Sonntag, 5. Mai 2024

Das Ende des Zynismus: Der Kinofilm Stromberg (Teil 2)

Der Kinofilm stellt die Schadensregulierung der Versicherung Capitol mit den bekannten Sachbearbeitern der Serie dar. Allerdings sitzt nun Berthold Heisterkamp, genannt „Ernie“ in Strombergs Büro. Stromberg ist einen Posten nach oben aufgerückt. In Strombergs ehemaligem Büro hängt ein deutlich sichtbares Kruzifix. Ernie probt mit den Mitarbeitern ein Lied für die 50-jährige Jubiläumsfeier der Capitol ein, zu der er mit seinen Kollegen in das dafür vorgesehene Hotel anreisen möchte.

Stromberg gegen die Teilnahme an der Jubiläumsfeier und verbietet diese als Vorgesetzter. Später erfährt er per Zufall vom Hausmeister, dass die Filiale der Capitol, in der er selbst arbeitet, geschlossen werden soll. Nun unterstützt er doch die Teilnahme an der Jubiläumsfeier.

Jubiläumsfeier: „50 Jahre Capitol“

Während der gemeinsamen Busfahrt der Angestellten zur Feier fällt Ernie wieder durch tragisches Verhalten auf, worauf Stromberg nur spöttisch-witzig einwendet, dass Ernie ja einer ganzen Generationenfolge von Versagern entstamme. Auf der Jubiläumsfeier treten alte Bekannte der Serie auf: Tatjana Berkel und Sinan Turculu. Zynische Bemerkungen bleiben nicht aus. Der Mitarbeiter Ulf Steinke merkt immer deutlicher, dass seine Ehe kein Heil auf Erden bedeutet. Andere Frauen haben nach wie vor eine attraktive Anziehung auf ihn und er klagt: „Ehe ist die Sterbehilfe für die Liebe“.

Auf der Feier 50 Jahre Capitol tritt schließlich Frau Berkel auf, die mittlerweile einen hohen Posten in der Capitol bekleidet. In der Manier eines Teleshoppingkanals verkauft sie auf Gutmenschenart ihren Werbeclip für die Capitol, in dem sie selbst die Hauptrolle spielt. Berkels pastorale Ergüsse kulminieren in dem Satz: „Das Vertrauen ist der Weg“. Von so viel Stuhlkreisschmalz zum Verkaufen von Policen wird einem schon recht übel. Übertroffen wird das nur noch von Ulfs Frau, Tanja. Sie nimmt ein Pflegekind aus einer Problemfamilie auf. Im geht mit ihm im Gehabe einer anti-autoritären Pädagogin um, die für alles Verständnis hat. Selten ist man von falscher Liebe derart angewidert.

Zum Glück gibt es die „Sollbruchstelle Stromberg“. Berkels Werbeclip dient nur ihrer Selbstdarstellung und veranlasst das Publikum intuitiv zu gähnen. Danach präsentiert Stromberg seinen Clip. Er wirbt für die Capitol, indem er die Mitarbeiter in seiner Abteilung überspitzt komisch in Szene setzt. Das ist eine der stärksten und lustigsten Stellen des Films und eine Sternstunde Strombergs.

Stromberg holt den schnörkeligen Schmalz runter in die Wirklichkeit. Das ist Demaskierung und Befreiung in einem: Es gibt Streit im Büro und Ernie bohrt in der Nase. Das Menschliche macht sympathisch, nicht Frau Berkels heile Scheinwelt. Als am Ende klassische Musik gespielt wird und die Stimmung wieder in den Keller sinkt, kommt Stromberg mit einem Alleinunterhalter an und singt im Pop-Stil: „Lass das mal den Papa machen, der Papa macht das gut“.

Der Saal tobt. Stromberg hat auf ganzer Linie gewonnen. Seine Vorgesetzten sind begeistert und wollen ihn gerne in die Zentrale holen. Stromberg hat einen Blick für die Wirklichkeit, weiß, was die einfachen Angestellten wollen und scheut sich nicht, seine Sicht der Dinge auch brachial Ausdruck zu verleihen. Stromberg bringt einen Klopper nach dem anderen.

Die Chefs der Capitol wollen aus Stromberg nun eine Art freundlichen Verkünder für den Rauswurf der Mitarbeiter seiner früheren Filiale machen. Stromberg selbst käme dann in die Zentrale. Er sei einer, der die Sprache der Einfachen spreche und könne den bösen Begriff „Rationalisierung“ besser und anders rüberbringen, so dass es weniger wehtue. Das ist die Welt der Capitol-Chefetage: Getreten werden, ohne dass man schreit und Stromberg soll derjenige sein, der das Schweigen garantiert.

Die Zahlen müssen stimmen, die Menschen müssen gehen. Stromberg ist zunächst erfreut wegen der Beförderung und willigt ein. Man lässt ihm einen Mercedes-Cabrio kommen und lädt ihn in ein besseres Hotel ein. Stromberg will allerdings nicht alleine fahren, sondern mit seiner Kollegin, die er gern als Freundin hätte und die nach einer „Beziehung“ mit ihm auch schon mal kurz von ihm schwanger war. Jennifer Schirrmann, von ihm in Stromberg-Art liebevoll „Schirrmchen“ genannt, willigt ein, an seinem Triumphzug teilzuhaben. Sie fährt mit.

Das Ende des Zynismus

Camus schreibt in seinen Tagebüchern, dass der Ausweg aus dem Absurden und der Revolte im echten Mitgefühl liege, zu dem man jedoch eine Unschuld benötige, die er nicht mehr habe. Stromberg wird durch Mitgefühl und seine Naivität gerettet werden. Im neuen Hotel landet Stromberg an den Brüsten einer fremden Frau. Jennifer öffnet die Tür und sieht es. Das angebliche Hotel ist ein Edelbordell Stromberg ist davon nicht begeistert und Jennifer will einfach nur weg. Die hohen Vertreter der Capitol verstehen das nicht. Einer sagt, das sei doch normal. Er sei ja schließlich auch verheiratet, aber was mache das schon?

Der Stromberg-Film übt hier am deutlichen Gesellschaftskritik, indem er die Maskerade der Macht herabzieht: Von innen darf man verfaulen, solange die Außenwirkung stimmt. Und die stimmt. Außen Krawatte und Freundlichkeit. Innen Edelhuren mit Doppel D, Lügen und Betrügen. Man darf sich nur nicht erwischen lassen. Das alles passt aber nicht mehr in Strombergs Welt. Stromberg ist zwar Zyniker, aber eher aus Entsetzen, als aus Verachtung. Er hat noch einen Rest an Prinzipien. Vor allem Jennifers Angewidert sein lässt ihn bei dieser Aktion nicht mitmachen.

Er fährt mit ihr im Wagen zurück. Hier nun wird der Zynismus besiegt. In dem Moment, als Stromberg mit Jennifer “Schirrmchen“ mit dem Auto von dem Bordell zurück zum ursprünglichen Hotel fährt, findet sich ein Moment der Echtheit, in dem man nicht mehr suchen muss, sondern nur noch zu finden braucht. Jenseits der aufgesetzten Masken scheint hier in einem Moment Liebe durch. Sie durchbricht alle bisherige Machtpolitik und will einfach nur sein dürfen. Das ist eine Szene der unschuldigen Authentizität.

Die Zwei fahren ruhig zurück und sind die inneren Sieger. Die Szene macht deutlich: Stromberg will letztlich kein Protz und Lügenleben, sondern Jennifer. Es geht um Liebe, um nichts anderes. Am Hotel angekommen küsst Jennifer Stromberg. Als dieser schließlich fragt, ob sie auf sein Zimmer wolle entgegnet sie nur, dass er nicht sofort wieder alles kaputtmachen solle.

Für seine Chefs hat Stromberg versagt. Er leistet sich noch einen Schnitzer bei der Übergabe des Autos und erhält die Kündigung.

Frau Berkel ist besoffen abgestürzt, die Chefs haben ihren Ruf verloren und Stromberg ist arbeitslos. Er lässt daher die Bombe platzen und teilt mit, dass die Filiale, in der sie alle arbeiten, geschlossen werden soll. Hier wieder ganz der Alte, inszeniert sich Stromberg so, als habe er von vornherein auf der Seite der Mitarbeiter gestanden.

Stromberg betritt noch einmal die Capitol und die Belegschaft singt zu seinem Abschied – im Stil eines Büro-Wortgottesdienstes. Auch hier zeigt sich, mehr non-verbal als eloquent: „Wir wollen keinen Zynismus.“ Er ist ja oft nicht viel mehr als Unzufriedenheit und schlechter Humor im Spießbürgerleben. Die Sehnsucht nach Geborgenheit, nach Unschuld und einfacher Menschlichkeit ist in den Gesichtern der Mitarbeiter ablesbar.

Die Szene wird nicht mit bitterem Spott beendet, sondern in aller Ruhe zu Ende geführt. Stromberg betritt nochmal sein altes Büro. Dort hängt noch immer Ernies Kruzifix. Deutlich sichtbar. Ein gewolltes Zeichen?

Das weitere Ende des Films wirkt dann dennoch lächerlich und die Frage bleibt, was damit ausgesagt werden soll: Es gibt eine Demonstration für den Erhalt der Arbeitsplätze, begleitet von Flyern mit Penissymbol, die laut Stromberg „fuck you Capitol“ aussagen sollen.

Die Massen solidarisieren sich mit Stromberg. Auch optisch findet sich der „Klobrillenbart“ bei den Demonstranten. Stromberg ist dann irgendwann im Willy-Brand-Haus bei der SPD und schüttelt Steinmeier die Hände. Man fragt sich: Was soll das? Wer verarscht hier wen? Steinmeier Stromberg oder Stromberg Steinmeier? Wahlkampf, Ironie? Die Szene entzieht sich eines ersichtlichen Sinns. Stromberg steigt mit einer Fahne die Treppe hinauf, winkt hinunter und der Film ist aus.

Am Ende hat der Zynismus doch nicht das letzte Wort gehabt.

Teil 1:

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