Islam Archive - cathwalk.de https://www.thecathwalk.de/tag/islam/ Abendland & Alte Messe Sat, 07 Oct 2023 10:07:10 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.5.2 https://www.thecathwalk.de/wp-content/uploads/sites/2/2017/04/cropped-Logo-The-Cathwalk-transparenter-Hintergrund-150x150.png Islam Archive - cathwalk.de https://www.thecathwalk.de/tag/islam/ 32 32 Wahrheiten und Irrtümer über die Kreuzzüge https://www.thecathwalk.de/2017/02/15/wahrheiten-und-irrtuemer-ueber-die-kreuzzuege/?pk_campaign=feed&pk_kwd=wahrheiten-und-irrtuemer-ueber-die-kreuzzuege https://www.thecathwalk.de/2017/02/15/wahrheiten-und-irrtuemer-ueber-die-kreuzzuege/?pk_campaign=feed&pk_kwd=wahrheiten-und-irrtuemer-ueber-die-kreuzzuege#comments Wed, 15 Feb 2017 11:41:57 +0000 http://thecathwalk.de/?p=6256 Robert Spencer über die Folgen der verbreiteten historischen Irrtümer WASHINGTON D.C., (ZENIT.org).- Es könnte sein, dass „die Kreuzzüge der Vergangenheit heute mehr Verwüstung anrichten, als sie es in den drei Jahrhunderten, als die meisten von ihnen geführt wurden, getan haben. Das ist die These eines Mannes, der sich in der Geschichte der Kreuzzüge auskennt. Robert […]

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Robert Spencer über die Folgen der verbreiteten historischen Irrtümer

WASHINGTON D.C., (ZENIT.org).- Es könnte sein, dass „die Kreuzzüge der Vergangenheit heute mehr Verwüstung anrichten, als sie es in den drei Jahrhunderten, als die meisten von ihnen geführt wurden, getan haben. Das ist die These eines Mannes, der sich in der Geschichte der Kreuzzüge auskennt.

Robert Spencer ist Autor des Buches „Politically Incorrect Guide to Islam (and the Crusades)“ („Politisch inkorrekter Führer zum Islam [und zu den Kreuzzügen])“. Darin betont Spencer, dass es bei jenem Kreuzzug, der gegenwärtig geführt werde, nicht um den Verlust von Menschenleben noch um die Verwüstung von materiellem Eigentum handle, sondern um eine viel subtilere Form der Zerstörung.

Im Gespräch mit ZENIT erklärte der Fachmann, warum irrige Vorstellungen über die Kreuzzüge von Extremisten dafür genutzt werden, Feindseligkeit gegen die westliche Welt zu schüren.

ZENIT: Die Kreuzzüge werden oft als ein militärischer Angriffsschlag dargestellt. Waren sie das? 

Spencer: Nein. Papst Urban II., der auf dem Konzil von Clermont im Jahr 1095 zum ersten Kreuzzug aufrief, hat dies aus Gründen einer längst fälligen Verteidigung getan.

In seinem Aufruf erklärte er, dass er deshalb zum Kreuzzug aufrufe, weil „die Angriffe auf die Christen“,die „Gottgläubigen“, durch die Türken und andere muslimische Streitkräfte ohne Verteidigung noch viel größere Ausmaße annehmen würden.

„Denn die Gläubigen wurden, wie die meisten von euch bereits gehört haben, von Türken und Arabern angegriffen und das Territorium der ‚Romania‘ (des hellenistischen, also griechischen Imperiums), das im Westen bis zur Mittelmeerküste und dem Hellespont (Dardanellen), der der Arm St. Georgs genannt wird, reichte, wurde erobert.“ In dem Aufruf Papst Urbans II. heißt es des Weiteren wörtlich: „Sie haben immer mehr Länder der dortigen Christen besetzt und diese in sieben Kriegen besiegt. Sie haben viele von ihnen getötet und gefangen genommen, die Kirchen zerstört und das Kaiserreich (von Byzanz) verwüstet. Wenn man sie das weiter ungestraft tun lässt, werden die Gläubigen in einem noch weit größeren Ausmaß von ihnen angegriffen werden.“

Was der Heilige Vater damals gesagt hat, stimmte. Im Verlaufe des Dschihad, des “Heiligen Krieges“, sind vom siebten Jahrhundert an bis zur Zeit Papst Urbans über die Hälfte der christlich besiedelten Gebiete erobert und islamisiert worden. Bis zu den Kreuzzügen hatte die europäische Christenheit auf diese Provokationen nicht reagiert.

ZENIT: Was sind die am weitest verbreiteten Irrtümer über die Kreuzzüge? 

Spencer: Eines der häufigsten Missverständnisse ist die Vorstellung, die Kreuzzüge seien ein unprovozierter Angriff von Seiten Europas gegen die islamische Welt gewesen.

In Wirklichkeit stand die Eroberung Jerusalems durch die Muslime im Jahr 638 am Anfang jahrhundertelanger Angriffe von Seiten des Islam, und die Christen im Heiligen Land sahen sich einer Spirale der Verfolgung ausgesetzt, die zu eskalieren drohte.

Zu Beginn des achten Jahrhunderts wurden zum Beispiel 60 christliche Pilger, die von Amorion, einer byzantinischen Stadt im Zentrum Anatoliens, kamen, gekreuzigt. Um dieselbe Zeit ließ der muslimische Kommandant von Caesarea eine Gruppe von Pilgern aus Ikonium (antiker Name für Konya, einer Stadt in Inneranatolien) gefangen nehmen und alle – bis auf eine kleine Zahl, die zum Islam konvertierten – als Spione hinrichten.

Die Muslime verlangten von den Pilgern auch Geld – unter der Drohung, die Auferstehungskirche zu plündern, falls sie nicht zahlten.

Im späteren Verlauf des achten Jahrhunderts ließ ein muslimischer Herrscher in Jerusalem das Symbol des Kreuzes in der Öffentlichkeit verbieten. Er ließ auch die Steuern für Nicht-Muslime erhöhen, die „jizya“, die die Christen zu zahlen hatten, und verbot ihnen, ihre eigenen Kinder und ihre Mitchristen im Glauben zu unterweisen.

Zu Beginn des neunten Jahrhunderts wurden die Verfolgungen so grausam, dass eine große Zahl von Christen nach Konstantinopel und in andere christliche Städten floh. Im Jahr 937 wüteten Muslime am Palmsonntag in Jerusalem und plünderten und zerstörten die Kirche auf dem Kalvarienberg sowie die Auferstehungskirche.

Im Jahr 1004 ordnete der Fatimidenkalif [als „Fatimiden“ wird die von Fatima, der jüngsten Tochter Mohammeds, abstammende mohammedanische Dynastie bezeichnet, Anm. d. Red] Abu ‚Ali al-Mansur al-Hakim, die Zerstörung von Kirchen, das Verbrennen von Kreuzen und die Aneignung von Kirchenbesitz an. In den darauf folgenden zehn Jahren wurden 30.000 Kirchen zerstört, und unzählige Christen traten zum Islam über, um ihr Leben zu retten.

Im Jahr 1009 ließ al-Hakim die Grabeskirche in Jerusalem zusammen mit mehreren anderen Kirchen, darunter die Auferstehungskirche, zerstören. Im Jahr 1056 vertrieben die Muslime 300 Christen aus Jerusalem und verbaten europäischen Christen, die wieder aufgebaute Grabeskirche zu betreten.

Als die seldschukischen Türken im Jahr 1077 Jerusalem einnahmen, versprach der Seldschuke Emir Atsiz bin Uwaq, die Einwohner zu verschonen. Sobald jedoch seine Männer die Stadt betreten hatten, ermordeten sie rund 3.000 Menschen.

Ein weiterer sehr geläufiger historischer Irrtum besteht in der Meinung, dass die Kreuzzüge mit dem Ziel geführt wurden, Muslime gewaltsam zum Christentum zu bekehren. Entgegen dieser Behauptung ist das Fehlen jeglichen Aufrufs Papst Urbans II. an die Kreuzfahrer, die Muslime zu bekehren, eklatant. In keinem der Berichte über Papst Urbans Erklärung auf dem Konzil von Clermont findet sich irgend eine derartige Aufforderung.

Erst im 13. Jahrhundert – über 100 Jahre nach dem ersten Kreuzzug! – kam es dazu, dass europäische Christen einen koordinierten Versuch unternahmen, Muslime zum Christentum zu bekehren. Das geschah, als die Franziskaner in jenen Gebieten, die von den Kreuzfahrern besetzt worden waren, mit der Mission unter Muslimen begannen. Allerdings blieb dieser Versuch weitgehend erfolglos.

Dazu kommt noch ein weiterer Irrtum über die Kreuzzüge. Er betrifft die blutige Plünderung Jerusalems durch die Kreuzfahrer im Jahr 1099.

Die Eroberung Jerusalems wird oft als einzigartiges Ereignis in der Geschichte des Mittelalters dargestellt und als Ursache für das Misstrauen der Muslime gegenüber der westlichen Welt. Richtiger müsste es heißen: Sie war der Beginn einer jahrtausendelangen Verbreitung antiwestlicher Ressentiments und antiwestlicher Propaganda.

Die Plünderung Jerusalems durch die Kreuzfahrer war zwar ohne Zweifel ein abscheuliches Verbrechen – besonders im Licht der religiösen und moralischen Prinzipien, auf die sie sich beriefen. Jedoch war sie nach den militärischen Standards der damaligen Zeit nichts Außergewöhnliches.

In jener Zeit war es ein allgemein anerkannter Grundsatz der Kriegsführung, dass eine belagerte Stadt, wenn sie gegen die Eroberung Widerstand leistete, geplündert werden durfte. Leistete sie keinen Widerstand, pflegte man sie zu verschonen. Es ist historisch belegt, dass muslimische Armeen sich häufig genauso verhalten haben, wenn sie in eine eroberte Stadt einzogen.

Zwar soll hier nicht das Verhalten der Kreuzfahrer entschuldigt werden, indem auf ähnliches Handeln auf anderer Seite hingewiesen wird – eine Greueltat rechtfertigt nicht eine andere –, es zeigt aber, dass das Verhalten der Kreuzfahrer in Jerusalem dem anderer Armeen der Periode entsprochen hat, und zwar aufgrund derselben Einstellung zu Belagerung und Widerstand, die die verschiedenen Städte besaßen.

Im Jahr 1148 schreckte der muselmanische Kommandeur Nur ed-Din nicht davor zurück, alle Christen in Aleppo (Stadt in Nordwest-Syrien) töten zu lassen. Als im Jahr 1268 die Dschihad-Streitkräfte des Mamelukken-Sultans Baybars Antiochien den Kreuzfahrern weggenommen hatten, war Baybars verärgert, als er feststellen musste, dass der Kommandeur der Kreuzfahrer die Stadt bereits verlassen hatte. Er schrieb deshalb einen Brief an ihn, welcher erhalten geblieben ist und in dem er mit seinen Massakern an den Christen prahlte.

Am berüchtigtsten ist wohl der Einmarsch der Dschihad-Krieger in Konstantinopel am 29. Mai 1453, als diese, wie der Historiker Steven Runciman schreibt, „alle, die sie auf der Straße antrafen, unterschiedslos erschlugen – Männer, Frauen und Kinder“.

Und schließlich gehört zu den Irrtümern über die Kreuzzüge auch die Behauptung, Papst Johannes Paul II. habe sich für die Kreuzzüge entschuldigt. Das hat er nicht getan.

Zweifellos ist die Ansicht, Papst Johannes Paul II. habe sich für die Kreuzzüge entschuldigt, weit verbreitet. Als er starb, ‚erinnerte‘ die „Washington Post“ ihre Leser daran, dass „Papst Johannes Paul II. sich in seiner langen Amtszeit bei den Muslimen für die Kreuzzüge, bei den Juden für den Antisemitismus, bei den orthodoxen Christen für die Plünderung Konstantinopels, bei den Italienern für die Beziehungen zur Mafia und zu jenen Wissenschaftlern, die die Verfolgung Galileos betrieben hatten, entschuldigt hat“.

Aber Johannes Paul II. entschuldigte sich nie wirklich für die Kreuzzüge. Was einer solchen Entschuldigung am nächsten kam, war das, was er in seiner Predigt am „Tag der Vergebung“ am 12. März 2000 sagte: „Wir müssen einfach die Treulosigkeiten gegenüber dem Evangelium, die von einigen unserer Brüder im Glauben besonders im zweiten Jahrtausend begangen worden sind, zur Kenntnis nehmen. Lasst uns um Vergebung bitten für die Spaltungen unter den Christen, für die Gewalt, die einige bei ihrem Dienst an der Wahrheit angewendet haben, und für die misstrauische und feindselige Haltung, die bisweilen gegen die Anhänger anderer Religionen eingenommen wurde.“

Dies kann man kaum eine eindeutige Entschuldigung für die Kreuzzüge nennen.

ZENIT: Wie haben die Muslime damals und heute die Kreuzzüge wahrgenommen?

Spencer: Jahrhundertelang, als das Osmanische Reich blühte, waren die Kreuzzüge nicht die vorrangige Sorge der islamischen Welt. Vom westlichen Standpunkt aus betrachtet waren sie einfach ein Misserfolg. Mit dem Verfall der militärischen Macht und der Einheit der islamischen Welt und dem damit zusammenfallenden Aufstieg des Westens wurden sie jedoch zum Brennpunkt muslimischer Ressentiments gegenüber dem, was sie als Übergriff und Ausbeutung empfanden.

ZENIT: In welchem Umfang bedienen sich heute extremistische Kreise der weit verbreiteten Irrtümer über die Kreuzzüge? 

Spencer: Die Kreuzzüge richten heute wohl eine größere Verwüstung an, als sie es in den drei Jahrhunderten, als die meisten von ihnen geführt wurden, getan haben. Ich beziehe mich hier nicht auf das, was den Verlust von Menschenleben und die Zerstörung materieller Besitztümer angeht, sondern meine eine subtilere Form von Zerstörung.

Die Kreuzzüge sind zur Hauptsünde nicht nur der katholischen Kirche, sondern auch der ganzen westlichen Welt geworden. Sie sind das Beweisstück Nr. 1 für die Anklage, dass es letztendlich der Westen sei, der die gegenwärtige Auseinandersetzung zwischen der muslimischen Welt und der westlichen post-christlichen Zivilisation zu verantworten habe. Der Westen habe die Muslime provoziert, ausgebeutet und brutal behandelt, seit die ersten Frankenkrieger in Jerusalem einzogen.

Osama bin Laden sprach von seiner Organisation nicht als El-Kaida, sondern als einer „Weltfront des Islam für den Heiligen Krieg gegen Juden und Kreuzfahrer“ und rief eine Fatwa zum „Heiligen Krieg gegen Juden und Kreuzfahrer“ aus.

Dieser Sprachgebrauch ist weit verbreitet. Am 8. November 2002, kurz vor Beginn des Irakkriegs, durch den Saddam Hussein gestürzt wurde, predigte Sheikh Bakr Abed Al-Razzaq Al-Samaraai in der „Mutter-aller-Kriege-Moschee“ über „diese schwere Stunde, in der das islamische Volk die Herausforderung der Kräfte des Unglaubens von Ungläubigen, Juden, Kreuzfahrern, Amerikanern und Briten erlebt und mit ihr konfrontiert wird“.

Ähnlich erklärten die islamischen Dschihadisten, als sie im Dezember 2004 das US-Konsulat in Jedda in Saudi Arabien bombardierten, dass der Angriff Teil eines größeren Planes sei, nämlich eines Gegenschlags gegen die „Kreuzfahrer“. In ihrer Erklärung hieß es: „Dieses Unternehmen ist Bestandteil mehrerer Aktionen, die von El-Kaida organisiert und geplant wurden als Teil des Kampfes gegen die Kreuzfahrer und Juden und ebenso als Teil des Plans, die Ungläubigen dazu zu zwingen, die arabische Halbinsel zu verlassen“.

Sie brüsteten sich, dass es ihnen gelungen sei, „in eine der mächtigen Festungen der Kreuzfahrer auf der arabischen Halbinsel einzudringen und in das amerikanische Konsulat, von dem aus diese (die Amerikaner) das Land kontrollieren und überwachen“.

Angesichts einer solchen Propaganda sollten sich die Bewohner des Abendlandes hinsichtlich der Kreuzzüge nicht ins Bockshorn jagen lassen. Es ist Zeit, klar zu sagen: „Jetzt reicht es“, und unsere Kinder zu lehren, auf ihr eigenes Erbe stolz zu sein. Sie sollen wissen, dass sie eine Kultur und eine Geschichte haben, für die sie dankbar sein können; dass sie nicht Kinder und Enkel von Tyrannen und Schurken sind, und dass ihre Häuser und Familien es wert sind, dass man sie gegen jene verteidigt, die sie ihnen wegnehmen wollen und die nicht davor zurückschrecken, einen Mord zu begehen, um ihr Ziel auch zu erreichen.

Quelle: Dieser Artikel erschien auf dem Nachrichtenportal Zenit.org und darf hier weiterverbreitet werden. The Cathwalk empfiehlt seinen Lesern das Abonnieren des zenit.org-Newsletters.

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Schönheit und Religion: sinnlich, künsterlisch und liturgisch https://www.thecathwalk.de/2016/12/14/schoenheit-und-religion-sinnlich-kuensterlisch-und-liturgisch/?pk_campaign=feed&pk_kwd=schoenheit-und-religion-sinnlich-kuensterlisch-und-liturgisch https://www.thecathwalk.de/2016/12/14/schoenheit-und-religion-sinnlich-kuensterlisch-und-liturgisch/?pk_campaign=feed&pk_kwd=schoenheit-und-religion-sinnlich-kuensterlisch-und-liturgisch#respond Wed, 14 Dec 2016 08:00:33 +0000 http://thecathwalk.de/?p=6936 Navid Kermani ist Muslim und belehrt von außen über die Schönheit des Christentums, in dem Buch mit dem passenden Titel: „Ungläubiges Staunen. Über das Christentum“. Staunen kann man auch darüber, dass man sich anscheinend „ungläubig“ nennen muss, um die Schönheit wahrzunehmen. Kermani nähert sich über die christliche Kunst der Schönheit an und bezieht sich auch […]

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Navid Kermani ist Muslim und belehrt von außen über die Schönheit des Christentums, in dem Buch mit dem passenden Titel: „Ungläubiges Staunen. Über das Christentum“. Staunen kann man auch darüber, dass man sich anscheinend „ungläubig“ nennen muss, um die Schönheit wahrzunehmen. Kermani nähert sich über die christliche Kunst der Schönheit an und bezieht sich auch auf den Sonnengesang von Franz von Assisi, in dem dieser die Schönheit der Schöpfung preist. Vor allem aber geht es um Rom und Caravaggio. Über Kunstwerke und Schönheit sich dem Christentum anzunähen, scheint heute ganz fremd geworden zu sein und dennoch sind dies genau die Dinge, die Kermani helfen, eine Brücke zwischen Christentum und Islam zu schlagen.

Schönheit als Bestandteil Gottes und der Schöpfung

In Sure 7, 180 wird im Koran von den schönsten Namen Gottes“ gesprochen. Passenderweise gibt es auch ein Buch von Kermani mit dem Titel: „Gott ist schön: Das ästhetische Erleben des Koran“. Auch im Christentum gilt Schönheit als Bestandteil der Offenbarung, so heißt es in einer wörtlichen Übersetzung von Pslam 104 (Vers 1):

Lobe den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich; du bist schön und prächtig geschmückt“

Wenn man die Bibel vor allem schöpferisch liest, entdeckt man viele Bezüge und Verweise zwischen Schönheit, Schöpfung und dem Lob Gottes. Dies bezieht auch Erotik mit ein, so heißt es im alttestamentlichen Hohelied der Liebe:

„Schön bist du, meine Freundin,  ja, du bist schön. Zwei Tauben sind deine Augen. Schön bist du, mein Geliebter, verlockend. Frisches Grün ist unser Lager, Zedern sind die Balken unseres Hauses, Zypressen die Wände.“

Menschen suchen Schönheit und fühlen sich, wenn sie diese wahrnehmen, wohl. Sie strahlt etwas aus, dass gute Gefühle auslöst.

Schönheit und Begierde

Durch die augustinische Theologie gibt es die Tendenz eines pessimistischen Menschenbildes im Christentums. Der Mensch galt dem Kirchenlehrer Augustinus vor allem als Sünder und sinnliche Schönheit somit als Einfallstor für fleischliche Sünden. Der Lobpreis der Schöpfung wird zunehmend von einer Erlösungstheologie abgelöst. Das Neue Testament bietet auch entsprechende Textstellen für diese Sichtweise an, so heißt es in der Bergpredigt (Mt. 5,28f):

„Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird.“

Wenn also Gedanken bereits Ehebruch sein können, die vom Heil ausschließen, sind der sinnlichen Darstellung von Schönheit durch das Evangelium Grenzen gesetzt. Vor allem, wenn man wie Augustinus davon ausgeht, dass der Mensch sowieso sündige Gedanken haben wird. Die Bergpredigt drückt in diesen Worten eine  scharfe Opposition gegen lüsterne Blicke aus und rät eher zur Selbstverstümmelung als zum bösen Blick. Zwar lehnt die Kirche Selbstverstümmelung ab, aber die Härte der Worte bleibt bestehen.

Schönheit als Bestandteil von Liturgie und Architektur

Nach dem Ersten Weltkrieg begann man zunehmend skeptischer gegenüber einer architektonischen Prachtentfaltung zu werden. Sie schien zu oft als politische Propaganda benutzt worden zu sein, als „Part of the Problem“, das zum Krieg führte und zu entfernt vom Leben der einfachen Menschen. Anstatt irgendwelche Ideen in Stein zu meißeln, gewann Pragmatismus zunehmend an Boden. Diese Sichtweise fasste auch in der Kirche Fuß.

Aber es ist die Aufgabe der Kirche eine religiöse Beziehung zu Gott zu ermöglichen, das Transzendente, das Hinüberschreiten in die andere Wirklichkeit, irgendwie darzustellen. Deshalb ist Schönheit als Bestandteil von Liturgie und Architektur unverzichtbar.  Von daher kann es nicht darum gehen, eine kalte Betonarchitektur in den Kirchenbauten zu errichten. Besonders in der orthodoxen Kirche wird Liturgie als das Darstellen der himmlischen Wirklichkeit auf Erden verstanden, weshalb Liturgie niemals trivial, niemals platt und niemals nüchtern sein kann. Liturgie soll schön sein, weil sie die Schönheit Gottes ausdrücken und auf die Erde holen will. Ebenso soll ein Kirchengebäude nicht Tristesse darstellen, sondern Gotteslob sein. Wie kann man dann noch auf Schönheit verzichten wollen?

Der Beitrag Schönheit und Religion: sinnlich, künsterlisch und liturgisch erschien zuerst auf cathwalk.de und wurde von Josef Jung verfasst.

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Die große Seeschlacht von Lepanto https://www.thecathwalk.de/2016/10/07/die-grosse-seeschlacht-von-lepanto/?pk_campaign=feed&pk_kwd=die-grosse-seeschlacht-von-lepanto https://www.thecathwalk.de/2016/10/07/die-grosse-seeschlacht-von-lepanto/?pk_campaign=feed&pk_kwd=die-grosse-seeschlacht-von-lepanto#comments Fri, 07 Oct 2016 11:01:11 +0000 http://thecathwalk.de/?p=8095 Am 7. Oktober jährt sich die Schlacht von Lepanto zum 445. Mal. Eine Geschichte von gehäuteten Festungskommandanten, christlicher Revanche, einem einarmigen Dichter und dem Beginn des Rosenkranzfestes. Elf zehrende Monate lastet die Belagerung auf der Festungsstadt Famagusta auf Zypern. Das Banner des Markuslöwen hängt in roten Fransen über den Zinnen. Seit dem September 1570 belagern […]

Der Beitrag Die große Seeschlacht von Lepanto erschien zuerst auf cathwalk.de und wurde von Marco Gallina verfasst.

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Am 7. Oktober jährt sich die Schlacht von Lepanto zum 445. Mal. Eine Geschichte von gehäuteten Festungskommandanten, christlicher Revanche, einem einarmigen Dichter und dem Beginn des Rosenkranzfestes.

Elf zehrende Monate lastet die Belagerung auf der Festungsstadt Famagusta auf Zypern. Das Banner des Markuslöwen hängt in roten Fransen über den Zinnen. Seit dem September 1570 belagern die Osmanen die letzte Stadt, die von der venezianischen Herrschaft auf Zypern übriggeblieben ist. Mitten im Frieden hatten die Türken die größte venezianische Kolonie des Mittelmeers überfallen; die Hauptstadt Nikosia fiel Plünderung und Zerstörung anheim. Zwanzigtausend Menschen sollen beim türkischen Blutrausch ihr Leben verloren haben. Ein Grund dafür, warum viele der venezianischen Festungen, welche zu den größten und modernsten des Mittelmeerraumes gehören, den Invasoren Tür und Tor geöffnet haben. Niemand will ein zweites Massaker riskieren.

Einzig Famagusta hält aus. Marcantonio Bragadin, der Festungskommandant, gilt im Abendland bereits als Held. Seine 8.000 Männer haben bereits fünf Sturmversuche der Osmanen zurückgeworfen. Nur wenige Jahre nach der Belagerung von Malta ist es wieder eine massiv überlegene Streitmacht der Osmanen, die an einer christlichen Bastion abprallt. Famagusta verfügt über einen geschützten Hafen, venezianische Schiffe versorgen die Stadt über Monate.

Und es gibt Hoffnung: denn der Doge steht in Verhandlungen mit dem Papst, der eine Heilige Liga ins Leben rufen will. Die größte Flotte, welche die Christenheit je gesehen hat, soll Famagusta und Zypern retten. Das Arsenal in Venedig, das mit seinen vorbereiteten Schiffsmodulen im Tagestakt Galeeren zusammensetzen und zu Wasser lassen kann, arbeitet seit Monaten unaufhörlich. Und Gerüchten zufolge soll Spanien dem Bündnis beitreten – zusammen mit seiner legendären Armada, die den Korsaren der Barbareskenküste in Nordafrika bereits das Fürchten gelehrt hat.

Aber anders als Malta erwartet Famagusta kein glückliches Ende. Im August 1571 geht den Belagerten die Munition aus. Die Osmanen haben unterirdische Tunnel in das Erdreich getrieben und zerstören die Fundamente der Festungswälle. Pausenlos feuern die türkischen Kanonen neue Salven und setzen Bragadin unter Druck. Der venezianische Kommandant steht vor der Entscheidung: standhalten, und das Leben seiner Männer opfern, die sich so erbittert verteidigt haben; oder die Kapitulation anbieten und um freies Geleit bitten. Bragadin entscheidet sich für Letzteres. Denn die Konditionen erscheinen günstig: der osmanische General Lala Kara Mustafa Pasha hat bereits über 30.000 Soldaten an den Mauern verloren, und erscheint verhandlungsbereit. Die Türken machen ein großzügiges Angebot: Bragadin und seine Männer dürfen mit ihrer Standarte hoch erhoben abziehen.

Doch für den Venezianer gibt es ein böses Erwachen. Kaum besetzen die Türken die Stellungen, sind die Versprechungen null und nichtig. Bei der Übergabezeremonie zieht Mustafa seinen Dolch, attackiert Bragadin und schneidet ihm ein Ohr ab – und beordert seine Soldaten, ihm auch das andere Ohr und die Nase abzuschneiden. Die Osmanen töten darauf den Gouverneur Baglioni, und beginnen mit dem Massaker an der christlichen Bevölkerung.

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Die Sieger von Lepanto: Don Juan de Austria, Marcantonio Colonna und Sebastiano Venier. Bild: Anonym [Public domain]

Bragadin wird vor den siegreichen osmanischen Truppen vorgeführt. Dreizehn Tage wird er im Kerker seiner eigenen Festung gefoltert. Seine Peiniger bieten ihm den Übertritt zum Islam an, um die Marter zu beenden, doch der Venezianer wehrt sich immer und immer wieder. Man bürdet ihm Steine auf und zieht ihn damit um die Stadtmauern Famagustas. Zwei Wochen nach dem Fall der Stadt lässt man ihn vor johlendem Publikum am lebendigen Leib häuten und vierteilen. Noch nach seinem Martyrium macht man sich über ihn lustig, füllt seine Haut mit Heu, zieht ihm eine Uniform an und setzt den makaber entstellten Leichnam auf einen Ochsen, den man durch die Straßen paradiert. Am Ende werden die sterblichen Überreste als Trophäenstücke bei den Soldaten verteilt, die Haut Bragadins geht an den Sultan von Konstantinopel.

Den christlichen Mächten bleiben diese Horrorgeschichten nicht verborgen. Endlich findet die Liga zusammen – zu spät für Zypern, zu spät für Famagusta und zu spät für Bragadin. In Messina kommt es zum Rendezvous der Seemächte, angeführt von Spanien, Venedig und dem Kirchenstaat. Oberkommandant des Verbandes ist Don Juan de Austria, der spanische Flottenführer – ein unehelicher Sohn Kaiser Karls V., nur 24 Jahre alt. Seine Flanken schützen der venezianische General-Kapitän Sebastiano Venier und der Römer Marcantonio Colonna.

Neben diesen drei Hauptmächten nehmen die Republik Genua, das Großherzogtum Toskana, das Herzogtum Savoyen, das Herzogtum Urbino und der Malteserorden mit ihren Schiffsverbänden teil; weitere italienische Staaten, wie die kleine Republik Lucca, sind nicht mit Schiffen zugegen, unterstützen die Sache der Liga aber finanziell mit Material und Männern. Obwohl das Heilige Römische Reich offiziell nicht Kombattant ist, sind auf den Schiffen der Heiligen Liga auch deutsche Soldaten zugegen.

Letztere sind auch dringend notwendig. Die Liga verfügt über 212 Schiffe, darauf fallen allein 115 auf Venedig (zum Vergleich: Spanien schickte 49, Genua 27 und der Papst 7 Schiffe). Die venezianische Schiffswerft arbeitete auf Hochtouren, doch die Republik hat nicht genügend Männer, um alle Galeeren mit Soldaten zu besetzen. Es sind daher insbesondere Männer aus den Teilen des spanisch-österreichischen Imperiums, welche die Besatzungen auch bei den Venezianern vervollständigen. Neben den 40.000 Seemännern verstärken daher mehr als 28.000 zusätzliche Soldaten die Liga, die im habsburgischen Sold stehen. Während die meisten Ruderer Gefangene sind, handelt es sich bei den Venezianern auch um freie Bürger, die sich selbst verteidigen. Das christliche Heer umfasst also knapp 70.000 Männer – eine schwindelerregende Zahl, die bei Landschlachten kaum erreicht wird.

Die christliche Geheimwaffe sind jedoch sechs venezianische Schiffe, die in ihren Dimensionen alle anderen Galeeren in den Schatten stellen. Diese Galeassen erscheinen Freund wie Feind als schwimmende, hölzerne Ungetüme. Über fünfhundert Ruderer treiben jede dieser Riesengaleeren an. Ihre überwältigende Feuerkraft ist jedem anderen Schiff überlegen. Der tödlichste Trick: die Galeasse kann mit ihren Bug- und Heckkanonen in jede Richtung schießen.

Am 7. Oktober treffen die Christen auf die muslimische Flotte bei Lepanto. Vor den Kampfhandlungen beten die 70.000 Ruderer und Soldaten. In den Städten der Christenheit betet man zur selben Zeit den Rosenkranz, um die Gottesmutter Maria um den Sieg zu bitten. Papst Pius V. hatte zu diesem Zweck die Standarte mit dem Kruzifix und den Heiligen Petrus und Paulus gesegnet, auf dem das alte Motto „In Hoc Signo Vinces“ eingestickt war. Auf dem Flaggschiff der Liga, der „Real“ des Don Juan de Austria, prangte zudem die Gottesmutter mit der Aufschrift „S. Maria succurre miseris“. Der Kommandant dagegen belässt es bei großen Reden und erinnert seine Mannschaft lakonisch daran, dass das Paradies nicht für Feiglinge gemacht sei.

Den 212 Schiffen stellt sich eine Wand aus Segeln, Rudern und grünen Bannern entgegen; der ganze Horizont wird von der türkischen Armada eingenommen. Von Material und Mannstärke sind die Osmanen überlegen: die feindliche Marine kommt auf über 250 Schiffe und umfasst mindestens 10.000 Männer mehr. Doch Sufi Ali Pasha, der schon an den Sieg glaubt, rechnet nicht mit der Zerstörungsgewalt der Galeassen, welche dem christlichen Flottenverband vorausfahren, und mit ihrem Rundumfeuer Breschen in den osmanischen Mastenwald schlagen.

Die erhöhte Reling macht es den Türken zuerst unmöglich, diese überhaupt zu entern. Der Einsatz Don Juan de Austrias, der auf seinem Flaggschiff persönlich die Auseinandersetzung sucht, kommt für die Türken ebenso unvorbereitet; und zuletzt sind es die osmanischen Bogenschützen, die im Angesicht der spanischen Arkebusen und Musketen den Kürzeren ziehen. Die überlegene Feuerkraft der Christen macht die quantitative Überlegenheit der Osmanen wett.

Lepanto geht nicht nur als größte Galeerenschlacht der Menschheitsgeschichte ein. Sie ist eine Probe von Mensch und Material, wie sie die Weltgeschichte nur selten kennt. Über Hunderttausend Menschen sind in dem Blutmeer verwickelt. Auf christlicher wie muslimischer Seite kämpfen Veteranen aus jahrzehntelangen Konflikten zwischen den Seemächten beiderseits der Mittelmeerküste. Miguel Cervantes, der berühmte spanische Dichter, der mit seinem Don Quijote später Weltruhm erlangen wird, nimmt an Bord der Marquesa an der Schlacht teil und weiß, dass an diesem Tage Weltgeschichte geschrieben wird. Eine Verletzung am linken Arm führt dazu, dass seine linke Hand dauerhaft gelähmt bleibt.

Der Tag wird zur dunkelsten Stunde der osmanischen Marine. Die Christen erbeuten 137 osmanische Schiffe und befreien annähernd 15.000 christliche Sklaven, die auf diesen ihren Galeerendienst versahen; Größenordnungen einer Stadt wie Augsburg in der damaligen Zeit. Weitere 50 Schiffe werden versenkt. Etwa 20.000 Osmanen finden den Tod. Die Christen verlieren nur 17 Schiffe und etwa 8.000 Mann.

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Die Schacht von Lepanto, Paolo Veronese

Obwohl Venedig den glänzendsten Sieg seiner Geschichte verbucht, kann die Republik keinen Vorteil daraus ziehen. Als die Venezianer vor dem Sultan vorstellig werden und Zypern zurückfordern, entgegnet ihnen der muslimische Herrscher: „Als wir euch Zypern nahmen, haben wir euch einen Arm abgeschlagen; als ihr uns bei Lepanto besiegt habt, habt ihr unseren Bart abgeschnitten. Der Bart wächst nach, der Arm nicht.“ Venedig schließt zwei Jahre später einen erniedrigenden Frieden, die Liga löst sich auf – Zypern bleibt osmanisch.

Obwohl die Liga also kurzfristig keinen Nutzen aus dem überwältigenden Triumph der Christenheit gegen den expandierenden Islam ziehen konnte, war die Sache jedoch deutlich komplexer, als es die Anekdote des Sultans darzustellen vermag. Die Türken verloren bei Lepanto ihre gesamte Marine-Elite: altgediente Korsaren und erfahrene Kommandanten, die unersetzlich für die Flotte waren. Nie wieder sollte eine osmanische Flotte den christlichen Mächten eine Niederlage wie bei Preveza (1538) oder Djerba (1560) erteilen. Auch der Verlust der osmanischen Bogenschützen, die nun für Landeroberungen fehlen, erschienen im Nachhinein als unwiederbringlich.

Zusammen mit der verlorenen Belagerung von Malta (1565) stießen die Osmanen an ihre Grenzen. Bis zur Belagerung von Kreta (1648-1669) gelangen den Türken keine Eroberungen mehr. Die beginnende Vormachtstellung des Westens wurde auch an der steigenden Feuerkraft der europäischen Schiffe deutlich. Dagegen war es mit den großen Eroberungszügen der Osmanen, die noch unter Sultan Süleyman bis Wien vorgestoßen waren, vorerst vorbei. Die Türken, die als „satanische Macht“ als unbezwingbar gegolten hatten, konnte man nun zu Lande und zu Wasser besiegen.

Lepanto war daher nach Wien und Malta das dritte Symbol der Selbstbehauptung Europas gegen die muslimische Expansion. Die Schlacht gewann in Spanien, Venedig und Rom eine ungeheure Bedeutung. Bis heute finden sich Nachfahren jener Adelsfamilien in Rom ein, die bei Lepanto kämpften. In Venedig wird der Schlacht bis heute jedes Jahr gedacht; in der Malerei wurde sie von Veronese und Vicentino verewigt, das Thema von einer ganzen Reihe römischer wie spanischer Künstler immer wieder neu interpretiert – wobei der Sieg auf die Gottesmutter Maria zurückgeführt wurde. Lepanto-Gemälde nahmen bald den Rang ikonographischer Darstellungen ein. Papst Pius V. ordnete die Institutionalisierung des Rosenkranzfestes an, welche der Intervention Mariens in diesem Konflikt gedachte. Legenden besagen gar, die Männer hätten im Schlag der Mysterien des Rosenkranzes gerudert. Neben dem „Türkenläuten“ von Belgrad, ist das Rosenkranzfest damit eine zweite Erinnerung an die Abwehr der osmanischen Bedrohung – bis heute.


Marco Fausto Gallina studierte Politik- und Geschichtswissenschaften in Verona und Bonn. Geboren am Gardasee, sozialisiert im Rheinland, sucht der Historiker das Zeitlose im Zeitgeistigen und findet es nicht nur in der Malerei oder Musik, sondern auch in der traditionellen italienischen Küche. Katholische Identität und europäische Ästhetik hängen für ihn dabei unzertrennlich zusammen. Unter den Schwingen des venezianischen Markuslöwen betreibt er seit 2013 sein Diarium, den Löwenblog.

Der Beitrag Die große Seeschlacht von Lepanto erschien zuerst auf cathwalk.de und wurde von Marco Gallina verfasst.

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Auf den Hut gekommen https://www.thecathwalk.de/2016/09/16/auf-den-hut-gekommen/?pk_campaign=feed&pk_kwd=auf-den-hut-gekommen https://www.thecathwalk.de/2016/09/16/auf-den-hut-gekommen/?pk_campaign=feed&pk_kwd=auf-den-hut-gekommen#comments Fri, 16 Sep 2016 10:00:39 +0000 http://thecathwalk.de/?p=7835 Ein Aufruf zur modischen Waghalsigkeit von Franziska Holzfurtner  Was vor 50, 60 Jahren noch ganz normal war, zieht heute die Aufmerksamkeit – positive wie negative – auf sich. Nur noch hartgesottene Fashionistas (und ich) trauen sich mit diesem exaltierten Kleidungsstück auf die Straße: der Hut. Für mich hat er das Zeug zum selbstbewussten Statement der […]

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Ein Aufruf zur modischen Waghalsigkeit von Franziska Holzfurtner 

Was vor 50, 60 Jahren noch ganz normal war, zieht heute die Aufmerksamkeit positive wie negative – auf sich. Nur noch hartgesottene Fashionistas (und ich) trauen sich mit diesem exaltierten Kleidungsstück auf die Straße: der Hut. Für mich hat er das Zeug zum selbstbewussten Statement der katholischen Frau.

Meine Liebe zum Hut wurde schon früh geweckt. Meine Großmutter besaß wie die meisten älteren Damen eine ausgedehnte Kollektion. Ein Modell nach dem anderen wanderte auf meinen noch etwas zu kleinen Kopf. Ich gefiel mir in ihnen allen und meine Großmutter konstatierte zufrieden, ich habe ein Hutgesicht.

Als zerknirschter Teenager mit „auch-schon-wurst“-Attitüde und einer abgrundtiefen Abneigung gegen alles Weibliche und Auffällige erkaltete meine Liebe zum Hut.

Was mich wieder auf den Hut gebracht hat, war meine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Islam.

Vom Kopftuch zum Hut

Ich schrieb damals eine Arbeit, welche den Titel „Bekleidungspolitik junger Muslimas in Europa“ trug. Dafür wühlte ich mich durch dutzende sogenannter „Hijab-Tutorials“ (sprich: „Hiedschab“) auf Youtube. Hijab ist der muslimische Begriff für einen keuschen Bekleidungsstil, ist aber schon längst als totum pro parte als Bezeichnung für das Kopftuch im Speziellen gebräuchlich. In diesen Dingern steckt ein ungeahntes Maß an Arbeit, sie werden abgestimmt auf den Rest der Kleidung, den Anlass und die Stimmung, dekoriert mit Stoffblumen, Broschen, Spitzen- und Flechtbändern, sie werden aufgepolstert, geknotet, gesteckt, sorgsam in Falten gelegt. Ich war begeistert, hineingezogen in diese Ästhetik. Die türkische Oma mit dem einfach geknoteten grau-beigen Tuch ist passé. Diese jungen Frauen empfinden teilweise ihre Verhüllung sogar als feministisch. Auch, wenn ich der Argumentation folgen kann, sehe ich da allerdings einen gewissen Diskussionsbedarf.

Der feministische Wert des Hijab hat für mich das ein oder andere Wenn und Aber. Was diese Form der Verhüllung aber definitiv ist, ist eine doppelte Provokation: Zum einen gegen den als Entkleidungszwang empfundenen modischen Anspruch der westlichen Umgebung, zum anderen gegenüber der religiösen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Einschränkung von Frauen in einem traditionellen muslimischen Umfeld, in dessen Augen der Hijab selbstverständlich nicht für die modische Selbstdarstellung gedacht ist. „Nein“, sagt die Hijabista zu beidem, dem Enthüllungs- wie dem Verhüllungssexismus und sieht, obwohl sie züchtig bedeckt ist, einfach umwerfend aus. Der Hijab in dieser aktualisierten Form ist auf dem Weg, zum Zeichen eines neuen, selbstbewussten, religiös mündigen weiblichen Islam zu werden

Auch als Katholikin, gerade in einer durchsäkularisierten pluralistischen Großstadt, bekommt man gelegentlich Distinktionsgelüste. Man möchte herausschreien, dass man nicht den Mitmenschen gehört, sondern einem Höheren, dass man mit sich und der Gesellschaft kämpft, dass man nicht nur einfach vor sich hin lebt. Aber über ein visuelles Statement wie den Hijab verfügt die katholische Frau leider nicht. Sie geht auf in der wurstigen, unbetuchten Allgemeinheit.

Aber halt, war da nicht was?

Hüte haben mehr zu bieten als drei Ecken

Die christliche Frau hat eine traditionelle Kopfbedeckung, die flexibel, vielseitig und aufregend ist. Die Rede ist vom Hut. Elegant-raumgreifend oder neckisch-reduziert kommt er daher, schwingend oder steif, in allen Farben des Regenbogens, passend zu jedem Stil und Gesicht. Will sie burschikos und cool wirken, greift die Frau zum Stetson, brennt die Sonne, dient ihr ein breitkrempiger Sonnenhut mit luftigen Bändern. Topfhüte im Stil der Zwanziger unterstreichen einen romantischen Wintermantel und so gut wie jede misslungene Frisur verschwindet unter einem Turban à la Liz Taylor. Ist die Frisur nicht misslungen, gibt der Hut den Blick auf eine perfekt auf ihn abgestimmte Haartracht frei und hat man gerade keine Lust auf eine Frisur, dann kaschiert der Hut das mit größter Effektivität.

Nebenbei ist ein Hut außerdem eine der besten Anti-Aging-Methoden überhaupt, da er vor den für Hautalterung verantwortlichen Sonnenstrahlen schützt. Wer einen Hut trägt, wird also nicht knackig braun, dafür sieht die noble Blässe unter dem tragbaren Schattenspender auch noch mit 50 und 60 Jahren jugendlich frisch aus.

Wir haben den Hut an den Nagel gehängt

Erst seit ich regelmäßig Hüte trage, bemerke ich, dass andere es fast gar nicht mehr tun. Gemeinsam mit BHs, Strapsstrümpfen, Miedern, Sommerhandschuhen und Fächern ist dem Damenhut der Ruf angewachsen, zu einem muffigen, sexistischen und unterdrückerischen Frauenbild zu gehören. Viele moderne Frauen scheuen vor diesen Kleidungsstücken daher zurück, selbst, wenn sie für sie von großem Vorteil sein könnten.

Es gibt im Wortsinne keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft für den Hut. Keine Ablage im Restaurant, auf der im Auto wackelt ein Plastikdackel mit dem Kopf und im Flugzeug darf man nur ein Gepäckstück aufgeben – meine getreuen Hüte reisen somit akut knautschgefährdet im Koffer, unwürdig mit Socken ausgestopft. Hutschachteln, besonders Reisemodelle, sind beinahe unmöglich zu beschaffen. Im Zug werfen Mitfahrende achtlos ihr Gepäck darauf, in die Spinde von Schwimmbädern, Gymnastikstudios und Bibliotheken passen ausladendere Exemplare nicht, ja sogar im Theater oder Konzert landen Hüte an der Garderobe gelegentlich am Boden. Für das Aufhängen von Hüten ist der Platz zwischen den Kleiderhaken nicht ausreichend.

Behalte ich den Hut in geschlossenen Räumen auf, was für eine Dame eigentlich ein normales Verhalten ist, ernte ich komische Blicke. In der Uni sitzt mein Hut neben mir. Um es ein wenig zuzuspitzen: Der Hut ist inzwischen geradezu das Symbol des Aus-der-Gesellschaft-Gefallenen. Deshalb versuchen die Hipster ja auch seit Jahren, ihn – natürlich nur unter dem sozialen Schutzschild der Ironie – wieder schick zu machen und scheitern krachend, weil ihnen die Selbstverständlichkeit fehlt. Die Fähigkeit, einen Hut zu tragen, als wäre es das Normalste von der Welt, muss jahrelang wieder eingeübt werden.

Der Hut als Symbol einer katholisch-weiblichen Identität

Vielleicht übertreibe ich ja ein wenig. Aber besuchen Sie einmal Rom oder Jerusalem und sehen Sie, wie selbstverständlich Männer mit Basecaps in der Grabeskirche und im Petersdom herumlatschen, während die meisten nicht süd- oder osteuropäischen katholischen und evangelischen Frauen nicht im Traum auf die Idee kommen, ihr Haupt zu bedecken. Ich kann nachvollziehen, dass das Kopftuch irgendwie aus unserem modischen Repertoire gerutscht ist (obwohl es lange Teil sowohl der christlichen als auch der jüdischen Kultur Europas war), dass wir uns damit verkleidet fühlen würden. Aber dafür gibt es Kappen, Mützen, Hüte, Turbane.

Ich beziehe mich nicht einmal nur auf die Bibel, die Frauen in etwas barschem Tonfall darauf hinweist, sie würden sich ohne Kopfbedeckung beim Gebet entehren. Ich beziehe mich auch darauf, dass man nicht einmal ohne Hut zu einer Windsor-Hochzeit gehen kann. Wir sehen diese Bilder in den Hochglanzmagazinen, aber die Damen – und nicht nur die mit den Geweih- und Kloschüsselmodellen – wirken auf uns, als trügen sie Faschingskostüme. Dabei war das Tragen von Hüten über hunderte von Jahren hinweg Teil der Bekleidungskultur europäischer Frauen.

Und wir können das nutzen. Genau wie das muslimische Kopftuch ist der Hut ein vielfältiges Symbol. Da wäre die Geborgenheit und der Schutz, den ein Hut spendet, das „Behütet“-Sein. Da ist aber auch die Unterwerfung, die freiwillige wie die unfreiwillige. Der Hut hat als Statement natürlich etwas mit der wirtschaftlichen, sexuellen, politischen und liturgischen Marginalisierung der Frau zu tun , mit der wir teils erfolgreich aufgeräumt haben, teils immer noch ringen, aber er ist auch ein offenes Statement zur Kirche, zum Katholizismus und dessen Traditionen genauso wie zu einem expressiven weiblichen Selbstbewusstsein. Der Hut ist so zwiespältig, mehrdeutig und aufregend wie die Rolle, die katholische Frauen innerhalb wie außerhalb der Kirche heute eingenommen haben. Ja, der Hut hat sogar dadurch gewonnen, dass er keine Pflicht mehr ist, sondern eine Wahl. Dadurch hat er das Potential zum Bekenntnis. Weil er aber einmal Pflicht war, könnte er auch Ausdruck unserer Kontinuität zu unseren Vorfahrinnern, eine Mahnung und ein Zeichen der Solidarität mit anderen Frauen werden.

Die gezielte Entscheidung zum Hut als Politikum ist bisher nur meine private Verschrobenheit. Aber ich träume.

Davon, dass wir eine moderne, gebildete, weltoffene, lebensfrohe und wahrhaft katholische weibliche Identität finden können. Und einen wahrhaft katholischen Look.

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Terror vor der Haustüre: wie umgehen mit dem Horror in den Nachrichten? https://www.thecathwalk.de/2016/07/27/terror-vor-der-haustuere-wie-umgehen-mit-dem-horror-in-den-nachrichten/?pk_campaign=feed&pk_kwd=terror-vor-der-haustuere-wie-umgehen-mit-dem-horror-in-den-nachrichten https://www.thecathwalk.de/2016/07/27/terror-vor-der-haustuere-wie-umgehen-mit-dem-horror-in-den-nachrichten/?pk_campaign=feed&pk_kwd=terror-vor-der-haustuere-wie-umgehen-mit-dem-horror-in-den-nachrichten#comments Wed, 27 Jul 2016 12:00:57 +0000 http://thecathwalk.de/?p=7140 Paris, Nizza, Würzburg, München, Ansbach: man kommt kaum mehr mit. Jeden Tag neue Schreckensmeldungen und auch geographisch immer näher liegend. Wie kann man mit solchen Nachrichten umgehen? Wie Menschen helfen, die direkt betroffen sind? Und schließlich: Wo ist Gott in alledem und warum lässt er das zu? Eine Orientierungshilfe, die wahrscheinlich auch für die Zukunft […]

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Paris, Nizza, Würzburg, München, Ansbach: man kommt kaum mehr mit. Jeden Tag neue Schreckensmeldungen und auch geographisch immer näher liegend. Wie kann man mit solchen Nachrichten umgehen? Wie Menschen helfen, die direkt betroffen sind? Und schließlich: Wo ist Gott in alledem und warum lässt er das zu? Eine Orientierungshilfe, die wahrscheinlich auch für die Zukunft relevant sein wird.

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Der Mantilla-Wahn (1/3) https://www.thecathwalk.de/2016/05/25/der-mantilla-wahn-13/?pk_campaign=feed&pk_kwd=der-mantilla-wahn-13 https://www.thecathwalk.de/2016/05/25/der-mantilla-wahn-13/?pk_campaign=feed&pk_kwd=der-mantilla-wahn-13#comments Wed, 25 May 2016 06:00:33 +0000 http://thecathwalk.de/?p=4672 Warum Kopftücher zu einem katholischen Life- und Faithstyle gehören, war im Beitrag "Die Mantilla - Einfach Spitze" zu lesen. Als Debattenmagazin holen wir nun in einer dreiteiligen Serie zum fundierten Gegenschlag aus. Ist die Frau kein Ebenbild Gottes? Von Hanna Maria Jüngling In den letzten Jahren tobt auf dem Traditionalisten-Schlachtfeld der Kampf um einen speziellen […]

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Warum Kopftücher zu einem katholischen Life- und Faithstyle gehören, war im Beitrag "Die Mantilla - Einfach Spitze" zu lesen. Als Debattenmagazin holen wir nun in einer dreiteiligen Serie zum fundierten Gegenschlag aus.

Ist die Frau kein Ebenbild Gottes?

Von Hanna Maria Jüngling

In den letzten Jahren tobt auf dem Traditionalisten-Schlachtfeld der Kampf um einen speziellen Kommunion-Schleier für katholische Frauen, die „Mantilla“.

Ich muss sagen, dass ich, bevor ich mit Traditionalisten in Berührung kam, noch nie von einer „Mantilla“ gehört habe. Dieses Accessoire gab es hierzulande noch niemals, wurde von niemandem verlangt und auch niemals offiziell vorgeschrieben. Ich habe diesbezüglich viele einheimische hochbetagte Katholiken, darunter auch Priester, befragt. Es ist definitiv niemals „Tradition“ gewesen.

Fast alle betagten, keineswegs progressiven Frauen reagierten mit dem Satz „Mantilla – was ist das?“

Und auf die Beschreibung hin, dass es sich um durchsichtiges Spitzentuch handle, das Frauen in der Hl. Messe tragen sollten, um eine besondere Frömmigkeit zur Schau zu stellen, schüttelten sie den Kopf und sagten, davon hätten sie noch nie gehört. Allenfalls könne es sein, dass solche Bräuche in Südeuropa üblich seien und bei Papstmessen vielleicht, aber hier in Deutschland? Eine weit über Achtzigjährige wusste, dass das die „Lefebvristen“ eingeführt hätten, dass man das aber in ihrer Kindheit unter Pius XI. und XII. niemals so gehandhabt hätte.

Nun wird aber in den letzten beiden Jahren eine so penetrante Propaganda für dieses Tuch gemacht, als sei das eine “Tradition“, die „immer“ und überall gegolten habe und vorgeschrieben gewesen sei und aus „feministischen“ Gründen verweigert werde. Es ist auffallend, dass derselbe Kampf prinzipiell auch im Islam und verschiedenen protestantischen Sekten und evangelikalen Freikirchen tobt. Als Bestätigung für die Richtigkeit dieses Tuchs verweist man auf die orthodoxe Praxis – als ob uns die schismatische Orthodoxie hier etwas zu sagen hätte oder gar der ohnehin aus katholischer Sicht häretische Protestantismus! Ganz zu schweigen vom Islam.

Ein Thema, das seit Jahrhunderten die katholische Kirche nicht berührt hat, soll nun plötzlich eine solche Wichtigkeit haben?

Angesichts einer solchen neuen Mode, die nun zur Tradition erkoren wird, sollten doch jedem nüchtern denkenden Menschen alle Alarmglocken schrillen.

Die Mantilla-Fraktion führt einen penetranten Stellvertreterkrieg auf ungezählten Internetforen, auf Blogs und in informellen Gesprächen, und fährt die verrücktesten und zweifelhaftesten Argumente auf, um Frauen einzuflößen, ihre bisherige Aufmachung in der Hl. Messe sei nicht „traditionell“ genug. Tatsache ist und bleibt jedoch, dass in den letzten Jahrhunderten diese Angelegenheit in der Gesamtkirche kein Thema war. Regionale Gebräuche mag es gegeben haben, aber sie können niemals als Forderung an alle erhoben werden, wenn das Lehramt niemals eine solche spezielle Forderung erhoben hat und auch mit den allgemeineren Kleidervorschriften nicht all zu streng umgegangen war.

Ich will mich zunächst mit der immer wieder aufgestellten Behauptung, der Apostel Paulus habe das Gebetstuch vorgeschrieben, befassen und danach einige der haarsträubendsten Begründungen für die „Mantilla für alle“ näher ansehen. Ein besonderes Augenmerk soll auf das mittelalterliche Decretum Gratiani gelegt werden, denn Gratian behauptet in diesem kirchenrechtlichen Werk doch tatsächlich, die Frau solle ihren Kopf bedecken, weil sie kein Ebenbild Gottes sei, und er geht dabei so weit, eine Stelle aus einem Paulusbrief regelrecht zu fälschen, indem er einige Worte des Vulgata-Textes austauscht.

Der heilige Paulus habe angeblich den Schleier für die Frauen vorgeschrieben, wenn sie beten.

Hier stellt sich sofort die Frage, wieso dann, wenn das so sein sollte, das Lehramt seit Jahrhunderten darauf keinen gesteigerten Wert gelegt habe? Diese Frage wird in aller Regel damit beantwortet, dass Papst Linus, der zweite Papst, in einem Schreiben, dessen Echtheit umstritten ist, den Frauen einen Gebetsschleier vorgeschrieben habe.

Abgesehen von der Umstrittenheit der Echtheit kommt mir unweigerlich die Frage hoch, seit wann für uns maßgeblich ist, was ein Papst von Anno dazumal vorgeschrieben hat, handelt es sich dabei doch weder um eine Glaubens- noch um eine echte Sittenfrage…ich dachte, niemand dürfe alte Verordnungen („proxima-Regeln“) von Päpsten gegen neuere Gepflogenheiten ausspielen? Ist die „Tradition“ hier etwa anti-traditionell und macht es wie die Progressiven und Protestanten und zieht aus den Tiefen der Kirchengeschichte nebensächliche oder inzwischen aufgegeben Ansichten, die für den Glauben selbst keine Bedeutung haben, oder nicht weiter verfolgte Bräuche aus den Truhe, erklärt sie zu „urchristlichen“ Wahrheiten und will damit die jüngste Tradition (die regula fidei proxima) stürzen?

Ich sehe mir die Stelle im 1. Korintherbrief an und muss gestehen, selten eine auf den ersten Blick so verworrene und in sich unlogische Schriftstelle gelesen zu haben – wenn man sie rein normativ und nicht als eine erörternde Darlegung liest.

Man findet diese einzige themengebundene Schriftstelle (alleine das verweist schon auf die relative Bedeutungslosigkeit des Themas) im Korintherbrief (1. Kor. 11, 2 ff). Ich markiere den Text bereits so farbig, wie ich ihn als eine Erörterung verstehe und werde das genau begründen:

  • 2.[Vers] Ich lobe euch, dass ihr in allem an mich denkt und an den Überlieferungen festhaltet, wie ich sie euch übergeben habe.

  • 3. Ihr sollt aber wissen, dass Christus das Haupt des Mannes ist, der Mann das Haupt der Frau und Gott das Haupt Christi.

  • 4. Wenn ein Mann betet oder prophetisch redet und dabei sein Haupt bedeckt hat, entehrt er sein Haupt.

  • 5. Eine Frau aber entehrt ihr Haupt, wenn sie betet oder prophetisch redet und dabei ihr Haupt nicht verhüllt. Sie unterscheidet sich dann in keiner Weise von einer Geschorenen.

  • 6. Wenn eine Frau kein Kopftuch trägt, soll sie sich doch gleich die Haare abschneiden lassen. Ist es aber für eine Frau eine Schande, sich die Haare abschneiden oder sich kahl scheren zu lassen, dann soll sie sich auch verhüllen.

  • 7. Der Mann darf sein Haupt nicht verhüllen, weil er Abbild und Abglanz Gottes ist; die Frau aber ist der Abglanz des Mannes.

  • 8. Denn der Mann stammt nicht von der Frau, sondern die Frau vom Mann.

  • 9. Der Mann wurde auch nicht für die Frau geschaffen, sondern die Frau für den Mann.

  • 10. Deswegen soll die Frau mit Rücksicht auf die Engel das Zeichen ihrer Vollmacht auf dem Kopf tragen.1

  • 11. Doch im Herrn gibt es weder die Frau ohne den Mann noch den Mann ohne die Frau.

  • 12. Denn wie die Frau vom Mann stammt, so kommt der Mann durch die Frau zur Welt; alles aber stammt von Gott.

  • 13. Urteilt selber! Gehört es sich, dass eine Frau unverhüllt zu Gott betet?

  • 14. Lehrt euch nicht schon die Natur, dass es für den Mann eine Schande,

  • 15. für die Frau aber eine Ehre ist, lange Haare zu tragen? Denn der Frau ist das Haar als Hülle gegeben.

  • 16. Wenn aber einer meint, er müsse darüber streiten: Wir und auch die Gemeinden Gottes kennen einen solchen Brauch nicht.

Diese Stelle ist in der Argumentation, wenn man sie nicht strukturiert liest, mehrfach gebrochen und unlogisch und stünde außerdem im krassen Widerspruch zu allem, was wir über israelitische Normen aus dem Alten Testament wissen – und das kann man gerade beim heiligen Paulus nicht annehmen, denn er war ein Schriftgelehrter:

Die markierten Verse 2+3 kann man als Einleitung verstehen. Der Apostel lobt die korinthische Gemeinde für ihren Eifer, beginnt aber gleich mit dem Thema, das er behandeln will, einer Reihenfolge. Auf den ersten Blick erscheint sie wie eine Hierarchie, auf den zweiten Blick aber muss man innehalten und zugeben, dass in Vers 3 ein Stolperstein steckt, den niemand, ohne häretisch zu argumentieren, außer acht lassen darf (s.u.).

Schon Vers 4 ist merkwürdig und mutet absurd an, wenn man sich vergegenwärtigt, was im damaligen Judentum üblich war und was die Schrift uns im Alten Testament über den Mann und seine Kopfbedeckungen überliefert:

Es war nach jüdischer Auffassung eben gerade KEINE Schande für den Mann, verhüllt zu beten, sondern sogar üblich, dies zu tun – bis heute ist das im Judentum so.

Wir finden durchweg die Kopfverhüllung gerade der heiligsten Männer in Israel, wenn sie mit Gott reden:

Moses muss beim brennenden Dornbusch zwar seine Schuhe ausziehen, aber sein Gesicht verhüllen:

Der Herr sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. Dann fuhr er fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.“ (Ex. 3, 5f)

Auch der Prophet Elias verhüllt in der Gottesbegegnung sein Gesicht:

Er verhüllte sein Gesicht mit dem Mantel, ging zum Eingang der Höhle zurück und blieb dort stehen. Und noch einmal wurde er gefragt: Elia, was tust du hier? Wieder antwortete Elia: Ach Herr, du großer und allmächtiger Gott…“ (1. Könige 19, 13f)

Es ist also vollkommen abwegig, zu glauben, der heilige Paulus, der doch ein Schriftgelehrter und Gesetzeslehrer war, könnte entgegen den Vorschriften und Phänomenen so argumentiert haben, wie er es in diesem Vers 4 referiert!

Da die besagte Stelle häufig auch so verstanden wurde, als dürfe der Mann keine langen Haare tragen, möchte ich auch darauf eingehen:

Mehrfach wird im Alten Testament über bartlose und geschorene Männer unter den Heiden ein hartes Urteil gesprochen. Im Gesetz des Moses ist das Abscheren der Haare rundum sogar verboten (daher die sehr langen Schläfenlocken der gläubigen Juden) und der Bart darf nicht gestutzt werden!

Weiterhin war es sogar das Zeichen des Gottgeweihten (Nasiräer), dass er besonders lange Haare trug – als Mann! Und auch von Paulus selbst wird uns berichtet, dass er aufgrund einer solchen zeitlichen Weihe sein Haar lang wachsen ließ (Apg. 18, 18) und es nach dem Ende des Gelübdes in einem rituellen Opfer abscheren und verbrennen ließ. Wohlgemerkt tat er das bereits als Christ.

Die Weihe des Mannes war also nach biblischem Brauch mit langem Haar verbunden. So kennen wir es auch vom Richter Simson und anderen alttestamentlichen Gestalten.

Nun war es im Abendland über Jahrhunderte weg üblich, längere Haare zu tragen und alle möglichen Kopfbedeckungen zu erfinden – für Männer nicht anders als für Frauen. Im Orient, vor allem bei den Arabern, aber auch den Indern, finden wir Schleier auch bei Männern.

Auf dem Grabtuch von Turin, das nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen echt sein muss, sehen wir das Antlitz des Gekreuzigten … mit mindestens schulterlangen Haaren!

Es war dagegen bei den Römern und Griechen, also den Heiden, nicht Sitte, dass Männer lange Haare trugen oder ihren Kopf bedeckten. Eine Auswertung antiker Texte ergab, dass das griechisch-römische Heidentum weitgehend ohne männliche Kopfbedeckung und ohne Langhaarigkeit auskommt, wohingegen Kopfbedeckungen bei Frauen deren hohen sozialen Staus anzeigten, wenn sie überhaupt welche trug. Kopfbedeckung war also hier ein Ausdruck weiblicher Eitelkeit und eine Demonstration des Reichtums, kombiniert mit Haarschmuck und Frisurenkult. Letzteres erfährt an anderer Stelle beim heiligen Petrus eine Absage (1. Petrus 3,3).

Wir können also schon hier fragen, ob der heilige Paulus nicht auch eine heidnische Position referieren könnte, etwa so, wie auch der heilige Thomas von Aquin Meinungen vorträgt, denen er aber nicht zustimmt, sondern nach ihrer Darstellung mit triftigen Gründen etwas entgegenhält. Immerhin ist die Korinthergemeinde eine Gemeinde im Gebiet des Heiden mit einer überspannten charismatisch-esoterischen Schlagseite!

Auch die folgenden Verse (Verse 5 – 10) scheinen wie aus einer anderen Denkwelt zu kommen. Im Judentum war und ist es, wie gesagt, für den Mann üblich, beim Beten das Haupt zu verhüllen. Die Frau dagegen war in der öffentlichen Synagogenversammlung erst gar nicht zum Beten oder Prophetischreden zugelassen… sollte aber auch ihr Haupt verhüllen – nicht anders als der Mann.

Bemerkenswert ist hier bei Paulus eher, dass überhaupt die Frau ganz selbstverständlich öffentlich in der Kirche beten und weissagen darf wie ein Mann! Es wird der Frau gerade nicht abverlangt, dass sie in der Kirche zu schweigen habe.

Es findet sich aber im gesamten Gesetz des Moses nicht eine einzige Anweisung über eine Kopfbedeckung der Frau.

Schleier werden in durchaus zweifelhaften Umständen erzählt. So wird z.B. berichtet, dass Prostituierte an ihrer Verschleierung erkennbar waren. Über Jakobs Sohn Juda wird in der Begegnung mit Tamar berichtet:

Juda sah sie und hielt sie für eine Dirne; sie hatte nämlich ihr Gesicht verhüllt.“ (Gen. 38, 15)

Eine alltägliche Bekleidung der Frauen und Männer mit Tüchern war ansonsten sicher nicht unüblich (was bis heute im Orient gilt), etwa so wie auch heute noch in Indien, allerdings ohne „Ideologie“, sondern als variantionsreicher Brauch.

Die Argumentation hinsichtlich der unverschleierten Frau ist ins sich verworren: eine Frau, die sich nicht verschleiert, soll die Haare abschneiden, weil sie „wie“ eine Frau mit geschorenen Haaren sei?

Viele Theorien über die Entehrung der Frau durch Abscheren der Haare in der Antike wurden schon vorgebracht – keine davon ist je eindeutig bewiesen worden. Aber selbst wenn es so wäre, müsste man fragen, wie es kommt, dass die hartnäckigen Schleierverfechter offenbar kein Problem damit haben, wenn die Katholikin sich seit 1950 das Haar abschert, obwohl weibliche Kurzhaarfrisuren nun tatsächlich in älterer Zeit überall in der Kirche undenkbar waren?! Nicht der Schleier, sondern langes Haar der Laiin ist wirklich „Tradition“ in der gesamten Kirche gewesen!

Der rigide Satz aus Vers 5 „Ist es aber für eine Frau eine Schande, sich die Haare abschneiden oder sich kahl scheren zu lassen, dann soll sie sich auch verhüllen“ ist beim besten Willen nicht logisch verstehbar. Wieso folgt aus der Tatsache, dass es eine Schande für die Frau sei, sich die Haare zu schneiden, logisch, dass sie sich dann zusätzlich noch einmal verhüllen soll? Ist das Haarescheren ein Zeichen der Unehrenhaftigkeit – was bedeutet es, wenn die Frau doch ohnehin einen Schleier trägt und niemand sehen kann, ob sie Haare hat oder keine? Wenn aber der Schleier nach alttestamentlicher Sitte die Prostituierte anzeigen sollte, wieso soll die Frau, wenn sie sich die Haare nicht abgeschnitten hat, also nicht entehrt ist, dann dieses Zeichen der Entehrung tragen?

Der Satz klingt in der Sache wirr und überspannt und man muss esoterische Denkwelten bemühen, um hier einen Sinn zu kreieren. Das aber passt nicht zum nüchternen Duktus der Heiligen Schrift… Und dies immer vor dem Hintergrund, dass das gesamte Alte Testament nicht ein Wort zu dieser Frage vermeldet, also objektiv keine von Gott gebotene Norm vorliegt.

Der heilige Paulus, der sonst so klar und plausibel, so tief und logisch argumentiert, und sich vor allem nie mit solch eher magischen und nebensächlichen Themen beschäftigt, soll einen solchen Satz als seine Position vorgetragen haben?

Ich vermag das nicht zu glauben. Eher nehme ich an, dass er hier, wie bei Vers 4, eine Position aufgreift, die in der ohnehin schwärmerischen und geistlich hochmütigen charismatischen Korinthergemeinde für Wirbel gesorgt haben könnte. Die überspannte Kopftuchdebatte passte gut in einen charismatischen Kontext.

Besonders krass wirken die aufgelisteten Sätze von Vers 7-10. Diese Sätze besagen, das Kopftuch müsse der Engelwelt beweisen, dass die Frau die Vollmacht habe, überhaupt – wie der Mann – öffentlich zu beten und zu weissagen. Und das alles sei ja auch richtig so, weil die Frau schließlich als Zweite und für den Mann geschaffen worden sei. Diese Sätze sind von der reinen Natur her gedacht und scheinen keinerlei Bewusstsein dafür zu haben, dass der Gnadenstand dem Menschen nicht aufgrund seiner Natur gegeben wird, sondern alleine aufgrund der Liebe Gottes. Denn die Legitimation zum öffentlichen Gebet in der Kirche hat die Frau nicht durch ein Kleidungsstück oder entgegen einer minderwertigen  „nachrangigen Natur“, sondern durch Gott alleine, der sie erlöst hat. Da im Alten Bund sich auch der Mann verhüllt hat, greift die Argumentation ohnehin nicht. Hinzu kommt, dass im Alten Testament auch Frauen mit Gott reden, ohne dass dies in irgendeiner Weise problematisiert oder mit anderen äußeren Reaktionen verbunden wäre als beim Mann. Es ist immer eine Gnade, wenn Gott sich dem Menschen zuwendet, unverdient und nicht einer natürlichen Ausstattung geschuldet!

Der Bezug auf die Engel ist unverständlich. Es gibt keine kanonische Tradition, die den Bezug erklären könnte. Man muss daher diese Argumentation als in der Tendenz abergläubische, magische Denkart auffassen, was wiederum gut zum Charismatismus dieser Gemeinde passen dürfte.

Wir erinnern uns: der heilige Paulus hat oben in Vers 3 gewissermaßen eine Überschrift über das, was folgt, gesetzt:

Ihr sollt aber wissen, dass Christus das Haupt des Mannes ist, der Mann das Haupt der Frau und Gott das Haupt Christi..“

Nur ein oberflächlicher, esoterisch denkender und frauenkritischer Leser kann darin eine Rangfolge („Emanation“) erkennen, wie sie dann in den Versen 7-10 dargelegt wird. Der Völkerapostel referiert zu Beginn die wahre Lehre und danach ihre Verzerrung und falsche Schlussfolgerungen.

Ich will den Lesefehler der Korinther aufzeigen, den er wahrscheinlich meint. Seine Argumentation später ab Vers 11 unterstützt meine Interpretation, dass er einen Lesefehler aufzeigen will. Ich werde darauf zurückkommen.

Lesen wir den Vers 3 einmal von hinten:

Gott (der Vater) ist das Haupt Christi (des Sohnes).

Christus ist das Haupt des Mannes.

Der Mann ist das Haupt der Frau.

Kann man aus dieser Reihenfolge eine Rangfolge (Emanation) immer weiter subordinierter Wesen ableiten? Also in dem Sinn:

Die Frau ist dem Mann subordiniert.

Der Mann ist Christus subordiniert.

Christus ist dem Vater subordiniert.“?

Jedem echten und nüchternen Katholiken muss hier der Atem stocken – nein!

Es ist häretisch und blasphemisch, so etwas auch nur im Ansatz in Erwägung zu ziehen!

Man würde einer arianischen Position folgen!

Wenn aber Christus dem Vater nicht subordiniert ist, was heißt dann, dass Gott das „Haupt Christi“ sei? Es heißt einfach nur, dass der Vater das Prinzip des Sohnes ist, weil der Sohn aus dem Vater geboren ist. Aber er steht nicht „unter“ ihm! Folgt man dieser Reihe weiter, ergibt sich, dass der Mann (als der erste der beiden Ur-Menschen) durch Christus geschaffen wurde bei der Schöpfung, denn es heißt, durch Christus sei alles geschaffen worden. Die Frau als zweite wiederum wurde aus dem Mann genommen, dies allerdings durch Gott und nicht durch den Mann selbst. Insofern ist zwar die Frau ebenfalls im Ursprung durch Christus geschaffen, aber nicht unmittelbar, sondern mittelbar wiederum aus dem Prinzip des Mannes, das zuvor schon geschaffen war, jedoch ohne dessen Zutun oder Macht über die Frau.

Das Haupt-Sein kann hier um Christi willen keine Subordination bedeuten. Denn andernfalls müsste man behaupten, er sei dem Vater als seinem Haupt„untergeordnet“, was wie gesagt eine Lästerung wäre. Und da man in dieser Reihenfolge einen identischen und nicht wankelmütigen Gebrauch des Begriffes „Haupt“ annehmen muss, kann er nicht beinhalten, dass die Frau dem Mann subordiniert ist, ja, sogar eine Subordination des Mannes unter Christus wird hier nicht ausgesprochen, sondern im Gegenteil die „Vergöttlichung“ des Menschen, die Christus uns möglich gemacht hat, wird hier dargelegt. Welch eine Gnade für uns alle!

Volo autem vos scire…“, schreibt der heilige Paulus zu Beginn: „Ich will, dass ihr das wisst…“ Und „das“, das zu Wissende, ist die Herkunft aller aus dem Vater und nicht, wie er in Vers 7-9 suggeriert, der rein natürlich behauptete und überspannte „Vorrang“ des Mannes vor der Frau!

Gegen die These des Verses 7 spricht auch, dass in der Genesis die Frau eindeutig als Ebenbild Gottes bezeichnet wird, und dies ohne irgendeinen Abstrich. Das Decretum Gratiani hat diese Stelle nämlich insofern missbraucht, als es behauptet, die Frau sei nicht Ebenbild Gottes und müsse sich darum verschleiern. Wir müssen erkennen, dass auch die pseudokatholische Schleierdebatte sehr wohl der Intention des islamischen Schleiers entspricht, was aber deren Verfechter immer empört bestreiten. Man darf ihnen hier Unwissenheit unterstellen. Mit dieser Argumentation stellt sich Gratian in Widerspruch zur Genesis und legt somit eine häretische Äußerung dar, die später stillschweigend irgendwann unter den Tisch gefallen ist.

Das Decretum Gratiani macht aber andererseits verständlich, auf welche häretische und verzerrte Sicht sich schon der Apostel Paulus damals bezogen haben könnte – nämlich eine arianische Deutung des Geschlechterverhältnisses, das dem heidnischen, aber auch dem jüdischen Menschen so selbstverständlich erschien, dass selbst bei den Kirchenvätern Anleihen an dieses Denken auffindbar sind. Der antike Mensch konnte sich schlicht nicht vorstellen, dass die Frau NICHT nur ein schwacher Abglanz des Mannes sein könnte!

Erst die Reflexion über die Gottesmutter und ihre alle Menschen, sogar die Apostel, überragende Stellung, hat allmählich und sehr langsam diese Herabwürdigung der Frau aufbrechen und teilweise heilen können.

Und nun hören wir den Völkerapostel doch einmal aus dieser Sicht, die ich vorgetragen habe, an. Wie ein Befreiungsschlag klingt seine nun folgende Gedankenführung in Vers 11+12:

Doch im Herrn gibt es weder die Frau ohne den Mann noch den Mann ohne die Frau.

Denn wie die Frau vom Mann stammt, so kommt der Mann durch die Frau zur Welt; alles aber stammt von Gott.“

Hören wir es nicht? Mit der angeblichen Schöpfungshierarchie kann man doch ausdrücklich laut Paulus eben nicht argumentieren! Nichts anderes sagt uns doch der Apostel: Im Herrn – und sind wir denn nicht „im Herrn“? sind wir noch Heiden? oder Juden? – im Herrn sind wir allesamt nichts ohne einander! Und kommen nicht alle Menschen vornehmlich aus der Frau und nur in schwächerer Weise (aufgrund der fehlenden leiblichen Einheit mit dem Kind) aus dem Mann? Kam nicht sogar, will man hinzusetzen, sogar der Sohn durch eine Frau und eben nicht aus dem Willen des Mannes oder seines Fleisches ins Menschsein?

Vers 13 klingt auf Lateinisch anders als in der Einheitsübersetzung:

In vobis ipsi iudicate: Decet mulierem non velatam orare Deum?“

Deutsch übersetzt heißt das: „Urteilt in euch selbst: darf eine Frau unverhüllt zu Gott beten?“

Der heilige Paulus gibt auf diese Frage keine Antwort!

Und weiter der Vers 14 auf Lateinisch:

Nec ipsa natura docet vos quod vir quidem, si comam nutriat, ignominia est illi; mulier vero, si comam nutriat, gloria est illi?»

Deutsch und wörtlich: «Und lehrt euch denn die Natur selbst, dass dem Mann, der sein Haar bedeckt, dies zur Schande gereicht; dass aber der Frau, die ihr Haar bedeckt, dies zum Ruhm gereicht?“

Vielfach wird übersehen, dass der heilige Paulus hier nicht etwa ein göttliches Gesetz bemüht, oder gar das Gesetz des Moses, sondern die „Natur“. „Natura docet“, die Natur lehrt? fragt er.

Wenn wir nüchtern denken, müssen wir zugeben, dass die „Natur“ hier gar nichts „lehrt“, zumal gerade, wie ganz oben nachgewiesen, der Mann nach dem jüdischen Gesetz sogar die Vorschrift hat, sich beim öffentlichen Beten zu bedecken.

Uns bleibt nichts, als festzustellen, dass es in Israel eine gesetzliche Vorschrift für den Mann gab. Die Frau betet ohnehin nicht in der Synagoge oder im Tempel öffentlich. Das ist bis heute so, und die liberalen Jüdinnen, die sich inzwischen das Recht erkämpft haben, an der Klagemauer doch öffentlich zu beten, benutzen dazu denselben Gebetsschleier, den sonst nur die Männer benutzen dürfen.

Die „Natur lehrt“ über solche Ordnungen nichts, was man objektiv nachvollziehen könnte – zu unterschiedlich sind die Sitten der Völker, zu unterschiedlich die klimatischen Bedingungen, als dass man hier etwas Verlässliches sagen dürfte. Es wäre unnüchterne und magische Denkart.

Bleibt nur ein Schluss: Es gibt das jüdische Gesetz und Bräuche, die hier so und anderswo wieder anders sind. Die Natur sagt uns dazu schlicht nichts Verbindliches.

Der heilige Paulus fragt und antwortet nicht, überlässt dem Leser, nachzudenken und eine Antwort zu finden.

Am Ende von Vers 15, der über eine angebliche, „natürliche“ Notwendigkeit der Frau zur Verschleierung beim Beten spricht, lässt er diese ganze abwegige und magische Natur-Frage wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen, denn ihn „lehrt“ die „Natur“ offenbar nur eines:

Quoniam coma pro velamine ei data est.“ Deutsch und wörtlich: „Das Haar ist ihr doch als Schleier (besser: „Hülle“ oder „Decke“) gegeben!“

Und hat er nicht recht?

Ist der Frau nicht im Allgemeinen „von der Natur“ („Natura docet…“) besonders reiches Haupthaar gegeben, das sie tatsächlich weltweit fast durchweg, egal in welcher Kultur, lang trägt? Wenn die „Natur“ irgendetwas „lehrt“, dann eben dieses Faktum.

Ich möchte noch einmal fragen, wie es kommen kann, dass all diese ach so traditionalistischen Frauen (und ihre männlichen Antreiber) sich wacker diese reiche, gottgegebene „Decke“ abschneiden, dafür aber umso mehr nun den heidnischen Schleier propagieren und daran auch noch ihre zur Schau gestellte, so fromm zur Schau gestellte „Subordination“ knüpfen, der doch der Apostel eine Absage erteilt in seinen Ausführungen! Der heilige Paulus spricht zwar an anderen Stellen von Unterordnung, dies aber nie einseitig zu Lasten der Frau! Sein Tenor ist nach Epheser 5 die gegenseitige Unterordnung aller! Er setzt die Stärke und Würdigung der Frau bei all seinen Aussagen voraus. Vielleicht sogar ihre besondere Stärke, die sie um des Mannes willen gelegentlich doch zurücknehmen soll, um ihn nicht im Glauben zu behindern – dies aber freiwillig und ohne verbissenen Druck von außen.

Feste Kleidervorschriften kennt das Alte Testament und ebenso die Kirche nur im Bezug auf liturgische, priesterliche Gewänder bzw. Ordenskleidung. Alltägliche Kleiderordnungen des Volkes sind dagegen wandelbare Konventionen und Gebräuche. Der Schlusssatz der Stelle spricht davon, dass der Apostel das Thema offenbar nicht für wert hält, so überspannt zu werden:

Si quis autem videtur contentiosus esse, nos talem consuetudinem non habemus, neque ecclesiae Dei.»

Deutsch und wörtlich: «Wenn einer deswegen meint, streiten zu sollen : wir haben einen solchen Brauch nicht, auch nicht die Kirche Gottes.“

Es ist übrigens abwegig, das „Um etwas streiten“ für den „Brauch“ zu halten, von dem der Apostel spricht:

church-450
Andächtig geht auch ohne Spitze auf dem Kopf

Erstens hat die Kirche von Anfang an eine Diskussionskultur gehabt und zweitens würde man eine solche nicht einen „Brauch“ nennen.

Mit dem „Brauch“ kann hier sinnvoll nur eines gemeint sein: überspannte Bräuche über Schleier, männliche Barhäupte und andere rein äußerliche Gepflogenheiten, die mit einer geradezu esoterischen Bedeutung versehen werden – das ist dem katholischen Denken nicht nur fremd, sondern sogar untersagt. Wir sollen nicht magisch denken!

Und das passt auch wieder zu Paulus: Wir haben keine Kleiderbräuche, außer die, dass wir sittsam gekleidet sind, Mann wie Frau. Zwar schrieb der CIC von 1917 der Frau und dem Mann sittsame Kleidung und ihr dabei auch irgendeine Kopfbedeckung vor, dem Mann dagegen Barhäuptigkeit, schränkte dies aber ein, falls eine andere Sitte vorliegen sollte.

Fortsetzung folgt.

Teil 2:

  • Das Decretum Gratiani, die Aberkennung der Gottebenbildlichkeit der Frau und der Schleier

  • Haar“sträubende Gründe für die „Mantilla“

Teil 3:

  • Die Mantilla führt zu einer unguten und pseudo-liturgischen Beschäftigung der Frau mit sich selbst

  • Der heilige Paulus und die heilige Agnes

Hanna Maria Jüngling ist Musikerin (Geigerin), Schriftstellerin/Publizistin und Künstlerin. Sie ist im Bereich der Experimentalmusik, der freien Improvisation und der Avantgarde-Musik tätig. Unter ihren Kompositionen ist für Katholiken die „Via crucis“ interessant, 14 Improvisationen vor den einzelnen Kreuzwegstationen. Die Texte auf ihrem Blog, sind Ausschnitte aus einem umfangreichen Manuskript zur Frauenfrage in der Kirche und im Abendland. Das Buchprojekt behandelt in historischer, philosophischer und theologischer Perspektive das Geheimnis des „Ebenbildes Gottes“; ein Mysterium, wie es in der Heilsgeschichte tiefer nicht sein könnte und welches sich nicht zu letzt in der in der Problematik „der Frau“ (in Wahrheit des Menschen insgesamt) manifestiert. 

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Die erste muslimische „Miss USA“ ist katholisch geworden https://www.thecathwalk.de/2016/05/11/die-erste-muslimische-miss-usa-ist-katholisch-geworden/?pk_campaign=feed&pk_kwd=die-erste-muslimische-miss-usa-ist-katholisch-geworden https://www.thecathwalk.de/2016/05/11/die-erste-muslimische-miss-usa-ist-katholisch-geworden/?pk_campaign=feed&pk_kwd=die-erste-muslimische-miss-usa-ist-katholisch-geworden#comments Wed, 11 May 2016 08:06:24 +0000 http://thecathwalk.de/?p=4212 Von ChurchPOP/CNA Deutsche Ausgabe DEARBORN, MICHIGAN (CNA Deutsch).- Als Rima Fakih im Jahr 2010 zur ersten muslimischen Miss USA gekrönt wurde, machte sie Schlagzeilen. Mittlerweile hat sie sich zu Christus bekehrt und ist katholisch geworden.  In vier Tagen, am 15. Mai, heiratet sie ihren katholischen Verlobten, einen Maroniten. Die maronitisch-katholische Kirche ist eine 23 Kirchen im Osten, die mit Rom […]

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Von ChurchPOP/CNA Deutsche Ausgabe

In vier Tagen, am 15. Mai, heiratet sie ihren katholischen Verlobten, einen Maroniten. Die maronitisch-katholische Kirche ist eine 23 Kirchen im Osten, die mit Rom vereinigt sind und den Papst als Oberhaupt anerkennen. Die Maroniten sind zudem eine der größten und ältesten Religionsgemeinschaften im Libanon: Dort werden sich die beiden auch das Ja-Wort geben.

Fakih hat in Interviews erzählt, dass sie in einer muslimischen Familie aufwuchs, jedoch katholische Schulen besuchte. Erst an der Universität habe sie den Islam ernster genommen. Gleichzeitig ist sie nicht die erste in ihrer Familie, die sich zum Christentum bekehrt hat: In einem Interview mit der Huffington Post im Jahr 2010 erzählte sie, dass ihr Schwager ein Christ sei, und er mit ihrer Schwester zwei Kinder habe: Beide Söhne wurden getauft. “Ich habe einen Onkel, der Christ geworden ist, er ist jetzt ein Priester”, so Fakih.

Rima Fakih auf Facebook & Rima Fakih auf Twitter

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Dolce & Gabbana und die Freiheit der Musliminnen https://www.thecathwalk.de/2016/04/06/dolce-gabbana-und-die-freiheit-der-musliminnen/?pk_campaign=feed&pk_kwd=dolce-gabbana-und-die-freiheit-der-musliminnen https://www.thecathwalk.de/2016/04/06/dolce-gabbana-und-die-freiheit-der-musliminnen/?pk_campaign=feed&pk_kwd=dolce-gabbana-und-die-freiheit-der-musliminnen#comments Wed, 06 Apr 2016 15:13:10 +0000 http://thecathwalk.net/?p=3078 Ein Boykottaufruf kann in Freiheit erfolgen. Der gegen Dolce & Gabbana zeigt allerdings ein eigenartiges Freiheitsverständnis. Von Felix Honekamp Schon wieder diese reaktionären Modedesigner aus Mailand: Erst wollten Dolce & Gabbana Homosexuellen keine Kinder gönnen, und jetzt Musliminnen unter einer Burka verstecken! Eigentlich hat Birgit Kelle in ihrem Beitrag „Unterdrückung kommt in (die) Mode“ schon das meiste […]

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Ein Boykottaufruf kann in Freiheit erfolgen. Der gegen Dolce & Gabbana zeigt allerdings ein eigenartiges Freiheitsverständnis.

Von Felix Honekamp

Schon wieder diese reaktionären Modedesigner aus Mailand: Erst wollten Dolce & Gabbana Homosexuellen keine Kinder gönnen, und jetzt Musliminnen unter einer Burka verstecken! Eigentlich hat Birgit Kelle in ihrem Beitrag „Unterdrückung kommt in (die) Mode“ schon das meiste dazu geschrieben, sehr differenziert und lesenswert. Trotzdem möchte ich ein Thema dazu noch verstärken: Die Frage der Freiheit. Ein Boykottaufruf, wie er mal wieder gegen Dolce & Gabbana ergangen ist, ist zunächst mal für sich durchaus durch die Freiheit gedeckt ist: Jemandem gefällt das Geschäftsgebahren eines Unternehmens nicht, und darum ruft er dazu auf, zukünftig nicht mehr bei einem solchen Unternehmen zu kaufen. Als Konsument kann ich mir dann überlegen, ob ich dem folge, weil ich beispielsweise Kinderarbeit, unnötige Umweltverschmutzung oder Tierversuche nicht auch noch unterstützen will, oder ob mich der Boykottaufruf eher kalt lässt.

Dolce-and-Gabbana-Abaya-collection.FashionParade
Bildquelle: http://fashion-parade.com

Den Freiheitsgedanken dabei zu belassen, wäre allerdings zu kurz gedacht, denn der „normale“ Boykott ist immer auch mit einer moralischen Botschaft verknüpft: Wer noch bei einem solchen Unternehmen kauft, der unterstützt Kinderarbeit, Umweltverschmutzung und Tierversuche! Diesem Druck standzuhalten ist in manchen peer-groups vermutlich gar nicht so einfach. Keine Ahnung, ob Freunde von Elton John noch mit Dolce&Gabbana-Klamotten punkten konnten, nachdem er sich gegen das Paar und seine Einstellung zur Familie geäußert hatte. Formal hat natürlich jeder weiter die Freiheit, eine entsprechende Marke zu tragen, aber die Konsequenzen mögen derart rabiat ausfallen – und in keinem Verhältnis mehr zum Sachverhalt stehen – dass man von wirklicher Freiheit kaum noch reden mag.

Und nun also D&G mit einer Burka-Kollektion. Dieses Kleidungsstück wird vielfach als Zeichen und Instrument der Unterdrückung der Frau im Islam bewertet. Daraus ergibt sich für die Inititatoren zum Boykott die Gleichung: Wer so etwas herstellt, der unterstützt die Unterdrückung der Frauen. Und: Wer bei einem solchen Unternehmen oder von einem Designer kauft, der tut das indirekt auch. Dabei ist schon die erste Prämisse nicht so eindeutig zu beantworten. Klar ist: Wenn eine Frau gegen ihren Willen vom Ehemann oder der Familie gezwungen wird, ihren Körper und ihr Gesicht zu verhüllen, ist es für sie auch keine Erleichterung, wenn die entsprechenden Kleidungsstücke von einem italienischen Designer-Duo in frischen Farben entworfen wurde. Männer, die das tun, unterdrücken Frauen. Als Christ, der von der Würde jedes Menschen, von seiner Gottebenbildlichkeit und seinem gleichen Wert vor dem Herrn überzeugt ist, und auch als freiheitsliebender Mensch, kann man das auch vor dem Hintergrund der Religionsfreiheit nicht gutheißen.

Es gibt aber auch Frauen, die sich ihrem muslimischen Glauben gemäß verhüllen wollen, es in Freiheit und im Glauben selbst so entscheiden. Sollte man die zwingen, den Schleier sogar im privaten Umfeld abzunehmen? Ich bin mit Birgit Kelle einer Meinung, dass eine muslimische Frau, die gegen einen Mann wegen Beleidigung klagt, aber ihr Gesicht vor einem deutschen Gericht nicht zeigen will, keinen Anspruch hat, gehört zu werden. Etwas anderes ist es aber mit der Verhüllung im normalen Alltag – ein immer mal wieder gefordertes Burka-Verbot würde für solche Frauen bedeuten, ihre religiöse Überzeugung nicht zeigen zu dürfen, nicht gemäß ihren religiösen Überzeugungen, mit denen sie niemandem schaden, leben zu dürfen (auch der Grad der Verhüllung mag dabei eine Rolle spielen, aber auf den möchte ich jetzt nicht eingehen). Nun wird kein Burka-Verbot gefordert, aber doch der Boykott eines Unternehmens, das solche Kleidungsstücke – in einer hochpreisigen Variante – herstellt. Wäre ein solcher Boykottaufruf erfolgreich, wären diese Frauen gezwungen, anderswo zu kaufen oder die Kleidungsstücke selbst zu nähen. Formal sind sie natürlich noch immer frei, das zu tun – aber sie werden auch gezwungen, so auszuweichen, weil andere meinen, sie müssten von der Verhüllung befreit werden.

Damit wären wir auch beim klassischen Feminismus angelangt, der noch immer versucht, „die Frauen zu befreien“ – egal ob sie das wollen oder nicht. Auf den Gedanken, dass eine Frau in ihrer Rolle, sei es als Vollzeitmutter oder als gläubige Muslima, glücklich ist, sich in Freiheit dafür entschieden hat und gar nicht befreit werden muss, geschweige denn will, kommen solche Ideologen nicht. Ich will damit gar nicht in Abrede stellen, dass es subtile und weniger subtile Methoden der Unterdrückung, gerade im Islam, gibt. Aber alleine aus der Tatsache der Produktion modischer Burkas darauf zu schließen, dass man die Freiheit eines Menschen geringschätze, ist in sich ein sehr einschränkendes Verständnis von Freiheit. Und alleine daraus, dass man weiter Kunde eines solchen Unternehmens bleiben möchte zu schließen, dass man es mit der Gleichberechtigung und der Freiheit der Frau nicht so genau nehme, ist noch weiter hergeholt. Jeder ist frei, zu einem solchen Boykott aufzurufen, und jeder ist frei, sich zu diesem Boykott nach seinen eigenen Vorstellungen zu verhalten. Der moralische Zeigefinger eines solchen Boykotts weist dennoch auf ein recht eigenartiges Verständnis von Freiheit hin, die nicht dort enden soll, wo sie anderen schadet, sondern dort, wo sie nicht mehr verstanden wird.

Ob Dolce & Gabbana sich über diese Aspekte der Freiheit Gedanken gemacht haben? Oder sehen sie nur den Markt wohlhabender Muslime, während ihnen die Rolle der Frau im Islam herzlich egal ist? Die Boykotteure unterstellen offenbar Letzteres – und vergessen dabei, sich über die Freiheit der Musliminnen Gedanken zu machen. Beides ist nicht gerade ehrenwert – aber ich gebe zu, dass meine Sympathien hier ganz eindeutig bei D&G liegen und bei den Frauen, die freiwillig deren muslimische Mode tragen wollen, um nicht in schwarz-grauem Leinen durch die Gegend laufen zu müssen. Gegen die Unterdrückung der Frauen im Islam sollte man aktiv werden, aber – um Birgit Kelle zu zitieren: „Die Ausbreitung islamischer Vorstellungen von Frauenrechten in Europa wurde nicht durch die bunteren Farben von Kopftüchern, sondern durch jahrelanges Ignorieren eines sich anbahnenden Problems erzeugt.“

IMG_0540Felix Honekamp (*1970) ist ausgebildeter Bankkaufmann und Diplombetriebswirt sowie freier Publizist und Journalist. Seit 2011 betreibt er die Website Papstteuerblog, wo auch dieser Artikel hier erschien.

 

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