Renaissance Archive - cathwalk.de https://www.thecathwalk.de/tag/renaissance/ Abendland & Alte Messe Sat, 08 Oct 2022 16:16:58 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.5.2 https://www.thecathwalk.de/wp-content/uploads/sites/2/2017/04/cropped-Logo-The-Cathwalk-transparenter-Hintergrund-150x150.png Renaissance Archive - cathwalk.de https://www.thecathwalk.de/tag/renaissance/ 32 32 Das ist das Bild, welches zusammen mit der Mona Lisa gemalt wurde https://www.thecathwalk.de/2017/11/21/das-ist-das-bild-welches-zusammen-mit-der-mona-lisa-gemalt-wurde/?pk_campaign=feed&pk_kwd=das-ist-das-bild-welches-zusammen-mit-der-mona-lisa-gemalt-wurde https://www.thecathwalk.de/2017/11/21/das-ist-das-bild-welches-zusammen-mit-der-mona-lisa-gemalt-wurde/?pk_campaign=feed&pk_kwd=das-ist-das-bild-welches-zusammen-mit-der-mona-lisa-gemalt-wurde#respond Tue, 21 Nov 2017 15:52:54 +0000 https://network.cathwalkmediengruppe.de/thecathwalk/?p=12062 Von María Ximena Rondón ROM, (CNA Deutsch).- Das berühmteste Werk des italienischen Künstlers Leonardo Da Vinci ist die „Mona Lisa“, aber nur wenige wissen, dass er gleichzeitig ein Bild Jesu gemalt hat, das den Titel „Salvator Mundi“ – Erlöser der Welt – trägt. Dieses Gemälde wurde vor kurzem als die „größte künstlerische Wiederentdeckung des XXI. Jahrhunderts“ […]

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Von María Ximena Rondón

ROM, (CNA Deutsch).- Das berühmteste Werk des italienischen Künstlers Leonardo Da Vinci ist die „Mona Lisa“, aber nur wenige wissen, dass er gleichzeitig ein Bild Jesu gemalt hat, das den Titel „Salvator Mundi“ – Erlöser der Welt – trägt.

Dieses Gemälde wurde vor kurzem als die „größte künstlerische Wiederentdeckung des XXI. Jahrhunderts“ vorgestellt.

Das Bild ist 60 Zentimeter hoch und zeigt Jesus Christus in einem blauen Gewand. In der linken Hand hält der Heiland eine gläserne Kugel, die den Kosmos symbolisiert und mit der anderen zeichnet er eine Geste des Segens.

Salvator mundi (deutsch „Heiland der Welt“) ist der Titel eines Gemäldes, das Leonardo da Vinci zugeschrieben wird. Das Gemälde befand sich seit 2005 im Eigentum des Kunsthändlers Robert Simon und weiterer Personen, die Restaurierungen und Untersuchungen veranlassten. Verschiedene Expertisen kamen zu dem Ergebnis, dass es sich um ein eigenhändiges Werk Leonardo da Vincis handle. (Quelle: Wikipendia)
Salvator Mundi“ von Leonardo Da Vinci

Man glaubte, dass das Gemälde „Salvator Mundi“ verlorengegangen war, bis es 2005 wiederentdeckt wurde.

Es ist eines von 20 Gemälden Da Vincis, die aktuell erhalten sind und das einzige, das sich im Besitz eines privaten Sammlers befindet. Am 15. November jedoch wurde es in New York (Vereinigte Staaten) zur Versteigerung angeboten.

In einer Pressemitteilung teilte das Auktionshaus Christie’s mit, dass der geschätzte Wert des Werkes, das Anfang des XVI. Jahrhunderts geschaffen wurde, 100 Millionen Dollar betrage.

Loic Gouzer, Präsident der Abteilung für zeitgenössische Kunst und Nachkriegskunst bei Christie’s, erklärte, dass “ der ‚Salvator Mundi‘ im gleichen Zeitabschnitt gemalt worden war wie die ‚Mona Lisa‘. Beide Gemälde weisen klare Ähnlichkeit in der Komposition auf.“

„Leonardo besaß eine unvergleichliche schöpferische Kraft und war ein Meister des Geheimnisvollen. Wenn man vor seinen Gemälden steht, ist es dem Verstand unmöglich, das Geheimnis, das sie ausstrahlen, ganz zu entschlüsseln oder zu begreifen. Die ‚Mona Lisa’und der ‚Salvator Mundi‘ sind perfekte Beispiele dafür“.

„Niemand wird je fähig sein, das Wunderbare der Bilder Leonardos völlig zu erfassen, so wie niemand je fähig sein wird, die Anfänge des Universums ganz zu erkennen“, kommentierte er weiter.

Christie’s teilte mit, dass sich das Gemälde des Heilands im 17. Jahrhundert in der Privatsammlung König Karls I. befunden und dann später seinem Sohn Karl II. gehört hatte. Im Jahr 1763 versteigerte es Charles Herbert Sheffield, ein Sohn des Herzogs von Buckingham, nachdem dieser es vom Palast des englischen Königs erworben hatte.

Danach verliert sich die Spur der Darstellung des Erlösers der Welt, bis es Sir Charles Robinson im Jahre 1900 kaufte. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste man jedoch nicht, wer der Urheber dieses Werkes sei, noch dass es dem königlichen Hof gehört hatte. 1958 wurde der ‚Salvator Mundi‘ für 45 Sterlinen (ungefähr 60 Dollar) verkauft und der Verbleib des Bildes des Heilands blieb bis 2005 unbekannt. In diesem Jahr versteigerte man es als eine Kopie des Werkes.

Robert Simon, Doktor in Kunstgeschichte der Columbia University, führte eine Studie durch, um zu überprüfen, ob Da Vinci der Autor des Gemäldes sei. 2011 wurde es in der Ausstellung „Leonardo da Vinci: Painter at the Court of Milan“ in der National Gallery in London enthüllt.

Alan Wintermute, Spezialist für Gemälde des Auktionshauses Christie’s, erklärte, dass „der ‚Salvator Mundi‘ der Heilige Gral der Gemälde alter Meister sei. Man wusste, dass es existiert und hat lange danach gesucht. Aber bis jetzt schien es nur ein Traum zu sein, der unmöglich in Erfüllung gehen könne.“

„Ich kann nur schwer ausdrücken, wie bewegend das für jene von uns ist, die direkt an seinem Verkauf beteiligt sind. Das Wort „Meisterwerk“ erlaubt es gerade einmal, die erhabene Seltenheit, Bedeutsamkeit und Schönheit dieser Malerei Leonardos angehend auszudrücken“, sagte er.

Christie’s hat das Bildnis Jesu Christi als „die größte künstlerische Wiederentdeckung des XXI. Jahrhunderts“ beschrieben und bevor es am 15. November im Rockefeller Center zur Versteigerung kommt, wird es noch in Hong Kong, San Francisco, London und New York ausgestellt.

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Giottos Tempelreinigung https://www.thecathwalk.de/2017/07/08/giottos-tempelreinigung/?pk_campaign=feed&pk_kwd=giottos-tempelreinigung https://www.thecathwalk.de/2017/07/08/giottos-tempelreinigung/?pk_campaign=feed&pk_kwd=giottos-tempelreinigung#comments Sat, 08 Jul 2017 08:00:09 +0000 https://www.thecathwalk.de/?p=11084 Es gibt einige Passagen innerhalb des Neuen Testaments, die in jüngerer Zeit gerne vernachlässigt werden. Da das Evangelium heute vornehmlich als Katalog sozialer Fragen und ethischen Zusammenlebens angesehen wird, in denen Jesus nur noch als besonders „guter Mann von Nazareth“ durch die Lande zieht, rücken einige Erzählungen in den Hintergrund. Womöglich sollte man besser sagen: […]

Der Beitrag Giottos Tempelreinigung erschien zuerst auf cathwalk.de und wurde von Marco Gallina verfasst.

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Es gibt einige Passagen innerhalb des Neuen Testaments, die in jüngerer Zeit gerne vernachlässigt werden. Da das Evangelium heute vornehmlich als Katalog sozialer Fragen und ethischen Zusammenlebens angesehen wird, in denen Jesus nur noch als besonders „guter Mann von Nazareth“ durch die Lande zieht, rücken einige Erzählungen in den Hintergrund. Womöglich sollte man besser sagen: sollen in den Hintergrund gerückt werden. Zeitgeistige Käßmann-Kirchen begreifen mittlerweile alles außerhalb der Bergpredigt nur noch als reinen Schmuck; Wunder haben keinen Platz oder werden als Metaphern erklärt. Dass Jesus die Ausgestoßenen der Gesellschaft aufnimmt – Kranke, Prostituierte, Zöllner – passt in diese durchsozialdemokratisierte Zeit wie das „Teilen“, ob nun Fische, Brot oder Wein. In nahezu gnostischer Verwandtschaft zu Katharern und anderen alten Sekten nimmt das Bibelbild manichäische Züge an: hier der liebe Jesus, dort der strafende Gott des Alten Testaments, der überwunden wird.

Ausschnitt aus Fresco in Padua von Giotto

Mit der Passionsgeschichte will man natürlich das Publikum weniger behelligen. Denk doch mal jemand an die Kinder! Und was sagen Tierschützer dazu, dass Jesus einen Dämon in eine Schweineherde fahren lässt, die dann jämmerlich ersäuft? Viele wissen zwar noch, dass der Gottessohn übers Wasser laufen konnte, aber die Erinnerung, dass Jesus auch ein „Strafwunder“ wirkte, ist heute augenscheinlich in Vergessenheit geraten. Ist es dabei Zufall, dass die Verfluchung des Feigenbaums und die Tempelreinigung – sowohl bei Matthäus, als auch bei Markus – im Zusammenhang stehen?

Womöglich ist die Tempelreinigung das politisch unkorrekteste Attentat auf all jene, die Christus einen guten Mann sein lassen. Schon allein deswegen geriet die Erzählung seit einigen Jahrzehnten in den Ruch, niemals stattgefunden zu haben. Verräterisch die Argumentation, dass sie dem Gewaltverzicht der Bergpredigt widerspreche – wieder einmal der Topos, dass dies der wichtigste Teil des Evangeliums sei. Von so einer Gewichtung ist das Neue Testament jedoch weit entfernt, und allein der Umstand, dass die Bergpredigt nur bei Matthäus (und teilweise bei Lukas), die Tempelreinigung dagegen in allen vier Evangelien (!) vorkommt, sollte zu denken geben, welches Ereignis das Gedächtnis der alten Christengemeinde am ehesten prägte. Während die Bergpredigt heute möglichst groß geredet wird, geschieht mit der Tempelreinigung (und den meisten Wundern) das genaue Gegenteil.

Diese explizite Gewichtung bleibt dem Mittelalter und der Renaissance fremd. Wie schon in Dura-Europos gezeigt, sind es vor allem die handfesten Ereignisse, welche das Christentum lange prägen – und was könnte schon handfester sein, als wenn der Messias selbst „Hand anlegt“? Schon allein vom künstlerischen Anspruch erscheint eine hastige Prügelei mit Händlern und Wechslern weitaus interessanter als das gemütliche Zusammensein auf einem Berg.

Giotto di Bondone, der vielen als Wegbereiter der italienischen Renaissancemalerei gilt, machte da keine Ausnahme. Seine „Vertreibung der Geldwechsler“ befindet sich als Teil eines großen Christus-Zyklus in der Scrovegni-Kapelle von Padua, unweit des alten römischen Amphitheaters gelegen. Im Jahr 1300 kaufte Enrico Scrovegni das Gebiet der alten Arena, um dort einen Familienpalast zu errichten, zusammen mit einer Privatkapelle, für deren Ausschmückung er die größten Künstler Italiens verpflichtete. Von 1304 bis 1306 malte Giotto in Padova nicht nur den Christus-Zyklus, sondern auch das Leben der Jungfrau Maria und ihrer Eltern Joachim und Anna. Viele der berühmtesten Fresken Giottos sind daher in dieser von außen unscheinbaren Kirche zu bewundern. Auch hier fällt die Kontinuität auf, welche Ereignisse im Leben Jesu am wichtigsten erscheinen: es sind vornehmlich die Wunder, angefangen von der Geburt (wobei einige Forscher den abgebildeten Stern als Halley’schen Kometen deuten, der 1301 am Himmel erschien) über die Hochzeit von Kana und die Auferweckung des Lazarus bis hin zur Passionsgeschichte und Auferstehung. Das mittelalterliche Programm zeigt nahezu das komplette Gegenteil dessen, was heute im wahrsten Sinne „gepredigt“ wird.

Giottos Jesus ist eben kein netter Sandalenträger, sondern der Retter der Welt, der faustballend den Händlern im Tempel entgegentritt. Die Geißel in seiner Hand ist aus der Ferne kaum erkennbar; man mag meinen, der Heiland steht kurz davor, zuzuschlagen. Heiliger, gerechter Zorn ist dem Mittelalter nicht fremd und eben kein Widerspruch in sich selbst. Gerechtigkeit bedeutet immer auch Strafe. Die Pose machte auch in der Internetkultur die Runde und führte zu diesem Meme:

Es entbehrt dabei nicht der Ironie, dass der Vater von Enrico Scrovegni jener Rinaldo Scrovegni war, der als Bankier die Familie erst so vermögend gemacht hat, dass sich der Sohn einen Künstler vom Kaliber Giottos leisten konnte. Die Scrovegni gehörten zu den Patrizierfamilien Paduas und trugen ein blaues Schwein auf weißem Grund als Wappentier. Rinaldo Scrovegni war als notorischer Geizhals und Wucherer berüchtigt, sodass ihm Dante in der Göttlichen Komödie ein eher unrühmliches Denkmal setzte:

Ein blaues Schwein auf weißem Sacke bot
Sich dann dem Blick, und seine Stimm’ erheben
Hört’ ich den Träger: „Du hier vor dem Tod?
Fort! fort! doch wisse, weil du noch am Leben,
Bald findet mir mein Nachbar Vitalian,
Zur Linken seinen Sitz, hier gleich daneben.
Oft schrein mich diese Florentiner an,
Mich Paduaner, mir zum größten Schrecken:
Möcht aller Ritter Ausbund endlich nahn!
Wo mag doch die Drei-Schnabel-Tasche stecken?“ –
Hier zerrt’ er’s Maul schief und die Zunge zog
Er vor, gleich Ochsen, so die Nase lecken.

Dante setzt Enricos Vater in den siebten Höllenkreis: eine Wüste, auf die es Feuer regnet. Hier fristen die Gewalttäter ihr Schicksal – für Dante gilt Wucher als Gewalt gegen die Kunst, welche als Gotteskind gilt. Rinaldo muss sich daher „wie ein Ochse“ lecken, da sich ihm das Feuer ähnlich einem Schwarm Schmeißfliegen immer wieder auf die Haut setzt. Anscheinend konnte das Mäzenatentum Enricos den Vater nicht vor diesem Schicksal retten.

Verglichen mit dieser Dante’schen Höllenstrafe erscheint dagegen eine kleine Prügelei mit dem Heiland geradezu barmherzig.

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Alexander VI.: „Inkarnation des Teufels“ oder nobelpreisträchtiger Friedensfürst? https://www.thecathwalk.de/2016/08/17/papst-alexander-vi/?pk_campaign=feed&pk_kwd=papst-alexander-vi https://www.thecathwalk.de/2016/08/17/papst-alexander-vi/?pk_campaign=feed&pk_kwd=papst-alexander-vi#comments Wed, 17 Aug 2016 06:10:43 +0000 http://thecathwalk.de/?p=7357 Viele Gerüchte kursieren bis heute um diesen „unheimlichen Papst“ und seine sinistre Familie: Sexuelle Ausschweifungen, gar Blutschande in der eigenen Sippschaft; laszive Feste; Mord, Gewalt und Grausamkeit haften ihm an. Wie viel Wahrheit aber diesen Gerüchten hängt, ist mehr als fraglich. Jeder, der sich unvoreingenommen mit dem Papst und Politiker Borgia beschäftigt, muss neidlos seine […]

Der Beitrag Alexander VI.: „Inkarnation des Teufels“ oder nobelpreisträchtiger Friedensfürst? erschien zuerst auf cathwalk.de und wurde von Marco Gallina verfasst.

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Viele Gerüchte kursieren bis heute um diesen „unheimlichen Papst“ und seine sinistre Familie: Sexuelle Ausschweifungen, gar Blutschande in der eigenen Sippschaft; laszive Feste; Mord, Gewalt und Grausamkeit haften ihm an. Wie viel Wahrheit aber diesen Gerüchten hängt, ist mehr als fraglich. Jeder, der sich unvoreingenommen mit dem Papst und Politiker Borgia beschäftigt, muss neidlos seine diplomatischen Fähigkeiten auf dem internationalen Parkett anerkennen.

Außerdem wird bei all den Gerüchten und politischen Ränkespielen vergessen, dass der große Marienverehrer Rodrigo Borgia der innerkirchlichen Verantwortungen vollends nachkam und dabei die Besserung der Moral verordente: ja, ausgerechnet der sündige Papst schrieb seinen Kardinälen vor, sich von Jagd, Theater und Karneval fernzuhalten. Und ganz wichtig: Kardinäle sollten sich von ihren Kurtisanen trennen.

„Alexander VI., ein Spanier aus der Stadt Valencia, gebürtig Rodrigo Borgia geheißen und Bischof von Porto, ist nach dem Tode Innozenz‘ VIII. in San Giovanni in Laterano zum Papst gewählt und am 26. August mit der päpstlichen Krone geziert worden. Ein Mann von Großmut und großer Klugheit, Umsicht und Weltgewandtheit. In seiner Jugend lernte er an der hohen Schule von Bologna und wuchs dort an Ruhm und Tugend. Zum Lobe seiner Gelehrtheit und seiner Geschicklichkeit in allen Dingen ernannte ihn sein Onkel Papst Calixt III. zum Kardinal. Ein weiteres Zeugnis seiner Tugend und seines Geschicks war, dass er noch als junger Mann in die Versammlung der hochwürdigen und vortrefflichen Kardinäle aufgenommen und Vizekanzler wurde. Aus Erfahrung und Erkundung all dieser Dinge ist es nur recht und billig gewesen, ihn zur Verwaltung und Leitung des Schiffleins des Heiligen Petrus zu befördern. Auch im Angesicht ist er ein herrlicher Mann […].“

Mit Sicherheit sind dies nicht gerade die Worte, die wir mit dem Aufstieg Alexanders VI. verbinden, der allgemeinhin als Schreckgespenst unter den (Renaissance-)päpsten gilt. Die Bewertung stammt allerdings nicht etwa von einem Apologeten der skandalumwitterten Borgia-Familie, sondern aus der berühmten Schedelschen Weltchronik von 1493 – welche ein Jahr nach der Papstkrönung erschien. Die Chronik macht dabei klar: der Mann, der seit einem Jahr über die Christenheit regiert, ist ein würdiger Nachfolger Petri, mit allen theologischen Wassern gewaschen und schon seit seiner Jugend ein Überflieger. Und zu allem Überfluss sieht er auch noch unverschämt gut aus.

Der päpstliche Nepotismus, also die Beförderung von Verwandten in der kirchlichen Ämterlaufbahn, wird hier nonchalant erwähnt. Und in der Tat kann man Rodrigo Borgia diesen Vorwurf noch am wenigsten machen, denn es gehörte geradezu zum guten Ton, Verwandte abzusichern. Wäre nicht Rodrigo Borgia, der Neffe von Calixt III. gewählt worden, so hätte entweder Ascanio Sforza – der Bruder des Herzogs von Mailand – oder Giuliano della Rovere gewonnen. Letzterer war Neffe von Papst Sixtus IV. gewesen, und sollte nach Alexanders Tod als Julius II. auf dem Petrusstuhl folgen. Der Kampf um die Papstnachfolge war also schon damals eine reine Familienangelegenheit um sich Pfründe zu sichern.

Als der neue Papst jedoch seinen Sohn – den berüchtigten Cesare Borgia – zum Erzbischof von Valencia machte, sorgte dies für einen Aufschrei in der Kurie; ein Aufschrei, der aber reichlich heuchlerisch erscheint, bedenkt man den damaligen Zeitgeist. Alle Vorgänger hatten nicht anders gehandelt. Dass ein Papst Kinder hatte, war kein Novum. Sein Vorgänger Innozenz hatte seine Söhne ebenfalls abgesichert, wenn auch auf andere Weise.

Alexander zeugte insgesamt neun Nachkommen mit mindestens vier verschiedenen Frauen. Am bekanntesten sind jedoch die vier Kinder, die ihm seine Geliebte Vanozza de‘ Cattanei gebar; neben Cesare gehörten dazu die beiden Brüder Juan und Jofré, sowie die Tochter Lucrezia.

Viele Gerüchte kursieren bis heute um diesen „unheimlichen Papst“ – wie der Historiker Volker Reinhardt ihn nennt – und seine sinistre Familie. Sexuelle Ausschweifungen, gar Blutschande in der eigenen Sippschaft; laszive Feste; Mord, Gewalt und Grausamkeit haften dem Oberhaupt und seinen Kindern an. Cesare galt als brutaler Fürst, vor dem den Baronen Mittelitaliens die Knie schlotterten, da er schon in seiner Raserei Menschen erschlagen habe; Lucrezia sagte man das Wesen einer femme fatale nach; und Alexander VI. selbst hatte keinerlei Scheu, sich mit annähernd 60 Jahren die blutjunge Giulia Farnese als neue Mätresse auszusuchen.

Wie viel Wahrheit aber an den bösesten Gerüchten hängt, ist fraglich. Die Borgia-Sippe, die bis heute in Film- und TV-Produktionen die Sucht nach „Sex & Crime“ erfüllt, hatte einen schweren Stand in Italien. Die Römer wie die übrigen Einwohner der Halbinsel sahen die spanische Familie als Fremdkörper an, insbesondere, da das Papstamt traditionell ein Italiener besetzte. Die Barone und Grafen des Kirchenstaates, die sich untereinander in Fehden aufrieben, fürchteten, dass der Papst mit einem fähigen Mann wie Cesare Borgia ihre Freiheiten beschneiden konnte – eine Furcht, die sich bestätigen sollte, da der Sohn des Papstes nicht nur das Land in seinen Feldzügen befriedete, sondern die Adelsopposition in einer einzigen, blutigen Silvesternacht ausschaltete.

Es existierten also durchaus Motive, die bis dato sehr erfolgreiche Sippe aus Spanien zu diskreditieren. Ein Anhaltspunkt dafür ist, das nach dem Tod Alexanders eben jene Gerüchte schlagartig verebbten. Kaum lag der Patriarch unter der Erde, schwand die Macht der Familie, und daher das Motiv, weitere Verleumdungen zu erfinden. Bezeichnend, dass Lucrezia, die auf Verlangen des Vaters den Herzog von Ferrara geheiratet hatte, in den fast zwanzig Jahren ihrer Regentschaft an der Seite Alfonsos d’Este kein einziges Mal belangt wurde.

Und das, wo noch bei der Hochzeitankündigung zu eben dieser Ehe – dem skandalösen „Kastanienbankett“ – 50 Prostituierte eingeladen, und jene Festgäste bei der anschließenden Orgie prämiert worden seien, die am häufigsten in aller Öffentlichkeit den Koitus vollzogen. Mittlerweile ist die ganze Szene als „Leyenda negra“ entlarvt worden.

Der Erzfeind der Spanier war der geprellte Kardinal Giuliano della Rovere, der die Papstwahl verloren hatte, und in der Kurie sowie im französischen Exil eine Opposition aufzubauen versuchte. Bestrebungen, ein Konzil einzuberufen und Alexander VI. abzusetzen, scheiterten zwar; aber im Ausland schmiedete della Rovere eifrige Pläne. Dass im Jahr 1494 die Franzosen völlig unerwartet in Italien einfielen, und nach einem halben Jahrhundert Frieden ein halbes Jahrhundert Krieg über die Halbinsel brachten, war auch auf die Einflüsterungen des Kardinals zurückzuführen, der darauf hoffte, der französische König könne in seinem Feldzug gen Neapel auch die „unheimliche Familie“ vertreiben. Als Karl VIII. jedoch in Rom Einzug hielt, und man das Ende des Papstes kommen sah, konnte Alexander VI. den ihm feindlich gesinnten König stattdessen zu einer Allianz überreden.

Nur wenig später, nachdem der Franzose bei Neapel heftige Verluste erlitten hatte, formte Alexander eine Allianz mit Venedig, dem Kaiser, Spanien und Mailand, um die Invasoren wieder zu vertreiben.

An diesem Punkt wird die größte Stärke Rodrigo Borgias deutlich, eben jenes Feld, das ihm als so großer Fehler ausgelegt wird: nämlich das der Politik. Jeder, der sich unvoreingenommen mit dem Politiker Borgia beschäftigt, muss neidlos seine Fähigkeiten in der Behauptung von innerer Ordnung und Diplomatie auf dem internationalen Parkett anerkennen.

Jene Abschaffung der feudalen Strukturen in Mittelitalien, die Cesare in die Wege leitete, einhergehend mit der Durchsetzung kirchenstaatlicher Autorität, waren das Fundament, auf dem Nachfolger wie Julius II. erst aufbauen konnten, um ihre weltliche Macht zu sichern und die politische Unabhängigkeit der Katholischen Kirche zu gewährleisten. Dass Julius II., der zeitlebens Alexander VI. als Giuliano della Rovere bekämpft hatte, dies seinem Vorgänger nie dankte und auch nicht an der Wiederherstellung seines Rufes interessiert war, ist wohl selbstverständlich. Della Rovere verordnete stattdessen die allumfassende damnatio memoriae.

Im Gegensatz zu Julius II., der als Kriegspapst in die Geschichte einging, hatte Alexander VI. – mit Ausnahme des erwähnten Franzoseneinfalls, der allerdings ein Verteidigungsfall blieb – die Diplomatie immer vorgezogen. Sein Meisterwerk bleibt dabei die Aushandlung des Vertrages von Tordesillas, eben jenes Stück Papier, das die Welt in eine portugiesische und eine spanische Kolonialzone aufteilte, und bis heute Grund dafür bleibt, dass man in Brasilien Portugiesisch und im restlichen Südamerika Spanisch spricht.* Auf den ersten Blick erscheint die Grenzziehung im Atlantik, die alles Land westlich dieser Demarkation Spanien, und alles östlich davon Portugal zuteilt, als rigoroser und ungerechter Akt; in Wahrheit war dieser Schiedsspruch ein friedensbewahrender Prozess. Der Papst schlichtete einen Streit zwischen den aufstrebenden iberischen Mächten, der zu einem europäischen Großkonflikt hätte eskalieren können. Unter diesem Zeichen erscheint es nicht zuletzt als Omen, das Alexander sein Pontifikat ausgerechnet im Jahr der Entdeckung Amerikas antrat.

Friedensnobelpreisträger Borgia? Mit Sicherheit hätte er ihn eher verdient gehabt, als gewisse amerikanische Präsidenten mit großen Versprechungen, die diese dann doch nicht einhalten.

Diese Neigung zur Diplomatie, die so ganz dem tradierten Gewaltbild widerspricht, äußert sich auch in der Behandlung Savonarolas, des Schwarzen Mönchs von Florenz, der nach der Vertreibung der Medici dort zum heimlichen Herrscher avanciert war, und gegen die Römische Amtskirche hetzte. Borgia bot Savonarola zuerst den Kardinalshut an, um gemäß der damaligen Mentalität den Rebell in Rom einzubinden. Erst, als der Prediger das Angebot ausschlug und den Papst zu seinem Feind erklärte, gab letzterer sein Einverständnis, kompromisslos gegen Savonarola vorzugehen.

Bei all den Gerüchten und politischen Ränkespielen wird zudem vergessen, dass auch dieser Papst immer noch innerkirchlichen Verantwortungen nachkam. Wenige wissen, dass er Briefkontakt zur Seligen Columba von Rieti hielt und diese sogar besuchte. Und ausgerechnet er betonte die Notwendigkeit einer Reform und verordnete eine Besserung der Moral, sowie Gesetze, welche die Rechte der Kirche schützten – so durfte Kirchengut nicht mehr an Laien veräußert werden (die Methode einiger Geistlicher, um die eigene Geldbörse zu füllen), Ämter durften nicht mehr doppelt besetzt werden (es kam durchaus vor, dass ein Bischof mehrere Bischofstühle besetzte), und ausgerechnet der sündige Papst schrieb seinen Kardinälen vor, sich von Jagd, Theater und Karneval fernzuhalten. Und ganz wichtig: Kardinäle sollten sich von ihren Kurtisanen trennen.

Das mag zynisch klingen. Es war aber eine häufige Regel unter den Renaissancepäpsten, dass jene Exzesse, denen sie angeblich am meisten frönten, auch von ihnen verboten wurden. Sein Nachfolger Julius II. gelangte durch Simonie, heißt: Bestechung an sein Amt, und verbot sofort nach dem Konklave jede Art von Geldgeschenken.

Ein anderer Nachfolger, nämlich Paul III., hieß mit bürgerlichem Namen Alessandro Farnese und war der Bruder jener Giulia Farnese, die Borgia zur Mätresse nahm. Dass es überhaupt zu diesem „Deal“ kam, lag darin begründet, dass Farnese seine Schwester gegen ein Kardinalsamt verschachert hatte. Auch hier erscheint es merkwürdig, dass uns Paul III. nicht als skrupelloser Karrierist, sondern als großer Papst des Konzils von Trient in Erinnerung bleibt, der die Kirche wegweisend gegen die Gefahr des Protestantismus aufstellte. Von Borgia bleibt dagegen nur der Lustmolch übrig.

Auch hier darf man sich fragen, inwiefern Alexander VI. nicht vorbildlicher als andere handelte, die Söhne und Töchter nicht anerkannten oder sich gar von ihnen distanzierten. In den berühmten Appartements des Apostolischen Palastes, die das Mäzenatentum des spanischen Papstes bezeugen, erscheinen Rodrigo und seine Kinder in den Szenen eines Familienidylls. Ein Hinweis, dass für den Patriarchen die Kinder nicht nur Mittel zum Zweck waren, sondern der ruchlose Papst auch ein liebender Vater war. Die übrigen Bastarde Europas konnten von solcher Behandlung nur träumen.

Man mag daher Anstoß an der Freizügigkeit, dem Luxus und dem Lebensstil des Rodrigo Borgia nehmen; das Pontifikat selbst war jedoch weder politisch, noch innerkirchlich ein solches Desaster, wie es seine Feinde oder auch die kirchenkritische Forschung aufstellt. Mit einigen seiner Entscheidungen prägte er nicht nur die heutige Kirche, sondern sogar die ganze Welt – und das durchaus auch in positivem Sinne. Dennoch bleibt der Nachwelt vor allem jene Sicht auf den Spanier erhalten, welche Julius II. nach seinem Amtsantritt diktierte:

„Ich werde nicht in den Gemächern leben, in denen die Borgia lebten. Er hat die Kirche entweiht wie kein anderer zuvor. Mit der Hilfe des Teufels hat er die päpstliche Gewalt an sich gerissen, und ich verbiete jedem unter Androhung der Exkommunikation über Borgia zu sprechen oder gar an ihn zu denken. Sein Name und sein Andenken muss vergessen werden. […] Alle Gräber der Borgia sollen geöffnet, und ihre Leichen dahin zurückgeschickt werden, wo sie hingehören – nach Spanien.“

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*Abgesehen natürlich von Guayana und sonstigen Einsprengseln protestantischer Seefahrernationen in der Karibik.

Marco Fausto Gallina studierte Politik- und Geschichtswissenschaften in Verona und Bonn. Geboren am Gardasee, sozialisiert im Rheinland, sucht der Historiker das Zeitlose im Zeitgeistigen und findet es nicht nur in der Malerei oder Musik, sondern auch in der traditionellen italienischen Küche. Katholische Identität und europäische Ästhetik hängen für ihn dabei unzertrennlich zusammen. Unter den Schwingen des venezianischen Markuslöwen betreibt er seit 2013 sein Diarium, den Löwenblog.

Der Beitrag Alexander VI.: „Inkarnation des Teufels“ oder nobelpreisträchtiger Friedensfürst? erschien zuerst auf cathwalk.de und wurde von Marco Gallina verfasst.

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Das christliche Abendland – eine Fiktion? https://www.thecathwalk.de/2016/06/23/das-christliche-abendland-eine-fiktion/?pk_campaign=feed&pk_kwd=das-christliche-abendland-eine-fiktion https://www.thecathwalk.de/2016/06/23/das-christliche-abendland-eine-fiktion/?pk_campaign=feed&pk_kwd=das-christliche-abendland-eine-fiktion#comments Thu, 23 Jun 2016 06:59:33 +0000 http://thecathwalk.de/?p=6131 Katholisch.de schlachtet das alte Europa auf dem Altar von Populismus und Relativismus: das Abendland sei nur eine Fiktion. Autor Manfred Becker-Huberti arbeitet dabei nicht nur mit Aussparungen, sondern widerspricht auch der Quellenlage. Unter Ausklammerung großer Teile mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Geschichte gipfelt seine Darstellung in einer offenen Unwahrheit über Adenauers und De Gaulles katholische Ansichten bei der […]

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Wahlplakat CDU 1946: Rettet die abendländische Kultur… – Allegorie Ecclesia vom Portal des Bamberger Doms mit Kreuzfahne vor kreuzförmigem SED-Symbol | Bild: CDU [CC BY-SA 3.0 de (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

Katholisch.de schlachtet das alte Europa auf dem Altar von Populismus und Relativismus: das Abendland sei nur eine Fiktion. Autor Manfred Becker-Huberti arbeitet dabei nicht nur mit Aussparungen, sondern widerspricht auch der Quellenlage. Unter Ausklammerung großer Teile mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Geschichte gipfelt seine Darstellung in einer offenen Unwahrheit über Adenauers und De Gaulles katholische Ansichten bei der Gründung eines neuen christlichen Europas. Eine Erwiderung.

„Das Abendland gibt es gar nicht“ – eine Floskel, die immer häufiger erschallt. Die Gründe sind politischer Natur. Um einer ungeliebten Gruppierung den Wind aus den Segeln zu nehmen, wird nicht nur ein Begriff, sondern eine ganze Vorstellungswelt stigmatisiert.

So bereits in der FAZ, der Welt und jüngst sogar auf katholisch.de. Letzterer Fall ist umso erschütternder, da Golgatha, Kapitol und Areopag die drei Hügel Europas sind und gerade die katholische Kirche zwei dieser Fundamente schützen sollte, statt sie in der Manier der Frankfurter Schule zu dekonstruieren – nicht zuletzt, weil sie selbst auf diesen fußt.

Stefan_Lochner_-_Last_Judgement_-_circa_1435
Stefan Lochner, Jüngstes Gericht circa 1435. Hier wird klar, dass eben NICHT alle zum auserwählten Volk gehören.

Beginnen wir mit dem ersten Knackpunkt: „Abendland“, was ist das eigentlich? Die romanischen Sprachen nutzen als Entsprechung die Ableitung vom lateinischen occidens, was im Deutschen häufig mit „Westen“ übersetzt wird, aber im Sinne der untergehenden Sonne (Okzident im Gegensatz zu Orient) genau das beschreibt, was das Deutsche meint. „Abendland“ und Europa sind damit in der europäischen Geisteswelt vor den Weltkriegen deckungsgleich. Erst die jüngste Zeit, die „Europa“ zu einem politischen Projekt macht, und den „Westen“ vor allem als transatlantische Entsprechung zum kontinentaleuropäischen Begriff setzt, hat hier einen Bedeutungswandel herbeigeführt. Dies gilt zu beachten, wenn im Nachfolgenden von „Europa“ die Rede ist, das vor 1900 synonym für Abendland verwendet wurde.

Der Verweis von Becker-Huberti darauf, dass das Abendland nicht christlich sei, weil es die Orthodoxie ausschlösse, bildet eine merkwürdige Argumentationslinie – nur, weil das Abendland begriffstechnisch als christlich gilt, schließt dies nicht grundsätzlich aus, dass auch andere Gebiete der Welt christlich sein können. Byzanz hat sich als zweites, rechtmäßiges Rom verstanden, und Moskau anschließend als drittes. Die Stilisierung zur wahren christlichen Macht und rechtmäßigen Verkörperung der Braut Christi ist ja gerade keine Ausnahme, sondern die Regel und bestimmendes Moment einer Welt, die sich genuin christlich, und ihre Angehörigen als auserwähltes Volk ansieht.

Im Übrigen haben alle Staaten auf europäischem Boden ähnliches getan, von der französischen Monarchie bis hin zur Republik Venedig. Die Reklamation der Nachfolgerschaft Roms und des Ideals einer civitas dei kann der Historiker von den Thronen Spaniens über den Bischofsstuhl Kölns bis in die Gassen Liguriens finden. Gerade dieser Wettbewerb und diese Vielfalt sind es, die Europa sein Gesicht geben. Die Protestanten, allen voran die calvinistischen Niederländer, stehen in derselben Fortsetzungslinie. Der Exklusionsgedanke (Welt gegen Geist, Heiden gegen Christen) findet sich bereits im Neuen Testament und ist – entgegen landläufiger Meinung – historisch betrachtet gerade ein Merkmal des Christentums. Insofern ist auch die Ansicht des Autors, dass die Abgrenzung eines irgendwie gearteten „Wir“ von einem „Nicht-Wir“ gefährlich sei, nicht nur historisch fraglich.

Wirtschaftshistorisch ist auf Max Weber zu verweisen, der bereits vor einem Jahrhundert richtigerweise den Typus der okzidentalischen (!) Stadt sezierte, die es eben nur von der Hansefaktorei Bergen bis zur Republik Dubrovnik, und von Lissabon bis Novgorod anzutreffen ist. Nirgendwo sonst auf der Welt hat sich diese spezifische Lebensart ausgeprägt, mit der unsere europäische Identität einhergeht, und Vorläufer unserer Werte sind: hier erblickte in der Renaissance der Humanismus und das Individuum das Licht der Welt, hier wurde die Marktwirtschaft geboren, hier entwickelte sich der Begriff jener Freiheit, die im Gegensatz zur Unterdrückung steht. Auch das ist keine Fiktion, sondern Basis eines fundierten Studiums zur Geschichte Europas.

Steingeworden ist das Abendland in seinen Kirchen, deren Aussehen divergieren mag; aber obwohl der Dom von Mailand, die Westminster Abbey und der Elisabethdom von Kosice Meilen und Sprachen trennt, sieht man doch hier die Architektur der Gotik durchstechen; bei anderen europäischen Baustilen sieht es ähnlich aus. Die europäische Literatur baut zudem grundlegend auf den antiken Epen und der christlichen Tradition auf.

Der Mailänder Dom - Bild:  © Steffen Schmitz (Carschten) / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0 [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)]
Der Mailänder Dom – Bild:  © Steffen Schmitz (Carschten) / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0 [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)]

Die europäischen Intellektuellen sahen sich seit der Renaissance als eine Gemeinschaft, die Austausch in einer Sprache – zuerst Latein, später Französisch – pflegte. Man muss nur einen Blick auf die Literatur der Renaissance werfen, deren Autoren sich untereinander kannten und einander schrieben. Ähnlich war es übrigens mit dem europäischen Adel, der sich als eine Familie sah. Vermählungen mit Dynastien außerhalb der christlich-abendländischen Welt waren undenkbar – im Übrigen auch ein Symbol für politische (!) Einheit, da es Familien waren, die das Schicksal der Staaten in ihren Händen hatten.

Auch vom Gelehrten Pierre Dubois, der als Schüler Thomas von Aquins bereits im 13. Jahrhundert eine pax christiana konzipierte und einen europäischen Staatenbund vordachte, scheint heute nichts mehr bekannt zu sein – wie aber soll man einen europäischen Staatenbund denken, wenn es angeblich keine Gemeinsamkeiten gab, oder zumindest eine gefühlte, gemeinsame Identität?

Es ist augenfällig, dass in der gesamten Abendland-Argumentation die Epoche der Frühen Neuzeit kaum gestreift wird, außer, um auf die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges zu verweisen – ohne den Westfälischen Frieden, jenen größten Ausdruck europäischer Identität, nur für eine Sekunde zu erwähnen. Vermutlich, weil gerade dieser Frieden Becker-Hubertis Traktat in Schwierigkeiten bringt: im Vertragstext wird nämlich wie immer „ein christlicher, allgemeiner, immerwährender Frieden und wahre und aufrichtige Freundschaft“ verlangt, wie schon in den Vorgängertexten des Mittelalters. Das Abendland identifizierte sich also auch noch in nachreformatorischer Phase als „res publica christiana“, als „christliche Republik“, die nach Kriegen immer einen christlichen Frieden schlossen, nach dem alles vergeben und vergessen sei – ganz im Gegensatz zu den Konflikten seit dem 2. Weltkrieg, bei denen Schuldzuweisungen und die totale Vernichtung des Kriegsgegners das oberste Ziel darstellen.

Wer jetzt einwenden mag, dass diese Beschwörungsfloskeln nur inhaltsleere Parolen seien, dem sei entgegnet, dass die christlichen Staaten des alten Europa mit dem muslimischen Reich der Osmanen nie einen Frieden schlossen, sondern nur Waffenstillstände. Revanchismus war hier die Regel. Selbst bei den sog. „Raubkriegen“ Ludwigs XIV. von Frankreich versuchte man sich zuletzt auf Friedenskongressen gütlich zu einigen, indes der Krieg gegen äußere Mächte eine Frage von Tributzahlung oder Tributforderung war.

Wer noch einen Beweis will: nach dem Spanischen Erbfolgekrieg Anfang des 18. Jahrhunderts, der vielen Historikern der Frühen Neuzeit als „Erster Weltkrieg“ gilt, da er auf allen Kontinenten zwischen den damaligen Großmächten ausgetragen wurde – Spanien, Frankreich, Großbritannien, Österreich und den Niederlanden samt Kolonien in Übersee – kam es zum Utrechter Frieden von 1713. In diesem Friedenstext wird der Begriff „Europa“ wortwörtlich verwendet, um die europäische Staatenwelt zu benennen. Europa, das ist der occidens, das ist das Abendland, das angeblich nur „unfundierte Fiktion“ ist – allerdings das selbst wohl etwas anders sah.

Noch ein letztes Wort zu Adenauer: zu behaupten, die Abendlandkonzeption der 50er sei „entchristlicht“ worden, um sie bürgerlich-konservativen Kreisen schmackhaft zu machen, entbehrt jedweder Grundlage. Es war genau andersherum: das Abendland De Gaulles und Adenauers war dezidiert christlich, ja, sogar „katholisch“. Beide waren tiefgläubige und praktizierende Katholiken, die gerade über diese Idee des christlichen Abendlandes erst eine gemeinsame Freundschaft begründeten. Die Symbolgesten, wie in der Kathedrale von Reims, waren keine bloße Publicityveranstaltung. Ein Zitat von De Gaulle: „Was wir schaffen wollen, ist ein christliches, im gemeinsamen Christsein versöhntes Europa.“

Frankreich, Staatsbesuch Konrad Adenauer
Messe in der Kathedrale von Reims mit de Gaulle und Bundeskanzler Adenauer.  Das Abendland De Gaulles und Adenauers war dezidiert christlich, ja, sogar „katholisch“. Beide waren tiefgläubige und praktizierende Katholiken, die gerade über diese Idee des christlichen Abendlandes erst eine gemeinsame Freundschaft begründeten.

Dass die heutige EU nichts mit De Gaulles und Adenauers Idee zu tun hat, ist freilich nicht den Gründungsvätern anzulasten.

Für einen Theologen mag daher eine Aneinanderreihung von Behauptungen genügen. Historiker sind allerdings dazu gezwungen, Quellenbefunde in ihrer Arbeit Priorität einzuräumen. Dass die europäische Diplomatie der Frühen Neuzeit und die Intellektuellen des Mittelalters ganz selbstverständlich eine irgendwie geartete, kulturelle Identität Alteuropas annahmen, während die Zeigeistigen heute dies für jene Epoche infrage stellen, entbehrt nicht der Ironie.

Es ist daher verfehlt, wenn Manfred Becker-Huberti seinen Text mit dem Argument politischer Auseinandersetzungen beginnt. Europa bzw. das Abendland war seit dem Untergang eines Römischen Reiches hindurch eine kulturelle Gemeinschaft. Politische Auseinandersetzungen wie den Dreißigjährigen Krieg oder die Deutsch-Französische Feindschaft (die überdies nicht jahrhundertelang, sondern von 1870 bis 1945 andauerte, dazu mit einer Unterbrechung in den 1920ern – so viel Zeit muss sein!) als Kontraargument anzuwenden, überzeugen daher nicht, besonders nicht, wenn man die jahrhundertelangen Zeiten von kulturellem Austausch, gegenseitiger Inspiration, gemeinsamer Kriege und geteilter Geschichte dagegen anwendet. Eine Familie mag sich streiten, deshalb bleiben Brüder jedoch weiterhin Brüder.

Marco Fausto Gallina studierte Politik- und Geschichtswissenschaften in Verona und Bonn. Geboren am Gardasee, sozialisiert im Rheinland, sucht der Historiker das Zeitlose im Zeitgeistigen und findet es nicht nur in der Malerei oder Musik, sondern auch in der traditionellen italienischen Küche. Katholische Identität und europäische Ästhetik hängen für ihn dabei unzertrennlich zusammen. Unter den Schwingen des venezianischen Markuslöwen betreibt er seit 2013 sein Diarium, den Löwenblog.

Abendländische Deckengemälde in den Vatikanischen Museen – Bild: Cathwalk

Siehe auch:

Der Beitrag Das christliche Abendland – eine Fiktion? erschien zuerst auf cathwalk.de und wurde von Marco Gallina verfasst.

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