Sonntag, 3. November 2024

Offener Brief an Seminaristen und junge Priester

Liebe Seminaristen, liebe Priester,

am 20. Mai erschien auf „katholisch.de“ ein Artikel mit dem Titel: „Sellmann zu Studie: Priesterberuf nicht ‚musealisieren‚“. Darin wird festgestellt, dass die Mehrheit der jungen Priester mit den Themen des Synodalen Weges nicht viel anfangen könne und der modernen Welt „fremd“ sei. Das beunruhigt Professor Sellmann, der „neue Ansätze“ im „Priesterbild“ fordert.

Seit etwa 60 Jahren sind wir dabei, „neue Ansätze“ und „Modernisierungen“ durchzuführen, und die Folgen sind verheerend. Die Kirchen sind leer, im Novus Ordo sitzen fast nur noch alte Frauen und die Zahl der Seminaristen und Priesterweihen geht gegen Null.

Ich selbst war von 2008 bis 2012 Seminarist in Münster und habe alles miterlebt: die Missbrauchskrise 2010, die Kirche in den USA 2011, die moderne theologische Ausbildung usw. Ich sehe, dass die Kirche stirbt, und ich glaube, dass die moderne Theologie und die Schwäche der Bischöfe dafür verantwortlich sind. Ich selbst habe damals aus Naivität vieles mitgemacht, wovor ich heute nur noch warnen kann.

Was mich wieder auf den rechten Weg gebracht hat und wofür ich unendlich dankbar bin, ist, dass ich den Weg zur katholischen Tradition gefunden habe.

Im Religionsunterricht habe ich gelernt, dass Gott nicht in die Welt eingreift, krude Thesen von Professor Knauer SJ aus St. Georgen haben meinen Glauben angegriffen. Im Priesterseminar gab es eine recht moderne und liberale Ausbildung, die ich zwar als angenehm empfand, die aber für die Vorbereitung auf das Priestertum nicht hilfreich ist.

Die moderne Theologie mit ihrer historisch-kritischen Exegese, der Entmythologisierung und der Infragestellung der Dogmen hat zusätzlichen Schaden angerichtet. Man hat mir eigentlich beigebracht, dass man sich des Glaubens und der Kirche schämen muss. Die moderne Theologie hat uns zu Verlierern erzogen, die keinen selbstbewussten Satz mehr von sich geben können. Stattdessen sollten wir uns überall beliebt machen. So sind wir zu Mr. Nice Guy“ geworden, der sich für den Glauben entschuldigt. Man schämt sich für den Zölibat, für die Bischöfe, für die Priester, für die Kirchengeschichte, für die Sexualmoral …

Überall um mich herum erlebe ich, wie getaufte und gefirmte Katholiken ihren Glauben verlieren. Ich erlebe, wie alle modernen Missionsversuche scheitern. Als Jugendliche haben wir viele Aktionen gemacht und waren voller Eifer, den Glauben zu verbreiten. Es gab damals so etwas wie ein charismatisch-konservatives Christentum. Aber das ist mit dem Tod von Johannes Paul II. oder spätestens mit dem Rücktritt von Benedikt XVI. verschwunden. Die vielen hoffnungsvollen Projekte sind heute mehr oder weniger tot.

Was mich wieder auf den richtigen Weg gebracht hat, war die Entdeckung der katholischen Tradition. Die Alte Messe, die alten Gebetbücher, die alte Glaubenspraxis. Vor einigen Tagen habe ich an Exerzitien in der Tradition teilgenommen. Dort wurde die ganze Heilsgeschichte von Adam und Eva über die Erlösung Christi am Kreuz bis zu unserer Zeit thematisiert – mit der Heiligen Schrift, den Kirchenvätern und den Heiligen. Es war ein Fest echter, tiefer Theologie. So etwas habe ich während meines Studiums nicht erlebt. Die Wahrheit des Glaubens wurde auf höchstem Niveau erklärt. In Münster, Tübingen oder München hofft man heute vergeblich darauf.

Liebe Seminaristen, liebe Priester, ich glaube nicht, dass in den modernen Strukturen viel mehr auf Sie wartet, als der „Synodale Weg“ oder irgendwelche pastoralen Projekte, die sicher scheitern werden. Ich möchte Ihnen von Herzen empfehlen, die Tradition kennenzulernen. Ich bin sicher, dass es Ihrer Berufung und Ihrem Priestertum unglaublich helfen wird.

Die Identität des Priesters, was ein Priester ist und wozu er da ist, all das ist in der katholischen Tradition bewahrt geblieben. Dort muss nicht alles angezweifelt infrage gestellt und zerstört werden.

In der Tradition werden Sie ein neue Welt und einen neuen Reichtum finden, einen unglaublich schönen Weg. Sie lernen dort einen Glauben kennen, der die Welt verändern kann, wie Chesterton sagt: „Wir wollen keine Kirche, die sich mit der Welt bewegt. Wir wollen eine Kirche, die die Welt bewegt.“

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12 Kommentare

  1. Unterschreibe fast alles, was hier geschrieben wird. Bitte indes zu bedenken, was ich im Strang mit dem Bild von Kaiser Karl V. , der übrigens Rom plündern liess und viele Schweizer ermorden im Sacco di Roma, ausgeführt habe, u.a. über den leider etwas beschränkten Heiligen Clemens Maria Hofbauer, der nicht verstanden hat, auf welcher Blüte die katholische Kirche in Deutschland, auch als attraktives Ziel für Konversionen, zur Zeit der Romantik gestanden ist. Siehe den einzigartigen Bischof Johann Michael Sailer. Auch die Debatte über die Hölle würde es verdienen, unter dem Gesichtspunkt der Mystik, zu welcher die gute Resl zwar wenig beigetragen hat, neu aufgegriffen zu werden. Für mich ist, von der Bibel abgesehen, auch Dante kein Märchenerzähler. Ebenso wäre der christliche Humanismus, der unglaubliche Zeugen hervorgebracht hat, neu zu erarbeiten. Der Horizont war nicht enger, sondern klar weiter als bei allen heutigen Richtungen, die mir nahe stehenden konservativen inbegriffen.

    • Vielen Dank für Ihren Kommentar. Mir ist allerdings nicht bekannt, dass Karl V. den Sacco di Roma befohlen, gewollt oder gutgeheißen hat.

      • Sehr geehrter Herr Jung!
        Bin eigentlich fast wie die Jungfrau zum Kind auf Ihre Seite gekommen, weil ich Sie nämlich auf den ersten Blick mit dem liberalkonservativen Schweizer Historiker Prof. Dr. Joseph Jung verwechselte, der so etwas wie Haushistoriker der Credit Suisse war, Standardwerke über deren Gründer . den Denkmalpolitiker Escher schrieb, auch über die Schweizer Tourismus-Geschichte, katholischer Herkunft und kein Zeitgeist-Historiker.

        Was den Sacco di Roma betrifft, so haben Sie insofern recht, als die unmittelbare Verantwortung für das Unrecht, die Morde und die Plünderungen nicht direkt beim Monarchen lag, sondern bei seinen Heerführern, es war aber dennoch ein von ihm angeordneter Feldzug. Für das Verhalten besonders der deutschen Landsknechte in ihrem Verhältnis zu den Schweizern konnte in der Tat niemand garantieren. Es bleibt aber dabei, dass diese Geschichte kein Ruhmesblatt in der Biographie des Kaisers ist, den Reinhold Schneider u.a. in „Europa als Lebensform“ und „Philipp II. oder Religion und Macht“ einigermassen als Apotheose gewürdigt hat. Besuchte selber 1982 seine Grabstätte im Escorial und seinen späten resignativen Rückzugsort, das Kloster Yuste. Ein grosser Verehrer des Habsburgerkaisers war in seinen späten Jahren auch Heinrich Loriti Glarean, notabene der wohl bedeutendste katholische Musik-Schriftsteller, Dodekachordon 1547, der sich selber „Familiaris“ von Karl V. und von Ferdinand von Habsburg nennen durfte, derjenige, bei dem sich Papst Pius IV. für die Indizierung von dessen Werken in einem persönlichen Breve entschuldigte. In der spanischen Ausgabe blieb freilich die Indizierung drin, galt zumal auch für den grossen Erasmus. Diese und andere Kleinlichkeiten müssen und sollten auch von Traditionalisten nicht verhehlt werden, selbst wenn man beispielsweise den Fall Galilei relativ differenziert sehen kann und noch anderes. Siehe auch die Bedrohung des bedeutendsten kath. Politikers der Schweiz, noch über dem Format Windhorst, Philipp Anton von Segesser, zu dessen 200. Geburtstag ich in Luzern eine Festvorlesung hielt. Die Werke von Bischof Sailer wurden übrigens von Beromünster aus, meinem Schulort, in 43 Bänden herausgegeben, ich weiss also, wovon ich rede.
        Die Regierungszeit des Kaisers Karl V. war, was auch Reinhold Schneider eingestanden hat, von mannigfachem Scheitern überschattet, was schliesslich zu seiner Abdankung 1555 führte, wenn ich mich recht erinnere in Brüssel, jedenfalls in den Niederlanden. Deren tragisches Schicksal auch unter Philipp II. hängt u.a. auch damit zusammen, dass die Kommunikation zwischen den Niederlanden und dem Escorial, auch Madrid, viel zu langsam war, so dass die Befehle des Herrschers auf eine völlig unrealistische, je wieder veränderte Situation prallten. Reinhold Schneider selber bezeichnete die Absolution im voraus für die Ermordung von Wilhelm von Oranien als einen schweren Missbrauch des Beichtsakramentes. Wir müssen und sollen die Geschichte, auch die Kirchengeschichte, nicht idealisieren. Zum Schönsten darin gehört immerhin, siehe Glarean, die Musikgeschichte.
        Wünsche Ihnen und allen Lesern hier ein gesegnetes Fronleichnamsfest. Ihr PM

  2. Ich kann dem Kommentar zu 100% zustimmen.
    Ich habe leider auch die moderne Theologie studiert und die mehr oder weniger modernen Spielchen mitgemacht. Aber mehr aus Sachzwang und nicht aus Überzeugung. Bin als Ordenspriester in 3! verschiedenen Diözesen tätig gewesen und jeweils die selben Strukturen erfahren, die den Menschen nicht geholfen hat im Glauben zu wachsen.
    Mittlerweile habe ich leider mein geistliches Amt aufgegeben. Und bin im Herzen traurig darüber. Eine Rückkehr scheint für mich schwierig, da es nicht viele Möglichkeiten gibt der Moderne zu entfliehen. Von Haus aus konservativ habe ich zwar die Tradition vor meinem Austritt kennengelernt. War aber noch nicht so gefestigt, dass ich eine Lösung für mich gefunden hätte. Möge Gott und die Gottesmutter mir einen Weg eröffnen den Weg zurück zu finden.

  3. Laus Deo, Mariae, Joseph et Francesco
    Deo gratias! Brillant wie immer; der Autor ist ein Garant für Beiträge, die alles den Punkt bringen.
    Ich unterstützte den Aufruf vollinhaltlich.
    Hieran sollten andere sich ein Beispiel nehmen.
    FIAT

  4. Wunderbar! Dem kann ich nur zustimmen. Gehen wir an der Hand der Muttergottes durch diese schreckliche Zeit. Mir hat die Corona Pandemie die Missio Messe von Pater Karl Wallner ins Haus gebracht. Jetzt ( mit 65 Jahren) lerne ich endlich mehr vom Glauben als jemals zuvor! KTV ist bei den Priestern verpönt, aber dieser Pater Karl hat ein Charisma, eine Klarheit eine Tiefe im Glauben, wie ich es sonst noch nie gefunden habe! Ihn hat die MutterGottes geschickt! Vielen vielen Dank!🙏❤🙏

    • LDMJF,
      Liebe Schwester in unserem HERRN Jesus Christus,
      Ich möchte Ihren Enthusiasmus zu dem Beitrag nicht schmälern und keine Diskussion über nicht anwesende Personen starten.
      Erlauben Sie mir dennoch bitte folgendes äußern zu dürfen:
      Die Haltung der meisten Verantwortlichen in der von Ihnen angesprochenen Plandemie war beschämend. Ich erspare uns alles im Detail aufzulisten. Eine Übertragung der Heiligen Messe in die Wohnzimmer als Ersatz einer reellen Messteilnahme war genauso irrsinnig wie der Rest der Maßnahmen (begrenze Teilnehmer mit Sitzabstand, unwürdige Kommunionsverteilung, Ersatz von DesiGel statt Weihwasser, Kleriker am Altar mit Mundschutz und teilweise Visieren, etc)Missio hat hier unterstützend mitgewirkt anstatt Klartext zu reden. Diese Einrichtung ist als Päpstliches Missionswerk, was immer sehr stolz verkündet wird zu sehr auf den aktuellen Amtsinhaber fixiert. Wer zahlt schafft an…..Und man will ja schön sein Pöstchen behalten, nicht dass es einem wie Exzellenz Strickland oder vielen anderen geht. Dies ist m.E. nicht der Weg unseres HERRN, HEILANDES und ERLÖSERS JESUS Christus dem Nazarener.
      Der einzige mir bekannte Kleriker der entschieden öffentlich aufgetreten ist kommt vom Institut Philipp Neri in Berlin.
      Behalten Sie ggfs. Ihre Begeisterung aber ich möchte hier auch einen anderen Blickwinkel einwerfen dürfen.
      Der Sieg unseres HERRN JESUS Christus ist uns gewiss.
      FIAT

  5. Esther Gasser – Gassmann 22. Mai 2024 ( 68)
    Der Priester – ein göttliches Geschenk
    O wie traurig, wenn ein Priester nicht verinnerlicht ist! Aber dazu gehört Ruhe, Schweigen, Einsamkeit. Das Priestertum – es ist die Liebe des Herzens Jesu.
    O, was ist der Priester Grosses! Wenn er es verstünde, würde er sterben….Gott gehorcht ihm: er spricht zwei Worte und auf seine Stimme steigt unser HERR vom Himmel herab und verschliesst sich in die kleine Hostie.
    Der Priester ist kraft seiner Vollmachten grösser als ein Engel.
    Wenn man die Religion vernichten will, beginnt man damit, die Priester anzugreifen. Hl. Pfarrer von Ars

    Bedenken wir, durch die Priester kommen Heil oder Verderben, Segen oder Fluch über das Volk! Wenn im Alten Bund andere Geisseln nicht mehr genügten, um das verhärtete Volk von seinen Irrwegen zurückzubringen, dann schickte Gott die schwerste Geissel: schlechte und verblendete Priester! Betet daher, dass Gott, der Herr, heilige Priester erwecke!
    Hl. Klemens Maria Hofbauer

    Die stigmatisierte Theresia Neumann von Konnersreuth zu Prälat J.H. Schütz in einer Art Ekstase am 10. Dezember 1931:
    „Der liebe Heiland wünscht von Ihnen, dass Sie den Theologen, die noch studieren, begreiflich machen mögen, dass sie wohl in allen theologischen Fächern fleissig studieren sollen, dass aber das Wichtigste für den zukünftigen Priester die Mystik ist. Die Mystik ist das betrachtende GEBET in Gottes Gegenwart, führt von selbst zur DEMUT, ohne die der Priester nichts Erspriessliches wirken kann, und sie führt zur innigsten Liebe des Herzens Jesu!“

    Gebt mir heilige Priester, und ich gebe euch ein heiliges Volk. Gott im Himmel und ich auf Erden wünschen nichts inniger als GEBET und OPFER für die Priester! Pius XI

  6. Liebe Seminaristen und Neupriester, betet den Rosenkranz und lasst Euch von der Hl. Jungfrau Maria führen und bei der Hand nehmen. Sie führt Euch direkt in das Herz Jesu hinein, in die Herzmitte Eures Priestertums. Der katholische Glaube ist übernatürlichen Ursprungs, umso mehr müssen wir die übernatürlichen Gnadenmittel gebrauchen, so wie auch der Rosenkranz einen übernatürlichen Ursprung hat. Das bewegt gewiss mehr als der Synodale Weg.

  7. Vergelts Gott, Sie sprechen mir aus dem Mund.

    Ich lerne mit meinen knapp 40 Jahren gerade die überlieferte Hl. Messe und möchte mich Stück für Stück mit der Tradition beschäftigen.

  8. All dem kann man nur zustimmen! Eine brilliante und treffende Analyse – nur: Die Kirche wird weiter ins Messer laufen und immer mehr ausbluten. – Es stimmt: Das ist die Frucht der letzten 60 Jahre und wir verdanken sie Paul VI. und Franziskus!

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