Samstag, 27. April 2024

Rezension: Die Schrift allein? 21 Gründe gegen das protestantische Bibelverständnis

Sola scriptura – Die Schrift allein ist eins der vier Hauptprinzipien der Reformation (die anderen sind  sola fide („allein durch den Glauben“), sola gratia („allein durch Gnade“) und solus Christus („allein Christus“).

Joel S. Peters Werk hat ein Nihil obstat von David D. Kagan, Generalvikar und ein Imprimatur von Thomas G. Doran, Bischof von Rockford, erhalten. „Die Schrift allein“ ist ein kleines Büchlein von 115 Seiten, in dem er 21 Gründe gegen sola scriptura auflistet. Das Büchlein beginnt wie jedes gute Werk gegen ein Prinzip mit einer Definition. Was heißt sola scriptura? Peters schreibt: „[Sola scriptura] besagt, die Bibel – in ihrer Interpretation durch den einzelnen Gläubigen – sei die einzige autoritative Bezugsgröße in religiösen Dingen und somit das ausschließliche Kriterium dessen, was zum christlichen Glauben gehört (Glaubensregel). Mit dieser Lehre, die eine der Grundüberzeugungen des Protestantismus darstellt, wird in Abrede gestellt, dass außer der Schrift irgendeine religiöse Autorität bzw. irgendeine Quelle der göttlichen Offenbarung existiert.“

Und was ist die katholische Position? Diese liefert Peters direkt im Anschluss: „Der Katholik hingegeben hält daran fest, dass die nächste oder direkte Glaubensregel im Lehramt der katholischen Kirche besteht. Die Kirche ihrerseits entnimmt ihre Lehre der göttlichen Offenbarung, also sowohl dem geschriebenen Wort Gottes, welches als die ‚Heilige Schrift‘ bezeichnet wird, als auch der mündlichen Überlieferung (dem ungeschriebenen Wort Gottes), genannt die ‚Tradition‘.“ Das kirchliche Lehramt hat nun, wie Peters schreibt „kraft göttlicher Anordnung“ mit dem Papst als höchstem Autoritätsträger, „die Inhalte der Schrift und der Tradition zu lehren und zu interpretieren.“

Nun stehen hier zwei Prinzipien unversöhnlich gegeneinander: Entweder stimmt sola scriptura – das Prinzip der Reformation oder das Prinzip der katholischen Kirche, in dem es das Lehramt und die Tradition gibt. Peters führt nun 21 Gründe gegen sola scriptura aus. Die Gründe sind überzeugend. Der Kern gegen sola scriptura liegt meines Erachtens darin, dass Christus die Kirche gegründet hat wir uns ihrer Autorität unterwerfen müssen – nicht unserer eigenen Bibelinterpretation. Das ist es ja auch, was eine inkarnatorische Religion auszeichnet, die das Christentum ohne Zweifel ist, denn „das Wort [Logos] ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Hinzu kommt, dass sich protestantische Bibelinterpretationen ja von Person zu Person widersprechen und es keine objektive Wahrheit zu geben scheint. Selbst Luther und Calvin waren sich nicht einig. Der Protestantismus ist somit Legion, denn sie sind viele. Es sind sich ständig ausbreitende Spaltungen von Spaltungen.

Zurück zur Frage sola scriptura. Hier sei auf Grund 3 und 4 Bezug genommen. Grund 3 sagt: „Die Bibel bezeichnet die Kirche – und nicht die Bibel – als ‚Säule und Grundfeste der Wahrheit'“. Peters zeigt, dass die Kirche in 1. Tim 3,15 als „Säule und Grundfeste der Wahrheit“ beschrieben wird. In der Einheitsübersetzung heißt es: „Falls ich aber länger ausbleibe, sollst du wissen, wie man sich im Hauswesen Gottes verhalten muss, das heißt in der Kirche des lebendigen Gottes, die die Säule und das Fundament der Wahrheit ist.“ Hier spricht die Vulgata von „ecclesia Dei vivi“ und die Septuaginta von „ἐκκλησία θεοῦ ζῶντος“ – Kirche des lebenden Gottes. Klar bringt Peters dann auch den Klassiker Mt. 16, 18: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“

Weiteres macht Peters in Grund 4 deutlich: „Christus befiehlt, dass wir uns der Autorität der Kirche unterwerfen“. Als Schriftbeweis nennt Peters Mt. 18,17: Wenn ein Gläubiger „auf die Kirche nicht hört“ … sei er „wie der Heide oder der Zöllner“ anzusehen. Anzumerken ist hier, dass die Vulgata „Kirche“ als „Ecclesiæ“ wiedergibt, die Einheitsübersetzung spricht von „Gemeinde“. Im gríechischen Text heißt es ebenfalls wie in der Vulgata ἐκκλησίᾳ. Die Einheitsübersetzung hat hier vielleicht aus ökumenischer „Rücksichtnahme“ nur mit „Gemeinde“ übersetzt und damit bereits den Gedanken einer Lehrautorität der Kirche untergraben. Falls es sich hier aber nur um eine Teilkirche handeln sollte, wäre dennoch die Autorität der richtigen Deutung bei den Amtsträgern und damit letztlich beim Lehramt. Peters führt hier noch weitere Argumente an, die ebenfalls überzeugen.

Das Buch ist eine lohnende Lektüre für alle, die durch den Protestantismus verunsichert werden oder ein Geschenk für diejenigen, die jemanden dabei begleiten wollen, katholisch zu werden.

Weitere Gründe von Peters sind u.a.: „I Das Sola-Scriptura-Prinzip wird nirgends in der Bibel gelehrt, II Die Bibel bezeugt, dass die mündliche Überlieferung als Ergänzung des geschriebenen Wortes anzunehmen ist, VI Die ersten Christen verfügten über keine Bibel“.

Das Hauptproblem, warum Protestanten sich heute nicht bekehren, liegt meines Erachtens aber wesentlich in der Moderne, das heißt im Subjektivismus und Relativismus. Selbst wenn man mit Vernunftgründen klar macht, dass die katholische Kirche die Kirche Jesu Christi ist und der Protestantismus eine menschliche Erfindung und ein Irrtum, werden als Argumente, warum man im Irrtum bleibt, Gefühle, Bequemlichkeiten gesellschaftlicher Nutzen und oft genug sogar Gleichgültigkeit angeführt. Denn heute geht es oft mehr um den praktischen Nutzen als um die Heilsnotwendigkeit der Wahrheit Christi, weil wir in materialistischen Zeiten leben. Der Utilitarismus zerstört die Metaphysik.

ZUM BUCH

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