Freitag, 29. März 2024

Thomistischer Gehorsam vs. jesuitischer Gehorsam und das Problem vieler „Neuer Geistlicher Gemeinschaften“

Gehorsam ist heute ein schwieriger Begriff. Er wird oft als Grund für alle Verbrechen der Soldaten im Dritten Reich angeführt. Aus diesem Grund und weil viele eigensinnige Menschen in Münster studieren, steht auf der Universitäts- und Landesbibliothek Münster in Großbuchstaben: „GEHORCHE KEINEM“.

Das ist natürlich kindischer, aus Steuergeld finanzierter Moralismus. Ohne Gehorsam kann kein Fußballverein, kein Unternehmen und keine Behörde arbeiten. Die Frage ist nicht: Gehorsam: Ja oder Nein. Die Frage ist: Welche Art von Gehorsam?

Und jetzt sind wir mitten im Thema. Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Gehorsam, die man sehr gut in thomistischen Gehorsam und jesuitischen Gehorsam unterteilen kann. Gleichzeitig zeigt dieser Unterschied, was das Problem von vielen so genannten „Neuen Geistlichen Gemeinschaften“ (NGG) ist.

Der thomistische Gehorsam ist der klassische Gehorsam. Nach Thomas ist er in etwa so: Ein Oberer im Orden erteilt einem Ordensbruder eine Weisung. Dieser führt sie aus. Ob der Ordensbruder die Weisung gut oder schlecht findet, ob er sie gerne oder widerwillig tut, spielt für Thomas hier keine Rolle. Gehorsam heißt nur, dass man Weisungen ausführt, weil man dazu verpflichtet ist. Das betrifft alle Befehle und Weisungen, die nicht klar gegen Gott und das Gemeinwohl der Kirche sind. Bei solchen Weisungen muss man den Gehorsam verweigern (mehr dazu: Rezension: Wahrer Gehorsam in der Kirche).

Anders ist der jesuitische Gehorsam. Nehmen wir das gleiche Beispiel: Ein Oberer im Orden erteilt einem Ordensbruder eine Weisung. Dieser führt sie aus. Wichtig ist dabei aber nicht nur, dass er sie ausführt, sondern auch, wie er die Weisung findet. Hier kommt bereits das neuzeitliche Denken ins Spiel, dass den Menschen nicht wie im Mittelalter als eingebettet in einen äußeren Ordnungsrahmen sieht, sondern bereits über sein Inneres verfügen will. Das Ich spielt eine größere Rolle. Es reicht nicht mehr aus, die Weisung nur zu befolgen, der Ordensbruder soll sie auch gut finden, sonst ist der Gehorsam unvollkommen, nicht gut. In vielen Fällen soll man sich sogar schuldig fühlen, wenn man die Weisung nicht gut findet und dies in einer Art Gewissenserforschung mitteilen. Diese Art von Gehorsam ist übergriffig, wie ein „Lauschangriff“ und ganz und gar abzulehnen, aber leider auch Alltag in vielen Neuen Geistlichen Gemeinschaften.

Bei solchem Gehorsam verschwimmen oft auch die in der Kirche bekannten Grenzen zwischen dem Forum internum und dem Forum externum. Diese Unterscheidung spielt vor allem in der Priesterausbildung eine Rolle und ist von fundamentaler Bedeutung für die geistige und psychologische Gesundheit. Sie ist ein Meisterstück kirchlicher Menschenkenntnis und absolut sinnvoll. Der Regens ist als Leiter und Führung das Forum externum. Alles was er erfährt, ist extern und kann im schlimmsten Fall die Entlassung aus dem Seminar bedeuten. Deshalb bespricht man mit ihm keine seelischen Probleme oder geht bei ihm nicht zur Beichte. Der Spiritual ist sowas wie eine Vertrauensperson, ein Beichtvater, er ist keine Leitung, er ist das Forum internum. Alles was er erfährt, ist intern. Er erzählt es nicht weiter und es führt nicht zu einer möglichen Entlassung im Seminar. So kann man seelische Nöte und Sünden sicher ansprechen und gleichzeitig für alle wichtigen externen Fragen den Regens konsultieren. Eine wirklich sehr gute Sache.

Wo so etwas nicht gegeben ist, kann ich nur eine Empfehlung geben: lauft weg, lauft so weit weg und so schnell ihr könnt! Vor allem von „Gemeinschaften“, die absolute Kontrolle und jesuitischen Gehorsam fordern. Das Seelenleben geht niemanden etwas an, darüber darf niemand verfügen. Man kann es von sich aus in der Beichte oder in geistlicher Begleitung, die absolut vertraulich sein muss, zum Thema machen. Wer das in anderen Fällen fordert, vor allem wenn Machtverhältnisse im Spiel sind, verdient nur eine Antwort: „auf Nimmerwiedersehen.“

4 Kommentare

  1. Auch von mir vollste Zustimmung zu dem Artikel.

    Danke für die klare Ausarbeitung bzgl. des rechten und des falschen weil übergriffigen Verlangens von Gehorsam.

    • Wenn ich allerdings recht kritisch nachdenke, gibt es da allerdings gewisse Probleme mit der Formulierung des Doppelgebotes der Gottes- und der Nächstenliebe:
      Du sollst Gott lieben … aus ganzer Seele … und mit Deinem ganzen Gemüt. Und: Du sollst Deinen Nächsten wie Dich selbst.
      Liebe(!) verordnen – geht das eigentlich wirklich und echt?

  2. Guter Artikel. Tatsächlich haben (neuere) geistliche Gemeinschaften hier eine Schwachstelle.
    Die beschriebene Gehorsamserwartung wird hier, so mein Eindruck, nicht selten von Leitungspersonen mit narzisstischen Zügen ausgenutzt.

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