstellung bewusst wird, dass er den „ontologischen“ Unterschied, den die Weihe verleiht – er ist dann Kleriker im Gegensatz zu Laien – auch mit seiner Kleidung ausdrückt. Der Patron des Antimodernismus, der hl. Pius X., formulierte dementsprechend: „Trage die Soutane und die Soutane trägt dich.“ Durch Kleidung ist über Generationen die kirchlich gewollte Sonderstellung der Priester zementiert und verstärkt worden.

Erst durch die zunehmende Modernisierung und Demokratisierung der Gesellschaft seit den 60er Jahren wollten die Priester diese stoffliche Unterscheidung nicht mehr mitmachen. „Alle Menschen werden Brüder“, keine Standeskleidung mehr, keine Sonderstellung, keine Absonderung. Mitunter gab es jedoch eine neue Priestermode, die sich dadurch auszeichnete, besonders eigenwillige Karomuster zu tragen. In diese Zeit fällt auch ein Kleidungsumbruch be den Laien.

Der Anzug bei den Männern und das Kleid bei den Frauen wurden unpopulär. Sie erhielten gleicheitig den Ruf des Überholten, sie würden überkommene Rollen- und Gesellschaftsbilder repräsentieren, sodass man diese Kleidung aus politischen Gründen schon nicht mehr tragen dürfe. Kleidung ist damit Bekenntnisfrage. Noch heute erkennt man gewisse kirchliche Gruppen an ihrer Kleidung. Ob es um Form und Farbe der Brille oder um Hemden, Röcke und Hosen geht. Je mehr sich eine Gruppe gesinnungsethisch aufgeladen hat, je mehr drückt die Kleidung das aus.

Der Weg zum Business-Look

Doch auch dieser eigenwillige Kleidungsstil ist bei der neuen Generation weitgehend gebannt.  Man will als Priester nicht auffallen – im negativen Sinn – sondern sich an der Mode orientieren. Auch kirchliche Laien wollen nicht durch Modesünden auffallen. Wer mag schon anhand seiner skurrilen Antimode erkannt werden wollen? Heute gilt der Business-Style als Vorbild. Es gilt irgendwie cool, locker, offen, aber gleichzeitig auch seriös und intelligent aufzutreten.

Priester wie Laien bedienen sich in Kleiderfragen beim Business- und Managermilieu. Priester wollen nicht T-Shirt oder Soutane Soutane tragen aber auch nicht den Ruf eines „Krawattenpriesters“ erhalten; Kollar dann, wenn es „cool“ wirken kann, sonst Business-Look. Es wird Hugo Boss und Tommy Hilfinger getragen. Sieht man sich eher „gesellschaftskritisch“ geht vielleicht auch C&A. Sakko und Hemd in Kombination gilt aus seriös und cool. Bei den Frauen ist ein stärkerer Trend hin zu Röcken und Kleidern zu erkennen. Die alten 68er Kämpfe sind vorbei. Die Mode besiegt die politischen Kämpfe.

Die Kleiderfrage symbolisiert die Identitäskrise

Nach dem evangelischen Theologen Rudolf Bultmann ist Jesus ins Kerygma, in die Verkündigung auferstanden. Da Inhalte jedoch immer unklarer und unsicherer werden, wird Kleidung als Kompensation immer wichtiger. Wer sich gut kleidet und stylt, wird entsprechend geachtet und kannn inhaltliche Mängel verstecken.

Um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: Passt Absonderung in eine demokratische Gesellschaft? Diese Frage wird vor allem von älteren Priestern eher verneint, weshalb man sich bewusst nicht durch die Kleidung von anderen unterscheiden will. Integration gilt als hohes Ziel. Unter den Jüngeren hingegen gibt es viele, die – auch textile –  Unterscheidungslosigkeit als Verflachung werten. Sie wollen durch das Tragen von Kollarhemden und Soutane wieder „klare Kante“ und „Profil“ zeigen. In der Betonung der Differenz wird ein Ausdruck der Katechese gesehen. Ob man durch Kleidung jedoch eine Identitätskrise verbergen kann, ist zweifelhaft. Bei den Laien war die Frage der Absonderung nie ein besonderes Problem. Denn Kleidung dient dort nicht zum Erkennungszeichen, das etwa die „Taufgnade“ ausdrücken soll.

Kleider und Worte in den Dienst stellen

Das Auftreten und die Rhetorik muss vom Ziel bestimmt werden und dieses hat Jesus denen, die er in den Dienst berufen hat, klar gemacht: „Geht hinaus in alle Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“! (Mk 16, 15). Ist das nun eine verständliche Sprache, die man an der Theke spricht? Ist das ein Auftrag, Soutane oder Hemd zu tragen? Das Ziel bestimmt die Antwort. Und daher ist auch Kleidung nur ein Mittel.

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