Rom Archive - cathwalk.de https://www.thecathwalk.de/tag/rom/ Abendland & Alte Messe Sat, 05 Feb 2022 18:37:43 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.5.2 https://www.thecathwalk.de/wp-content/uploads/sites/2/2017/04/cropped-Logo-The-Cathwalk-transparenter-Hintergrund-150x150.png Rom Archive - cathwalk.de https://www.thecathwalk.de/tag/rom/ 32 32 Doku: Hitler und der Papst https://www.thecathwalk.de/2017/04/29/doku-hitler-und-der-papst/?pk_campaign=feed&pk_kwd=doku-hitler-und-der-papst https://www.thecathwalk.de/2017/04/29/doku-hitler-und-der-papst/?pk_campaign=feed&pk_kwd=doku-hitler-und-der-papst#respond Sat, 29 Apr 2017 05:00:02 +0000 http://thecathwalk.de/?p=10481 Pius XII. bezog nicht offen Stellung gegen den Rassenwahn und Völkermord der Nazis. Neuere Untersuchungen sollen belegen, dass der umstrittene Papst den Widerstand heimlich mit Informationen versorgte, um Hitler zu stürzen. https://www.youtube.com/watch?v=O5wKB6_EhMM

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Pius XII. bezog nicht offen Stellung gegen den Rassenwahn und Völkermord der Nazis. Neuere Untersuchungen sollen belegen, dass der umstrittene Papst den Widerstand heimlich mit Informationen versorgte, um Hitler zu stürzen.

https://www.youtube.com/watch?v=O5wKB6_EhMM

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Der Revolutionär https://www.thecathwalk.de/2017/04/23/der-revolutionaer/?pk_campaign=feed&pk_kwd=der-revolutionaer https://www.thecathwalk.de/2017/04/23/der-revolutionaer/?pk_campaign=feed&pk_kwd=der-revolutionaer#comments Sun, 23 Apr 2017 08:30:38 +0000 https://www.thecathwalk.de/?p=11021 Von Dr. Michael Kunze Wer Reform will, erneuert das Bestehende mehr oder weniger behutsam. Martin Luther aber stürzte Kirche, Politik und Gesellschaft seiner Zeit um – mit langanhaltenden Folgen, die auch im Jahr des Reformationsgedenkens nachwirken. DRESDEN. Martin Luther wollte keine Spaltung der Kirche, sondern sie reformieren. So lautet der Tenor bei Kirchenvertretern oder Politikern […]

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Von Dr. Michael Kunze

Wer Reform will, erneuert das Bestehende mehr oder weniger behutsam. Martin Luther aber stürzte Kirche, Politik und Gesellschaft seiner Zeit um – mit langanhaltenden Folgen, die auch im Jahr des Reformationsgedenkens nachwirken.

Die einen widmeten ihm Denkmäler, die andern sahen dunkle Wolken mit dem Wittenberger aufkommen: Martin Luther wurde und wird für vieles instrumentalisiert, legte dafür aber selbst die Grundlagen. Foto: Michael Kunze

DRESDEN. Martin Luther wollte keine Spaltung der Kirche, sondern sie reformieren. So lautet der Tenor bei Kirchenvertretern oder Politikern im Jahr des Reformationsgedenkens. Auch katholische Theologen wie Dirk Ansorge von der Hochschule Sankt Georgen sind von der Reformabsicht des Wittenbergers überzeugt. Die Wirklichkeit vor 500 Jahren legt aber einen anderen Schluss nahe: Luthers Wunsch nach Kirchenreform war bald nach Veröffentlichung seiner 95 Thesen wider den Ablasshandel erschöpft. Dann betrieb er so aus- wie tiefgreifend Spaltung und Revolution statt Wandel und Erneuerung des Bestehenden. Bei Luthers Tod 1546 war das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“ geteilt in ein evangelisches, sich konfessionell weiter zerfaserndes und in ein katholisches Lager. Unzählige hatten den Streit mit ihrem Leben bezahlt – lange vor dem Gemetzel des Dreißigjährigen Krieges.

Der antirömische Affekt lebt weiter

Die religiösen und gesellschaftlichen Konsequenzen bis in Familien hinein währten Jahrhunderte. Ältere kennen noch die mitunter dramatischen Umstände, wenn vor 60, 70 Jahren zum Beispiel eine gemischtkonfessionelle Eheschließung zur Debatte stand. Da haben Eltern Kinder enterbt, sich Familien zerstritten, wurde einander verstoßen. Die Spaltung, die Luther mit Fürstenhilfe einleitete, stellte sich als derart gravierend und nachhaltig heraus, dass es bald 500 Jahre brauchte, um sich Luthers und der Ereignisse des Herbstes 1517 ohne Siegesfeier wider die Altgläubigen in Rom zu erinnern, bei der das katholische Deutschland stets als unsicherer Geselle in nationaler Sache abqualifiziert worden war.

Auch Bismarck hielt das noch so; er ließ wenig unversucht, Katholiken zu unterdrücken – im Kampf gegen Zentrumspartei, Konfessionsschulen, kirchliche Ehe. Der antirömische Affekt hielt sich bis weit ins 20. Jahrhundert. Für eine Vielzahl von Katholiken wirkt er abgeschwächt noch immer, wenn sie sich den Umgang deutscher Medien oder Politiker wie der evangelischen Bundeskanzlerin mit Papst Benedikt XVI. im Zusammenhang mit Holocaustleugner und Ex-Piusbruder Richard Williamson in Erinnerung rufen.

Die politischen Auswirkungen von Deutschlands weltweit einmaliger Spaltung sind das eine, das andere die religiösen. Luther hat die Kirche nicht reformiert; er zwang andere, dies zu tun, nachdem er ihr den Rücken gekehrt hatte und schuf parallel dazu eine neue, die das Gegenteil der katholischen sein sollte. Das wird im Verhältnis zum Papstamt offenbar, das Luther anfangs als Ausdruck menschlichen, nicht aber göttlichen Rechts noch akzeptierte. Es zeigt sich auch darin, welche Rolle Kirche als Institution für Lutheraner spielt. Diese unterscheidet sich grundsätzlich von dem, was sie für Katholiken darstellt. Während sie letzteren als Gottes Werkzeug gilt, mit dem er jetzt, direkt, sichtbar in der Welt handelt, ist sie für Lutheraner organisatorisches Mittel zum Zweck.

Die Katholische Kirche beruft sich für die herausgehobene Stellung des Papstes als Nachfolger des Apostels Petrus auf das Matthäus-Evangelium. Dort stehen Jesu Worte: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.

Weihe verändert das Amt

Alles, was sich daraus ergibt, deutet der Form nach auf Dauer hin, dazu auf hohe Autorität. Darauf fußt die katholische Hierarchie. Diese leitet die Stellung der Bischöfe, deren erster der von Rom ist, aus dem Handeln in direkter Nachfolge der Apostel ab. Jesus selbst hat sie in die Welt gesandt. Durch Handauflegen wurde diese besondere Würde von den Aposteln, dem Zwölfer-Kreis um Jesus, an die Bischöfe weitergegeben. Lutheraner hingegen kennen kein Weiheamt; die Abfolge des Handauflegens ist bei ihnen unterbrochen. Denn Luther ging vom Priestertum aller Gläubigen aus, zu dem jeder Getaufte berufen ist. Die Landesbischöfe sind eine junge Notlösung, entstanden nach Untergang der Monarchien in Deutschland. Bis dahin waren die Fürsten Oberhäupter der Landeskirchen, dazu gab es als deren „Aufseher“ Superintendenten, Bischöfe hingegen nicht.

Der evangelische Pfarrer wiederum leitet eine Gemeinde mit dem aus Laien bestehenden Kirchenvorstand gemeinsam. Er ist durch sein Theologiestudium zwar religiös besonders gebildet, erhält aber keine Weihe (aus der sich weitreichende Rechte und Pflichten ableiten) wie sein katholischer Amtsbruder. Lutheraner ordinieren ihre Pfarrer. Das heißt, sie werden gesegnet und ausgesandt, um Gottes Wort zu verkünden und die Sakramente zu verwalten. Luther war der Überzeugung, dass es vor Gott nicht auf Leistung ankommt, da Erlösung nur als dessen Gnadenakt denkbar ist (dem schließen sich Katholiken heute weitgehend an). So verbiete sich ein Priesterstand, der durch Weihe, Gelübde, Lebensform über anderen Gemeindegliedern steht.

Während das lutherische „ecclesia semper reformanda“ betont, dass sich „Kirche immerfort wandeln“ muss, um Jesu Botschaft zeitgemäß zu verkünden, hebt die Katholische Kirche Kontinuität hervor. Sie fürchtet den Bruch mit der Tradition wie der Teufel das Weihwasser. Immer geht es darum, die große Linie aus der Zeit Jesu bis in die Gegenwart weiter zu zeichnen – auch mal kurvig, doch ohne Unterbrechung. Dem Zeitgeist wird mit Skepsis begegnet. Nicht allein die Schrift, Luthers „sola scriptura“ – nur das, was in der Bibel steht –, dient als Richtschnur katholischen Christseins. Die Bibel ist vielmehr einer von weiteren, wenn auch ein wichtiger Stein des Hauses Kirche. Ihre Entstehung ist dabei selbst Folge eines kirchlichen Traditionsprozesses: beispielsweise von Konzilsbeschlüssen oder Glaubensprüfungen und Erkenntnisprozessen der Kirchenväter, die die Aufnahme der vier Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes ins Neue Testament nach sich zogen, während andere Schriften außen vor blieben (die sogenannten Apokryphen).

Kirchenverständnis gilt als Haupthinderungsgrund für weitere Annäherung

Luther war im Wortsinne Fundamentalist; er warf der Kirche vor, sie habe sich zu weit von ihren Wurzeln entfernt, führende Vertreter hätten sich zu sehr diesseitigen Zwecken ausgeliefert und die Gläubigen gleich mit. Was er am Ablass kritisierte, war die Verknüpfung von weltlicher Leistung, klingender Münze, mit jenseitigem Lohn – getreu dem Motto des Pirnaer Predigers Johann Tetzel: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt.“ Viele Missstände hat die Katholische Kirche nach und nach abgestellt. Schon auf dem Konzil von Trient (1545-1563), das allerdings Jahrzehnte zu spät kam, wurden grundlegende Reformen eingeleitet.

Diese konnten das sich aus dem unterschiedlichen Kirchen- ergebende abweichende Amtsverständnis bei Katholiken und Protestanten nicht mehr zusammenführen, das heute als Haupthinderungsgrund weiterer Annäherung gilt. Es gibt aber zusätzliche Unterschiede wie die Anzahl der Sakramente. Katholiken kennen sieben dieser sichtbaren Zeichen, die die unsichtbare Wirklichkeit Gottes vergegenwärtigen und die die, denen sie gespendet werden, an dieser Wirklichkeit teilhaben lassen: Taufe, Eucharistie (Kommunion/Abendmahl), Beichte, Firmung, Ehe, Krankensalbung, Priesterweihe. Luther hat nur zwei akzeptiert: Taufe und Abendmahl, auch wenn er die Krankensalbung für einen guten Brauch hielt und die Beichte schätzte. Was beim Abendmahl passiert, deutete er teils abweichend vom katholischen Verständnis.

Was das in der Konsequenz bedeutet, mag eine Begebenheit illustrieren, von der im Januar 2007 der „Wiesbadener Kurier“ berichtete: Dem Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz war seinerzeit in der Heiligen Messe aufgefallen, dass jemand eine konsekrierte Hostie stehlen wollte. Zu Eltz suchte dies zu verhindern. Der Zeitung gegenüber gab er an, den Leib Christi, denn darum handelt es sich nach katholischem Verständnis, notfalls mit seinem Leben zu verteidigen. Währenddessen berichtet der Ökumenebeauftragte der als sehr konservativ geltenden Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Peter Meis, gegenüber dem Autor, dass es in seinem Kirchensprengel den Pfarrern überlassen sei, wie sie etwa mit Wein umgehen, der beim Abendmahl übrigbleibt. „In der Regel wird er weggeschüttet“, sagt er. Nur solche Pastoren, die dem katholischen Verständnis sehr nahe stünden, hielten es anders.

Sakrament, ja oder nein, maß Luther jedenfalls daran, ob ein Zeichen von Jesus selbst eingesetzt worden ist und davon die Bibel entsprechend berichtet. Für ihn galt das nur für die genannten beiden. Auch wenn Meis in der Rückschau von einem „erstaunlichen Reformweg“ der Katholiken spricht, nicht erst seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, sondern seit Trient, bleiben die genannten großen, maßgeblich von Luther inspirierten Unterschiede, die auch dazu führen, dass es Katholiken beispielsweise (anders als in einem Gottesdienst der Orthodoxen) auf Geheiß der eigenen Kirchenführung nicht gestattet ist, am lutherischen Abendmahl teilzunehmen. Während zudem seit einiger Zeit Frauen in immer mehr lutherischen Kirchen auch jenseits Deutschlands Pfarrer werden können, ist ihnen dies in der Katholischen Kirche verwehrt. Maßstab dafür ist, dass Jesus in den Kreis seiner Apostel nur Männer berufen hat, was die Katholische Kirche gerade nicht als Ausdruck zeitbedingter Benachteiligung von Frauen interpretiert.

Auch wenn in diesem Jahr die Errungenschaften Luthers gewürdigt werden – als Bibelübersetzer, Hochdeutsch-Entwickler, Streiter fürs Selberlesen und Kämpfer wider Korruption in der Kirche –, ändert dies nichts daran, dass er die Kirche („weg von Rom“) und Deutschland selbst gespalten hat. Ausgerechnet letzteres wird selten beachtet, gilt er doch gerade jenen als Leumund, die die nationale Einheit in Abgrenzung zum Anderen entgegen dem allumfassenden, katholischen Prinzip besonders beschwören. Dabei scheiterte Luther mit seinem Ansinnen, eine deutsche Nationalkirche zu schaffen und ein Nationalkonzil einzuberufen. Die Bauernmassen, die sich auf die von ihm proklamierte Gewissensfreiheit beriefen, um auch ihre vielfach prekäre politisch-wirtschaftliche Stellung zu verbessern, ließ er mithilfe seiner fürstlichen Unterstützer totschlagen. Er hielt die Aufrührer für vom Teufel besessen.

Innerkirchliche Reformen trieben statt Luther andere voran

Reformen in der Kirche wollten aber andere, Luthers Zeitgenosse Erasmus von Rotterdam etwa, den Luther beschimpfte. Dabei hatte der sich wortgewaltig mit dem Zustand der Klöster oder der aus dem Ruder gelaufenen Heiligenverehrung auseinandergesetzt: „Wir küssen die Schuhe der Heiligen und ihre schmutzigen Schweißtücher“, schrieb er, „ihre heiligsten und wirksamsten Reliquien aber, nämlich ihre Bücher, lassen wir achtlos liegen.“ Doch der Humanist blieb katholisch, obwohl einige seiner Schriften auf dem Index landeten: „In Luthers Kirche hätte ich eine der Koryphäen werden können“, sagte er, „aber ich wollte lieber den Hass ganz Deutschlands auf mich ziehen, als mich von der Gemeinschaft der Kirche zu trennen.“ Während Erasmus außerdem für die menschliche Willensfreiheit eintrat, verwarf Luther diese. Es kommt so nicht von ungefähr, dass der Wittenberger heute manchen Historikern stärker als Exponent mittelalterlichen Denkens gilt, das er eher fortschrieb, denn als Neuerer – was paradox anmutet angesichts all der Veränderungen, die er bewirkte.

Deutlich wird das zum Beispiel im Teufels- und Dämonenglauben, „dem Luther eine Buchstäblichkeit beließ, die seit dem 13. Jahrhundert nicht mehr selbstverständlich war“, schrieb der Mittelalter-Historiker Kurt Flasch. Außerdem fordere uns die Luther-Verehrung auf, Doctor Martinus aus seiner Zeit heraus zu verstehen, so Flasch, was als bewährtes Prinzip moderner historiografischer Forschung gilt. Es führt aber mit Blick auf Luther zu zweierlei Maß. Während man ihm oder Begleitern einiges als „mittelalterlich“ oder zeitgebunden („die wussten es nicht besser, das muss man verstehen“) durchgehen lässt, zeigt sich der kritische Betrachter gegenüber (katholischen) Zeitgenossen vielfach weniger nachsichtig. Dass Luther die Doppelehe des wichtigen Verbündeten und Landgrafen Philipp von Hessen rechtfertigte – „diese wüssten wir nicht zu verurteilen“ –, taugt oft nur als Fußnote. Aus theologischer Sicht war das unglaublich. Aber die Zustände in Rom!

Doch Luther wollte den nachhaltigen Bruch mit der „alten“ Kirche, dafür brauchte er Verbündete. Und nur wer sich von Gott persönlich beauftragt wähnt, konnte, wie er im Jahre 1522, sagen: „Wer meine Lehre nicht annimmt, der möge nicht selig werden.“ Das lässt sich nicht auf einen Nenner bringen mit dem „Alle sollen eins sein“, das Jesus selbst im Johannes-Evangelium forderte. Nur Abweichler in den eigenen Reihen verurteilte er rigider als Römisch-Katholisches: Die „Irrtümer“ des Wegbereiters der Reformierten Kirche, Ulrich Zwingli, hielt Luther für siebenmal schlimmer als die der „Papisten“. Dabei hatte auch der Apostel Paulus, den Luther verehrte, einst an die Gemeinde in Korinth geschrieben: „Ich ermahne euch aber, Brüder, im Namen Jesu Christi, … duldet keine Spaltungen unter euch.“ Vielleicht nicht in erster Absicht, doch in der Konsequenz hatte Luther sein halbes Leben lang an nichts anderem gearbeitet.

Bild: Jakob Gleisberg

Dr. Michael Kunze (*1982) ist Journalist, Autor, Blogger, Zeitzeuge. Beiträge für Hörfunk und Zeitung (u.a. FAZ, FAS sowie Die Tagespost) zu Politik, Kultur/Feuilleton, Wirtschafts- und Wissenschaftsthemen, Lokalem. Interesse an Kunst, Literatur und Mode, klassischer Gitarrenmusik von Hans Neusidler bis John Dowland, Politik, Sakralarchitektur und (katholischer) Theologie. Zuletzt erschien: „Sigmund Neumann – Demokratielehrer im Zeitalter des internationalen Bürgerkriegs“, Berlin 2015.

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Italien: das kleine, gallische Dorf der Esskultur https://www.thecathwalk.de/2016/10/13/italien-das-kleine-gallische-dorf-der-esskultur/?pk_campaign=feed&pk_kwd=italien-das-kleine-gallische-dorf-der-esskultur https://www.thecathwalk.de/2016/10/13/italien-das-kleine-gallische-dorf-der-esskultur/?pk_campaign=feed&pk_kwd=italien-das-kleine-gallische-dorf-der-esskultur#comments Thu, 13 Oct 2016 05:30:38 +0000 http://thecathwalk.de/?p=5539 Kulturimperialismus findet auch auf dem kulinarischen Feld statt. Dort widersetzt sich der italienische David tapfer dem amerikanischen Goliath der Globalisierung. Ein paar Gedanken darüber, wie Amerika und Rom sich gleichen – und weshalb die USA scheitern (werden). Wer Imperien verstehen will, muss Rom begreifen. Die eigentliche Macht Roms bestand nicht im Militär, sondern im Licht […]

Der Beitrag Italien: das kleine, gallische Dorf der Esskultur erschien zuerst auf cathwalk.de und wurde von Marco Gallina verfasst.

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Kulturimperialismus findet auch auf dem kulinarischen Feld statt. Dort widersetzt sich der italienische David tapfer dem amerikanischen Goliath der Globalisierung. Ein paar Gedanken darüber, wie Amerika und Rom sich gleichen – und weshalb die USA scheitern (werden).

Wer Imperien verstehen will, muss Rom begreifen. Die eigentliche Macht Roms bestand nicht im Militär, sondern im Licht seiner Kultur. Als Rom seinen Rivalen Karthago unterwarf, war es der Hegemon des Mittelmeers geworden; aber erst, da Rom das östliche Mittelmeer erobert hatte, war es eine Weltmacht. Der Vorgänger der römischen Weltmacht bildet die alexandrinische Weltmacht, die jedoch schnell zerfiel. Was von Alexander dem Großen blieb, waren die griechischen Teilreiche, in denen die griechischen Eliten das Heft in der Hand hatten und die griechische Kultur und Sprache verbreiteten – noch im Römischen Reich galt Griechisch als Amtssprache des Ostens.

Diese Hellenisierung beendete erst die Romanisierung. Die Römer übernahmen auch Teile der griechischen Kultur, keine Frage; dennoch erfolgte hier eine Zäsur, in dessen Folge Rom unangefochten für 400 Jahre den Status einer antiken Weltmacht hatte. Umliegende Völker wurden romanisiert, obwohl sie offiziell nicht zum Reich gehörten. Selbst die Germanen, die in Deutschland noch immer als Widerständler dargestellt werden, waren eher Verbündete denn Feinde. Im regen Handelsaustausch übernahmen tributpflichtige Nachbarn und die Vertreter von Klientelstaaten die römische Kultur. Die Romanisierung war damit Zeichen eines „weichen Imperialismus“.

Hier zeigt sich die wahre Macht Roms: denn obwohl 476 das Westreich fiel, hatten selbst die romanisierten Germanen (vulgo: die Deutschen) nichts Besseres zu tun, als dieses mit Karl dem Großen wiederzubegründen und 1.000 Jahre lang weiterzuführen. Die Franken ließen römische Säulen nach Aachen schaffen und knüpften immer wieder an die Tradition römischer Imperatoren an. Die Romidee war so gewaltig, dass sie Jahrhunderte überdauerte, ja, sogar den Alltag prägte, wenn man vom Christentum als alltäglichste Tradition des Imperium Romanum denkt.

Ähnliches lässt sich für das andere Weltreich sagen: Chinas Größe fußte nicht nur auf der gewaltigen Anzahl seiner Bevölkerung oder der Weite seiner Fläche, sondern vor allem auf seinem Einfluss. Die Völker Indochinas, die Koreaner und Japaner übernahmen Religion und Kultur aus dem Reich der Mitte, sogar die Architektur inspirierte sich an chinesischen Vorbildern. Das ist der Grund, warum der Europäer glaubt, eine „ostasiatische Kultur“ ausmachen zu können; ähnlich wie die Chinesen noch lange Zeit Europa als Daqin bezeichneten: Rom!

Umso begreiflicher dürfte es werden, wie wenig von unserer eigenen europäischen Identität – ob regional, national oder zivilisatorisch – bleibt, wenn wir uns vom römisch-griechischen und christlichen Erbe entfernen. Je größer die Distanz zu diesem Erbe wird, umso weniger Europäer wird man. Eigentlich – so muss man feststellen – wird man gar nichts. Am Ende bleibt der pure Relativismus. Richard Strauss meinte einmal, dass eine Person, die Homer nicht gelesen habe, kein Mensch sei.

In diesem Augenblick erklärt ein Blick in das EU-Parlament, wie wenig Europäer eigentlich dort drinnen versammelt sind, als vielmehr die Anhänger einer EU-Ideologie; und gespielt erschrocken stellt man fest, dass die EU tatsächlich das Gegenteil von Europa ist.

Kommen wir zurück zum weichen Imperialismus. Nach einem jahrzehntelangen Konflikt, der durchaus mit dem von Rom und Karthago vergleichbar ist, und in der zwei Reiche ihre jeweilige Vorherrschaft auf der Welt als Einflusszonen absteckten, glaubt sich die USA als Hegemon. Wie oben gezeigt, macht es das aber nicht automatisch zur Weltmacht, bevor nicht der Osten ebenfalls dazugehört (ja, wortwörtlich!). Die Amerikanisierung hat dabei in Deutschland solche Ausmaße angenommen, dass man wohl halber Italiener sein muss, um sie wirklich zu begreifen.

Es mutet vielleicht bieder an, aber wenn man selbst nicht mehr zum Geburtstag „Zum Geburtstag viel Glück“, sondern lieber „Happy Birthday to you!“ singt, dann kommt man ins Nachdenken. Ein Italiener würde das allein wegen der miserablen Englischkenntnisse nicht hinbekommen. Das mag man als Ignoranz verstehen, ist es vermutlich auch. Aber auch ignoranter, unbewusster Widerstand, bleibt Widerstand.

Ich habe in einem anderen Beitrag, Beim Schneiden der Tomaten, bereits aufgezeigt, wie sehr die Esskultur Teil an unserern wirklichen Kultur hat. Gerade Deutschland – wo Essen als Zweck, als Effizienz, als unwichtiges Intermezzo angesehen wird – ist hier sehr empfänglich. Der Wert des Essens wird nicht wahrgenommen – wo wir doch im besten Falle dreimal täglich dieses Ritual begehen. Welches alltägliche Ritual im Leben vollführen wir sonst dreimal am Tag? Womöglich nur das Gebet, wenn man fromm ist (und damit geht es ja erst recht zurück).

Das heißt: wir sind nicht nur das, was wir essen; vielmehr existiert ein kaum so unscheinbarer Prozess, der uns mehr prägt als dieser, und das völlig unterbewusst.

Das Essen ist jedoch den Anhängern der romanischen Kultur heilig, allen voran dem Italiener. Bis heute kann man zu geringem Preis immer noch formidabel speisen. Und jedweder Kulturimperialismus aus Amerikanien beißt sich hier die Zähne aus.

Der einsamste McDonalds der Welt steht im Gaumenparadies Mantua: direkt am zentralen Platz der Stadt in bester Lage, eingerahmt von vollbesetzten Gaststätten, wartet dort eine einzelne Bedienung gelangweilt an der Kasse – hoffnungslos.

Insofern kann mich die Nachricht, dass Starbucks es nicht schafft, in Italien Fuß zu fassen, nicht verwundern. Eher muss man sich fragen, wie entfernt vom Leben einige Leute sein müssen, sich diese Frage zu stellen. In Italien bekommt man an jeder Ecke Kaffee auf höchstem Niveau, und wenn jemand mehr als 2 Euro verlangt, ist das Gesprächs- und Aufregerthema. Danach ist der Laden verbrannt, zumindest für das Gros der Kundschaft (Touristen kann man ja immer abzocken).

In Italien existieren – wie einst in allen europäischen Ländern – kleine und mittlere Unternehmen, welche die Hauptlast tragen. Das ist bei diesem Geschäftszweig nicht anders. Und wer Italiener mal in der Bar beobachtet, der weiß, dass jeder, wirklich jeder, eine Sonderbestellung hat. Jeder will seinen Kaffee individuell gestaltet. Zumindest der echte Italiener. Ich war nie in einem Starbucks-Laden, aber spätestens an dieser Anarchie würden die meisten Bedienungen schon verzweifeln, wenn sie die vielen Bestellungen aufnehmen müssen. Bruno Bozzetto, der Erfinder von „Signore Rossi“, hat es mal passend auf den Punkt gebracht.

Geradezu lächerlich wirkt dann das Argument, dass Italien bisher keine eigene, internationale Kette aufgebaut hätte, weil die Bedienung klauen würde. Italien eben. Aber jetzt mal ernsthaft: eine internationale italienische Kaffeehauskette würde doch im Ausland operieren. Heißt, gerade eine italienische Kaffeehauskette wäre im Ausland effizienter als daheim. Logik? Sam, bitte übernehmen Sie.

Vielmehr hört man doch da den Vorwurf raus, Italien sei es sowieso nicht wert, erobert zu werden. Das Argument kennen wir ja noch aus dem alten Rom…

Marco Fausto Gallina studierte Politik- und Geschichtswissenschaften in Verona und Bonn. Geboren am Gardasee, sozialisiert im Rheinland, sucht der Historiker das Zeitlose im Zeitgeistigen und findet es nicht nur in der Malerei oder Musik, sondern auch in der traditionellen italienischen Küche. Katholische Identität und europäische Ästhetik hängen für ihn dabei unzertrennlich zusammen. Unter den Schwingen des venezianischen Markuslöwen betreibt er seit 2013 sein Diarium, den Löwenblog.

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Pius XII. und die Shoah (2/2) https://www.thecathwalk.de/2016/03/10/pius-xii-und-die-shoah-22/?pk_campaign=feed&pk_kwd=pius-xii-und-die-shoah-22 https://www.thecathwalk.de/2016/03/10/pius-xii-und-die-shoah-22/?pk_campaign=feed&pk_kwd=pius-xii-und-die-shoah-22#comments Thu, 10 Mar 2016 06:00:18 +0000 http://thecathwalk.net/?p=2695 Sein „Schweigen“ zur Judenfrage im 2. Weltkrieg von Matthias Jean-Marie Schäppi Finanzielle Hilfsaktionen und Unterstützung jüdischer Emigranten in aller Welt … Durch unmittelbar von Pius XII. ausgehende Aktion konnten 85 % der 9600 in Rom lebenden Juden von der Kirche versteckt und so vor der Deportation bewahrt werden.1 Aber auch auf andere Weise half der […]

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Sein „Schweigen“ zur Judenfrage im 2. Weltkrieg

von Matthias Jean-Marie Schäppi

Finanzielle Hilfsaktionen und Unterstützung jüdischer Emigranten in aller Welt

Durch unmittelbar von Pius XII. ausgehende Aktion konnten 85 % der 9600 in Rom lebenden Juden von der Kirche versteckt und so vor der Deportation bewahrt werden.1 Aber auch auf andere Weise half der Papst den römischen Juden nach Kräften.“2 …

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Papst Pius XII. während der Krönungsfeier 1939 auf der Sedia gestatoria

Nicht nur durch diese persönlichen Akte tätiger Nächstenliebe, sondern auch durch wichtige finanzielle Hilfsaktionen hat Papst Pius XII. die Juden tatkräftig unterstützt.“3 Als Oberhaupt der katholischen Kirche gab er große Summen aus dem vatikanischen Vermögen für Hilfsaktionen aus, sein Privatsekretär Robert Leiber bezeugt sogar, wie weit der Papst dabei ging: „Er gab sein gesamtes Privatvermögen zu ihren Gunsten aus […] Pius gab aus, was er als ein Pacelli selbst von seiner Familie erbte.“4 So konnte Pius XII. bereits in einem Schreiben an den Berliner Bischof Konrad Graf von Preysing vom 30. April 1943 eine erste Zwischenbilanz über seine finanziellen Hilfsaktionen ziehen: „Von den sehr hohen Summen, die Wir in amerikanischer Währung für Übersee-Reisen von Emigranten ausgeworfen haben, wollen Wir nicht sprechen; Wir haben sie gerne gegeben, denn die Menschen waren in Not; Wir haben um Gotteslohn geholfen, und haben gut daran getan, irdischen Dank nicht in Rechnung zu stellen.“5

Weiter heißt es in dem Brief an Preysing: „Für die katholischen Nichtarier wie auch für die Glaubensjuden hat der Heilige Stuhl caritativ getan, was nur in seinen Kräften stand, in seinen wirtschaftlichen und moralischen. Es hat vonseiten der ausführenden Organe Unseres Hilfswerkes eines Höchstmaßes von Geduld und Selbstentäußerung bedurft, um den Erwartungen, man muss schon sagen den Anforderungen der Hilfesuchenden zu entsprechen, wie auch der auftauchenden diplomatischen Schwierigkeiten Herr zu werden.“6

Mindestens 700.000 Juden gerettet

Weil Pius XII. „selbst und seine Mitarbeiter diese Opfer gebracht haben, konnte die ‚katholische Kirche […] unter dem Pontifikat von Pius XII. die Rettung von mindestens 700.000, wahrscheinlich aber sogar von 860.000 Juden vor dem sicheren Tod von den Händen des Nationalsozialismus‘7 ermöglichen. Für diese ‚zahlreichen Aktionen […], die der Heilige Stuhl aus eigener Initiative bei seinen großzügigen und mildtätigen Anstrengungen unternommen hat, den Opfern der Religions- und Rassenverfolgungen zu helfen‘8, ließ US-Präsident Roosevelt dem Papst durch seinen persönlichen Vertreter beim Heiligen Stuhl, Myron C. Taylor, im Jahr 1944 seine ‚tiefgefühlte Würdigung‘ ausdrücken.

Vor allem ist ihm jedoch von jüdischer Seite bereits während des Krieges, noch mehr aber danach und schließlich auch posthum reicher Dank und Anerkennung ausgesprochen worden. […] Von dem […] Oberrabbiner der römischen Gemeinde, Israel Zolli, der später zur katholischen Kirche konvertierte und sich aus Dankbarkeit auf den Namen Eugenio (den Taufnamen des Papstes) taufen ließ, stammt [beispielweise] die treffendste Würdigung der Bemühungen Pius’ XII.: ‚Kein Held der Geschichte hat je ein Heer befehligt, das kämpferischer, bekämpfter und heroischer war als das von Pius XII., der in dieser Schlacht im Namen der christlichen Barmherzigkeit das Kommando führte.‘910

Falsche Frage

Zahlreiche Akten zur Dokumentation dieser Anstrengungen liegen in den vatikanischen Archiven, die jedoch ab 1939 – also für das gesamte Pontifikat Pius’ XII. – bisher nicht einsehbar sind. Dass diese Bestände erst im Jahr 2014 allen wissenschaftlich Qualifizierten zugänglich gemacht werden hängt einfach damit zusammen, dass die unglaubliche Menge von Material archivtechnisch noch nicht so aufbereitet ist, dass eine Konsultation durch die allgemeine Forschung möglich wäre. Es ist allerdings bezeichnend, dass das daraus bis jetzt veröffentlichte Aktenmaterial vor allem von Seiten jener, die Pius XII. anzuklagen versuchen kaum zur Kenntnis genommen worden ist. Daraus geht nämlich eindeutig hervor, dass Pius XII. keineswegs geschwiegen, sondern – wenn auch häufig nur sehr diplomatisch – gesprochen und darüber hinaus alles Menschenmögliche für die Juden getan hat.

In diesem Zusammenhang ist David Berger Recht zu geben, der in der Tagespost klarstellte: „Die Frage: ‚Warum schwieg Pius zum Holocaust?’ ist also historisch falsch gestellt. Vielmehr müsste es heißen: Warum sprach er so, wie er sprach; handelte er so, wie er handelte? Hätte er nicht deutlicher protestieren, den Antisemitismus und seine grauenhaften Auswirkungen vor aller Welt verurteilen, Hitler und alle katholischen Deutschen, die ihm folgten, öffentlich exkommunizieren müssen?“11

Markus Schmitt12 versucht hierauf Antwort zu geben, indem er in seinem Buch darlegt, dass Pius XII. gut daran getan hat, „ad maiora mala vitanda Zurückhaltung zu üben“13 in dem Bewusstsein: „Wenn ich protestiere, wird Hitler zur Raserei gebracht. Damit ist den Juden nicht nur nicht geholfen, sondern man muss sogar rechnen, dass sie dann erst recht umgebracht werden.“14 Insgesamt kann man deshalb mit Kardinal Tisserant das Fazit ziehen: „Wenn Pius XII. gegenüber dem flammenden Protest sich für die ‚unterirdische’ Tätigkeit im Interesse der Opfer des Nazismus entschied, so tat er das einzig, um die dramatische Situation nicht noch zu verschlimmern. Das ist eine Wirklichkeit, die die Geschichte nicht leugnen kann. […] Aber […] er erwog vor allem das tödliche Risiko, dem die Opfer des Nazismus im Falle eines lauten Protestes ausgesetzt waren, der genauso unfruchtbar gewesen wäre wie die konkrete, auf Anordnung des Papstes überall in der Kirche verwirklichte Rettungsaktion.“15

Warum Hitler nicht exkommuniziert wurde

Weshalb es Pius XII. aber auch unterließ, Hitler und die führenden Nationalsozialisten wenigstens zu exkommunizieren, begründet „ein persönlicher Freund des Papstes, der Priester und christdemokratische Politiker Don Luigi Sturzo: ‚Tatsächlich war das letzte Mal, dass eine nominelle Exkommunikation gegen ein Staatsoberhaupt ausgesprochen wurde, der Fall Napoleons. Davor war Elizabeth, die Königin von England, exkommuniziert worden. Weder Napoleon noch Elizabeth änderten ihre Politik nach der Exkommunikation.‘16 Im Gegenteil, sie verschärften sie sogar noch. […]

Deshalb wäre eine Exkommunikation im Falle der Nationalsozialisten nicht nur wirkungslos gewesen, sondern Sturzo fürchtete zu Recht, ‚dass Hitler als Reaktion auf die Androhung einer Exkommunizierung die größtmögliche Zahl von Juden töten wird. Und niemand wird ihn davon abhalten können.‘17 Zu diesem Schluss gelangte auch Pius XII., wie er selbst am 17. Oktober 1942 einem italienischen Feldgeistlichen des Malteserordens, P. Pirro Scavizzi, entgegnete, der ihn in einer Audienz umfassend über die Massenvernichtung der Juden informiert hatte: ‚Ich habe wiederholt erwogen, den Nationalsozialismus zu exkommunizieren, um die Bestialität des Judenmordes vor der zivilisierten Welt anzuprangern. Doch nach vielen Tränen und Gebeten bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ein Protest nicht nur den Verfolgten keine Hilfe bringen, sondern sehr wohl das Los der Juden verschlimmern könnte . ‘1819

Von der New York Times gelobt

Aber selbst wenn manchem Zeitgenossen die eine oder andere päpstliche Äußerung dennoch nicht deutlich genug gewesen sein sollte – entscheidend war, was die (wohlgemerkt jüdische!) New York Times am 25. Dezember 1941 im Hinblick auf die päpstliche Weihnachtsbotschaft vom Vortag feststellte: ‚Die Stimme von Pius XII. ist eine einsame Stimme im Schweigen und in der Dunkelheit (…) Er ist so ziemlich der einzige Regierende auf dem europäischen Kontinent, der es überhaupt wagt, seine Stimme zu erheben.‘20

Als er das im Jahr darauf, am Weihnachtsfest 1942, wieder tat und von ‚den Hunderttausenden [sprach], die ohne eigene Schuld manchmal nur wegen ihrer Nationalität oder der Abstammung dem Tode geweiht oder einer fortschreitenden Verelendung preisgegeben sind‘21, resümierte dieselbe Zeitung mit ganz ähnlichen Worten wie im Vorjahr: ‚In dieser Weihnacht ist er mehr denn je die einsame aufbegehrende Stimme im Schweigen eines Kontinents‘22. Und dann weiter: ‚Wenn eine hervorragende Persönlichkeit, die zur unparteiischen Rücksicht auf die Nationen in beiden Lagern verpflichtet ist, […] die Vertreibung und Verfolgung von Menschen aus keinem andern Grund als dem ihrer Rasse anklagt […], dann bedeutet dieses unparteiische Urteil den Spruch eines höchsten Gerichts.‘23

Von den Nazis gehasst

PiusXII_3Nicht weniger deutlich wurde der Papst von den Nationalsozialisten verstanden, die in seiner Weihnachtsbotschaft ‚eine einzige Attacke [sahen] gegen alles, für das wir einstehen‘24, und deshalb ihre Verbreitung untersagten. Der NS-Sicherheitsdienst brachte die Ansprache auf den Nenner: ‚Der Papst sagt, dass Gott alle Völker und Rassen gleichwertig ansieht. Hier spricht er deutlich zugunsten der Juden […]. Er beschuldigt das deutsche Volk, Ungerechtigkeiten gegenüber den Juden zu begehen, und macht sich zum Sprecher der jüdischen Kriegsverbrecher.‘25

Diese Stellungnahme, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt, sei allen entgegen gestellt, die Pius XII. vorwerfen, Opfer und Täter nicht beim Namen genannt zu haben, sodass nicht erkennbar gewesen sei, dass er speziell auf die Judenverfolgung abzielte.“26 Man muss hierzu nicht noch Joseph Goebbels zitieren, der am 9. Januar 1945 in sein Tagebuch schrieb: „Die ‚Prawda‘ [damalige Tageszeitung der KPdSU, die dem Papst vorwarf, mit Hitler zu kooperieren] leistet sich wieder einen starken Ausfall gegen den Papst. Es mutet geradezu humoristisch an, dass der Papst hier als Faschist angeprangert wird, der mit uns im Bunde stände, um Deutschland aus der schwierigen Situation zu retten.“27

Satanischer Feigling“, weil er auf das „Lob der zivilisierten Welt“ verzichtete?

Pius XII. stand vor einem ständigen Gewissensdilemma. Er „war sich […] vollkommen im Klaren: ‚Wir müssten mit feurigen Worten gegen solche Dinge Unsere Stimme erheben‘28; wenn er sich dennoch gezwungen sah, darauf zu verzichten, hielt ihn ‚davor nur das Bewusstsein zurück, dass Wir durch Unsere Reden die Lage dieser Unglücklichen noch schlimmer machen würden.‘29 Daher war die Feststellung des Papstes traurige Wirklichkeit, dass ihm dort, wo er ‚laut rufen möchte, […] leider manchmal abwartendes Schweigen, wo er handeln und helfen möchte, geduldiges Harren geboten‘30 sei.“31 Hinzu kam noch ein weiterer brisanter Punkt, den Pius XII. einem Mitarbeiter gegenüber einmal folgendermaßen zum Ausdruck brachte: „Wenn ich von den Grausamkeiten sprach, dann konnte ich nicht direkt die Nazis nennen, ohne auch die Bolschewisten zu erwähnen, und das wiederum hätte den Alliierten nicht gefallen.“32

Er, der Träger der Schlüsselgewalt, musste seine Ohnmacht erkennen, in dieser Situation nichts damit ausrichten zu können. Doch diese Erkenntnis schmerzte ihn nicht um seiner selbst willen, wie er zu Pater Pirro Scavizzi sagte: ‚Vielleicht hätte mir ein feierlicher Protest

das Lob der zivilisierten Welt eingetragen, aber er hätte den armen Juden eine noch unerbittlichere Verfolgung gebracht als die, die sie jetzt zu leiden haben.‘33 Allein aus verantwortungsvoller Sorge für sie sah er sich, ‚obzwar schweren Herzens‘34, genötigt, darauf zu verzichten und stattdessen ‚mehr den Leidensweg zu gehen als den Weg erfolggekrönten, segenspendenden Wirkens‘35.“36

Zusammenfassung

Pius XII. war also alles andere als ein ‚satanischer Feigling‘, wie ihn Hochhuth bezeichnet; es ging ihm nicht um politischen Erfolg oder ‚das Lob der zivilisierten Welt‘, sondern einzig und allein um Menschlichkeit und christliche Nächstenliebe.“37

Der vorliegende Artikel hat in zwei Teilen den Stand der Forschung in Umrissen aufgezeigt. Dieser Forschungsstand ist ganz eindeutig der, dass der Vorwurf, Pius XII. habe zu dem Holocaust geschwiegen, einfach falsch ist. Pius hat gesprochen, mehrfach. Er hat in einer Sprache gesprochen, die vielleicht heutigen Erwartungen nicht entspricht, die aber zu ihrer Zeit sowohl von den Betroffenen, den Verfolgten als auch von den Verfolgern und der Weltöffentlichkeit sehr wohl verstanden wurde. Wir kennen die Reaktionen aus Kreisen des Nationalsozialismus, wir kennen auch die Reaktionen der amerikanischen Presse. Aus denen geht unmissverständlich hervor, dass man die Reden Pius XII. als ein Protest gegen die Verfolgung und Ausrottung der Juden verstanden hat.

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Rezension hier: http://www.kath.net/news/25384

Grab von Pius XII
Grab Pius’ XII. in den Vatikanischen Grotten des Petersdoms in Rom

1 Vgl. Lapide, S. 93.

2 Schmitt, S. 28f.

3 Ibid., S. 36.

4 Leiber; Lapide S. 132 f., zitiert nach: Look, 17.05.1966, S. 40-50. Wäre Pius XII. tatsächlich, wie Hochhuth behauptet, sehr an Geld und weltlichem Reichtum gehangen, dann wäre die Ausgabe seines gesamten Vermögens erst recht der Beweis dafür, wie sehr ihm die Rettung der Juden und jeglicher Verfolgten am Herzen lag.

5 Pius XII. an Bischof Konrad Graf von Preysing (Berlin), 30.04.1943; Burkhart Schneider (Hg.): Die Briefe Pius’ XII. an die deutschen Bischöfe 1939-1944. Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte bei der Katholischen Akademie in Bayern, Reihe A: Quellen, Band 4, Mainz 1966, S. 241 f.

6 Ibid.

7 Lapide S. 187; vgl. dazu auch seine weiteren Hinweise auf S. 359.

8 Franklin Delano Roosevelt: Botschaft des Präsidenten für Seine Heiligkeit in den Instruktionen des Präsidenten an Mr. Taylor, 03.08.1944. In: Myron C. Taylor (Hg.): Kriegs-Korrespondenz zwischen Präsident Roosevelt und Papst Pius XII., Zürich 1947, S. 131.

9 Eugenio Zolli: Der Rabbi von Rom. Die Autobiografie des Eugenio Zolli, München 2005, S. 262.

10 Schmitt, S. 39f.

11 David Berger: Das Blut ungezählter Menschen erhebt Anklage. In: DT, 19.07.2003.

12 Schmitt, S. 49f.

13 Pius XII. an Bischof Konrad Graf von Preysing, 30.04.1943; Schneider, S. 240.

14 Ders. zu Albrecht von Kessel (laut dessen Aussage bei den Nürnberger Prozessen); Jenö Levai: Geheime Reichssache. Papst Pius XII. hat nicht geschwiegen. Mit einem Vor- und Nachwort von Robert M. W. Kempner, Köln 1966, S. 127.

15 Kardinal Eugène Tisserant; Paul Poupard: Wozu ein Papst? Von Petrus zu Johannes Paul II., Paderborn 1982, S. 160.

16 Don Luigi Sturzo; Lapide, S. 222, zitiert nach: Aryeh Leon Kubovy: To the Silence of Pius XII and the Genesis of the Jewish Document (=Yad Vashem Studies VI)., Jerusalem 1966.

17 Ibid.

18 Pius XII. zu P. Pirro Scavizzi,17.10.1942; Lapide, S. 223, zitiert nach: La Parrocchia, Rom, April 1964.

19 Schmitt, S. 50-52.

20 New York Times, 25.12.1941; Hanspeter Oschwald: Pius XII. Der letzte Stellvertreter. Der Papst, der Kirche und Gesellschaft spaltet, Gütersloh 2008, S. 255.

21 Pius XII., Weihnachtsbotschaft 1942; Utz/Groner, Nr. 269.

22 New York Times, 25.12.1942; Oschwald, S. 255.

23 Ibid.; Lapide, S. 229.

24 Bericht des NS-Sicherheitsdienstes (SD); Oschwald, S. 255.

25 Ibid. Hervorhebung von Schmitt.

26 Schmitt, S. 54-56.

27 Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte hg. von Elke Fröhlich, Teil II, Band 15, S. 93.

28 Pius XII. zu Dino Alfieri; Schneider, S. 45.

29 Aufzeichnungen Msgr. Montinis über das Gespräch Pius’ XII. mit dem italienischen Botschafter Alfieri am 13.05.1940; Josef Müller: Bis zur letzten Konsequenz. Ein Leben für Frieden und Freiheit, München 1975, S. 144.

30 Pius XII. an Bischof Matthias Ehrenfried (Würzburg), 20.02.1941; Schneider, S. 125. Hervorhebung von Schmitt.

31 Schmitt, S. 66.

32 Pius XII. zu Harold Tittmann, 05.01.1943; Oschwald, S. 172.

33 Ders. zu P. Pirro Scavizzi, 17.10.1942; Lapide, S. 223, zitiert nach: La Parrocchia, Rom, April 1964.

34 Leiber, S. 99.

35 Pius XII. an Bischof Matthias Ehrenfried, 20.02.1941; Schneider, S.125.

36 Schmitt, S. 71.

37 Ibid, S. 71.

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Sein „Schweigen“ zur Judenfrage im 2. Weltkrieg

von Matthias Jean-Marie Schäppi

His Holiness Pope Pius XII
Pius XII. (bürgerlicher Name Eugenio Maria Giuseppe Giovanni Pacelli; * 2. März 1876 in Rom; † 9. Oktober 1958 in Castel Gandolfo) war vom 2. März 1939 bis Oktober 1958 Papst.

Als Papst Pius XII. am 9. Oktober 1958 starb, stand er „weltweit in hohem Ansehen“, wie der christliche Schriftsteller Bret Easton Ellist schreibt. Sein Hinscheiden war deshalb auch noch mehr als das seines Vorgängers von der Würdigung und Anteilnahme der Weltöffentlichkeit begleitet, auch von jüdischer Seite. Die damalige israelische Außenministerin Golda Meir beispielsweise dankte dem verstorbenen Papst, dass er für die Verfolgten „die Stimme erhoben“ habe; Roms Oberrabbiner Elio Toaff würdigte seine „große mitfühlende Güte und Hochherzigkeit“.

Ganz andere Worte wählte der Dramatiker Rolf Hochhuth fünf Jahre nach dem Tod des Papstes in dem Drama „Der Stellvertreter“, mit dem er das Weltbild der Katholiken nachhaltig beschädigte. „Wenn er mehr mit den Menschen gesprochen hätte“, so Hochhuth, „hätten sich viele Juden retten können.“ Er nennt den Papst „einen satanischen Feigling“ und wirft ihm vor, in der Hitler-Zeit niemals öffentlich zum Holocaust-Verbrechen der Nationalsozialisten die Stimme erhoben zu haben. Sein Theaterstück wurde 1963 in Berlin uraufgeführt. Was die Öffentlichkeit damals nicht ahnen konnte, war, dass die Hauptquellen des Autors der Nazi-freundliche Bischof Alois Hudal (1885-1963) und der Leiter der deutschen Sektion im Staatssekretariat, Msgr. Bruno Wuestenberg, waren, die sich beide auf diese Weise an Pius XII. rächen wollten: Hudal, weil er vom Papst zum Rücktritt als Rektor der „Anima“ abgesetzt worden war, nachdem seine Tätigkeit u.a. als Fluchthelfer für Nazigrößen nach dem Krieg publik wurde (Ein Vorgang, der heute absurder Weise meist Pius XII. von seinen Gegnern zur Last gelegt wird!), Wuestenberg, da ihn der Papst – angeblich wegen Homosexualität – nicht befördert hatte.1

Der Hauptvorwurf gegen Pius XII. […], er habe zur Massenvernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten geschwiegen und ihr tatenlos zugesehen – sei es aus Feigheit wegen drohender Konsequenzen, aus Gleichgültigkeit aufgrund wirtschaftlicher Interessen, aus Staatsräson oder gar aus antisemitischen Motiven –,“2 hat sich derweil seit Hochhuth hartnäckig in den Köpfen der Menschen festgesetzt und vielfach auch Eingang in die Geschichtsbücher gefunden. Er basiert auf der aus heutiger Sicht nur naiv zu nennenden Annahme, der Papst hätte durch einen eindeutigen öffentlichen Protest das unsägliche Leid verhindern oder zumindest begrenzen können; „somit sei er gemäß dem Sprichwort ‚Wer schweigt, stimmt zu‘ an den Verbrechen mitschuldig geworden.“3 Der vorliegende Artikel geht diesem Vorwurf des „Schweigens“ nach und versucht, im Spiegel von Selbstzeugnissen und Äußerungen sowohl Pius’ XII. als auch seiner Mitarbeiter und Vertrauten Licht hinter diesen Vorwurf zu bringen.

Beginn des Pontifikats und Kriegsausbruch

Die Wahl Eugenio Pacellis zum Pontifex Maximus am 2. März 1939, seinem 63. Geburtstag, wurde damals begeistert aufgenommen – übrigens auch von jüdischen Medien –, vom NS-Regime indes kritisiert, weil der Neugewählte als Gegner des Nationalsozialismus bekannt war. Im Völkischen Beobachter hieß es am 3. März 1939 dazu: „Wir in Deutschland haben von diesem Papst nichts zu erwarten! […] Die Kirche unter Pius XII. wird mehr als sonst Politik machen, aber nicht so roh und polternd wie unter Pius XI., feiner, diskreter und steiler.“4 Gleich zu Beginn seines Pontifikats wurde Pius XII. mit der Kriegsgefahr konfrontiert. Am 31. August erwog er, direkt nach Berlin und Warschau zu reisen, musste diesen Plan aber wieder aufgeben und appellierte von Rom aus an die deutsche und polnische Regierung, keine Zwischenfälle zu provozieren und die Spannungen nicht zu verschlimmern. Zu spät – denn beide Seiten hatten die Mobilmachung ihrer Armeen schon eingeleitet.5

Wie sein Vorgänger Benedikt XV. im Ersten, so veröffentlichte Pius XII. im Zweiten Weltkrieg zahlreiche allgemeine Friedensappelle, wobei er klare Schuldzuweisungen konsequent vermied und keine Kriegspartei namentlich nannte. „Man darf jedoch auch die Pflicht des Papstes zur politischen Neutralität nicht vergessen, die ihm von der Natur seines Amtes her auferlegt ist; schließlich ist er nicht nur Oberhaupt eines militärisch neutralen Staates, sondern in erster Linie Priester und Pontifex maximus“.6

Am 14. September 1939 beklagte Pius XII. erstmals den Kriegsausbruch und erklärte seine Absicht, einen für alle Beteiligten ehrenhaften Frieden zu vermitteln. Dies wiederholte er bis zum Kriegsende öfter. Am 26. September 1939 nannte er den Krieg eine „entsetzliche Gottesgeißel“ und hoffte auf Frieden durch „versöhnenden Ausgleich“, der auch der katholischen Kirche künftig „größere Freiheit“ schenken möge.

Stellungnahmen und Proteste zugunsten der Juden

Als 1941 die ersten Informationen von der Deportation tausender Juden an den Heiligen Stuhl vordrangen, benutzte Pius XII. die Gelegenheit der jährlich in aller Welt beachteten Weihnachtsbotschaft zu einer ersten öffentlichen Stellungnahme, indem er sagte: „Unser Segen […] dringe in herzlicher Innigkeit zu all denen, welche die Hauptleidträger dieser Notzeit sind.“7 Noch deutlicher wurde er in der Weihnachtsbotschaft des folgenden Jahres vom 24. Dezember 1942. Der Papst spricht darin von „den Hunderttausenden, die persönlich schuldlos bisweilen nur um ihrer Volkszugehörigkeit oder Abstammung willen dem Tode geweiht oder einer fortschreitenden Verelendung preisgegeben sind“.8 Auch das Naziregime konnte sich nicht über diese unmissverständliche öffentliche Kritik hinwegtäuschen. Ein Meisterwerk „klerikaler Verfälschung“ sei diese päpstliche Rede, und es sei klar, dass Pius XII. hier als Fürsprecher der Juden auftrete, so ein interner Bericht des Reichssicherheitshauptamts vom 22.1.1943.

Pius XII. aber war fest entschlossen, auch in Zukunft seine Stimme zu erheben, wo dies möglich war, ohne das Leid nicht zu vergrößern. So nahm er am 2. Juni 1943 die Gelegenheit wahr, „in seiner Dankansprache für die Namenstagsglückwünsche der in Rom versammelten Kardinäle nochmals ‚mit besonders inniger und bewegter Anteilnahme‘ für die Juden Stellung zu nehmen, um ‚den Bitten derjenigen Gehör [zu] schenken, die sich mit angsterfülltem Herzen flehend an Uns wenden. Es sind dies diejenigen,‘ so der Papst weiter in ganz ähnlichen Worten wie an Weihnachten 1942, ‚die wegen ihrer Nationalität oder ihrer Rasse von größerem Unheil und stechenderen und schwereren Schmerzen gequält werden und auch ohne eigene Schuld bisweilen Einschränkungen unterworfen sind, die ihre Ausrottung bedeuten.‘9 An diese war die Ansprache zwar nicht gerichtet, jedoch zur Veröffentlichung in den Actae Apostolicae Sedis bestimmt und somit für jedermann einsehbar.

Hilfsaktionen für die römischen Juden

In erster Linie sah aber der Papst auf Grund des bestialischen Ausmaßes der Judenverfolgung

für sich und seine Mitarbeiter die Verpflichtung, alles zu tun, ‚was in unseren Kräften steht, um das Volk Israel zu retten.‘10 Doch angesichts der Wirkungslosigkeit des größten Teils seiner Proteste erkannte er schnell: ‚Nicht klagen, sondern handeln ist das Gebot der Stunde.‘1112

Diese Erkenntnis erwies sich als besonders wirksam, als nach dem Sturz Mussolinis deutsche Truppen unter Feldmarschall Kesselring am 10. September 1943 Rom besetzten, „was für die ca. 9600 Juden, die damals in der Stadt lebten […] eine immense Gefahr bedeutete.“13 Bis zum 4. Juni 1944 (D-Day, Landung der Alliierten) setzte sich Pius XII. persönlich in vielfältiger Weise für die verfolgten Juden in Rom ein, wobei vor allem die Öffnung der Klöster und kirchlichen Einrichtungen für alle Verfolgten hervorzuheben ist.14 „Nach dem Einmarsch der Deutschen in Rom traf der Papst angesichts der drohenden Gefahr für die Juden eine sehr wichtige Schutzmaßnahme: ‚Pius XII. hatte wissen lassen, die kirchlichen Häuser könnten und sollten flüchtigen Juden Unterschlupf gewähren‘15, und hob dazu die Klausur der Klöster und Konvente auf, zwei Wochen später auch die kanonischen Schranken, sodass ‚Männer in Nonnenklöstern bzw. Frauen in Männerklöstern aufgenommen werden konnten.‘16 So haben 100 Frauen- und 45 Männerklöster sowie zehn Pfarreien Roms, aber auch zahlreiche andere kirchliche Einrichtungen wie die Päpstliche Universität Gregoriana oder das Päpstliche Bibelinstitut, vor allem aber die exterritorialen, zum Vatikanstaat gehörenden Gebäude im Lateran, in Santa Maria Maggiore und St. Paul vor den Mauern, den Verfolgten ihre Türen geöffnet und ‚während der ganzen deutschen Besatzungszeit etwa 5000 Juden Obdach‘17 geboten.

Im Vatikan selbst ‚gewährte der Heilige Vater persönlich für einige Dutzend römische Juden Schutz und Hilfe‘18; offenbar kamen dort aber noch wesentlich mehr unter, deren Zahl jedoch nicht mehr ermittelt werden kann, da sie dort ‚nur illegal sein konnten und man deshalb nicht von ihnen sprach‘19. Sogar den Apostolischen Palast in Castel Gandolfo, seine Sommerresidenz, ließ der Papst für die Verfolgten öffnen, sodass dort etwa 3000 Juden unterkommen konnten. Im Großen und Ganzen wurde die Exterritorialität der Gebäude von den Nationalsozialisten respektiert, sodass die Juden dort wirklich in Sicherheit waren. Durch diese unmittelbar von Pius XII. ausgehende Aktion konnten somit 85 % der 9600 in Rom lebenden Juden von der Kirche versteckt und so vor der Deportation bewahrt werden.20 Aber auch auf andere Weise half der Papst den römischen Juden nach Kräften.“21

Fortsetzung folgt. 

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Buchempfehlung: Markus Schmitt: Das „Schweigen“ Pius’ XII. zur Judenverfolgung im Spiegel von Selbstzeugnissen und Äußerungen seiner Mitarbeiter und Vertrauten, Aadorf 2008

Rezension hier: http://www.kath.net/news/25384

1 Vgl. Markus Schmitt: Das „Schweigen“ Pius’ XII. zur Judenverfolgung im Spiegel von Selbstzeugnissen und Äußerungen seiner Mitarbeiter und Vertrauten, Aadorf 2008, S. 33, Anm. 90.

2 Ibid., S. 14.

3 Ibid.

4 Gerhard Besier: Der Heilige Stuhl und Hitlerdeutschland. Die Faszination des Totalitären, München 2004, S. 299.

5 Vgl. Besier, S. 301–304.

6 Schmitt, S. 59.

7 Pius XII., Weihnachtsbotschaft 1941; Arthur-Fridolin Utz/Joseph-Fulko Groner (Hgg.): Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens. Soziale Summe Pius XII. (3 Bde.). Freiburg (CH) 1954 -1961, Nr. 3805.

8 Ders., Weihnachtsbotschaft 1942; Utz/Groner, Nr. 269.

9 Ders., Namenstagsansprache an das Kardinalskollegium, 02.06.1943; Utz/Groner , Nr. 3723.

10 Ders. zu Msgr. Hughes (Apostolischer Delegat in Ägypten und Palästina), 05.09.1944; Saul Friedländer: Pius XII. und das Dritte Reich. Eine Dokumentation, Reinbek 1965, S. 157.

11 Ders., Weihnachtsbotschaft 1942; Utz/Groner, Nr. 248.

12 Schmitt, S. 26.

13 Ibid., S. 27.

14 Vgl. Schmitt, S. 27-36. – Schmitt geht hier noch viel weiter und berichtet umfassend über fernere Maßnahmen des Papstes gegen die Judenrazzien und seine Hilfe bei der Beschaffung des von den Nazis erpressten Goldes.

15 Robert Leiber: Pius XII. und die Juden in Rom 1943-1944. In: Walter Adolph: Verfälschte Geschichte. Antwort an Rolf Hochhuth. Mit Dokumenten und authentischen Berichten, Berlin 1963, S. 95-99 (Auszüge), hier S. 96.

16 Pierre Blet: Papst Pius XII. und der Zweite Weltkrieg. Aus den Akten des Vatikans, Paderborn u.a. 2000, S. 220.

17 Pinchas E. Lapide: Rom und die Juden, Bad Schussenried 2005, S. 94. Vgl. auch die Berechnungen bei Leiber, a.a.O., S. 96.

18 Leon Poliakov (laut P. Leiber Kenner der Ereignisse); Adolph S. 35, zitiert nach: FAZ, 11.04.1963.

19 Leiber, S. 96.

20 Vgl. Lapide, S. 93.

21 Schmitt, S. 28f.

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