Freitag, 3. Mai 2024

Warum „Der Herr der Ringe“ katholisch ist

Tolkien outete sich in einem BBC-Interview als „devout Catholic“ – gläubigen, frommen Katholiken. „Der Herr der Ringe“ ist ebenfalls katholisch. Das schrieb Tolkien selbst in einem Brief an den Jesuiten Robert Murray aus dem Jahre 1953 (Letter 142): „Der Herr der Ringe ist natürlich ein durch und durch religiöses und katholisches Werk; anfangs unbewusst, aber bei der Überarbeitung bewusst.“

Was ist an „Der Herr der Ringe“ katholisch? Zuerst die Anthropologie. Die Menschen und auch die Hobbits in der Trilogie sind hier die besten Beispiele. Sie erscheinen nicht als „völlig verdorben“ wie es die protestantische Theologie lehrt. Auch nicht als „edle Wilde“, die nur durch Entfremdung „böse“ Züge hätten, wie es Humanismus, Kommunismus und Liberalismus lehren. Sie erscheinen wie in der katholischen Theologie als gefallene Geschöpfe, deren Natur „zum Bösen geneigt“ ist. Als Geschöpfe, die sich gerne stärker geben als sie sind. Was letztlich Rettung bringt ist die Güte, die sie zeigen und die am Ende für sie einsteht, wenn sie selbst zu schwach sind.

Deutlich wird Tolkiens katholische Anthropologie in seinem Brief an Michael Tolkien aus dem Jahre 1956 (Letter 181): „Aber an diesem Punkt wird die ‚Rettung‘ der Welt und Frodos eigene ‚Rettung‘ durch sein vorheriges Mitleid und seine Vergebung der Verletzung erreicht. Jeder vernünftige Mensch hätte Frodo zu jedem Zeitpunkt gesagt, dass Gollum ihn mit Sicherheit (nicht ganz sicher – die Unbeholfenheit in der Treue Sams war es, die Gollum schließlich an den Rand des Abgrunds trieb, als er im Begriff war, Buße zu tun) verraten würde und ihn am Ende ausrauben könnte. Ihn zu ‚bemitleiden‘, es zu unterlassen, ihn zu töten, war ein Stück Torheit oder ein mystischer Glaube an den ultimativen Wert von Mitleid und Großzügigkeit an sich, auch wenn er in der Welt der Zeit verhängnisvoll ist. Er beraubte und verletzte ihn am Ende – aber durch eine ‚Gnade‘ war dieser letzte Verrat genau zu einem Zeitpunkt, als die letzte böse Tat das Günstigste war, was jemand für Frodo hätte tun können! Durch eine Situation, die durch seine ‚Vergebung‘ geschaffen wurde, wurde er selbst gerettet und von seiner Last befreit. Ihm wurde zu Recht die höchste Ehre zuteil – denn es ist klar, dass er und Sam den genauen Ablauf der Ereignisse nie verheimlicht haben.“

Das Naturbild in „Der Herr der Ringe“ und Tolkiens Blick auf Fortschritt und Verbesserung ist auch zutiefst von der traditionellen katholischen Lehre geprägt. Der Sündenfall ist da. Nicht nur die Menschen sind dem Tode verfallen und streben rücksichtslos nach Macht, auch die Natur, die Bäume und Bäche, die gesamte Schöpfung ist gefallen. Deutlich wird das vor allem in den Büchern. Dort werden die Hobbits beinahe von Bäumen verschlungen und getötet. Tolkien vermittelt keine heidnische Naturromantik, aber lehnt entsprechend seines katholischen Weltbildes auch eine Ideologie der Zerstörung ab.

Es geht um die Wiederherstellung der gefallenen Schöpfung. Es geht darum, dass der Mensch durch die richtige Ordnung von Natur und Gnade geheilt wird. Das passt du den scholastischen Naturrechtsgrundlagen. Diese definieren das richtige Leben als ein Leben gemäß der Natur und Vernunft. Zwei bekannte Formeln lauten: secundum naturam vivere und secundum rationem. Daraus leitet Tolkien auch eine ganze Ordnung der Schöpfung, Entfremdung und Ontologie ab. Vor allem glaubte er nicht an einen menschlichen Fortschritt durch Technik und Maschinen. Tolkien sah den Ring als die oberste Maschine. Denn Magie sei dem Wesen der Maschine ähnlich. Magie sei Zwang („coercion”), Zwang auf die Welt, der Versuch durch Maschinen die Welt zu verändern. Vor allem sei es sehr gefährlich, Zwang auszuüben, um ein „gutes Ende“ zu erreichen.

Tolkien geht davon aus, dass der Mensch mit Werkzeugen und nicht mit Maschinen die gefallene Welt wieder ordnen solle. Vor allem deshalb, weil die wirklichen Probleme mit Maschinen nicht gelöst würden. So schrieb er: „Die Tragödie und Verzweiflung aller Maschinen liegt offen zutage. Anders als die Kunst, die sich damit begnügt, eine neue sekundäre Welt im Geist zu schaffen, versuchen sie, das Verlangen zu verwirklichen und so Macht in dieser Welt zu schaffen; und das kann nicht wirklich zu echter Befriedigung führen. Arbeitssparende Maschinen schaffen nur endlose und schlechtere Arbeit. Und zu dieser grundsätzlichen Unfähigkeit eines Geschöpfes kommt noch der Sündenfall hinzu, der unsere Maschinen nicht nur am Begehren scheitern, sondern zu neuem und schrecklichem Bösem werden lässt.“

Man kann das eine richtige Tradi-Philosophie nennen, eine reaktionäre Weltanschauung, die den Sündenfall ernst nimmt und damit zur Opposition zum heute herrschenden Liberalismus steht.

Wie rettet man nach Tolkien die Welt? Durch einen priesterlichen Akt, das heißt, durch ein Opfer. Das ist Frodo. Er muss zu Sams Entsetzen das Auenland verlassen: „Aber“, sagte Sam, und Tränen traten ihm in die Augen „ich dachte, auch du würdest noch Jahr um Jahr am Auenland deine Freude haben, nach alldem, was du getan hast“ – „Das dachte ich auch einmal. Aber ich bin allzu tief verwundet, Sam. Ich habe das Auenland zu retten versucht, und es ist gerettet worden, doch nicht für mich. So geht es oft zu, Sam, wenn etwas in Gefahr ist: Der eine muss es aufgeben, es verlieren, damit die anderen es behalten können.“ (Buchzitat).

Damit ist alles gesagt. Sündenfall und Erlösung, das sind DIE Themen in „Der Herr der Ringe.“ Sie sind getragen von Gnade und Liebe. Und das ist ein ermutigender Gedanke.

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