Dienstag, 19. März 2024

Die Beschäftigungstherapie des heutigen Menschen: Hedonismus – Konsum ist das neue Heiligtum, die Achterbahn zum Glück.

Part I: Was ist der Mensch? Folge 3

– Gewidmet Giuseppe Juventus, dem größten Hedonismus-Kritiker seit Pater Pio. – 

Der Mensch ist nur eine Mischung aus verschiedenen Trieben, die befriedigt werden müssen. Die Praxis dieser Weltanschauung: Hedonisten-Lifestyle. Das heißt konkret, Lust und Genüssen nachgehen, Leid aus dem Weg gehen und materiell sowie natürlich sexuell Erfüllung suchen, in der Überzeugung, diese sei dort zu finden.

Genauso wie in der Theorie der Reduktionisten, soll der Mensch das Ganze in die Praxis umsetzten: Materialistisch.

So gesehen, müssten wir eigentlich gerade im Paradies (oder in diesem Zusammenhang treffender: Schlaraffenland) leben: Wohlstand ist für jeden greifbar, in Hülle und Fülle finde ich billige Brötchen, leckeren Wein und Kleider, wie keine andere Generation davor bin ich umgeben von Social-Connections, tausenden Facebook-Freunde. Ein Haus am See, mit Orangenbaumblättern im Schnäppchen.

Jedes Jahr fliegt der auf diese Weise verspießerte Abendländer nach Gran Canaria, bräunt dort seinen Teint, updated seinen Insta-Accounts, je mehr Haut = umso mehr „Likes“, also „Go!“, Snapshot für Snapchat läuft auch noch, da steigt das Selbstwertgefühl in die Lüfte, und abends gibt es dann zwar günstiges, aber eben doch billiges Abendprogramm der besonderen Art. Yeah, glücklich, zufrieden, ohne Schmerz, das Leben ist schön, und ich auch…

Die Werbung unserer Wohlstandsblase verspricht uns, materieller Besitz gepaart mit Ablenkungen verschiedenster Art sei die endgültige Formel zum Glück: wenn wir Traummann, Traumkörper oder Traum-Haarshampoo besitzen, dann endlich wird Zufriedenheit vom Himmel fallen oder uns ans Bett auf ein Tablett gebracht.

Dieses vermeintliche Rezept zur Glückseligkeit verkauft sich gut, ob durch Kleidung, Konsole, Kirschhose oder Sex, ob mittels Like-Sucht über (A-)Social-Media oder Schweißgeruch im Fitnessstudio. Konsum ist das neue Heiligtum, und Ruhm die Achterbahn zum Glück.

Nur sonntags sitzt der moderne Mensch rum und wacht auf einmal auf seiner Couch aus dem Trubel auf und merkt beim Anblick des Gekauften, Geflirteten und Gegessenen, dass er irgendwie innerlich leer ist. Ein stummer Schrei in ihm, der sich gegen diese Beschäftigungstherapie des Hedonismus auflehnt und sich Gehör verschaffen will. Er ist ein Opfer dieser weit verbreiteten „Sonntagsdepression“ geworden, mit dem verwirrenden Gedanken, man sei veräppelt worden, irgendwie funktioniere bei einem selbst diese Ewig-Glückseligkeit-Formel der Werbeanzeigen nicht…

Bei manchen Menschen verschwindet dieses Sonntags-Phänomen aber auch unter der Woche nicht mehr, es heißt dann, er sei „depressiv“, falsche Konzentration an Serotonin im Hirn, und bei einer psychoanalytischen Sitzung im Geiste Freuds will man ihm dann erklären, er habe nur noch nicht vollständig Ja zu seiner Triebhaftigkeit gesagt und müsse mal wieder Sex haben.

Dass dieser Ratschlag den zutiefst unzufriedenen, nach Mehr suchenden Menschen nicht zufriedenstellen wird, kann jeder Leser sich wohl selber denken. „Der moderne Mensch rennt Bedürfnissen hinterher, aber sobald er alles befriedigt sieht, ist er wieder unbefriedigt“, sagt Anselm Vogt, lustiger Kabarettist, und etwas Melancholisches dringt trotz allen Humors in diesem weisen Satz durch. (Ein Namensvetter dieses Vo(i)gtes würde übrigens wohl sagen, der traurige Mensch sei eben einfach noch nicht genug gerannt – Insider.)

Wie dem auch sei: Im Laufe seines Lebens merkt der Mensch, dass er trotz scheinbarer Erfüllung immer noch nicht ehrlich sagen kann, er sei endlich glücklich, froh und zufrieden mit allem. Denn in der Regel ist der einzige Reiz eines begehrten Objekts, das man zu besitzen anstrebt, dass es noch nicht anwesend ist – sobald man es aber besitzt, verliert es seinen Wert, man ist wieder so leer wie vorher. Da fällt mir das Zitat Viktor Frankls ein, das besagt, „je mehr der Mensch nach Glück jagt, umso mehr verjagt er es auch schon“, oder den dänischen Philosophen Kierkegaard, der beobachtet, dass „manche Menschen so sehr Genuss nach hasten, dass sie an ihm vorüber hasten“.

Und, wem das zu unwissenschaftlich war: Ich zitiere Samy Deluxe, der zum selben Schluss kommt:

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Und sogar, wenn du all den Ruhm, Erfolg und das Geld kriegst

Nützt dir das nichts, solang du nicht im Reinen mit dir selbst bist

Und wirst du sehen: Egal, was du hast

Es ist nie das, was du willst, nie das, nie das

Tatsache: In unserer Wohlstandblase des Hedonismus, der Lusterfüllung und des sexuellen Massenkonsums sprechen wir nicht über dieses bohrende Gefühl der Leere, des Fehlens: du vermisst irgendetwas, egal was du hast. Es wird nicht von Leid und Schmerz erzählt, Werbungen und Medien verkaufen uns das Bild des ewig schmunzelnden Menschen.

Aber Leid und Leben gehören so innig zusammen wie Weißwurst und Bier. Wir leiden unter Schicksalsschlägen. Oder halt daran, dass es in uns immer noch Leere gibt, trotz der Zauberformel von Freud und Jung. Dann aber denken wir, etwas laufe schief mit uns, wir seien nicht normal, die anderen um uns herum schienen doch so glücklich, wir hätten aber wahrscheinlich irgendeinen unbewussten Komplex oder ein Hormonproblem, da wir es nicht schaffen, endlich grinsend und lächelnd durch die Gegend zu stolzieren wie die kauffreudigen Werbeposter und Instagram-Poster um uns herum.

Wir glauben, wir seien krank, und das macht uns noch verzweifelter. Von Ablenkung zu Ablenkung zu springen und sich zudröhnen lassen von Reizen aus allen Ecken und aller Arten, das scheint normal.

Aber hinsichtlich der Tatsache des unausweichlichen Leides, welches jedem von uns früher oder später begegnet, hinsichtlich tieferer Lebensfragen, die uns irgendwann einholen, hinsichtlich dessen ist der Lustlifestyle nicht ausreichend, um glücklich zu machen und dem Menschen in seinem ganzen Wesen gerecht zu werden.

Was würdet ihr aber sagen, wenn diese „existenzielle Frustration“ in euch, dieses Leid, diese Unzufriedenheit in Wirklichkeit tief menschlich ist und nicht nur ein hormonelles Problem oder unbewusste Triebunterdrückung? Wenn dieser „Weltschmerz“ in euch eine offene Türe wäre in Richtung Menschlichkeit, weil der Mensch nicht nur Tier ist, weil sein Wesen nicht von ausschließlich Materiellem und Leib-Befriedigendem erfüllbar ist?

Ich bin davon Überzeugt, dass es ein großer Schritt in Richtung Weisheit ist, ein Ausdruck geistiger Mündigkeit, zu bemerken, dass eine glückliche Existenz auf Erden aus mehr bestehen muss als aus Konsum, Fun und Ruhm, aus Sex, Spaß und Kondom.

Warum sind wir Menschen immer noch frustriert, unbefriedigt!? Freud, Jung und alle, die im selben Triebhaftigkeits-Topf umherwühlen, haben uns doch befreit, nun sind wir modernen Wesen nicht mehr angekettet, dürfen all unsere Triebe ausleben, unseren Willen zur Macht ausüben, Materielles in Hülle und Fülle besitzen, doch warum ist in uns immer noch diese innere Leere, diese Unruhe, diese „existenzielle Frustration“ – ein “Vakuum“ in uns, wie Viktor Frankl es nennt? Sollten wir nicht eigentlich endlich glücklich sein?

Macht es einen Depressiven nicht eher depressiver, wenn man ihm versichert, er sei nur seine Störung, nur seine Krankheit, nur die Schatten seiner Vergangenheit?! Sollten wir nicht eher, um ihn von seiner Melancholie zu befreien, an dieses „Mehr“ appellieren?

Ich durfte neulich mit zwei Freunden den Film Wulf of Wallstreet schauen, für manche eventuell ein Begriff, Leonardo di Caprio in der Hauptrolle. Dort ist dieses Phänomen des inneren Vakuums trotz totalem Hedonisten-Lifestyles schonungslos veranschaulicht: Eiskalte Arroganz, Korruption und Habgier befähigen diesen einfachen Angestellten, zum Überflieger zu werden, Milliarden Dollars im Scheckbuch, Drogen in der Nase, Sex und Alkohol ersetzen Stück für Stück Moral, Gewissenhaftigkeit und Treue, zur eigenen Frau und zu erlernten Werten. Das Ende ist weniger beflügelnd, der Wolf von der Wallstreet ist nie endgültig zufrieden und glücklich, wünscht sich verzweifelt mehr und noch mehr, und realisiert, dass er trotz dem ganzen Erfolg todunglücklich ist.

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Er landet aufgrund von Drogen am Steuer im Gefängnis, seine zweite Frau verlässt ihn. Jordan B., so heißt der arme Mann, ist in keiner Weise glücklich, obgleich er doch haargenau das in die Tat umgesetzt hatte, für das Herr Freud oder Herr Jung doch ihre Hand ins Feuer gelegt hatten, er hat seine Triebe und Libido in reichem Maße befriedigt, Macht über die ganze Wallstreet ausgeübt, in Geld gebadet, also wo ist der Haken?

Unser Milliardär hat offensichtlich Sehnsucht nach MEHR, irgendetwas fehlt ihm, doch was ist dieses Etwas nun endlich?!

Die Praxis zeigt, dass diese innere Leere nie vollständig von Libido und Lust gefüllt werden kann. Denn der hier gelebte Hedonismus führt zum Tod der Lust. Nicht eine Frau reicht mehr aus, schließlich auch nicht mehr die Affäre, dann auch nicht mehr die Orgien… Unser drolliger Kabarettist von oben trifft da voll ins Schwarze: „Nach der Tötung der Lust bleibt häufig nur noch die Lust am Tod“.

Fazit: Der Massennihilismus der modernen Freizeitgesellschaft ist das ungeliebte Kind der Verbindung von Hedonismus und Aufklärung, der unsere Gesellschaft ihr freudloses Dauergrinsen verdankt, um nochmal Anselm Vogt zu zitieren.

Hedonismus bringt’s nicht. Wir werden also weiter schauen müssen, um zu etwas Lohnendem für unser Menschsein zu kommen.

To be continued…

Zum Autor: Theresa Laetitia lebt und studiert in München. Im vergangenen Jahr hat sie besondere Erfahrungen zum Thema Liebe, Gott und Menschsein gemacht. Ihre Erkenntnisse daraus teilt sie der Welt exklusiv auf dem Cathwalk in ihrem „MenschseinManifest“ mit.

 

 

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