Mittelalter Archive - cathwalk.de https://www.thecathwalk.de/tag/mittelalter/ Abendland & Alte Messe Fri, 07 Jan 2022 09:46:55 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.5.2 https://www.thecathwalk.de/wp-content/uploads/sites/2/2017/04/cropped-Logo-The-Cathwalk-transparenter-Hintergrund-150x150.png Mittelalter Archive - cathwalk.de https://www.thecathwalk.de/tag/mittelalter/ 32 32 Der Sonne entgegen – Ein Kommentar zum Höhenflug des heiligen Albert des Großen https://www.thecathwalk.de/2018/11/15/der-sonne-entgegen-ein-kommentar-zum-hoehenflug-des-heiligen-albert-des-grossen/?pk_campaign=feed&pk_kwd=der-sonne-entgegen-ein-kommentar-zum-hoehenflug-des-heiligen-albert-des-grossen https://www.thecathwalk.de/2018/11/15/der-sonne-entgegen-ein-kommentar-zum-hoehenflug-des-heiligen-albert-des-grossen/?pk_campaign=feed&pk_kwd=der-sonne-entgegen-ein-kommentar-zum-hoehenflug-des-heiligen-albert-des-grossen#comments Thu, 15 Nov 2018 07:35:00 +0000 http://thecathwalk.de/?p=8704 Über das finstere Mittelalter und seine großen Geistesleuchten Von Monsignore Florian Kolfhaus / CNA Deutsch „Mittelalter“, „Aberglaube“ und „Katholische Kirche“ sind für nicht wenige Synonyme einer dunklen Zeit, in der die Menschen – bis endlich das Licht der Aufklärung sie befreien sollte – in Unwissen und Unmündigkeit lebten. Bis heute glauben viele ohne es zu […]

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Über das finstere Mittelalter und seine großen Geistesleuchten

Von Monsignore Florian Kolfhaus / CNA Deutsch

„Mittelalter“, „Aberglaube“ und „Katholische Kirche“ sind für nicht wenige Synonyme einer dunklen Zeit, in der die Menschen – bis endlich das Licht der Aufklärung sie befreien sollte – in Unwissen und Unmündigkeit lebten. Bis heute glauben viele ohne es zu wissen, dass damals nur wenig gewußt und daher fast alles geglaubt wurde.

Und immer noch halten die klugen Geister unserer Zeit die Kirche mit all ihren Dogmen und Moralvorstellungen für das letzte Relikt einer finsteren Zeit, die längst überwunden gilt. Dabei vergisst man, dass es gerade die Kirche war, die in ihren Klöstern Kultur und Wissenschaft vorangetrieben und die Würde des Menschen gegenüber Ausbeutung seitens staatlicher Willkür verteidigt hat.

Ohne die christlichen Wurzeln Europas wäre dieser Kontinent niemals zu seiner geistigen Höhe gelangt. Einer der großen Wegbereiter und keineswegs ein sinisterer Kirchenmann des Mittelalters ist der heilige Albertus Magnus (um 1200-1280) – Kirchenlehrer, Wissenschaftler und Bischof von Regensburg – dessen die Kirche heute gedenkt.

Fides et Ratio, Herz und Hirn

Albert der Große war eine der vielen Lichtgestalten der Geschichte. Sein große Gelehrsamkeit verschaffte ihm den Titel Doctor universalis. In ihm begegnen wir einem Mann, der in herausragender Weise zeigt, dass die menschliche Seele sich mit den „Flügeln der Vernunft und des Glaubens“ – dieses Bild gebraucht der Heilige Johannes Paul II in seiner Enzyklika „Fides et Ratio“ – zu Gott emporschwingen kann. Albert war ein großartiger Naturwissenschaftler, von dem man sagt, er habe das ganze damalige Wissen studiert und sei so der letzte wahrhafte Universalgelehrte gewesen. Er war, im Gegensatz mancher seiner Zeitgenossen, auch ein wirklich kritischer Geist, der zum Beispiel sehr deutlich die Möglichkeit leugnete, aus Blei Gold herzustellen, was manche Alchimisten immer wieder behaupteten. Albert war es, der bereits die Möglichkeit erwogen hatte, dass es westwärts des Ozeans eine große, von Menschen bewohnte Insel geben könne, das zwei Jahrhunderte später entdeckte Amerika…

An Gottes Dasein zu zweifeln, ist nicht vernunftwidrig – ja unsinnig!

Wer die Natur betrachtet – sei es mit dem Fernrohr, um die unendlichen Weiten des Alls zu durchmessen; sei es mit dem Mikroskop, um den Reichtum ihrer Vielfalt zu erkennen – stößt unweigerlich auf die Frage nach dem Ursprung all dessen, was uns umgibt. Wer diese Frage nicht verdrängt und krampfhaft ausklammert wird auch zu der Erkenntnis gelangen, dass diese Ursache all dessen, was ist, alles Geschaffene überragt – ja ganz anders sein muss: ewig, das heißt ohne Anfang und Ende, ohne Ursprung und Abhängigkeit.

Wenn ein aufrichtiger Wissenschaftler über den überbordenden Reichtum der Welt mit all ihren Pflanzen und Lebewesen ins Staunen kommt, dass es solche Vielfalt und Schönheit gibt, die sich nicht in Zahlen fassen lässt, so ahnt er unweigerlich von der Größe und Güte des Ursprungs aller Dinge. Die suchende Vernunft führt den Menschen über sich selbst hinaus und bringt ihn zur Erkenntnis, dass sich diese Welt nicht selbst verdankt, sondern von einem Schöpfer ins Dasein gerufen worden ist. Freilich vollzieht sich diese Suche nach dem Grund allen Seins nur in menschlicher Freiheit, die sich öffnet und offenhält für die Wahrheit.

Eben daher ist es dem Menschen möglich, die Frage nach Gott auch auszuklammern und das Staunen über die Schönheit eines Sonnenuntergangs mit der Ausschüttung irgendwelcher Hormone zu banalisieren. Und natürlich kann ein Mensch vor Gott davonlaufen, noch ehe er ihm begegnet ist, weil er unausgesprochen ahnt, dass seine Existenz nicht gleichgültig bleibt für den Sinn und das Ziel seines Lebens. Noch ehe also jemand überhaupt zum Glauben kommt, kann er sich Gott verschließen und seiner suchenden Vernunft Grenzen setzen, die sie in diese materielle Welt einsperren.

Atheisten sind, dank der Wissenschaft, längst ausgestorbene Dinosaurier

Atheisten – so die gewagte Behauptung – gibt es gar nicht mehr. Die Leugnung einer ewigen Ursache des Kosmos ist wissenschaftlich nicht zu beweisen, ja die Entstehung des Kosmos ist nur denkbar, wenn es ein sinnstiftendes Ewiges gibt. Kein Naturwissenschaftler kann sagen, warum es etwas gibt und nicht vielmehr nichts. Kein Philosoph kann die Wirklichkeit begründen nimmt er nicht an, dass alles göttlich sei oder alles, was ist, von dem einen Göttlichen kommt und getragen wird.

Die Leugnung Gottes ist wissenschaftlich (!) unsinnig, weswegen die meisten sich stolz Agnostiker nennen, um zu sagen, dass diese Frage nicht zu lösen sei. Was nicht sichtbar und messbar sei, zähle nicht und fände keine befriedigende Antwort. Doch! Aber anstatt „Gott“ zu sagen – das hätte ja erschreckende Konsequenzen – zucken die sonst so eifrig Forschenden mit den Achseln und hören auf wie kleine Kinder immer weiter „warum?“ zu fragen. Selbst die Kleinsten wissen, dass ein Gemälde nicht von selbst an der Wand hängt, sondern an einem „unsichtbaren“ Nagel, der es trägt. Die Welt schwebt nicht von allein im All, sonder wird von einer Macht gehalten, die wir Gott nennen. Eigentlich sonnenklar!

Wir wissen um Gottes Dasein, wir glauben an Seine Liebe

Die Vernunft sagt uns – wenn wir diese wunderbare Welt betrachten – dass es Gott gibt; der Glaube aber, jener zweite Flügel der menschlichen Seele, hilft uns zu erkennen, wer dieser Schöpfer ist. Albert der Grosse hat beide Dimensionen klar unterschieden, aber nicht getrennt und gegeneindar gesetzt. Jeder Mensch erkennt mit Gewissheit die Existenz Gottes, wie das Erste Vatikanische Konzil feierlich lehrt; aber nur der Glaubende, dank der Offenbarung Gottes, weiß wer und wie dieser Gott wirklich ist. Glaube und Offenbarung sind die zwei Seiten einer Medaille. Paulus sagt: Scio cui credidi – Ich weiß, wem ich geglaubt habe. Ich weiß, dass Gott Wirklichkeit ist. Und nicht nur eine geheimnisvolle Macht, sondern liebende Person, die zu mir spricht.

Würde sich Gott nicht aus freier Initiative offenbaren und sagen, wer er ist, so wäre Glaube nicht Zustimmung zur Wahrheit, sondern bloße Meinung, Spekulation, vielleicht sogar Wunschdenken und Projektion. Vielfach wird „glauben“ heute als Idee und persönliche Überzeugung verstanden. In Wahrheit meint es aber – wie das lateinische Wort dafür credere – cor dareandeutet – das Herz schenken. Und zwar jemanden. Ich glaube jemanden das, was er mir sagt. Ich glaube Gott das, was er mir offenbart, was mich die Kirche in seinem Namen lehrt. Ich verstehe manches vielleicht nicht, aber ich vertraue, dass Gott nicht lügt und die Kirche nicht irrt.

Dieses Vertrauen ist nicht einfach blind und stumpf, denn auch hier kommt uns wieder die Vernunft zu Hilfe, die zwar ein Dogma niemals beweisen, wohl aber erklären und verständlicher machen kann, ja alle Einwände dagegen zu widerlegen weiß. Alle Versuche, die Wahrheit von „einem Gott in drei Personen“, von der jungfräulichen Geburt Jesu, wahrer Gott und wahrer Mensch, der Existenz der Engel und der armen Seelen und aller anderen Dogmen, weiß der gläubige Verstand zu entkräften.

So bleibt das Dogma zwar immer sinnvoll, aber doch nie beweisbar. Der Verstand bereitet den Weg, aber der Glaube bekennt. Wir glauben – und daran erinnern uns der Hl. Albert und sein großer Schüler Thomas von Aqzin –  was die Vernunft übersteigt, nicht aber, was ihr widerspricht! Immer müssen wir beide Flügel gebrauchen – Glaube und Vernunft – um zu Gott emporzukommen. Der Glaube hat die Wissenschaft nicht zu fürchten, so wie die wahre Wissenschaft nicht besorgt sein muss, dass der Glaube sie ihrer Methodik und Sachlichkeit beraube.

Von Sinn und Unsinn der Liebe 

An uns ist es, den Flügelschlag zu üben, der im Zusammenspiel von Glaube und Vernunft, Hirn und Herz, Gnade und menschliches Tun uns immer näher zu Gott bringt.

Blindes Vertrauen und der klare Blick auf die Wirklichkeit sind für einen Christen kein Widerspruch. So blind und klar, so verrückt und logisch wie die Liebe ist auch der Glaube. Zwei Liebende kennen sich und deshalb wagen sie, einander zu vertrauen. Sie wissen um die Stärken und Schwächen des anderen und gleichzeitig, werfen sie sich ohne Absicherungen in die Arme des Geliebten. Würde sie nur dem Verstand folgen, so bleiben sie wohl ein Leben lang allein und einsam. Würden sie freilich nur blind dem Herzen – oder schlimmer noch den Hormonen folgen – so bliebe es bei kurzen romantischen Episoden, die immer wieder in Schmerz und Trauer enden.

Christen sind Gottliebende, die es wagen zu glauben – credere, cor dare – das Herz zu verschenken. Sie sind Staunende, die – wie Albert und Thomas und mit ihnen alle Lehrer der Kirche – immer mehr von Gott erkennen und gleichzeitig ahnen, dass er viel größer, schöner und mächtiger ist. Sie stehen nicht im Dunkel der Unvernunft, sondern im Licht, das nicht selten so stark ist, dass es die Vernunft, es nicht direkt betrachten kann, sondern an ihre Grenzen kommt. Glauben heißt nicht, in der Finsternis der Unwissenheit zu wandern, sondern im Leuchten zu gehen, dass manchmal so hell ist, dass es blenden kann.

Auf diesen Wegstücken ist es gut, sich von den Heiligen führen zu lassen, die vor uns der Sonne entgegen gegangen sind, ohne vom Weg abzukommen.

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Giottos Tempelreinigung https://www.thecathwalk.de/2017/07/08/giottos-tempelreinigung/?pk_campaign=feed&pk_kwd=giottos-tempelreinigung https://www.thecathwalk.de/2017/07/08/giottos-tempelreinigung/?pk_campaign=feed&pk_kwd=giottos-tempelreinigung#comments Sat, 08 Jul 2017 08:00:09 +0000 https://www.thecathwalk.de/?p=11084 Es gibt einige Passagen innerhalb des Neuen Testaments, die in jüngerer Zeit gerne vernachlässigt werden. Da das Evangelium heute vornehmlich als Katalog sozialer Fragen und ethischen Zusammenlebens angesehen wird, in denen Jesus nur noch als besonders „guter Mann von Nazareth“ durch die Lande zieht, rücken einige Erzählungen in den Hintergrund. Womöglich sollte man besser sagen: […]

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Es gibt einige Passagen innerhalb des Neuen Testaments, die in jüngerer Zeit gerne vernachlässigt werden. Da das Evangelium heute vornehmlich als Katalog sozialer Fragen und ethischen Zusammenlebens angesehen wird, in denen Jesus nur noch als besonders „guter Mann von Nazareth“ durch die Lande zieht, rücken einige Erzählungen in den Hintergrund. Womöglich sollte man besser sagen: sollen in den Hintergrund gerückt werden. Zeitgeistige Käßmann-Kirchen begreifen mittlerweile alles außerhalb der Bergpredigt nur noch als reinen Schmuck; Wunder haben keinen Platz oder werden als Metaphern erklärt. Dass Jesus die Ausgestoßenen der Gesellschaft aufnimmt – Kranke, Prostituierte, Zöllner – passt in diese durchsozialdemokratisierte Zeit wie das „Teilen“, ob nun Fische, Brot oder Wein. In nahezu gnostischer Verwandtschaft zu Katharern und anderen alten Sekten nimmt das Bibelbild manichäische Züge an: hier der liebe Jesus, dort der strafende Gott des Alten Testaments, der überwunden wird.

Ausschnitt aus Fresco in Padua von Giotto

Mit der Passionsgeschichte will man natürlich das Publikum weniger behelligen. Denk doch mal jemand an die Kinder! Und was sagen Tierschützer dazu, dass Jesus einen Dämon in eine Schweineherde fahren lässt, die dann jämmerlich ersäuft? Viele wissen zwar noch, dass der Gottessohn übers Wasser laufen konnte, aber die Erinnerung, dass Jesus auch ein „Strafwunder“ wirkte, ist heute augenscheinlich in Vergessenheit geraten. Ist es dabei Zufall, dass die Verfluchung des Feigenbaums und die Tempelreinigung – sowohl bei Matthäus, als auch bei Markus – im Zusammenhang stehen?

Womöglich ist die Tempelreinigung das politisch unkorrekteste Attentat auf all jene, die Christus einen guten Mann sein lassen. Schon allein deswegen geriet die Erzählung seit einigen Jahrzehnten in den Ruch, niemals stattgefunden zu haben. Verräterisch die Argumentation, dass sie dem Gewaltverzicht der Bergpredigt widerspreche – wieder einmal der Topos, dass dies der wichtigste Teil des Evangeliums sei. Von so einer Gewichtung ist das Neue Testament jedoch weit entfernt, und allein der Umstand, dass die Bergpredigt nur bei Matthäus (und teilweise bei Lukas), die Tempelreinigung dagegen in allen vier Evangelien (!) vorkommt, sollte zu denken geben, welches Ereignis das Gedächtnis der alten Christengemeinde am ehesten prägte. Während die Bergpredigt heute möglichst groß geredet wird, geschieht mit der Tempelreinigung (und den meisten Wundern) das genaue Gegenteil.

Diese explizite Gewichtung bleibt dem Mittelalter und der Renaissance fremd. Wie schon in Dura-Europos gezeigt, sind es vor allem die handfesten Ereignisse, welche das Christentum lange prägen – und was könnte schon handfester sein, als wenn der Messias selbst „Hand anlegt“? Schon allein vom künstlerischen Anspruch erscheint eine hastige Prügelei mit Händlern und Wechslern weitaus interessanter als das gemütliche Zusammensein auf einem Berg.

Giotto di Bondone, der vielen als Wegbereiter der italienischen Renaissancemalerei gilt, machte da keine Ausnahme. Seine „Vertreibung der Geldwechsler“ befindet sich als Teil eines großen Christus-Zyklus in der Scrovegni-Kapelle von Padua, unweit des alten römischen Amphitheaters gelegen. Im Jahr 1300 kaufte Enrico Scrovegni das Gebiet der alten Arena, um dort einen Familienpalast zu errichten, zusammen mit einer Privatkapelle, für deren Ausschmückung er die größten Künstler Italiens verpflichtete. Von 1304 bis 1306 malte Giotto in Padova nicht nur den Christus-Zyklus, sondern auch das Leben der Jungfrau Maria und ihrer Eltern Joachim und Anna. Viele der berühmtesten Fresken Giottos sind daher in dieser von außen unscheinbaren Kirche zu bewundern. Auch hier fällt die Kontinuität auf, welche Ereignisse im Leben Jesu am wichtigsten erscheinen: es sind vornehmlich die Wunder, angefangen von der Geburt (wobei einige Forscher den abgebildeten Stern als Halley’schen Kometen deuten, der 1301 am Himmel erschien) über die Hochzeit von Kana und die Auferweckung des Lazarus bis hin zur Passionsgeschichte und Auferstehung. Das mittelalterliche Programm zeigt nahezu das komplette Gegenteil dessen, was heute im wahrsten Sinne „gepredigt“ wird.

Giottos Jesus ist eben kein netter Sandalenträger, sondern der Retter der Welt, der faustballend den Händlern im Tempel entgegentritt. Die Geißel in seiner Hand ist aus der Ferne kaum erkennbar; man mag meinen, der Heiland steht kurz davor, zuzuschlagen. Heiliger, gerechter Zorn ist dem Mittelalter nicht fremd und eben kein Widerspruch in sich selbst. Gerechtigkeit bedeutet immer auch Strafe. Die Pose machte auch in der Internetkultur die Runde und führte zu diesem Meme:

Es entbehrt dabei nicht der Ironie, dass der Vater von Enrico Scrovegni jener Rinaldo Scrovegni war, der als Bankier die Familie erst so vermögend gemacht hat, dass sich der Sohn einen Künstler vom Kaliber Giottos leisten konnte. Die Scrovegni gehörten zu den Patrizierfamilien Paduas und trugen ein blaues Schwein auf weißem Grund als Wappentier. Rinaldo Scrovegni war als notorischer Geizhals und Wucherer berüchtigt, sodass ihm Dante in der Göttlichen Komödie ein eher unrühmliches Denkmal setzte:

Ein blaues Schwein auf weißem Sacke bot
Sich dann dem Blick, und seine Stimm’ erheben
Hört’ ich den Träger: „Du hier vor dem Tod?
Fort! fort! doch wisse, weil du noch am Leben,
Bald findet mir mein Nachbar Vitalian,
Zur Linken seinen Sitz, hier gleich daneben.
Oft schrein mich diese Florentiner an,
Mich Paduaner, mir zum größten Schrecken:
Möcht aller Ritter Ausbund endlich nahn!
Wo mag doch die Drei-Schnabel-Tasche stecken?“ –
Hier zerrt’ er’s Maul schief und die Zunge zog
Er vor, gleich Ochsen, so die Nase lecken.

Dante setzt Enricos Vater in den siebten Höllenkreis: eine Wüste, auf die es Feuer regnet. Hier fristen die Gewalttäter ihr Schicksal – für Dante gilt Wucher als Gewalt gegen die Kunst, welche als Gotteskind gilt. Rinaldo muss sich daher „wie ein Ochse“ lecken, da sich ihm das Feuer ähnlich einem Schwarm Schmeißfliegen immer wieder auf die Haut setzt. Anscheinend konnte das Mäzenatentum Enricos den Vater nicht vor diesem Schicksal retten.

Verglichen mit dieser Dante’schen Höllenstrafe erscheint dagegen eine kleine Prügelei mit dem Heiland geradezu barmherzig.

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Der gotische Baustil (Doku) https://www.thecathwalk.de/2017/04/22/der-gotische-baustil-doku/?pk_campaign=feed&pk_kwd=der-gotische-baustil-doku https://www.thecathwalk.de/2017/04/22/der-gotische-baustil-doku/?pk_campaign=feed&pk_kwd=der-gotische-baustil-doku#respond Sat, 22 Apr 2017 09:30:39 +0000 http://thecathwalk.de/?p=9396 Der gotische Baustil entwickelte sich in der Mitte des zwölften Jahrhunderts im Herzen des Königreichs Frankreich, breitete sich über ganz Europa aus und revolutionierte die Architektur. Die Kathedralen, in denen die Kunst der Gotik zur Vollendung kam, haben die Landschaft Nordfrankreichs verändert. Im Laufe der Jahrhunderte sind die riesigen steinernen Kirchenschiffe ein solch vertrauter Anblick […]

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Der gotische Baustil entwickelte sich in der Mitte des zwölften Jahrhunderts im Herzen des Königreichs Frankreich, breitete sich über ganz Europa aus und revolutionierte die Architektur. Die Kathedralen, in denen die Kunst der Gotik zur Vollendung kam, haben die Landschaft Nordfrankreichs verändert. Im Laufe der Jahrhunderte sind die riesigen steinernen Kirchenschiffe ein solch vertrauter Anblick geworden, dass sich keine architektonischen Geheimnisse mehr dahinter zu verbergen scheinen. Aber was ist wirklich über ihre Entstehung bekannt? Schließlich haben die Baumeister nur wenig Material für die Quellenforschung hinterlassen.

Seit 20 Jahren begibt sich eine neue Forschergeneration direkt vor Ort, auf die Baustellen in Noyon und Chartres, um die Baudenkmäler selbst als Quellen zu verwenden. Andere Archäologen untersuchen durch den Einsatz von Spitzentechnologie das Herz von Notre Dame in Paris sowie der Kathedralen in Beauvais und Amiens, die echte Herausforderungen an die Gesetze der Schwerkraft stellen. Aus dem im Mittelalter verwendeten Stein, Glas und Eisen schließen sie auf die komplexen Verfahren und das umfassende Wissen der alten Baumeister. Dank dieser Entdeckungen kann so manches Klischee über die Bauwerke der Gotik widerlegt werden.

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Giganten der Gotik: Wie die Kathedralen in den Himmel wuchsen (Doku) https://www.thecathwalk.de/2017/03/18/giganten-der-gotik-wie-die-kathedralen-in-den-himmel-wuchsen-doku/?pk_campaign=feed&pk_kwd=giganten-der-gotik-wie-die-kathedralen-in-den-himmel-wuchsen-doku https://www.thecathwalk.de/2017/03/18/giganten-der-gotik-wie-die-kathedralen-in-den-himmel-wuchsen-doku/?pk_campaign=feed&pk_kwd=giganten-der-gotik-wie-die-kathedralen-in-den-himmel-wuchsen-doku#comments Sat, 18 Mar 2017 10:30:00 +0000 http://thecathwalk.de/?p=9391 Der Baumeister William von Sens war das reale Vorbild für Ken Folletts Hauptfigur in „Die Säulen der Erde“: ein genialer Architekt und Steinmetz mit einer atemberaubenden Vision, mit kühnen Ideen, die andere kaum zu denken wagten. Ein Mann des 12. Jahrhunderts, seiner Zeit aber weit voraus. William von Sens und seine Mitstreiter waren Geburtshelfer eines […]

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Der Baumeister William von Sens war das reale Vorbild für Ken Folletts Hauptfigur in „Die Säulen der Erde“: ein genialer Architekt und Steinmetz mit einer atemberaubenden Vision, mit kühnen Ideen, die andere kaum zu denken wagten. Ein Mann des 12. Jahrhunderts, seiner Zeit aber weit voraus.

William von Sens und seine Mitstreiter waren Geburtshelfer eines neuen Baustils, der seinen Siegeszug durch Europa begann, später unter dem Namen Gotik weltberühmt und bis heute bewundert werden sollte. Ein Baustil, der mit ganz neuen statischen Ideen Himmel und Helligkeit in einst düstere Kirchenschiffe brachte, der Licht durchflutete steinerne Hallen mit riesigen Fenstern aus bunt leuchtendem Glas schuf.

„Giganten der Gotik“ ist eine filmische Reise ins Mittelalter, in eine Zeit voller Not und Gefahren, aber auch voller mutiger, gottesfürchtiger Menschen, die die ‚Pyramiden des Abendlandes‘ mit ihren bloßen Händen erbauten: Baumeister, Mönche und Händler, Tagelöhner, Bauern und Handwerker – auch Frauen waren darunter – lange bevor im 21. Jahrhundert mit Barbara Schock-Werner die erste Frau Kölner Dombaumeisterin wurde.

Auch sie begleitet und kommentiert die filmische Zeitreise in eine überhaupt nicht dunkle, sondern vielmehr äußerst bunte, dynamische und von Innovationsfreude geprägte Epoche, die in vielen Dingen als die Wiege unserer europäischen Moderne gelten kann. Denn die gotischen Kathedralen sind nur eines der beeindruckenden kulturellen Zeugnisse des Wandels im 12. und 13. Jahrhundert.

Auch in Wirtschaft und Politik bahnten sich tiefgreifende Veränderungen an: Zahlreiche neue Städte wurden gegründet, mit selbstbewussten Bürgern, die nach Mitbestimmung strebten. Neue, internationale Universitäten entstanden, und auch Herrscher, wie der Stauferkaiser Friedrich II., pflegten einen regen Austausch mit Fürsten und Gelehrten aus aller Welt.

Die spannende und aufwendig ausgestattete Dokumentation „Giganten der Gotik“ führt mit zahlreichen Spielszenen und beeindruckenden Computeranimationen mitten hinein in diese faszinierende Epoche des Mittelalters – eine Zeitreise zurück zu Menschen, die sich trotz aller äußeren Unterschiede von uns heute kaum unterschieden, voller Ängste und Hoffnungen, Sehnsüchte und Träume. Eine Reise zurück in unsere gemeinsame europäische Vergangenheit.

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Mythos Hexenverbrennungen: Fünf Irrtümer, die Sie beachten sollten! https://www.thecathwalk.de/2016/06/26/mythos-hexenverbrennungen-fuenf-irrtuemer-die-sie-beachten-sollten/?pk_campaign=feed&pk_kwd=mythos-hexenverbrennungen-fuenf-irrtuemer-die-sie-beachten-sollten https://www.thecathwalk.de/2016/06/26/mythos-hexenverbrennungen-fuenf-irrtuemer-die-sie-beachten-sollten/?pk_campaign=feed&pk_kwd=mythos-hexenverbrennungen-fuenf-irrtuemer-die-sie-beachten-sollten#comments Sun, 26 Jun 2016 14:00:11 +0000 http://thecathwalk.de/?p=6066 Von Josef Bordat „Es gibt wohl kein Thema, über das soviel Unfug geschrieben wird, wie über die Hexenverfolgung.“ CLAUDIA SPERLICH Geschichtsbilder werden gemacht. Anders geht es ja auch gar nicht, schließlich kann Niemand die Zeit zurückdrehen, um sich persönlich von historischen Gegebenheiten ein eigenes Bild zu machen. Rekonstruktionen (vor allem räumliche) prägen also unser Bild […]

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Von Josef Bordat

„Es gibt wohl kein Thema, über das soviel Unfug geschrieben wird, wie über die Hexenverfolgung.“

CLAUDIA SPERLICH

Geschichtsbilder werden gemacht. Anders geht es ja auch gar nicht, schließlich kann Niemand die Zeit zurückdrehen, um sich persönlich von historischen Gegebenheiten ein eigenes Bild zu machen. Rekonstruktionen (vor allem räumliche) prägen also unser Bild vom Vergangenen. Wenn diese falsch sind, weil sie auf fehlerhaften Annahmen basieren, ist das Bild, das wir haben, ein falsches. Besonders bei Themen, die bis heute emotional aufgeladen sind, setzen sich die Bilder durch, die das Befinden der Mehrheit bedienen. Ob sie wahr sind, ist zweitrangig.

Die fehlerhaften Darstellungen in populärwissenschaftlichen Medienberichten und die daraus folgenden Fehlurteile basieren dabei zum Teil auf waschechten Fälschungen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Thema „Hexen“. Oft ist zu hören und zu lesen: „Die (katholische) Kirche hat im Mittelalter Millionen von Frauen in Europa als Hexen verbrannt, bevor die Aufklärung kam und dem Spuk ein Ende bereitete.“ In dieser Aussage stecken fünf Fehler.

Die meisten Hexenverbrennungen gab es in der Frühen Neuzeit

Erster Fehler: Die Zeit. Die meisten Hexenverbrennungen gab es in Europa nicht im Mittelalter, sondern in der Frühen Neuzeit; die letzte Hexe wurde in Deutschland 1775 verbrannt – die Aufklärung war da schon ein Jahrhundert lang der Hauptstrom europäischer Geistesgeschichte.

Zweiter Fehler: Die Opfer. Es waren nicht „8 oder 9 Millionen Opfer“, wie die NS-Propaganda vermutete, sondern – nach derzeitigem Forschungsstand – etwa 50.000. In 350 Jahren europäischer Hexenverfolgung (1430-1780). Die Christenverfolgung führt übrigens jedes Jahr zu mehr als doppelt so vielen Opfern. Es wundert daher schon, dass man als katholischer Christ wesentlich häufiger auf die Hexenverfolgung angesprochen wird, die seit einem Vierteljahrtausend der Vergangenheit angehört (jedenfalls soweit es eine europäische, „christlich“ motivierte war), als auf die Christenverfolgung, die jetzt stattfindet. Die Opfer waren darüber hinaus nur in Deutschland mehrheitlich Frauen, sonst war das Geschlechterverhältnis zahlenmäßig mindestens ausgeglichen, z. T. waren die Männer in der Mehrzahl; in Island waren 90 Prozent, in Estland 60 Prozent der Opfer Männer.

Dritter Fehler: Die Täter. Rund die Hälfte der 50.000 Opfer lebte auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Wenn man davon ausgeht (und davon darf man aufgrund der Quellenlage wohl ausgehen), dass die Opfer zahlenmäßig zwischen protestantischen und katholischen Gebieten des Reichs ungleich verteilt waren – zu Lasten der protestantischen Gebiete –, dann hat die Katholische Kirche die Verantwortung für etwa 10.000 Todesopfer.

Interessant ist auch der Zusammenhang von Inquisition und Hexenverbrennungen: Nur an einigen hundert der über drei Millionen Hexenprozesse (Schuldspruchquote: 1,5 Prozent) war die Inquisition beteiligt. Die Hexenprozesse fanden in der Tat vor weltlichen Gerichten statt. Die Inquisition interessierte sich nämlich hauptsächlich für Ketzer, nicht für Hexen. Im katholischen Spanien hat es keine Hexenverfolgung gegeben – wegen der Inquisition. Auch in Italien sorgte die Inquisition dafür, dass so gut wie keine Hexe verbrannt wurde. In Rom – dem vermeintlichen Zentrum des Grauens – wurde nie eine Hexe oder ein Zauberer verbrannt. Die Katholische Kirche hat die Hexenverfolgung niemals offiziell bejaht.

Der Hexenhammer

„Ja, aber der ,Hexenhammer‘!“ Oft wird unterschlagen, wie es eigentlich zu dem berüchtigten „Hexenhammer“ (Malleus Maleficarum, 1486) kam. Heinrich Kramer (Institoris) schrieb ihn, weil er in Innsbruck erfolglos einen Hexenprozess angestrengt und kurz darauf des Landes verwiesen wurde. Von wem? Vom Bischof Georg Golser. Der „Hexenhammer“ ist eine Reaktion darauf gewesen. Die Bulle, auf die sich Kramer in Innsbruck berief, Summis desiderantes affectibus (1484), enthielt im Übrigen die Aufforderung, verdächtige Personen ernsthaft zu prüfen und bei bestätigendem Ergebnis zurechtzuweisen, zu inhaftieren und zu bestrafen – nicht aber, sie zu verbrennen. In der Praxis hat das den Hexenwahn eher gemindert als befördert. Kirchenrechtlich hat die „Hexenbulle“ übrigens nie Bedeutung erlangt, maßgebend war immer der Canon episcopi, der Hexenglaube als Einbildung ablehnte und bis zur Kirchenrechtsreform von 1918 im maßgeblichen CIC enthalten war; „Summis desiderantes affectibus“ taucht dagegen in keinem Verzeichnis auf. Wie gesagt:

Die Katholische Kirche war gegen die Hexenverfolgung – im Gegensatz zu Luther und Calvin. Martin Luther war ein Verfechter der Hexenverfolgung, denn er war überzeugt von der Möglichkeit des Teufelspaktes und des Schadenszaubers. In einer Predigt vom 6. Mai 1526 sagte er über Hexen und Zauberer: „Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben.“ – Fairerweise muss man aber sagen, dass sowohl katholische wie auch protestantische Theologen gegen den Hexenwahn angekämpft haben. Neben Jesuiten wie Spee und Laymann etwa Johann Weyer (Konfessionszugehörigkeit umstritten, wahrscheinlich Konvertit) und der reformierte Anton Praetorius.

Der Schwerpunkt der Hexenverfolgung ist in Afrika

Vierter Fehler: Der Ort. Der Schwerpunkt der Hexenverfolgung lag nicht in Europa, sondern liegt im heutigen Afrika: „Die intensivste Hexenverfolgung“, so schreibt der Theologe Richard Schröder in Abschaffung der Religion? Wissenschaftlicher Fanatismus und die Folgen (2008), „fand 2001 statt“, und zwar im „östlichen Kongo“. Dort hat sie alles andere als „christliche“ Gründe. Es gibt Schätzungen, die im Zusammenhang mit Hexenkulten im heutigen Afrika von mehreren tausend Opfern jährlich ausgehen. Dieser Umstand ist hierzulande meist unbekannt.

Fünfter Fehler: Das Ende. Interessant ist auch, wie der Hexenwahn – in Europa! – sein Ende fand. Noch einmal Schröder: „Durch die Aufklärung, sagt man. Das stimmt so nicht. Er kam nämlich schon im 17. Jahrhundert weithin zum Erliegen.“ Es gab nämlich massiven Widerstand. „Die Gegner waren Theologen und Juristen, die sich als Christen verstanden.“ Einer davon war der schon erwähnte Friedrich Spee von Langenfeld. 1631 erscheint sein Hauptwerk, die Cautio criminalis („Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse“), die nur wenige Woche nach Erscheinen vergriffen ist. In diesem Buch entlarvt er die Hexenprozesse als Farce und die Vollstreckung der Urteile als Mord. Im Zentrum der Kritik steht die Anwendung der Folter, die damals zur Wahrheitsfindung eingesetzt wurde. Spee hält Folter zwar auch für moralisch verwerflich („Kein deutscher Edelmann würde ertragen können, daß man seinen Jagdhund so zerfleischte. Wer soll es da mit ansehen können, daß ein Mensch so vielmals zerrissen wird?“), doch zunächst für juristisch untauglich, weil sie in der Rechtspraxis zur fehlerhaften Beweisaufnahme führe. Friedrich von Spee war übrigens katholisch.

Mangelndes Richtigstellungsinteresse der historischen Forschung

Wie kommt es aber, dass ein Satz mit fünf Fehlern zum „Basiswissen“ des „aufgeklärten“ Deutschen gehört? Nun, dafür ist wohl mangelndes Richtigstellungsinteresse innerhalb der historischen Forschung in Deutschland verantwortlich. Interessant in dem Zusammenhang, dass offenbar erst 1975 durch die Arbeiten von Norman Cohn und Richard Kieckhefer geklärt wurde, dass die von Etienne Leon de Lamothe-Langon in seiner Histoire de l’Inquisition en France (1829) beschriebenen Massenprozesse und -hinrichtungen im Zuge der Hexenverfolgung im Frankreich des 14.[sic!] Jahrhunderts frei erfunden waren, wie die Mediävistin Jenny Gibbons in einem interessanten Artikel darlegt.

Nachdem die Forschungskommunität anderthalb Jahrhunderte lang keinen Anstoß daran nahm, dass der Verfasser der „Inquisitionsgeschichte in Frankreich“ keine Belege für seine Behauptungen anführt und keine Quellen nennt, ist nun deutlich herausgearbeitet worden, dass man für weitreichende Behauptungen, wie etwa die, dass an einem einzigen Tag 400 Hexen ermordet worden seien, Behauptungen anführen und Quellen nennen sollte. Diese Klärung erfolgte erst, als die Fiktion de Lamothe-Langons längst in der Geschichtsschreibung tradiert war und infolgedessen als unumstößliches Faktum die Stammtische erobert hatte. Wir erinnern uns: Geschichtsbilder werden gemacht.

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Die Welt ist keine Scheibe – sondern ein Kunstwerk https://www.thecathwalk.de/2016/06/20/die-welt-ist-keine-scheibe-sondern-ein-kunstwerk/?pk_campaign=feed&pk_kwd=die-welt-ist-keine-scheibe-sondern-ein-kunstwerk https://www.thecathwalk.de/2016/06/20/die-welt-ist-keine-scheibe-sondern-ein-kunstwerk/?pk_campaign=feed&pk_kwd=die-welt-ist-keine-scheibe-sondern-ein-kunstwerk#respond Mon, 20 Jun 2016 06:48:27 +0000 http://thecathwalk.de/?p=5129 Einer der verbreitetsten historischen Irrtümer handelt von der Vorstellung, die Menschen des Mittelalters hätten an eine Erde in Scheibenform geglaubt. Oder in der noch extremeren Variante: die Kirche hätte eine solche gelehrt. Letzteres ist schon allein deswegen verfehlt, weil die mittelalterliche Scholastik sich weiterhin auf Aristoteles bezog. Der lehrte die Kugelgestalt der Welt; ein Konzept, […]

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Einer der verbreitetsten historischen Irrtümer handelt von der Vorstellung, die Menschen des Mittelalters hätten an eine Erde in Scheibenform geglaubt. Oder in der noch extremeren Variante: die Kirche hätte eine solche gelehrt. Letzteres ist schon allein deswegen verfehlt, weil die mittelalterliche Scholastik sich weiterhin auf Aristoteles bezog. Der lehrte die Kugelgestalt der Welt; ein Konzept, das u. a. Thomas von Aquin zitierte.

Auch außerhalb der kirchlichen Lehranstalten war diese Vorstellung üblich. In Dantes Göttlicher Komödie reisen der Dichter und sein Führer Vergil durch die Hölle quer durch die Erde, bis sie auf der anderen Seite wieder hervorkommen, wo sich der Läuterungsberg befindet. Dass es sich dabei nicht um einen Erdteller handeln kann, bezeugt einer der Höllengesänge, nämlich der des Odysseus; dieser hatte den Läuterungsberg bereits auf einem fremden Kontinent entdeckt. Gemäß dem Fall, dass Odysseus nicht über den Scheibenrand gefallen sein kann, spricht dies für eine Kugelgestalt, die Dante dem Leser gar nicht erklären muss. Ähnlich macht auch Marco Polo nirgendwo in seinem Reisebericht Andeutungen, Angst davor zu haben, über den Rand der Scheibe zu fallen. Der Reichsapfel der mittelalterlichen Kaiser ist das wichtigste politische Zeichen, das von einem Erdenglobus kündet.

Christoph Kolumbus bewies also in der Tat nicht den Charakter der runden Welt, sondern baute vielmehr auf der Vorarbeit früherer Gelehrter auf. Im 15. Jahrhundert galt es nicht etwa deswegen als gefährlich, von Spanien gen Westen nach Indien zu reisen, weil man an eine Scheibe glaubte – sondern weil findige italienische und portugiesische Kartographen den Erdumfang bestimmt hatten, und von einem riesigen Meer ausgingen, das zwischen Europa und Asien liegen müsse. Ironischerweise wurde den Portugiesen damit ihr nautisches und kartographisches Wissen sogar zum Verhängnis, weil sie ihrem König vorberechneten, dass Kolumbus‘ Reise ein Himmelfahrtskommando sein müsse. Der Genuese suchte daraufhin bei den Spaniern sein Glück. Der Rest ist bekannt.

Just 1492, also im Jahr der Entdeckung Amerikas, fertigte Martin Behaim seinen Erdapfel an. Freilich haperte es bei diesem an der Genauigkeit, und auch der Erdumfang entsprach nicht den Verhältnissen, die andere postulierten; für einen Neuen Kontinent wäre auf diesem Globus kein Platz gewesen. Stattdessen finden sich eine Vielzahl von unbekannten Eilanden zwischen Europa und Asien. In vielerlei Hinsicht kommt die Darstellung nicht über das hinaus, was der Venezianer Fra‘ Mauro bereits ein halbes Jahrhundert zuvor als einfache Karte verewigt hatte. Im Übrigen für damalige Zeiten in der Darstellung durchaus nicht völlig inakkurat:

Mit jenem Zeitalter der Entdeckungen, das ab der Renaissance an Bedeutung gewann, war Behaims Globus dennoch das Symbol einer ästhetischen wie wissenschaftlichen Revolution. Globen bezeugten Herrschaft, Gelehrsamkeit und Kunst. So ist die Vielzahl anschaulicher Exemplare zu bewundern, die in Klöstern, an Fürstenhöfen und Universitäten zu bestaunen waren und noch heute sind:

Behaims Erdapfel war aber – entgegen dem Mythos – nicht der erste Globus. Den hatte Papst Sixtus IV. in Auftrag gegeben; etwa zwei Jahrzehnte nach Fra‘ Mauro, aber ebenso zwei Jahrzehnte vor Behaim und Kolumbus. Leider ging dieser erste Globus der Frühen Neuzeit vermutlich beim Sacco di Roma (1527) in Flammen auf. Wie wir aber den Vatikan kennen, wurde dort akribisch alles aufgezeichnet, was sich ereignete. Bis heute zeugt die Rechnung von der Lieferung des verlorenen Kunstwerks.

Es war also gerade die böse Papistenkirche, die wie keine andere die Schönheit der Welt als Kugel zur Schau stellte. Aber erzählen Sie das mal weiter…

Marco Fausto Gallina studierte Politik- und Geschichtswissenschaften in Verona und Bonn. Geboren am Gardasee, sozialisiert im Rheinland, sucht der Historiker das Zeitlose im Zeitgeistigen und findet es nicht nur in der Malerei oder Musik, sondern auch in der traditionellen italienischen Küche. Katholische Identität und europäische Ästhetik hängen für ihn dabei unzertrennlich zusammen. Unter den Schwingen des venezianischen Markuslöwen betreibt er seit 2013 sein Diarium, den Löwenblog.

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