Dienstag, 19. März 2024

Die Zukunft hängt an der Liebe – Teil 1

Von Georg Dietlein

„Betthütermoral“ – „Schlafzimmerkontrolle“ – nicht mehr zeitgemäß – lebensfern und rückschrittlich – all dies sind Vokabeln, die immer wieder mit Blick auf die Sexualmoral der katholischen Kirche fallen. Menschen in einer zweiten zivilen Ehe („wiederverheiratete Geschiedene“), künstliche Verhütung, Geschlechtsverkehr vor bzw. außerhalb einer zivilen oder kirchlichen Ehe, „alternative“ Sexualpraktiken, offen und ganz bewusst ausgelebte Homosexualität – alles dies sind doch ganz alltägliche und vor allem normale Zustände in Deutschland – so denken viele. Was hat mir da die Kirche mit ihrer „verstaubten“ Sexualmoral zu geben?

Es wäre ziemlich töricht, diese Frage, die der katholischen Kirche ja täglich gestellt wird, mit einer Liste von Ge- und Verboten zu beantworten – oder aber haarscharf abgrenzen zu wollen, was denn nun davon lässliche oder schwere Sünde ist. Aus pastoraler Sicht wäre dies zumindest eine verpasste, wenn nicht die letzte verpasste Chance. So wichtig und wesentlich das Wort „Wahrheit“ ist: Jesus Christus hat seine Kirche nicht dazu berufen, irgendeine abstrakte Wahrheit in die Welt zu rufen, die in Glaubens- und Moralsätzen schriftlich festgehalten wurde. Vielmehr soll die Kirche die persönlichste aller Wahrheiten in die Welt tragen, nämlich Jesus Christus selbst, der Wahrheit in Liebe und Liebe in Wahrheit ist. In erster Linie ist die Kirche daher auch weder Moralapostel noch Moralanstalt. Sie soll den Menschen näher zu Christus bringen, ihn mit Christus bekannt und vertraut machen, ihn in die Freundschaft mit ihm einführen. Alles andere – auch die Moral der Kirche – sind letztlich Konsequenzen dieser Freundschaft mit dem Herrn. Das Handeln folgt aus dem gelebten Glauben: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten“ (Joh 14, 15).

Worum es eigentlich geht

Wie soll die Kirche nun mit Christen umgehen, die die Lehre der Kirche zwar kennen, aber nicht danach leben? – In erster Linie sollte sie Orientierung geben – und dabei auch Sünder nicht verurteilen. Freilich gehört zur Orientierung auch einmal das klare Wort, wie der Umgang Jesu mit der Ehebrecherin zeigt: „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ (Joh 8, 11) Zunächst geht es aber darum, für echte Werte wie Liebe, Treue, Glück, Partnerschaft, Ehe und Familie zu sensibilisieren. Vom heiligen Franz von Sales stammt der Satz: „Gott sieht nicht so sehr darauf, was geschieht, sondern auf die Art, wie es geschieht.“ Für ihn zählt die wahre, echte und treue Liebe.

In der Regel kommen junge Menschen von selbst darauf, dass es diese wahre, echte und treue Liebe ist, um die es im Leben geht. Spätestens nach der ersten gescheiterten Beziehung oder nach der ersten betrogenen Liebe stehen beide oder zumindest einer der Partner vor der Frage: Wie finde ich Glück und Erfüllung in meinem Leben? Geht es wirklich nur um Sexualität? Was bedeutet Treue? Lebe ich eigentlich nur mich selbst – oder bin ich bereit, mich „ein für allemal“, ein Leben lang an eine Person zu verschenken? Welche Bedeutung spielen Kinder für mich? Bin ich bereit, meine Liebe fruchtbar werden zu lassen und meine Beziehung für neues Leben zu öffnen?

Die Kirche hat viel zu bieten – gerade jungen Menschen, die Glück und Erfüllung suchen, die auf „die Liebe fürs Leben“ aus sind. Und gerade darum ist die kirchliche Moral nicht negativ und unzeitgemäß, sondern positiv und nach wie vor aktuell – wenn auch durchaus anspruchsvoll. Die Kirche mutet dem Menschen viel zu, weil sie ihm viel zutraut. Und sie traut ihm viel zu, weil Gott ihm viel zutraut, der ihn als sein Abbild erschaffen hat. Der Mensch ist dazu fähig, sich einmal nicht in den Vordergrund zu stellen, sondern sich ein Leben lang treu an eine Person zu verschenken und mit ihr das „Abenteuer Leben“ zu wagen – in jeder Hinsicht. Wenn junge Menschen diesen positiven Blick der Kirche auf die menschliche Geschlechtlichkeit verstanden haben, bedarf das sechste Gebot gar keiner Erläuterung mehr. Dann geschieht alles aus reiner Liebe und nichts aus Zwang.

Heilige Reinheit

Soweit so gut. Dennoch hat die Kirche auch in puncto Sexualität keine Wischi-Waschi-Regeln, sondern zeigt klare Grenzen auf. Und diese bereiten vielen Zeitgenossen ernste Probleme. Hier geht es etwa um Pornographie, Selbstbefriedigung, Sex vor bzw. außerhalb der Ehe und praktizierte Homosexualität. Gerade in der jüngeren Generation bemühen sich nur noch wenige Katholiken und auch generell wenige Menschen darum, danach zu leben, was ihnen die Kirche gebietet. Dies liegt gerade mit Blick auf das sechste Gebot („Du sollst nicht die Ehe brechen“) nicht nur daran, dass das, was die Kirche von den Menschen verlangt, recht anspruchsvoll ist, sondern auch daran, dass unsere Gesellschaft heute in besonderer Weise „sexualisiert“ und mit sexuellen Reizen auf- und übergeladen ist.1

Doch Jugendliche suchen gerade in der Reifephase ihres Lebens nach einer klaren und wegweisenden Orientierung im Umgang mit Sexualität – und finden diese immer seltener. In der Clique ist es möglicherweise gar nicht so einfach eine eigene Meinung zur hohen Würde der Sexualität zu entwickeln zu bewahren, wenn Gleichaltrige gemeinsam Pornos schauen und der der „Coolste“ ist, wer als erster ein Mädchen „flachgelegt“ und sein „erstes Mal“ erlebt hat. In diesem Punkt herrscht allerdings auch viel Wunschdenken. Viele reden leichtfertig über Sex und prahlen mit Dingen, die sie so eigentlich nie erlebt haben. Ablesen kann man daraus: Jugendliche möchten ihre Sexualität entdecken und erste Erfahrungen machen. Sie wünschen sich ein erfülltes Sexualleben und suchen nach einer Orientierung, die auch wirklich trägt. Aber ist es wirklich damit getan, möglichst schnell mit der ersten Freundin / dem ersten Freund Sex zu haben, sich später wieder zu trennen und ein gebrochenes Herz zurückzulassen? Die Initiative „Wahre Liebe wartet“ gibt hierauf eine Antwort: „Du bist zu kostbar, um wie ein Apfel von Verschiedenen angebissen und nachher weggeworfen zu werden.“ Bei Sex geht es in erster Linie nicht um Vergnügen, Spaß und Lust, sondern um: Liebe, gegenseitiges Vertrauen, Verbindlichkeit und Offenheit für neues Leben, das aus jedem, selbst dem „geschützten“ Geschlechtsverkehr hervorgehen kann.

Dass das gar nicht so leicht ist, erfahren Jugendliche in ihrem Alltag. Viele haben sich eben keine Gedanken über die Würde ihres Leibes gemacht und versuchen ihre Altersgenossen im Rahmen der Gruppendynamik mit zu ziehen: „Stell Dich nicht so an. Wir hatten alle schon unser erstes Mal. Jetzt bist Du an der Reihe …“

Übrigens: Nicht erst seit gestern haben Menschen Probleme mit ihrer Sexualität und mit der Heiligkeit des Leibes. So mahnte bereits der heilige Paulus im ersten Jahrhundert, in dem in einigen Kulturkreisen Prostitution gleichsam normal war: „Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst, denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!“ (1 Kor 6, 19f.)

Der unreine Blick

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„Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch begangen“ (Mt 5, 27).

Wie es um mein Verhältnis zur Würde des menschlichen Leibes steht, kann ich etwa daran ablesen, wie ich folgende Frage des alltäglichen Lebens beantworte: Wie blicke ich als (un)verheiratete Person auf das andere Geschlecht? Fixiere ich mich gleich auf körperliche Merkmale oder habe ich meinen Blick im Griff? – Möglicherweise habe ich spontan Interesse diesen Menschen kennen zu lernen. Aber was denke ich mir dabei? Habe ich wirklich Interesse an der Person als solcher? Oder habe ich mein Gegenüber bereits zum Objekt meines Ego, meiner Lust und meiner Selbstsucht gemacht? Hier zeigt sich die klare Alternative zwischen Egoismus und Hingabe.

Dazu ein kleines Beispiel mitten aus dem Alltag: Immer wieder lädt der Sommer dazu ein, luftigere Kleidung an den Tag zu legen. Besonders junge Damen machen gerne extensiv davon Gebrauch. Nicht nur in puncto Kleidungsstil und Freizügigkeit hat unsere Gesellschaft seit den 1970er-Jahren einen massiven Wandel vollzogen. Was früher noch der (längere) Rock war, ist mittlerweile der Minirock, dessen Saum oberhalb des Knies der Trägerin endet. Hier geht es natürlich in erster Linie nicht um Frischluft, sondern vor allem um „Sexappeal“, zumal der Minirock meist so geschnitten ist, dass er besonders körpernah anliegt und die Konturen der Frau zum Ausdruck bringt. Einige Damen gehen sogar noch weiter und zeigen nicht nur nackte Oberschenkel, sondern entblößen auch gerne einmal einen kleinen Ausschnitt ihres Hinterteils oder ihrer weiblichen Scham („Hot Pants“). Gleiches gilt für den weiblichen Busen, der im erotischen Dekolleté und im tiefem Ausschnitt präsentiert wird. „High Heels“ mit Absätzen von über 10 cm bringen Brust – Blickfang Nr. 2 – und Po – Blickfang Nr. 1 – dann noch einmal richtig in Form.

Die Innensicht der Dame, die sich so kleidet, ist die eine Sache. Sie wird wohl wissen, was sie damit vorhat und welche Blicke sie ernten will. Und sie wird sie auch ernten. So mancher Mann dreht sich angesichts der attraktiven Passantin um und gafft der leicht bekleideten Dame hinterher. Minirock-Trägerinnen sollte man aber auch nicht allzu viel unterstehen. Vielleicht greift die Dame auf freizügigere Kleidung zurück, weil sie es heute einfach für normal hält – oder aber aus einer Gruppendynamik bzw. Erwartungshaltung heraus, der die Dame gerecht werden möchte.

Die entscheidende Frage lautet: Wie gehen wir damit um? Lassen wir uns von unseren Trieben beherrschen und sehen uns – wie viele unserer Zeitgenossen – an ihrem Körper satt? Oder aber beherrschen wir unsere eigenen Triebe und schenken ihr ein freundliches Lächeln, ohne bestimmte Körperteile in den Blick zu nehmen? Machen wir uns nichts vor: Jeder muss damit kämpfen, seine Sinne unter Kontrolle zu haben. Insofern müssen wir uns gar nicht schämen, wenn uns das nicht immer leicht fällt. Das Entscheidende ist, dass wir uns wirklich aufrichtig darum bemühen zu kämpfen und den Kampf gegen die Versuchungen des Teufels möglichst früh aufnehmen. Wer sich an jeder leicht bekleideten Dame „aufgeilt“, braucht sich später nicht zu wundern, wenn er Probleme im Umgang mit seiner eigenen Sexualität bekommt. Die Gedanken sind das Schlachtfeld des Teufels.

Angesichts der zahlreichen Versuchungen des Alltages sollten wir uns aber auch nicht vor der Welt verstecken. Wichtig ist, dass wir nicht einfach nur vor dem Bösen fliehen, sondern das Böse mit dem Guten bekämpfen. Ganz konkret: „Betet ohne Unterlass!“ (1 Thess 5, 17) Wenn wir etwa an einer hübschen jungen Dame vorbeigehen, so haben wir die Chance, für sie und ihre heilige Reinheit zu beten. Wohl kaum ein anderer wird dies tun. Doch unser Gebet ist Beweis dafür, dass wir wirklich verstanden haben, was wahre Liebe bedeutet.

In der Bergpredigt hören wir von einer „krassen“ Verschärfung des sechsten Gebotes durch den Herrn: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch begangen“ (Mt 5, 27). Dieses neue Gebot Jesu, das letztlich im Liebesgebot gründet, wird für viele von uns eine Herausforderung sein, möglicherweise sogar eine Zumutung, können wir doch unsere Sinne, Gefühle und Triebe nicht einfach abschalten. Wir leben in einer sexualisierten Welt – und nicht nur auf offener Straße begegnen wir halbnackten Damen. Doch Jesus mutet uns sein „neues Gebot“ zu, weil er uns vertraut und uns letztlich nur helfen möchte, uns von unserer Selbstsucht zu lösen.

Wir können uns gut vorstellen, wie die kleine Geschichte, von der Jesus berichtet („Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht“), enden könnte. Handelt es sich hier um eine verheiratete Frau, läuft der unreine Blick des Mannes ohnehin ins Leere – oder aber in die schwere Sünde. Wer sich nicht auf die Gebote Gottes einlassen möchte, ist im letzten Moment auch bereit, sich selbst mit seinen eigenen Interessen über das Glück und den Ehebund anderer zu stellen. Doch der fehlgeleitete Blick des Mannes, von dem der Herr berichtet, gefährdet letztlich nicht nur die eheliche Treue und die heilige Reinheit der „angegafften“ Frau, sondern schließlich auch das Wohlergehen des Mannes. Wer sich zum Sklaven seiner eigenen Gefühle, Regungen und Triebe macht und machen lässt, der Blick schließlich nicht mehr auf Christus, sondern nur noch auf sich selbst.

Er wird zu seinem eigenen Gefangenen und zum Süchtigen seiner selbst. Wir können uns gut ausmalen, dass der Mann, von dem im Evangelium die Rede ist, letztlich nicht glücklicher sein wird als seine Zeitgenossen. Ganz im Gegenteil: Der Mann versteigt sich in etwas hinein, das möglicherweise gar nicht in Erfüllung gehen wird. Ob die Dame ebenso Interesse an ihrem Beobachter hat, wird sich zeigen. Ob der Mann wohl mit der (negativen) Entscheidung der Frau so glücklich sein wird? Er bleibt gefangen in einer Welt aus Wunschträumen und Phantasien seiner Selbstsucht.

An dieser Stelle zeigt sich übrigens eine interessante Grundstruktur der Sünde: Die Sünde will nicht die Freiheit, sondern die Unfreiheit. So ist es dem unreinen Blick letztlich egal, ob das „Objekt der Begierde“ etwas will oder nicht will. Hier unterscheidet sich die Sünde auch von der Liebe: Die Liebe liebt ohne Hindergedanken und Erwartungen. Sie ist selbstlos und übersteigt sich selbst. Sie will eigentlich nur das Wohl des anderen, seine Freiheit und sein Glück. Darum nimmt sich die Liebe auch selbst zurück und ist bereit zum Verzicht. Dies alles ist der unreine Blick des Mannes nicht: Er begehrt, er möchte besitzen, er möchte beherrschen, er will eigentlich gar nicht das Wohl des Gegenübers, sondern strebt nur nach Befriedigung. Darum bedeutet der unreine Blick auch „Ehebruch im Herzen“: Wer eine Frau so ansieht, hat sie schon längst ihrer Würde als Person beraubt, im Herzen erniedrigt und missbraucht.

1Vgl. dazu Gabriele Kuby, Die globale sexuelle Revolution. Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit, Kißlegg 2012.

7 Kommentare

  1. Die Frauen sollen ihre Weiblichkeit bewahren; und die Männer ihre Männlichkeit. Abtreibungen gehören verboten. Es darf keine Homo-Ehe geben.
    Es ist unsinnig, zu einem „Vater im Himmel“ zu beten. Wir brauchen eine naturverbundene Spiritualität. Auf der ersten Stufe Mudras und Ereignisdeutung (z. B. Astrologie). Auf der zweiten Stufe Traumsteuerung und Traumdeutung.
    Es ist gut, dass sich die Zahl der Veganer in nur 6 Jahren verzehnfacht hat. Zudem verschwindet der Winter in Deutschland zunehmend. Der Dezember 2015 war 6,5 °C warm.

  2. 3.

    >> Möglicherweise habe ich spontan Interesse diesen Menschen kennen zu lernen. Aber was denke ich mir dabei? Habe ich wirklich Interesse an der Person als solcher? Oder habe ich mein Gegenüber bereits zum Objekt meines Ego, meiner Lust und meiner Selbstsucht gemacht? Hier zeigt sich die klare Alternative zwischen Egoismus und Hingabe.

    Nö, gerade das zeigt sich hier nicht – aber schon gleich gar nicht, sondern hier zeigt sich die Komplexität des Menschseins. Hier zeigt sich eine ziemlich komplizierte Gemengelage aus großteils wohl legitimer Selbstliebe und großteils legitimer (wenn man so will) Nächstenliebe (und von dem, was man Hingabe nennt, noch recht wenig)…

    Übrigens: Wir wollen doch jetzt nicht wirklich behaupten, daß es eine Sünde sein soll, als mit einer Frau auch oder vor allem deshalb ins Gespräch kommen zu wollen (wobei wir sittliches Verhalten als Selbstverständlichkeit annehmen wollen), weil sie gut aussieht?

    Auch – und sollte ich vielleicht unrealistisch sagen: gerade – dann, wenn man zu Anfang „wir wollen keine Gebots- und Verbotsliste“ sagt, sollte man nicht allerlei Dinge als geboten und verboten verkaufen, die das gar nicht sind.

    >>Wenn wir etwa an einer hübschen jungen Dame vorbeigehen, so haben wir die Chance, für sie und ihre heilige Reinheit zu beten.

    (Wohlgemerkt: von „leichtbekleidet“ war zwar in den Vorabsätzen, hier aber speziell nicht die Rede!)

    Dem kann man theoretisch nicht wiedersprechen. Ein Dankgebet an unseren lieben Herrgott, daß Er so schöne Frauen gemacht hat, wäre aber ehrlich gesagt der näherliegende Gedanke… und das Gebet um die Reinheit – wie gesagt: Menschsein ist kompliziert – wird man es wohl von einem unterschwelligen Vorwurf, wenn man ihn auch nach außen verbirgt, freihalten können?

    >>In der Bergpredigt hören wir von einer „krassen“ Verschärfung des sechsten Gebotes durch den Herrn: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch begangen.“

    Erfreulicherweise ist das Herrengebot vollständig zitiert. Ob es, wie man gerne sagt, eine (mehr oder weniger krasse) Verschärfung (wie später das Scheidungsverbot) oder aber eine Auslegung dessen, was im mosaischen Gesetz immer schon drinsteckte, war…

    Jedenfalls sagte unser Heiland genau, was er unter einem lüsternen Blick verstand: im Herzen den Ehebruch begehen wollen. Daß es nicht tatsächlich passiert ist, nimmt die Sünde nicht hinweg. Ein wohlgefälliger Blick „diese Frau sieht gut aus“, ist damit nicht gemeint. Und auch dem anhimmelnden Blick – sogar dann, wenn er in Gedanken *tatsächlich* zu weit geht und vielleicht sogar gebeichtet werden sollte; auch da, wo das Wort des Heilands „hat im Herzen mit ihr die Ehe gebrochen“ tatsächlich anwendbar wäre – würde ich nicht unbedingt einen Mißbrauch der Angehimmelten, im Herzen oder sonstwo, unterstellen. Auch ein Ehebruch ist nicht gleich eine Vergewaltigung, im Herzen oder sonstwo.

    >>Die Liebe liebt ohne Hindergedanken und Erwartungen. Sie ist selbstlos und übersteigt sich selbst. Sie will eigentlich nur das Wohl des anderen, seine Freiheit und sein Glück.

    siehe oben: Die Liebe wird in der Regel, und darf ohne Zweifel, das eigene Wohl schon auch wollen. Und wenn es dasjenige eigene Wohl ist, das darin besteht, sein Geschenk angenommen zu wissen (wann freust du dich an Weihnachten mehr? wenn du die Geschenke auspackt oder wenn der andere deine Geschenke auspackt…) – denn auch das ist ein eigenes Wohl.

    Um noch eine Spitze draufzusetzen: Die Ehe ist ein Symbol der Beziehung Christi mit seiner Braut, der Kirche… und auch der Herrgott will von seiner Kirche geliebt werden und, so sagen alle religiösen Leute, freut sich an dieser Liebe.

    – So viel mal als, leider etwas kritischen^^, Kommentar.

  3. Dem Artikel würde ich gerne in einer Menge von Details widersprechen. [Schärfe im Ausdruck dient ausschließlich dem, daß der Kommentar nicht *noch* länger wird.]

    >>Es wäre ziemlich töricht, diese Frage, die der katholischen Kirche ja täglich gestellt wird, mit einer Liste von Ge- und Verboten zu beantworten – oder aber haarscharf abgrenzen zu wollen, was denn nun davon lässliche oder schwere Sünde [ich ergänze: und was vielleicht nicht ideal, aber erlaubt] ist.

    Doch, gerade das ist notwendig und gerade das wird heute von „beiden Parteien“ viel zu sehr vernachlässigt.

    Die kirchliche Moral beansprucht, für alle zu gelten (im großen und ganzen) – die kirchliche Moralverkündigung richtet sich aber primär an die katholischen Gläubigen. Denen als solchen braucht man nicht unbedingt mit Motivationsreden kommen, warum sie die Moral halten sollen sollen. Bei denen als solchen rennt man damit offene Türen ein: „das nehmen wir uns doch sowieso vor!!“ Was die viel mehr brauchen, ist eine Hilfestellung, was das dann denn genau heißt.

    Auch um den Mitmenschen und, seien wir ehrlich, dem eigenen inneren Schweinehund bzw. Heidenagnostiker überzeugend vorleben zu können, daß *soo* anstrengend-ächz-seufz das christliche Leben denn nun auch wieder nicht ist.

    Und wenn das Kind einmal in den Brunnen gefallen ist, was ja gerade bei den kleineren und ggf. (mangels voller Willenszustimmung z. B.) läßlichen Sünden im sechsten Gebotsbereich durchaus des öfteren vorkommen soll…

    dann ist es für den einzelnen Christen in seinem religiösen Leben *essentiell*, einigermaßen die schwere von der läßlichen Sünde unterscheiden zu können. „Kann ich am Sonntag kommunizieren?“ „Muß ich gleich beichten oder reichts beim nächsten Termin – der kann ja etwas früher sein…“ „Muß ich das Gefühl haben, eine ungebeichtete schwere Sünde vor mir herzutragen…?“

    Es tut mir ja leid, aber das *sind* Probleme des Katholiken, die leider auch dadurch nicht verschwinden, daß (ceterum censeo) Kasuistik unmodern ist…

    es mag töricht sein, diese Fragen zum Gegenstand einer medienwirksamen Kampagne zu machen, ich kann das nicht beurteilen, aber an sich töricht ist das sicher nicht.

    Und der Nichtkatholik? Sorry, aber den *interessiert*, wenn ihn überhaupt etwas interessiert, genau das Folgende: was erlaubt die Kirche denn nun? Und was verbietet sie?

    Das schließt die Art von Nichtkatholik ein, der vielleicht gerade schön langsam schwant, daß das Christentum doch wahr sein könnte, und der halb-unterbewußt irgendwo abwägt, wieviel das Christsein ihn denn kosten würde. Dem darf man unter keinen Umständen irgendeine Härte verschweigen, aber man sollte ihm ebenso unter keinen Umständen den Eindruck machen, es sei härter, als es tatsächlich ist. Und wenn sojemand dann liest,

    >>In erster Linie ist die Kirche daher auch weder Moralapostel noch Moralanstalt.

    und

    >>„Gott sieht nicht so sehr darauf, was geschieht, sondern auf die Art, wie es geschieht.“

    (der hl. Franz von Sales wollte damit sicher nicht die objektive und subjektive Sünde leugnen),

    dann aber feststellt: „und trotzdem bleibt es bei diesen ganzen Vorschriften“, dann muß er sich doch – aus seiner Perspektive; und um kein schärferes Wort zu gebrauchen – verschaukelt vorkommen.

    • 2.

      >>Wenn junge Menschen diesen positiven Blick der Kirche auf die menschliche Geschlechtlichkeit verstanden haben, bedarf das sechste Gebot gar keiner Erläuterung mehr. Dann geschieht alles aus reiner Liebe und nichts aus Zwang.

      Nichts für ungut, aber daß man etwa die Treue auch dann noch halten muß, wenn eine Beziehung menschlich gesehen gescheitert ist… daß man die natürlichen Grenzen auch dann einhalten muß, wenn sie den eigenen Empfindungen leider wiedersprechen… daß man nicht nur an sich, sondern auch in, sagen wir, schlechter wirtschaftlicher Lage und in jedem einzelnen Ehevollzug für das Leben offen sein muß bzw. sich wenndann zwar die biologischen Verhältnisse zunutzemachen, aber keinesfalls mit Technik nachhelfen darf…

      nur ein paar Dinge, off the top of my head, die man zumindest noch „erläutern“ wird müssen.

      >>Der Mensch ist dazu fähig, sich einmal nicht in den Vordergrund zu stellen, sondern sich ein Leben lang treu an eine Person zu verschenken und mit ihr das „Abenteuer Leben“ zu wagen – in jeder Hinsicht.

      Bekanntlich gehören dazu zwei; es muß auch jemand das Geschenk annehmen. Nur mal so als Hinweis. – Übrigens: Im Geliebtwerden, in der Zweisamkeit, in den Freuden der Kindererziehung, auch im körperlichen Ehevollzug (der Ehe, nicht des unerlaubten Verhältnisses!), usw. usf., auch selber Genuß zu empfinden und diesen auch – der Sittlichkeit, versteht sich, untergeordnet – zu wollen ist keineswegs hingabewidrig und auch nicht selbstsüchtig, sondern zur Gänze erlaubt. Der Sexualtrieb gehört zur menschlichen Natur, die Gott gut geschaffen hat.

      (Die realistischen alten Morallehrer machten sich deshalb sogar Gedanken darum, daß der Mann einen gewissen Rechtsanspruch darauf hat, daß seine Frau mit ihm schläft und umgekehrt. Funfact: Das sieht auch das BGB so, und die Prozeßordnung notiert penibel: „Dieser Rechtsanspruch ist nicht vollstreckbar“…)

      >>„Wahre Liebe wartet“
      Die Initiative ist freilich löblich. Nichtsdestoweniger – hier ausdrücklich nicht als Kritik – folgende Bemerkung: eigentlich empfinden doch dann aber doch alle Liebenden: „Wahre Liebe kann es gar nicht erwarten“. Nur daß der Satz der Ergänzung bedarf: „Wahre Liebe kann es gar nicht erwarten, einander endlich zu heiraten“. (auch wenn dann die leidige Klugheit einen dazu bringt, ein bißchen halt doch noch zu warten und einstweilen, eh klar, sich im Brautstand sittlich zu verhalten. Apropos Brautstand: Die Italiener nennen noch „meine Verlobte“, was unsereiner „meine Freundin“ nennt.)

      >>Dass das gar nicht so leicht ist, erfahren Jugendliche in ihrem Alltag.

      Richtig; das ist aber etwas, das man in Kauf nimmt, und nicht an und für sich etwas Gutes.

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